Schecks Bestsellerbibel: Schätze und Schund aus 20 Jahren – Denis Scheck

AutorDenis Scheck
Verlag Piper Verlag
Erscheinungsdatum 29. August 2024
FormatGebundene Ausgabe
IllustratorTorben Kuhlmann
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492072946

„Gute Literaturkritiker müssen genau wie gute Buchhändler und gute Bibliothekare auch über dieses intuitive Einschätzungsvermögen verfügen, welches Buch zu welcher Leserin, zu welchem Leser passt.“ (Zitat Seite 33)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist ein literarischer und zeitgeschichtlicher Rückblick auf die vergangenen zwanzig Jahre und zugleich eine fundierte Auseinandersetzung des Literaturkritikers Denis Scheck mit den monatlichen Spiegel-Bestsellerlisten Belletristik und Sachbuch.

Umsetzung

Schecks Bestsellerbibel beginnt treffend mit den zehn Geboten des Lesens, gefolgt von einem Vorwort, ein persönlicher literarischer Rückblick des Lesers Denis Scheck. Interessant ist die Liste der zehn meistverkauften Bücher aller Sprachen und Zeiten, erstellt im Jahr 2013, wobei alle religiösen Schriften und Comics  ausgenommen wurden.

Daran schließt der Hauptteil dieses Buches an. Jeder große Abschnitt umfasst ein Jahr von 2023 bis 2003, und beginnt mit einem Essay zu einem bestimmten Thema. Weit gefächert geht es um Literaturkritiker, Bücher als mögliche Therapie, Leser und das Lesen.

Alle Artikel, einer pro Jahr, schließen mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten Ereignisse des betreffenden Jahres, einer Aufstellung der Preisträger aller Literaturpreise, der im jeweiligen Jahr verstorbenen literarischen Persönlichkeiten und kurzen Statements von Denis Scheck zur Situation auf dem Büchermarkt.

Die detailliert besprochenen Spiegel-Bestsellerlisten beginnen mit der Sachbuch-Liste Februar 2023, der Belletristik-Liste März 2023 und schließen mit der Belletristik-Liste Juni 2003 und der Sachbuchliste November 2003 ab. Am Ende des Buches findet sich ein alphabetisches Namensregister alle genannten Autoren und Autorinnen.

Fazit

„Literatur ist Zauberei. Wortmagie. Für mich die größte Kunstleistung der Menschheit.“ (Zitat Seite 13) So ist auch dieses Buch eine magische, literarische Fundgrube mit vielen interessanten Informationen, eine kritische, und dennoch unterhaltsame, Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlich erfolgreichen belletristischen Massenmarkt der letzten zwanzig Jahre. Man muss mit Denis Scheck nicht immer einer Meinung sein, entdeckt durch ihn aber auf jeden Fall Bücher für die persönliche Wunsch-Leseliste, die man in der Vielfalt des Buchmarktes übersehen hatte.

Über Palästina – Hannah Arendt

AutorHannah Arendt
Verlag Piper Verlag
Herausgeber, NachwortThomas Meyer
Erscheinungsdatum 27. Juni 2024
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMike Hiegemann
ISBN-13978-3492073196

„Im Schatten dieses Konflikts wurde die Betrachtung des Flüchtlingsproblems von einer Reihe irrelevanter Streitpunkte und gewissermaßen ablenkender langfristiger Ziele überlagert, deren Diskussion sich in endlosen Komplikationen und gegenseitigen Schuldzuweisungen verlor.“ (Zitat Pos. 582)

Thema und Inhalt

Die beiden Texte aus den Jahren 1944 und 1958 stehen in einem direkten Zusammenhang mit der Situation in Israel und Palästina in den jeweiligen Jahren. Der erste Text ist ein Essay von Hannah Arendt, „Amerikanische Außenpolitik und Palästina“. Dieser Essay wurde von Thomas Meyer erst jetzt in einem Archiv entdeckt.

Der zweite Text ist ein Bericht mit dem Titel  „Das palästinensische Flüchtlingsproblem“. Dieser umfassende Bericht schildert die Situation der aus Israel vertriebenen und geflüchteten Palästinenser und schlägt Lösungsansätze für deren Rückkehr nach Israel vor. Verfasst wurde dieser zweite Text von einem eigens dafür eingerichteten Gremium zum palästinensischen Flüchtlingsproblem, dem Institute für Mediterranean Affairs. Diesem Gremium aus unterschiedlichen Fachleuten gehörte auch Hannah Arendt an, was Thomas Meyer ebenfalls erst jetzt, während seiner Recherchen, herausgefunden hat.

