Der große Sommer – Ewald Arenz

AutorEwald Arenz
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 26. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832181536

„Es war dieser eine Sommer, wie es ihn wahrscheinlich nur ein Mal im Leben gibt. Dieser eine Sommer, den hoffentlich jeder hatte; dieser eine Sommer, in dem sich alles ändert.“ (Zitat Pos. 85)

Inhalt

Es ist der Sommer, in dem er sich auf seine Nachprüfungen vorbereitet, den Wert einer tiefen, echten Freundschaft auch in Krisensituationen erkennt, und Beate trifft, das freche Mädchen mit den grünen Augen und mit ihr die erste große Liebe. Friedrich ist sechzehn Jahre alt und noch auf der Suche nach dem Menschen, der er werden will, doch diese Wochen in diesem für immer besonderen Sommer sind der erste Schritt.

Thema und Genre

In diesem Coming-of-Age-Roman geht es um unbeschwerte Sommertage, aber auch um Trauer und Verlust, Lebenserfahrung und prägende Ereignisse, vor allem jedoch geht es um Jugend und Alter, Familie, Freundschaft und Liebe.

Charaktere

Wie schon in „Alte Sorten“ stellt der Autor auch diesmal Figuren unterschiedlichen Alters in den Mittelpunkt der Geschichte, einerseits Friedrich auf der Schwelle zum Erwachsenensein, andererseits die Nana und Großvater, die ihr Leben gelebt haben. Sehr behutsam entwickelt der Autor die einzelnen Charaktere dieses Romans, die jungen Menschen mit ihren Eigenheiten, ihrer Unbekümmertheit, aber auch ihren Unsicherheiten und Ängsten. Der Großvater, vor dem Friedrich großen Respekt hat, der seine eigenen Regeln aufstellt und erwartet, dass diese befolgt werden und dennoch bei Problemen sofort da ist, sich nicht nur mit Latein-Zitaten, sondern aktiv um Friedrich kümmert.

Handlung und Schreibstil

Friedrich, der Ich-Erzähler, ist längst erwachsen, als er wieder einmal auf dem Friedhof ein spezielles Grab sucht, eigentlich nur ein Stück Rasen, das damals, in jenem Sommer, ein Blick in eine fernen Zukunft und das Symbol der ganz besonderen Freundschaft dieser jungen Menschen werden sollte: Friedrich, seine ein Jahr jüngere Schwester und Vertraute Alma, Johannes, sein bester Freund, cool, aber sehr komplex, und die unangepasste Beate, die für Friedrich vom ersten Moment an etwas Besonderes ist. Auf dem Spaziergang über den Friedhof erinnert sich Friedrich zurück an die Ereignisse jenes Sommers, als er sechzehn Jahre alt war und statt einer Urlaubsreise bei Großvater und Nana für zwei Nachprüfungen lernen muss. Die Geschichte dieses Sommers ist das Kernstück des Romans. So eindringlich wie die einzelnen Figuren und ihre Thematik, beschreibt die poetische Sprache auch die Natur, die Wärme, den Duft und die Gefühle jener Sommertage, man taucht beim Lesen sofort in diese besonderen Tage ein.

Fazit

Dieser Roman über einen einzigartigen Sommer ist mit seinen besonderen Figuren, der einfühlsamen, genauen Beobachtung dieser Figuren und ihrer Erlebnisse zwischen intensiven Glücksmomenten und Verzweiflung, und der poetischen, aber auch humorvollen, lebhaften Sprache ein eindrückliches, überzeugendes Leseerlebnis.

Freiflug – Christine Drews

AutorChristine Drews
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 12. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832181307

„Sehr geehrte Frau Maiburg, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 2. Mai 1974 und ihr Interesse an unserem Unternehmen. Da weibliche Flugzeugführerinnen in unserer Gesellschaft aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zum Einsatz kommen, müssen wir Ihre Bewerbung leider ablehnen.“ (Zitat Pos. 840)

