Nichts als Himmel – Peter Henisch

AutorPeter Henisch
VerlagResidenz Verlag
Datum14. August 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten232
SpracheDeutsch
ISBN-13 978-3701717767

„Als ich hier angekommen bin, auf dem Parkplatz vor der Stadtmauer, hat die Luft über dem Asphalt gezittert. Jetzt fallen schon die Blätter von den Platanen.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Paul Spielmann hat nach seiner Scheidung, fünfundfünfzig Jahre alt, auch seine feste Stelle als Lehrer für Mathematik und Musik gekündigt. Schon mehrmals haben ihm seine Therapeutin Julia und deren Ehemann Marco angeboten, in ihrer italienischen Ferienwohnung in San Vito eine Auszeit zu nehmen. Als Pauls Comeback als Liedermacher scheitert, nimmt er das Angebot an. Obwohl er rasch bemerkt, dass es nicht mehr das verträumte San Vito ist, von dem Julia und Marco schwärmen, sondern ein von italienischen Touristen überlaufenes Städtchen, findet er auf der Terrasse über den Dächern Ruhe, beobachtet die Vögel, besonders ein Taubenpaar, und die Wolken. Bis eines Tages Abdallah vom Dach auf die Terrasse springt, auf der Suche nach einem sicheren Unterschlupf.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um eine Lebenskrise, Stillstand, eine Auszeit, um die Suche nach einer möglichen persönlichen Zukunft. Themen sind der italienische Sommer nach der Pandemie, Freundschaft, der politische Rechtsruck in Italien und das Leben der Flüchtlinge, die über das Meer nach Italien kommen.

Charactere

„Wer bist / DU?, wiederholen sie, wer bist / DU? Wer bist / DU? Ich bin Paul, sage ich, aber sie scheinen mir nicht zu glauben.“ (Zitat Seite 22) Nicht nur die Tauben fragen Paul, wer er ist, auch er selbst stellt sich diese Frage während der Wochen, die er auf dieser Terrasse mit dem Blick über die Dächer in die Weite der Landschaft verbringt.

Erzählform und Sprache

Paul selbst schildert diese Zeit in San Vito als Ich-Erzähler in der Gegenwart, etwa Sommerende, und beginnt chronologisch mit seiner Ankunft Ende Mai. Er lässt uns an seinen Begegnungen mit besonderen Menschen teilhaben, die er in San Vito trifft, und vor allem an seinen genauen Beobachtungen der Natur, die ihn mit immer neuen Facetten erstaunt und fasziniert. Durch seine Gedanken, Sorgen, sein Verhalten und seine Entscheidungen erfahren auch wir immer neue Details über ihn. Die Sprache erzählt leise, einfühlsam, in den Beschreibungen lebhaft und anregend.

Fazit

Eine aktuelle Geschichte über einen Stillstand im Lebenslauf, nachvollziehbar und wohl vielen von uns bekannt, dazu italienisches Lebensgefühl und brisante politische Themen.

Das Buch (Dinge des Lebens) – Jochen Jung

AutorJochen Jung
Verlag Residenz Verlag
Erscheinungsdatum 13. September 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten64
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3701735648

„Ich fahre immer gerne auf Buchmessen, denn mehr überraschende Angebote als auf Buchmessen kann einem keine Bibliothek und kein Buchhändler vorlegen.“ (Zitat Seite 10)

Thema und Inhalt

Ein kleines Buch aus der Serie „Dinge des Lebens“. Hier schreibt jemand, für den Bücher tatsächlich zum täglichen Leben gehörten und auch heute noch gehören. Der Germanist, Schriftsteller und Verleger Jochen Jung war zunächst Lektor, später Geschäftsführer des Residenz-Verlages und gründete im Jahr 2000 den eigenen Jung-und-Jung-Verlag. Hier nun schildert er seine persönliche Beziehung zum Buch, in diesem Fall aus Überzeugung zum gedruckten Buch.

Umsetzung

In kurzen Essays erzählt Jochen Jung aus seinem Leben als Verleger und Leser, schreibt über Bücher, die ihn geprägt haben und über Begegnungen mit Autoren und Autorinnen. Es geht um die Vielfalt der Themen, Geschichten, um die unterschiedlichen Figuren und die Textsprache von Romanen, auch der Lyrik widmet er ein Kapitel. Doch wir erfahren auch Interessantes über die praktische Seite des Verlagswesens, zum Beispiel eine sachliche Erklärung zur Preisgestaltung von Büchern. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Vielfalt der Bücher, den Erfahrungen beim Lesen und der besonderen Vorfreude und Neugier, die uns erfasst, wenn wir die erste Seite eines neuen Buches aufschlagen und zu lesen beginnen.

Fazit

Dieses kleine Buch birgt eine Fülle von Anregungen und klugen Aussagen für jeden und jede Lesebegeisterte. So schreibt er über Autoren und Autorinnen: „Es versteht sich: Das Herz eines Buches ist immer eines, das vorerst in einem Menschen schlägt.“ (Zitat Seite 25). Ich selbst habe dieses Buch durch Zufall auf einer Buchmesse, der BuchWien entdeckt und mir selbst geschenkt, denn es ist das perfekte Geschenk für alle Lesenden.