In beiden Texten geht es um die Situation im Nahen Osten, um Israel, Palästina und die Suche nach einer Lösung. Interessant ist vor allem die Herangehensweise des Expertengremiums, denn der Bericht listet nach einer Einleitung sechs nicht relevante Aspekte auf, die nicht geeignet sind, in dieser emotional extrem kritischen Konfliktsituation diskutiert zu werden. Dies sind vor allem die Fragen nach der Schuld, historischen Ansprüchen und die Frage, wer recht hat. Erst dann folgen die Daten, Statistiken, Fakten, eine kritische Beleuchtung der Problematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln und die Lösungsvorschläge.

Gestaltung

Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Thomas Meyer. Es folgt der Essay von Hannah Arendt. Daran schließen Texte und Kurzfassungen einzelner Gremiumsmitglieder an, dann der gesamte Text „Das Palästinensische Flüchtlingsproblem. Ein neuer Ansatz und ein Plan für eine Lösung“, der auch eine Chronologie der Ereignisse zwischen November 1947 und August 1958 enthält. Beide Texte werden durch Fußnoten mit erklärenden Details, vertiefenden Hinweisen und Anmerkungen des Übersetzers ergänzt. Mit von Thomas Meyer verfassten Kurzbiografien der Gremiumsmitglieder und einem ausführlichen Nachwort, ebenfalls von Thomas Meyer, mit ergänzenden Informationen zu Hannah Arendt und zu den beiden Texten, ebenfalls mit Fußnoten und Anmerkungen, endet das Buch.

Fazit

Diese beiden hochinteressanten Texte haben bis heute nichts von ihrer Brisanz und Aktualität verloren. Sie haben die Situation bereits 1944 und 1958 auf den Punkt gebracht und auch die Lösungsvorschläge sind zeitlos. „Doch auch wenn die Publikation vor über 65 Jahren erfolgte, lohnen die Lektüre und die Reflexion über die Ausführungen unbedingt. Es war noch nie klug, das Wissen und die Hoffnungen früherer Generationen zu ignorieren.“ (Zitat Pos. 4048) So formuliert es Thomas Meyer in seinem Nachwort, und besser kann man es nicht formulieren und begründen, warum dieses Buch gelesen werden sollte.

100 Autorinnen in Porträts: Von Atwood bis Sappho, von Adichie bis Zeh

AutorinnenVerena Auffermann
Julia Encke, Ursula März
Elke Schmitter, Gunhild Kübler
Verlag Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum 31. August 2023
FormatTaschenbuch
Seiten592
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492319485

„Also sagt Rachel Cusk es noch einmal anders, aber genauso unbequem. Schriftsteller sind dazu da, zu irritieren und zu spalten, und nicht, um Dinge zu sagen, die andere gerne hören wollen.“ (Zitat Seite 62, Rachel Cusk von Verena Auffermann)

Thema und Inhalt

Fünf bekannte Journalistinnen und Literaturkritikerinnen stellen in informativen, spannenden Essays einhundert Schriftstellerinnen aus mehr als zweitausendfünfhundert Jahren vor.

Umsetzung

Die Anordnung der einzelnen Artikel in diesem Buch richtet sich nach dem Geburtsjahr der jeweiligen Schriftstellerin und beginnt im Heute mit Leila Slimani, geboren 1981, um mit Sappho, geboren um 617 v.Chr. zu enden. Schon dieser ungewöhnliche Aufbau macht dieses Buch zu einer besonderen Lektüre, da es die Entwicklung der schreibenden Frauen rückwirkend und nachvollziehbar aufzeigt. Auch die internationale Vielfalt der verfügbaren Literatur wird durch diese ausgewählten Porträts sichtbar, wobei der Schwerpunkt auf dem zwanzigsten Jahrhundert liegt. Jeder Beitrag umfasst mehrere Seiten und ist per se ein Essay, da wir neben den Biografien vor allem die besonderen Eigenheiten, den Werdegang, die Konflikte und Erfolge im künstlerischen Wirken jeder der vorgestellten Frauen erfahren, und vor allem die Themen, die sie antreiben bzw. zu ihrer Zeit besonders beschäftigt haben. Durch die fünf unterschiedlichen Verfasserinnen der einzelnen Porträts entsteht auch hier eine lebhafte, ausdrucksstarke sprachliche Vielfalt.