Inhalt

Katharina Berner ist Anwältin aus Überzeugung, sie will Menschen helfen. In der bekannten Kanzlei in Köln, für die sie tätig ist, liegt der Schwerpunkt auf den finanziellen Erfolgen und als Frau wird sie von den männlichen Kollegen nur bedingt ernst genommen. Sie will ihre eigene Kanzlei eröffnen, andererseits will sie keinesfalls ihre vermögenden Eltern um finanzielle Hilfe bitten, denn ihre Familie hat kein Verständnis dafür, dass sie Anwältin werden wollte, statt zu heiraten und für Mann und Kinder zu sorgen. Rita Maiburg, ist mit erst zweiundzwanzig Jahren eine ausgebildete Pilotin mit hervorragenden Abschlüssen. Als das kleine Unternehmen, für das sie tätig ist, in Konkurs geht, bewirbt sie sich bei der Lufthansa als Linienpilotin. Als die Lufthansa ihre Bewerbung ablehnt, weil sie grundsätzlich keine Frauen als Piloten anstellt, wird ihr von Freunden Katharina Berner empfohlen. Als die Anwältin kurz darauf ihr eigenes Büro eröffnen kann, nimmt sie den Fall an und die beiden Frauen beschließen, gegen die Lufthansa und damit auch gegen ihre Haupteignerin, die Bundesrepublik Deutschland, auf Umsetzung des Artikel 3, Grundgesetz zu klagen. Wenn sie gewinnen, wäre dies ein neuer, sehr wichtiger Präzedenzfall.

Thema und Genre

Dieser Roman mit biografischem Hintergrund spielt in den Siebzigerjahren und Themen sind die Ungleichbehandlung der Frauen, der Wunsch nach Eigenständigkeit als Gegensatz zu den konservativen Werten, Familie und Beziehungen.

Charaktere

Rita Maiburg wurde 1976 als erste Frau zur Linienflugkapitänin befördert und dieser Roman orientiert sich an ihrer Biografie. Obwohl Rita Maiburg damals von einer Anwältin vertreten wurde, ist die Figur der Katharina Berner fiktiv. Die vermögende Unternehmerfamilie, aus der sie stammt, steht für ein damals noch geltendes traditionelles Rollenbild der Frau, während Ritas Freunde für die Freiheit der Hippiezeit stehen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt in den Jahren 1974 bis 1976. Dieser Zeitraum umfasst die Dauer des Verfahrens gegen die Lufthansa und wird durch einen Epilog und Prolog 1977 umschlossen. Die einzelnen Kapitel zeigen als Überschrift das genaue Datum und die personale Erzählform stellt jeweils Katharina oder Rita in den Mittelpunkt. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt weniger auf diesem interessanten Klageverfahren, sondern in den persönlichen Beziehungen und Konflikten im Freundes- und Familienkreis.

Fazit

Ein Roman, der die Schwierigkeiten jener Frauen aufzeigt, die ihren Weg und Ziele in einer damals noch Männern vorbehaltenen Berufswelt sehen. Ich hatte damit gerechnet, dass der Schwerpunkt auf dieser gesellschaftspolitisch so wichtigen Klage liegt, mir mehr Informationen und Details erhofft. In dieser Geschichte stehen jedoch Familie, Freundschaft, Liebe im Mittelpunkt, es ist ein unterhaltsam zu lesender Frauenroman.

Adas Raum – Sharon Dodua Otoo

AutorSharon Dodua Otoo
Verlag S. FISCHER
Erscheinungsdatum 24. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3103973150

„Die neuen Grenzen wirkten fließend, mehrdeutig, und als sie nicht mehr zu gebrauchen waren, verpufften sie. Sie wurden gegen andere Grenzen ausgetauscht.“ (Zitat Position 1701)

Inhalt

Ada ist verzweifelt, als ihr Kind im März 1459 kurz nach der Geburt stirbt. Das besondere Perlenarmband, das sie ihrem toten Sohn mitgeben will, macht sich auf eine eigene Reise durch die Jahrhunderte. Es kommt zur Wissenschaftlerin Ada Lovelace, die im März 1848 mit ihrem besonderen Freund Charles Dickens mathematische Formeln diskutiert, während ihr Gatte in Paris weilt. Im besonderen Block 37 im KZ Mittelbau-Dora ist Ada im März 1945 so oft im selben Zimmer, dass es den Namen „Adas Raum“ trägt und in genau diesem Zimmer liegt das Perlenarmband plötzlich auf dem Boden. Ada, Augusta Adaune Lamtey, ist dreiundzwanzig Jahre alt, als sie 2019 aus Ghana nach Berlin kommt, um hier zu studieren. Sie wohnt bei ihrer jüngeren Halbschwester, ist aber auf Wohnungssuche, freut sich auf ihr Baby. In einem Ausstellungskatalog entdeckt sie das Foto eines ungewöhnlichen Armbandes, dreiunddreißig Perlen, Fünfzehntes Jahrhundert, Westafrika, und damit schließt sich das Netz aus Schicksalsschleifen.

