Fenster ohne Aussicht: Tagebuch aus Tel Aviv – Dror Mishani

AutorDror Mishani
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 24. Juli 2024
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257073089

 „Nichts rechtfertigt das furchtbare Morden am 7. Oktober, aber ich denke, was wir vorher getan haben und auch jetzt noch tun, hilft uns ganz bestimmt nicht, die nächste Katastrophe zu verhindern. Und die Grausamkeit der Hamas am Schwarzen Schabbat rechtfertigt nicht retroaktiv die langen Jahre drakonischer Kontrolle über das Leben der Palästinenser.“ (Zitat Pos. 742)

Thema und Inhalt

Dror Mishani nimmt am 7. Oktober 2023 gerade an einem Krimifestival in Toulouse teil, als seine Ehefrau Martha ihn anruft und ihm die Luftangriffe aus Gaza schildert. Raketen auf Tel Aviv sind nichts Ungewöhnliches, doch diesmal ist es anders und bald ist klar, das ist keiner der üblichen Angriffe, das ist wieder Krieg. Soll Mishani in Frankreich bleiben und Flugtickets für seine Familie besorgen, er überlegt nur kurz, entscheidet sich, nach Israel zurückzukehren. Zu Hause beginnt er, ein Tagebuch zu schreiben, schildert die aktuelle Situation, die Versuche, dennoch den Alltag zu leben. Mishani schreibt über die Gespräche und Diskussionen innerhalb seiner Familie. Einfühlsam, aber teilweise auch ratlos, beschreibt er am Beispiel seiner beiden Kinder, wie Jugendliche versuchen zu vestehen, was gerade passiert und ihre unterschiedliche Art, mit der Situation umzugehen. Er beobachtet, schaut nicht weg, sieht das große Leid auf beiden Seiten. Auch die Spaltung, die durch israelische Gesellschaft geht, ist für ihn ein wichtiges Thema. Gerade von Kulturschaffenden wird erwartet, dass sie nicht nur die Angriffe der Hamas verurteilen, sondern die israelischen Gegenschläge befürworten, eine Meinung, die Dror Mishani nicht teilen kann.

Aus den Berichten über einzelne Schicksale erwachsen in seiner Vorstellung Themen, Figuren und Ideen für neue Artikel und der Stoff für einen neuen Kriminalroman, der während dieses Krieges spielen soll. Er liest, sammelt Artikel, recherchiert. Sein Tagebuch endet mit dem Abgabetermin des Verlages und so ist es eine Geschichte mit einem offenen Ende.

Umsetzung

Das Tagebuch ist in sechs Abschnitte gegliedert, die jeweils mit einer Überschrift und einer Datumsangabe versehen sind. Teil I beginnt am 7.10.2023 und Teil VI endet am 10.03.2024. Die Einträge umfassen neben den jeweiligen Episoden mit persönlichen Erlebnissen auch Gedanken, Notizen und Ausschnitte aus Medienberichten. Am Ende das Buches finden sich ein kurzer Epilog, ein Zitatnachweis und eine kurze Biografie von Dror Mishani.

Fazit

Dror Mishani schreibt authentisch aus dem Alltag in Tel Aviv, der dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 folgt. Er ist ein genauer Beobachter, informiert sich umfassend über das Geschehen auf beiden Seiten und so ist dieses Buch auch ein eindringliches Plädoyer für den Frieden, damit dieses kaum in Worte zu fassende Leid aller Betroffenen ein Ende hat.

Seiten Wechsel – Johanna Hansen und Wolfgang Allinger

Autor-AutorinJohanna Hansen und fünf weitere
VerlagWORTSCHAU VERLAG
DatumNovember 2022
AusgabeBroschiert
Seiten204
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinnenJuliane Gräbener-Müller, Nicole Nau
ISBN-13978-3-944286-39-6

„Angelika Overath hat mich durch ihr Buch auf die Idee gebracht, vier Autorinnen und Autoren zu einem Projekt einzuladen, bei dem wir simultan an verschiedenen Ecken der Welt an einem gemeinsamen Tagebuch schreiben.“ (Zitat Seite 21)

Thema und Inhalt

Sechs europäische und amerikanische Autoren und Autorinnen schreiben an einem vorher bestimmten Tag zwischen 2019 und 2022 ihre Notizen darüber, wo sie diesen Tag verbrachten, woran sie gearbeitet und was sie erlebt haben, dazu ihre Gedanken und besonderen Eindrücke. Dabei konnten sie jeweils frei entscheiden, ob sie autobiografisch über tatsächlich Erlebtes schreiben wollten, oder einen autofiktionalen, poetischen Text. Ihre Tagebuchnotizen teilen in diesem Buch mit uns: Kathrin Schadt – Barcelona, Gundega Repše – Riga, David Eisermann – Bonn, James Hopkins – Kathmandu, Davis Oates – Portland/Oregon und Johanna Hansen – Düsseldorf.

Umsetzung

Die Tage wurden in einem Abstand von jeweils etwa einem halben Jahr gewählt und auch die Wochentage variieren von Montag bis Sonntag. Es wurde jedem Tag ein Thema zugeordnet, welches ebenfalls für alle Teilnehmenden galt, zum Beispiel Glück, Kälte, Fernweh, Abschied, Sehnsucht. Der erste Eintrag ist vom Montag, 1. Juli 2019, der nächste vom Dienstag, 24. Dezember 2019, es folgen Mittwoch, der 27. Mai 2020, Donnerstag, der 31. Dezember 2020, Freitag, der 25. Juni 2021, Samstag, der 1. Januar 2022 und schließlich Sonntag, der 10. Juli 2022. Besonders die Vielfalt der Texte und Herangehensweisen, von Prosa bis Gedicht, als Tagebuch, teilweise sogar genauer Zeitangabe, oder als absolutes Gegenteil autofiktional-irreal, und die unterschiedlichen Orte und Situationen, an denen die Texte entstanden sind, machen diese Tagebuchnotizen so interessant und spannend zu lesen. Verstärkt und teilweise geprägt wurden die Themen durch die nicht vorhersehbare Ausnahmesituation auf Grund von Corona und alle damit verbundenen Einschränkungen, das Neu-Erleben nach dem Ende des Lockdown, die Wahrnehmungen der sich deutlich abzeichnenden Klimakrise, sowie den Eintrag vom 10. Juli 2022 der lettischen Autorin.

Die Texte werden, über das Buch verteilt, durch Fotografien der Arbeitsplätze und Notizen der teilnehmenden Schriftsteller und Schriftstellerinnen ergänzt. Im Anhang finden sich die Kurzbiografien, ebenfalls mit Foto.

Fazit

Ein spannendes Projekt das ich durch Zufall entdeckt habe. Rasch habe ich unter den Schreibenden meine persönlichen Favoriten gefunden, auf die ich mich in jedem weiteren Abschnitt besonders gefreut habe.

Dieses broschierte Buch ist nur direkt beim WORTSCHAU Verlag erhältlich, kann auf der Verlagsseite problemlos bestellt werden. Eine kleine Mühe, doch sie wird durch ein interessantes, vielseitiges und außergewöhnliches Leseerlebnis belohnt.  „Was alle vereinte und auch den tieferen Anlass des Seitenwechsels ausmachte, war der genaue Tag, auf den alle sich bezogen. Das öffentliche, private oder fiktionale Geschehen dieses Tages, an den jeweiligen Orten, mit seinen Chancen, Gefahren und Krisen geben den gemeinsamen Fokus vor.“ (Zitat Seite 3, 4 – Vorwort)