Fazit

Ein breit gefächerter, interessanter Streifzug durch die weibliche Kultur- und Literaturgeschichte. Doch dieses Sachbuch ist wesentlich mehr, diese Auswahl von bekannten und weniger bekannten Schriftstellerinnen bietet eine Fülle von Wissen, sodass wohl auch jede versierte Leserin und jeder versierte Leser noch Neues über Schriftstellerinnen finden wird, von denen man bereits alles zu wissen glaubte. Ein packendes Lesebuch, das man mit Vergnügen von der ersten bis zur letzten Seite liest und das auch die persönliche Wunsch-Leseliste um einige weitere Titel ergänzt.

Das Ensemble – Aja Gabel

AutorAja Gabel
Verlag Piper
Erscheinungsdatum 3. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492058544

„Obwohl sie tief im Alltag der anderen verwurzelt waren (das Quartett war eine Art Lebenspartnerschaft) und manchmal nicht umhinkamen, sich einzumischen, drehten sich ihre Gespräche eher um Einsätze, Crescendos und Karrieren als um Liebesdinge.“ (Zitat Pos. 1057)

Inhalt

Schon während der Ausbildung haben sie sich gefunden und das Van-Ness-Quartett gegründet. Jana, Erste Violine, die meistens, und nicht nur in der Musik, den Ton und das Tempo vorgibt, Brit, die Zweite Violine, leise, im Leben manchmal pianissimo, doch wenn es im Ensemble darauf ankommt, ist sie präsent. Henry, Bratsche, das hochbegabte, jüngste Mitglied, denkt manchmal über eine Solokarriere nach und Daniel, Cello, der älteste der Gruppe, ist beinahe zwanghaft perfekt, ein großartiger Musiker, aber als Mensch anstrengend. Nach dem Abschlusskonzert am Konservatorium nehmen sie am Esterhazy-Quartett-Wettbewerb in Kanada teil, ein guter Platz wäre ein perfekter Start in eine erfolgreiche Zukunft. Doch persönliche Konflikte könnten sie auch musikalisch aus dem Takt zu bringen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Musik, um Erfolg als Künstler und die Frage, ob ein intensives Leben als Musiker noch Platz lässt für Beziehungen. Ein wichtiges Thema sind die völlig unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Mitglieder des Quartetts, sich daraus ergebende heftigen Diskussionen um musikalische Auslegungen und gleichzeitig die Liebe zur Musik als starkes Band, das sie zusammenhält und auch ihr Privatleben bestimmt.

Charaktere

Jana, Brit, Henry und Daniel sind sehr unterschiedlich in ihrem Herangehen an die Musik. Dennoch sind sie dann erfolgreich, wenn sie sich von der gemeinsamen Liebe zur Musik leiten lassen und so auch zu einem musikalischen Gleichklang finden. Die einzelnen Charaktere sind einfühlsam mit Liebe zum Detail geschildert und immer glaubhaft und stimmig. Die hohen persönlichen Anforderungen des Lebens als Musiker werden sehr realistisch, klar und keinesfalls idealisiert dargestellt, hier verstärkt durch die Zugehörigkeit zu einem Ensemble.

Handlung und Schreibstil

Der Roman folgt dem Ensemble chronologisch über mehr als fünfzehn Jahre lang, ist in vier Teile eingeteilt, wobei es in jedem Teil auch um bestimmte Musikstücke geht. Die personale Erzählform stellt in den einzelnen Kapiteln jeweils ein Mitglied des Ensembles in den Mittelpunkt, in Teil 1 und Teil 3 ist es abwechselnd Jana oder Brit, in Teil 2 und Teil 4 Henry oder Daniel. Dadurch ergeben sich für den Leser unterschiedliche Sichtweisen auf bestimmte Ereignisse, wodurch die Handlung intensiv erlebt wird. Musik und Leben im Alltag von Partnerschaften und Familie werden so zu einem facettenreichen Gesamtbild, auch in der Sprache untermalt von Musik.