Thema und Genre

Der Roman handelt von Frauen, Frauen als Mütter, Freundinnen und Schwestern, auch im übertragenen Sinn. Themen sind Gewalt, Unterdrückung, Diskriminierung, aber auch Stärke, Zusammenhalt und die Suche nach Unabhängigkeit.

Charaktere

Ada, das ist die Summe aus vier Adas in vier unterschiedlichen Epochen, sie steht für die Summe von möglichen Frauenleben im Lauf der Geschichte. Die Übergänge erfolgen rasch, manchmal innerhalb eines Satzes, und so erfahren wir durch das jeweilige Umfeld  und die Situation zwar mehr über die entsprechende Ada, gleichzeitig bleibt sie dadurch als Figur auf Distanz.

Handlung und Schreibstil

Die vier Geschichten, in deren Mittelpunkt jeweils eine Ada steht, spielen in unterschiedlichen Jahrhunderten, wobei die Grenzen fließend sind. Die Autorin selbst spricht von Schleifen und ähnlich verknüpfen sich einzelne Situationen, um sich dann, oft mitten im Satz, wieder zu lösen und in die nächste Episode  in einem anderen Jahrhundert zu gleiten. Nur das etwas wirre und sehr konstruierte Ende überzeugt mich nicht, Schleifen sind luftig und in Bewegung, wenn man sie bewusst verknüpft, verlieren sie die Leichtigkeit. Die Grundzüge des Settings bleiben in allen vier Geschichten ähnlich, Hausnummern, wie Personen, familiäre Beziehungen und Namen. Lässt die Autorin zunächst jede Ada in der Ich-Form erzählen, wechselt sie rasch zu einem zeitlosen, geistigen Erzähl-Ich, das zu einzelnen Gegenständen wird und so die Ereignisse als Kehrbesen, Türklopfer oder Reisepass schildert, versucht, das Geschehen zu lenken und allwissend kommentiert. Dieses im philosophischen Sinn übergeordnete geistige Ich hat durchaus auch Humor, was zu skurrilen Dialogen führt. Die klare, gerade Sprache des Romans schildert und kann alles zwischen sehr kurzen und eindrucksvoll langen Sätzen, auch Metaphern werden bewusst eingesetzt.

Fazit

Ein Roman mit zeitlos aktuellen, politischen und sozialkritischen Themen, geschrieben in einer klaren, geraden Sprache. Unterschiedliche interessante Erzählformen schildern ein ebenso vielschichtiges Bild von Frauenschicksalen. Doch dieses deutlich ambitionierte Bemühen im Sinne der Kriterien der zeitgenössischen Literaturwissenschaften wird für mich teilweise zu offensichtlich und der Roman dadurch zu konstruiert – diese Perfektion ist zu gewollt, es fehlt die Seele.

Montecrypto – Tom Hillenbrand

AutorTom Hillenbrand
Verlag KiWi-Paperback
Erscheinungsdatum 4. März 2021
FormatBroschiert
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462001570

„Nur der Glaube, das Geld besitze einen Wert, verlieh ihm diesen nun. Fiat lucre. Ed facta est lucre.“ (Zitat Pos. 4920)