Über allem und nichts – Gunther Neumann

AutorGunther Neumann
Verlag Residenz Verlag
Erscheinungsdatum 18. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3701717262

„Alte Kreise öffnen sich, mit der Zirkelspitze am Staffelsee. Sri Lanka. Ozean., kein See. All die Jahre hatte sie die Kreise immer weiter gezogen, der Kern der hart gewordenen Erinnerung hatte dabei festgesteckt.“ (Zitat Pos. 2714)

Inhalt

Clara Fink, bald siebenunddreißig Jahre alt, träumte schon als Kind von fernen Ländern, grenzenloser Freiheit und vom Fliegen. Heute ist sie Berufspilotin bei einer spanischen Billigfluglinie, als Copilotin für Maschinen wie die Boing 777 ist sie ehrgeizig und zielorientiert auf dem Weg zur Beförderung zum Flugkapitän. Die knappen Stunden zwischen den Flügen reichen nicht aus, um irgendwo innezuhalten und so wie zwischen den unterschiedlichen Destinationen rund um den Globus, pendelt sie auch im Privatleben ruhelos zwischen zwei Männern: Matthias, Anwalt in München, der sie umsorgt und sich mehr gemeinsame Zeit wünscht, wodurch sie sich eingeengt fühlt, und dem dominanten, manipulativen Gabrio Estevez in Madrid, ihrem ehemaligen Fluglehrer. Als sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommt, nimmt sie zwei Wochen Urlaub, findet ein günstiges Ticket nach Colombo, packt ihre Sachen in Motorrad-Satteltaschen und fliegt auf die Insel, die sie seit elf Jahren gemieden hat. Diese Reise durch das noch immer vom Bürgerkrieg gezeichnete Sri Lanka wird für sie eine Reise durch ihr bisheriges Leben, Zeit, sich ihren verdrängten Erinnerungen zu stellen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um prägende Erfahrungen und das Schweigen darüber, Familie, Beziehungen. Wichtige Themen sind die Situation von erfolgreichen Frauen in männerdominierten Berufen und Sri Lanka als Beispiel steht für globale Konfliktsituationen, Bürgerkriege als Gegenpol zu großartiger Natur.

Charaktere

Das Leben der Pilotin Clara ist von moderner Rastlosigkeit geprägt. Von der Großmutter hat sie gelernt, dass man über schlimme Erlebnisse nicht spricht, dieses Schweigen bestimmt Claras Leben. Sie wird Pilotin, weil sie die Welt sehen will, aber im intensiven Berufsalltag sieht sie nur mehr die austauschbaren Flughäfen. Erst als ihre Erinnerungen ihr bis ins Cockpit folgen, erkennt sie, dass sie sich der Vergangenheit stellen muss.

Handlung und Schreibstil

Der Roman beginnt mit ihrem Flug nach Sri Lanka am Anfang ihres vierzehntägigen Urlaubs. Vor elf Jahren war Sri Lanka ihre erste Tropendestination als Flugbegleiterin gewesen. Damals war der Tamile Surya, eigentlich Lehrer, ihr Fahrer gewesen, der ihr die Insel gezeigt und über dieses Land erzählt hatte. Jetzt mietet sie nach der Landung in Colombo ein Motorrad und beginnt ihre Reise über die Insel. Die chronologisch erzählte Jetztzeit mit Schilderungen der Landschaft und der Menschen, die Clara begegnen, wird durch Erinnerungen unterbrochen. Es sind Bruchstücke ihres Lebens, die ungeordnet auftauchen, dazwischen Träume, Sehnsüchte, Gedankenkreise, die Männer in ihrem Leben. Ihre stillen Beobachtungen der tropischen Natur enden in Parallelen zu ihrer Kindheit, ihre Familie, Sommer am Staffelsee. Blumen führen ihre Gedanken zu Gabrio, zu Matthias, verbunden damit ihr erfolgreicher beruflicher Werdegang. Sie verlängert den Urlaub um einige Tage, doch die Hoffnung auf einen Neubeginn endet bei den Vorsätzen.

Die eindrückliche Sprache wechselt zwischen poetischen Schilderungen und rasant-kurzen Momentaufnahmen, man spürt die atemlose Getriebenheit der Hauptfigur. Diese Mischung zieht uns Leser rasch in den Sog dieser Geschichte einer starken, im Beruf zielorientierten Frau, die im realen Leben eine Suchende, eine rastlose Nomadin bleibt.

Fazit

Es ist beeindruckend, wie es auch diesem Autor der modernen Gegenwartsliteratur gelingt, eine kraftvolle, lebendige, absolut authentische Frauenfigur zu schaffen und ihre Geschichte einfühlsam, intensiv, packend und glaubhaft zu erzählen, verbunden mit einer bildgewaltigen Reise und Sprache.