Fazit

Ein leiser, manchmal nachdenklicher Roman, Musik, die konstant durch alle Entscheidungen der Mitglieder eines Ensembles von Streichinstrumenten schwingt, um dann in einer Konfliktsituation zum Fortissimo aufzubrausen. Die Frage, ob ein intensives Musikerleben, der Wunsch nach Anerkennung und Erfolg, für ein erfülltes Leben ausreichen, ob ein Ensemble die Familie ersetzt, oder ob ein privates Parallelleben möglich ist, gibt in diesem Roman gleich einem Notenschlüssel den Ton an. Diese ungewöhnliche Idee, gekonnt umgesetzt, garantiert Lesevergnügen, nicht nur für Musikfreunde.

Das Sissi-Feuerwerk: Ein Ischl-Krimi (Materna & Konarek ermitteln 2) – Jenna Theiss

AutorJenna Theiss
Verlag Piper Spannungsvoll
Erscheinungsdatum 4. Juni 2019
FormatKindle
Seiten312 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07NS522W3

„Die sollten keine Operetten mehr aufführen, die Ischler, sondern glei den Tanz der Vampire oder die Rocky Horror Picture Show, wenn’s wegen dem Festival dauernd Mord und Totschlag gibt.“ (Zitat Position 850)

Inhalt

Operettenwochen in Bad Ischl und Chefinspektor Paul Materna hat einige unbeschwerte Urlaubstage mit seiner Freundin Josi Konarek in Bad Ischl geplant. Gezeigt wird eine geänderte Fassung der Operette „Das Feuerwerk“, in der auch die Kaiserin Elisabeth vorkommt. Für die Zirkusnummern auf Hochseil und Trapez wurden zwei erfahrene Akrobatinnen engagiert. Josi konnte bei den Proben zusehen, kennt beide Darstellerinnen, Yvonne und Antonella. Bei der Premiere tritt Yvonne auf und stürzt ab und gleichzeitig verschwindet Antonella. Bald ist klar, dass es kein Unfall war und der Urlaub ist für Materna zu Ende, bevor er richtig begonnen hat.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman mit Regionalbezug spielt in der oberösterreichischen Kaiserstadt Bad Ischl. Themen sind Operette, Sissi, Zirkus, aber auch Tierhaltung und Tierschutz. Natürlich geht es auch wieder um die schöne Stadt Bad Ischl und seine Bewohner.

Charaktere

Paul Materna hat es nicht leicht, als Ermittler will er den Fall lösen, andererseits hat er ein schlechtes Gewissen, weil er kaum Zeit für seine Freundin Josi hat. Dazu kommt noch, dass er nicht sicher ist, wie die verschwundene Antonella ins Gesamtbild passt. Auch Josi macht sich Sorgen, ermittelt auf eigene Faust und hat dadurch auch einige Geheimnisse vor Paul und dem offiziellen Ermittlerteam.

Handlung und Schreibstil

Die intensiven Ermittlungen finden während einer Woche statt, dadurch folgen die Ereignisse rasch aufeinander, teilweise auch gleichzeitig, da ja Paul und Josi parallel möglichen Spuren folgen. Ergänzt wird die Handlung durch erklärende Rückblenden. Datumsangaben über jedem Kapitel machen die Geschichte stimmig und nachvollziehbar. Die letzten drei Kapitel spielen drei Wochen später und runden die Ereignisse ab.

Die Geschichte wird spannend, mit viel Herz und Humor erzählt und liest sich mit Vergnügen.

Fazit

Ein spannender Kriminalroman mit Regionalbezug, der in der schönen Stadt Bad Ischl spielt, untrennbar mit Kaiser Franz Josef und Kaiserin Sisi verbunden. Auch wer noch nie in Bad Ischl war, kann sich die Stadt durch die lebendigen Beschreibungen sofort gut vorstellen. Ein sympathisches Ermittlerpaar, nämlich der Linzer Ermittler Paul Materna und die Berliner Wissenschaftsjournalistin Josi Konarek mit Dackel Poldi, garantieren unterhaltsame Lesestunden. Man muss den ersten Band nicht gelesen haben, wird dies nach der Lektüre aber vermutlich nachholen wollen.