Inhalt

Der vermögende Millionär Gregory Hollister, Erfinder der Bezahlapp „Juno“,  gilt als Pionier im Bereich Digitalwährungen. Als er überraschend bei einem Flugzeugabsturz stirbt, beauftragt seine Halbschwester und Erbin einen auf Finanzsachen spezialisierten Privatdetektiv, Edward Dante, mit der Suche nach einem zusätzlichen Milliardenvermögen in Kryptowährung, das Greg irgendwo versteckt hat. Als bald darauf online Hinweise auf dieses als Montecrypto bezeichnete Vermögen auftauchen, heften sich nicht nur das FBI, Finanzaufsicht, diverse internationale Geheimdienste und weitere Gruppen mit sehr unterschiedlichen Interessen an Dantes Fersen, sondern es beginnt eine gehypte Massensuche, von Greg Hollister selbst posthum mittels Videobotschaften inszeniert. Doch Ed erkennt bald, dass es um wesentlich mehr geht, als um ein verschwundenes Kryptovermögen und eine Schweizer Stiftung. Was als abenteuerliche Schatzsuche begann, droht das gesamte Gefüge der weltweiten Finanzmärkte zu kippen, wenn es Ed nicht gelingt, dies rechtzeitig zu verhindern.

Thema und Genre

In diesem aktuellen Wirtschaftsthriller geht es um Kryptowährungen, moderne Technologien, internationale Finanzmärkte, Politik und Macht.

Charaktere

Ed Dante, ein Engländer in Amerika, ist alles andere als der Typ Superagent, aber durch seine langjährige Compliance-Tätigkeit ist er sehr präzise und hartnäckig in den Recherchen. Mercy Mondego, die erfolgreiche Journalistin mit Informatikstudium und Bloggerin über alles, was moderne Kryptowährungen betrifft, ist ihm oft einen Schritt voraus, andererseits unterstützt sie ihn, denn sie will die Story. Doch kann er ihr trauen? Beide Figuren sind realistisch, stimmig und sehr sympathisch.

Handlung und Schreibstil

Die rasante Handlung führt Ed Dante von Los Angeles und New York bis in den Schweizer Stiftungsstandort Zug, zurück nach Amerika und Mexiko. Der präzise entwickelte Plot ist realistisch, nachvollziehbar und sehr spannend. Die Dialoge zwischen dem „no-coiner“ Ed und Mercy mit ihrem Fachwissen im Bereich IT und Digitalwährungen ergänzen jene fachlichen Details, die man als Leser*in vielleicht noch nicht kannte und machen die Handlung noch interessanter und aktueller. Weitere Informationen und Zusammenhänge zeigen sich erst langsam im Lauf der Recherchen und ergeben eine komplexe Geschichte, in der überraschende Wendungen nicht fehlen.

Fazit

Ein intelligenter, sehr spannender Wirtschaftsthriller, dazu eine moderne Sprache, verbunden mit einer aktuellen, zeitgemäßen Variante des klassischen amerikanischen Detektivromans. Diese sehr gelungene Mischung garantiert ein interessantes, packendes Lesevergnügen.

Nächstes Jahr in Berlin – Astrid Seeberger

AutorAstrid Seeberger
Verlag Urachhaus
Erscheinungsdatum 10. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten252
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinGisela Kosubek
ISBN-13978-3825152611

„Großvater wusste, was ich wollte, er wusste es, bevor ich es selber wusste. Schreiben war mein Leben.“ (Zitat Pos. 2471)

Inhalt

Nach dem Erscheinen ihres Buches „Goodbye Bukarest“ in Deutschland, meldet sich der Priester Alois, ein alter, enger Freund ihres Vaters, über den Verlag bei der Ich-Erzählerin, um ihr etwas über ihre Mutter zu erzählen. Fünf Jahre sind seit dem Tod ihrer Mutter vergangen und nun schreibt die Tochter die Geschichten über die Familie nieder, die ihre Mutter ihr erzählt hatte. Gleichzeitig denkt sie über die Zeit kurz vor und nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2007 nach, über ihre eigenen Erinnerungen an die Eltern und die Großeltern und verbindet diese mit ihrem aktuellen Leben, die Zeit des Schreibens zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013.

Thema und Genre

Dieser autobiografische Roman ist eher ein Erzählband, mit einer Familiengeschichte durch bewegte Jahre einer glücklichen Zeit in Ostpreußen, Vertreibung, Flucht, Krieg, das geteilte Deutschland und einer problematischen Mutter-Tochter-Beziehung als Verbindung  der einzelnen Fragmente aus Geschichten und Erinnerungen.

