Die Projektoren – Clemens Meyer
Autor | Clemens Meyer |
Verlag | S. FISCHER |
Datum | 28. August 2024 |
Ausgabe | Gebundene Ausgabe |
Seiten | 1056 |
Sprache | Deutsch |
ISBN-13 | 978-3100022462 |
„Viele Jahre später, als der Cowboy mit seinem Wanderkino in einem alten roten Lastwagen durch endlose Steppen und fremde Berge fuhr, erinnerte er sich falsch, und er sah, wie Negosava und der Mann mit dem karierten Halstuch, der Cowboy der frühen Jahre, der er einmal gewesen war, im Bioskop von Split saßen und einen deutschen Indianerfilm sahen, doch was sind schon die richtigen Erinnerungen, und wo beginnen die Träume und wo die Märchen?“ (Zitat Pos. 2950)
Inhalt
Ein Mann, wegen seines karierten Halstuchs Cowboy genannt, der die Originalverfilmungen der Bücher von Karl May im Velebitgebirge 1962 miterlebte, kleine Rollen als Komparse hatte, schreibt ab 1970 selbst unter dem Pseudonym Fallmer erfolgreiche Westernromane. Viele Jahre später reist er bis in den Irak. So wie dem Cowboy folgen wir auch einem Hadschi, der seinen Sihdi sucht, durch die Zeiten der DDR, durch Titos Jugoslawien, die Jahre danach und durch die brutalen Kriege, die ab 1992 das Land Jugoslawien zerrissen. „Ich bin der, der ich bin. Der Hadschi, wie er im Buche steht, der den sucht der ihn einst ins Buch geschrieben hat.“ (Zitat Pos. 12851) Denn damit hat im Grunde alles begonnen, mit Karl May und seinen Geschichten, in der Indianer und Deutsche Blutsbrüder waren, dem wilden Kudistan geholfen wurde und Araber als edle Wüstensöhne auftraten.
Thema und Genre
Dieser epische Roman ist vieles, die Geschichte Europas zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert, ein spannender Abenteuerroman, eine Geschichte des Films, darin eingebettet Familien- und Generationengeschichten. Es geht um Zeitgeschichte, um politische Strömungen und um die grausame Zerstörung durch Kriege und vor allem deren Auswirkungen auf die Menschen, die davon betroffen sind.
Erzählform und Sprache
Im Hintergrund besteht eine chronologische Abfolge der Ereignisse, doch führen die einzelnen Episoden durch die Zeiten und die Kriege, aus der Vergangenheit in die Gegenwart und zurück in eine andere Vergangenheit, ein Sprung über Jahre in eine wieder andere Jetztzeit. Man folgt den einzelnen Figuren, fiktiven und auch realen wie Lex Barker. Mit den Jahren tritt auch die nächste Generation der fiktiven Figuren auf, die völlig andere Wege gehen. Man blättert manchmal verwirrt einige Kapitel zurück, wer ist jetzt wer, bis man sich einfach auf diese weite, facettenreiche, oft surreale Geschichte einlässt, sich von ihr weitertragen lässt, staunend, Kopfschüttelnd-erheitert,und dann wieder zutiefst erschüttert durch die brutale Realität der Schilderungen der Kampf- und Kriegshandlungen. Im Roman tritt mehrmals die Figur des Fragmentaristen auf, der erzählt und erzählt, ganze Geschichten zwischen gestern, heute und morgen auf Wände schreibt und so liest sich auch dieser Roman. Die Sprache ist vielfältig, schildert ruhig fließend, poetisch, um dann, wenn es um den raschen Ablauf von Szenen geht, atemlos Wort um Wort, Wortgruppe um Wortgruppe zu einem einzigen Satz in Seitenlänge aneinanderzureihen.
Fazit
Ein roter LKW mit einem Wanderkino, ein uralter Mann am Steuer, so ziehen sich Filmrollen, Projektoren, Erinnerungen, Romane und Filme nicht nur durch Jugoslawien, sondern durch diese Jahrhundertgeschichte Europas. Eine literarische Achterbahnfahrt, auf die man sich bald einlässt, ohne viel zu fragen, sich beim Lesen von den Ereignissen weitertreiben lässt, neugierig dieser ungewöhnlichen, kreativen und auch sprachlich großartigen Mischung folgend, die uns Clemens Meyer hier vorsetzt.