Das Mädchen aus Brooklyn – Guillaume Musso

AutorGuillaume Musso
Verlag Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum 3. Juli 2018
FormatTaschenbuch
Seiten496
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492312776

„Ohne es zu wollen, hatte ich die Geister der Vergangenheit heraufbeschworen, die einen Sturm der Gewalt losgetreten hatte.“ (Zitat Seite 146)

Inhalt

IDer Thriller-Autor Raphaël Barthélémy ist mit der Ärztin Anna Becker verlobt. Neugierig auf ihre Vergangenheit, über die sie nie spricht, drängt er sie so lange, bis sie ihm ein Foto zeigt und ihm ein dunkles Geheimnis aus ihrem früheren Leben andeutet. Einige Stunden später ist sie verschwunden. Gemeinsam mit seinem Freund Marc Caradec, ein ehemaliger Polizist einer Spezialeinheit, macht Raphaël sich auf die gefährliche Suche nach Anna. Die Ermittlungen in Frankreich und New York führen zu einem Verbrechen, dessen Hintergründe nie aufgeklärt wurden und einflussreiche Personen wollen, dass dies auch so bleibt.

Thema und Genre

Ein packender Thriller um ein grausames Verbrechen in der Vergangenheit. Ein wichtiges Thema sind jedoch nicht die Taten selbst, sondern die weitreichenden Auswirkungen auf die Opfer, deren Familien und das gesamte Umfeld, vor allem dort, wo Taten vertuscht und nie aufgeklärt wurden. Schauplätze sind Paris und New York.

Charaktere

Die beiden Hauptprotagonisten sind Raphaël und Marc. Der Schriftsteller Raphaël, glücklicher, alleinerziehender Vater des kleinen Theo, verfolgt gemeinsam mit seinem erfahrenen Freund Marc intensiv alle Spuren, die ihn zu Anna führen könnten. Anna dagegen ist die Hauptperson des Erzählstranges aus der Vergangenheit, deren Geschichte im Zuge der Ermittlungen aus den Erinnerungen der Beteiligten und Rückblenden langsam zu einem Gesamtbild zusammengefügt wird.

Handlung und Schreibstil

Der vielschichtige Plot besteht aus mehreren, zu Beginn unabhängigen  Handlungssträngen, die aus der Vergangenheit in die Gegenwart reichen und erst im Verlauf der Geschichte und nach überraschenden Wendungen die Zusammenhänge enthüllen. Dennoch bleibt die Handlung übersichtlich und nachvollziehbar. Interessant ist es, wie der Autor auch mit den Erzählformen spielt. Für die Gegenwart wählt er die Ich-Form aus Sicht von Raphaël, wobei er bei den Teilen, die Marc betreffen, in die dritte Person wechselt. Die Taten selbst werden wieder in der Ich-Form, aus Sicht der Opfer geschildert. So führt er den Leser ohne Längen durch die spannende, abwechslungsreiche Geschichte.

Fazit

Ein rasant geschriebener, packender Thriller mit einem gekonnten, für dieses Genre ungewöhnlich vielschichtigen Aufbau. Der Autor spielt mit den Handlungssträngen und Erzählformen, was spannendes Lesevergnügen garantiert.

Sieh mich an – Mareike Krügel

AutorMareike Krügel
Verlag Verlag Piper
Erscheinungsdatum 1. August 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492058551

„All das hier wird weiter existieren, mal wird das Meer einen Eisrand haben, mal wird es glatt und gleißend im Sonnenlicht liegen, mal werden Herbststürme seine Oberfläche aufpeitschen, und ich werde nicht dabei sein.“ (Zitat Seite 183)

Inhalt

Katharina, Anfang 40, seit 17 Jahren verheiratet, zwei Kinder, 17 und 11, lebt auf dem Land an der Ostsee, nahe Lübeck. Ihr Ehemann Costa ist Architekt und arbeitet seit etwas mehr als einem Jahr in Berlin, sie führen daher eine Wochenendehe. Katharina selbst hat Musikwissenschaften studiert und hält im Kindergarten Kurse für frühkindliche Musikerziehung ab. Als sie zufällig „das Etwas“ an ihrer Brust entdeckt, ignoriert sie es zunächst und versucht, ihren Alltag wie bisher zu leben. Dann kommt wieder ein Freitag und sie beschließt, das soll das letzte normale Wochenende sein, am Montag danach wird sie einen Arzt suchen und vor allem, darüber reden. Gerade an diesem Wochenende jedoch hat ihr Mann einen wichtigen Geschäftstermin und muss in Berlin bleiben. So ist Katharina mit ihrem Wissen um das „Etwas“ und dem turbulenten Familienalltag allein und zudem hat ein langjähriger, sehr guter Freund aus Studienzeiten seinen Besuch angekündigt. Chaos ist vorprogrammiert…