Charaktere

Durch den dichten, autobiografischen Hintergrund dieses Romans sind die handelnden Personen sehr realistisch und präzise beschrieben, ihr Verhalten im Rahmen der Ereignisse verständlich und nachvollziehbar. Andererseits bleiben sie gerade wegen dieser Realität auf Distanz zum Leser.

Handlung und Schreibstil

Es ist ein Roman in Fragmenten. Im ersten, sehr beklemmenden Teil wechseln die Erinnerungen an die Tage vor und nach dem Tod der Mutter im Jahr 2007 mit dem aktuellen Jahr zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013, in welchem die Tochter als Ich-Erzählerin in ihrem Haus auf einer Insel in einem See in Schweden an dem Buch über ihre Mutter schreibt. Den zweiten Teil bilden viele einzelne Erzählungen, nicht immer chronologisch, die in vier großen Kapiteln mit je einem übergeordneten Thema zusammengefasst sind. Es sind die Familiengeschichten, die ihre Mutter ihr erzählt hat, beginnend mit der Kindheit und Jugend der Mutter in Ostpreußen. Daran schließen die eigenen Kindheitserinnerungen der Tochter an. Das letzte dieser vier Kapitel hat jene der Ich-Erzählerin bisher unbekannte Geschichte über ein Ereignis aus dem Leben der Mutter zum Inhalt, die ihr der alte Freund ihres Vaters erzählt, und die den Übergang bildet zum nachfolgenden Roman „Goodbye Bukarest“, der aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen in deutscher Übersetzung jedoch als erstes Buch erschienen ist.

Fazit

Ein stark autobiografischer Roman, der sich aus vielen unterschiedlichen Geschichten aus dem Leben von insgesamt drei Generationen der Familie der Ich-Erzählerin zusammensetzt. Es sind beklemmende Ereignisse, aber auch glückliche Kindheitserinnerungen, insgesamt eine sehr persönliche Aufarbeitung der schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, geschrieben in einer poetischen, dichten Sprache. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, mich aber etwas ratlos zurücklässt. „Ich weiß es nicht. Er ist so schwer, alles in Einklang zu bringen.“ Dies schreibt die Ich-Erzählerin (Zitat Pos. 3164) und so geht es auch mir mit diesem Buch.

„Deutscher Buchpreis 2020: Die Nominierten“, Herausgeber: Börsenblatt / MVB GmbH

AutorDeutscher Buchpreis 2020
Verlag Börsenblatt / MVB GmbH
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatKindle
Seiten130 (Print-Broschüre)
SpracheDeutsch

Originalzitat aus dem Vorwort der Jurysprecherin Hanna Engelmeier, Kulturwissenschaftliches Institut Essen, im „Buchjournal“:

„Es freut uns, dass auch Bücher vertreten sind, die die Form des Romans aufbrechen und mit ihr experimentieren. Die Longlist repräsentiert so nicht nur eine Vielfalt von Themen, sondern auch die Vielfalt poetischer Ausdrucksformen dieser Saison.“

Originalzitat aus dem Vorwort von Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in der hier vorgestellten Broschüre:

„Literatur schärft unsere Wahrnehmung und macht unsere Welt facettenreicher. Sie findet mutige Antworten und zeigt unvermutete Perspektiven auf. Literatur spricht zwischen den Zeilen und Wörtern.“

Inhalt

Diese Broschüre umfasst etwa 130 Seiten und stellt die zwanzig für den Deutschen Buchpreis 2020 nominierten Romane vor. In vielen Buchhandlungen erhält man die Broschüre in gedruckter Form kostenlos, doch NetGalley Deutschland stellt diese elektronische Form, herausgegeben vom „Börsenblatt“, ebenfalls kostenlos zum Download bereit.

Die zwanzig Autorinnen und Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, mit Foto, kurzem Lebenslauf und künstlerischem Werdegang. Daran schließt eine Beschreibung des Themas des jeweiligen Romans an, gefolgt von einer ausführlichen Leseprobe. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die jeweilige Präsentation ab.