Handlung, Thema und Schreibstil

Die komplexe Geschichte spielt an einem einzigen Wochenende, in Ich-Form aus Sicht der Hauptprotagonistin Katharina. Ihr bisheriges Leben wird durch ihre Erinnerungen, Rückblenden, erklärt. So erscheint der Zeitraum für den Leser weitaus länger, auch auf Grund der Dichte der Ereignisse – und es passiert eine Menge an diesem Wochenende. Tochter Hella, mit 11 Jahren irgendwo am Beginn der Pubertät und durch ADHS ohnedies schwierig und jederzeit für Überraschungen gut, ist daran nicht unbeteiligt. Dadurch hält die Autorin den Leser im Bann, bis zum Finale furioso steigt der Spannungsbogen langsam aber stetig und ohne Längen an.

Katharina fühlt sich durch ihren Mann in Berlin allein gelassen, während sie in ländlicher Umgebung mit den Tücken des Alltags  kämpfen muss. Durch ihren ausgeprägten Beschützerinstinkt ist ziemlich chaotisch, obwohl sie ihr Leben in einzelne Listen zu vielen Themen ordnet. Haushalt ist definitiv nicht ihr Lebensinhalt. Insgesamt macht sie gerade das unfreiwillige Chaos, in das sie immer wieder schlittert, sehr liebenswert und lebensnah.

Es geht in diesem Roman nicht darum, wie eine Frau Krebs bewältigt, die Protagonisten müsste ja zunächst einen Arzt aufsuchen, um Gewissheit zu haben. Genau dieser Phase der Vermutungen, Unsicherheit, aber auch, was ist wenn, lässt die Autorin die Geschichte spielen.

Die Thematik reicht jedoch weit über das vordergründige Problem „Frau entdeckt ein Etwas an ihrer Brust“ hinaus. Die Hauptprotagonistin hatte sich ihren Berufsweg völlig anders vorgestellt, wollte ihre Dissertation in Musikwissenschaften beenden und eine interessante Lehrstelle in diesem Bereich suchen, als der Frauen gut bekannte Unterbruch durch die Familiengründung entstand. So stellt sich auch Katharina zwischendurch die Frage „was wäre gewesen, wenn“, besonders, da ihre drei Jahre jüngere Schwester Sissi ebenfalls an der Musikhochschuhe studiert hat und Cellistin geworden ist.

Buch ist trotz der ernsten Themen in einer humorvollen, wunderbar fließenden Sprache geschrieben, jede Seite birgt Sätze, die man am liebsten alle würde zitieren wollen. In keiner Phase der Geschichte gleitet die Hauptprotagonistin in jene wehleidige Larmoyanz ab, die sich in manchen Büchern zu ähnlichen Themen wie Alltagsleben, Probleme mit dem Partner, Verlust der Träume durch die banale Realität, findet, wo sich dann erwachsene Frauen wie Teenager gebärden und die mich als Leserin überlegen lassen, das betreffende Buch ärgerlich zur Seite zu legen. Hier ist es völlig anders, die Umsicht, Humor und Sprachqualität, mit der diese Autorin an das Thema herangeht ist beeindruckend und überzeugt. Vor allem gelingt es ihr, in der gesamten Geschichte einen positiven Unterton mitschwingen zu lassen.

Fazit

Es ist das erste Buch von Mareike Krügel, das ich gelesen habe, aber es wird keinesfalls das einzige bleiben. So sollte ein moderner Frauenroman geschrieben sein, keine Trivia, sondern Themen, die uns alle betreffen, überzeugend und sprachlich großartig umgesetzt.

Das Café der kleinen Wunder – Nicolas Barreau

AutorNicolas Barreau ?
Verlag Piper Verlag
Erscheinungsdatum Oktober 2017
FormatTaschenbuch
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3-492-31053-6

„In der Mitte der Nacht beginnt bereits ein neuer Tag“ (Zitat Seite 112).

Inhalt

Eleonore „Nelly“ Delacourt  ist 25 Jahre alt, schreibt an ihrer Masterarbeit und ist die Assistentin von Daniel Beauchamps, Mitte 30, Professor an die Philosophischen Fakultät.

Vor Weihnachten soll Nelly den Professor auf eine Fachtagung nach New York begleiten, aber auf Grund ihrer unüberwindbaren Flugangst lehnt sie unter einem Vorwand ab. Dies trifft sie umso mehr, als sie seit Monaten heimlich in den Professor verliebt ist. So begleitet ihn Isabella Sarti, eine Gastdozentin aus Italien, und zurück in Paris teilt der Professor seiner Assistentin Nelly mit, dass er eine Professur an der Universität Bologna annehmen wird, ihre Masterarbeit jedoch bis zum Abschluss begleiten. Isabella und er sind seit New York ein Paar.

Gebeutelt vom Liebeskummer und einer schweren Erkältung verbringt Nelly die Weihnachtstage. Ihre zielstrebige, bodenständige Cousine Jeanne umsorgt sie durch Zuhören und mit ihrer berühmten Birnen-Tarte.

Anfang Januar beschließt Nelly, mit einem Aufräumtag auch wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen. Dabei findet sie einen Karton mit den Lieblingsbüchern ihrer geliebten Großmutter, darunter auch einen alten Liebesroman mit einer erstaunlichen Widmung und den Spruch „Amor vincit omnia. Genau dieser Spruch ist auch in einem Granatring eingraviert – ein Geschenk von ihrer Großmutter – den Nelly immer trägt. Dieser seltsame „Zufall“ macht Nelly neugierig und sie beschließt spontan, mit dem Zug nach Venedig zu fahren und dort vier Wochen zu verbringen, auf der Suche nach Spuren, was es mit diesem Buch und der Widmung auf sich hat.

Wird sie das Rätsel lösen können und was soll sie von diesem charmanten Venezianer Valentino Briatore halten, der sie unbedingt wiedersehen will? Ist es nur ein Zufall, dass sie sich in das verträumte Café „Il Settimo Cielo“ verirrt?

Thema und Genre

Dieser Roman ist eine romantische Liebesgeschichte mit einer Spur Magie und spielt in Paris und Venedig. Die Handlung ist, wenn man in manchen Wendungen an die Macht Magie glaubt, nachvollziehbar.

Charaktere

Die Protagonisten sind sympathische Menschen, gut beschrieben, man lässt sich als Leser gerne auf sie ein.

Obwohl Nelly ängstlich und vorsichtig ist, was sich aus der Vergangenheit ableitet, wirkt sie nie larmoyant, sondern verfolgt ihre Ideen durchaus zielstrebig.

Handlung und Schreibstil

„Jede Reise hatte ihren Grund. Doch wenn man dann am Ziel angelangt war, konnte sich alles ändern.“ (Zitat Seite 181). Dieser Roman ist natürlich mehr, als nur die Frage, wie und wann die füreinander bestimmten Menschen zueinander finden. Es geht vielmehr um Ängste, um den Wunsch nach Sicherheiten eines geordneten Lebens und um die Frage, wie viel wir versäumen, wenn wir nicht bereit sind, uns spontan auf etwas Neues einzulassen. Sean O´Malley, ein Amerikaner mit irischen Wurzeln, der gerade sein Studium der Ingenieurwissenschaften abgeschlossen hat und mit seiner Gitarre durch Europa reist, versucht Nelly zu erklären, dass es falsch ist, sich dauernd Sorgen über Dinge zu machen, die noch gar nicht passiert sind. Der Autor will uns mit dieser magischen Geschichte zeigen, dass Leben oft erst dann passiert, wenn wir aufgehört haben zu planen.

Auch wenn es keine spannungsgeladene Geschichte ist und das Ende vorhersehbar, baut der Autor doch einige überraschende Wendungen ein.

Sehr gut gefallen haben mir die Beschreibungen des Alltags in Paris und vor allem von Venedig. Hier gelingt es dem Autor, den Zauber der kleinen Plätze und Gassen abseits der Touristenströme einzufangen.

Fazit

Ein romantischer Roman zum Träumen, den man an einem gemütlichen Wochenende liest und mit einem Lächeln aus der Hand legt. Leserinnen, die wie ich schon andere Bücher dieses Autors kennen, werden auch diesmal nicht enttäuscht. Aber selbst wenn man bisher noch kein Buch von Nicolas Barreau gelesen hat und eine unterhaltsame, gut geschriebene Geschichte sucht, eine gedankliche Reise aus dem Alltag ins verträumte, winterliche Venedig, ist dieser Roman eine gute Wahl. Dass dieser Autor gar nicht existiert, sondern ein Pseudonym samt fingiertem Lebenslauf ist, ändert nichts am Lesevergnügen.