Fazit

Eine perfekte Alternative zur gedruckten Broschüre, die nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und auch dort rasch vergriffen ist. Ein interessanter Überblick über die nominierten Romane mit ausführlichen Leseproben, die eine Entscheidung leichter machen, welche dieser Bücher auf die persönliche Liste für den nächsten Buchkauf kommen. Die erfreulich bunte Vielfalt an sehr unterschiedlichen, spannenden Themen, die sich auf dieser Longlist 2020 finden, macht die Auswahl nicht einfach.

Signora Sommer tanzt den Blues – Kirsten Wulf

AutorKirsten Wulf
Verlag Kiepenheuer & Witsch
Erscheinungsdatum 10. Juni 2020
FormatKindle
Seiten384 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
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„Blues ist nicht die choreografische Vorstellung vom Leben. Blues ist das Leben. Ehrlich und niemals perfekt.“ (Zitat Pos. 1127)

Inhalt

Im Sommer 1945 kamen mit den amerikanischen Soldaten der Swing, Jazz und Blues nach Rom. Die Musik verbindet Guenda und Lesley vom ersten Augenblick an, beide sind gerade Anfang zwanzig. Heute, viele Jahre später, verbindet die Musik, der Blues, drei völlig unterschiedliche Frauen. Laura Sommer, Anfang fünfzig, reist nach ihrer Scheidung nach Rom und trifft dort Fabio Belli, Professor für Kunstgeschichte. Doch der geplante Hochzeitstag wird zum Tag von Fabios Begräbnis. Damit scheint auch ihr eigenes Leben zu Ende. Die bunte, unangepasste Blues-Sängerin Fra ist gerade in ihre neue Wohnung eingezogen, als ein Wasserrohrbruch diese unter Wasser setzt. Es ist Fabios und nun Lauras große Wohnung, die genau darüber liegt und Fra zieht in eines der Gästezimmer. Die junge amerikanische Studentin Samantha Carter hatte bei Fra ein Zimmer gemietet, gut, das es bei Laura noch ein Gästezimmer gibt. Laura will nur eines, wieder alleine mit ihrer Trauer und ihren Erinnerungen an Fabio sein, ihre Ruhe haben. Doch Fra und Sam sehen das anders.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses Romans stehen starke Frauen, die eines gemeinsam haben: sie stehen, bewusst oder unbewusst, vor einem Neubeginn, einer Planänderung in ihrem Leben, vor neuen Möglichkeiten. Es geht um Verlust, Trauer, vor allem aber um Mut, Entscheidungen, sich auf etwas Neues einzulassen, um Freundschaft, und um die Kraft der Musik. Natürlich sind auch Beziehungen und die Liebe ein Thema.

Charaktere

Laura ist durch ihren Verlust völlig blockiert, sie scheint langsam aus ihrem eigenen Leben zu verschwinden. Die laute, unkonventionelle Fra ist ihr suspekt, erst langsam erkennt sie das große Einfühlungsvermögen dieser Frau und öffnet sich für Neues, vor allem für die Gefühle, die der Blues und das Tanzen in ihr auslösen. Sam ist Anfang zwanzig, spontan, für sie ist jeder Tag in Rom ein wunderbares Abenteuer, an dem sie die ganze Welt über Social Media teilhaben lassen will.

Handlung und Schreibstil

Der Roman spielt in Rom, in der Jetztzeit, doch ein zweiter Handlungsstrang führt als erzählte Erinnerung zurück in das Jahr 1945 und zu den Ereignissen, die damals in diesem Palazzo stattgefunden haben. Die Ereignisse bekommen ihre Intensität und Spannung durch die drei völlig unterschiedlichen Frauen und ihre Art, diese oft turbulente Zeit in Rom mit Leben zu füllen. Die Schilderungen des Alltagslebens auf der Straßen von Trastevere versetzen den Leser sofort nach Rom mit der lebhaften Italianità, den Gerüchen, der Stimmung. Ergänzt werden diese Eindrücke durch die intensive Musik, die durch alle Seiten klingt, die Sängerin Fra und die Musiker.

Fazit

Ein vielschichtiger Roman, ernst, humorvoll, ein Lesevergnügen für entspannte Stunden, in dessen positiver Stimmung der Blues mit einem glücklichen Lächeln mitschwingt.

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