Wie hoch die Wasser steigen – Anja Kampmann

AutorAnja Kampmann
Verlag Carl Hanser Verlag
Erscheinungsdatum 29. Januar 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3446258150

„Sie trieben auf einem sehr breiten Strom, aber anders als die Helden in den Abenteuerbüchern seiner Kindheit konnten sie fallen, und diejenigen, die fielen, kamen nicht zurück.“ (Zitat Seite 99)

Inhalt

Es ist eine extrem dunkle Nacht und der Sturm tobt um die Ölplattform irgendwo im Atlantik vor Marokko, doch die Bohrungen müssen weitergehen. Als die Arbeiten endlich abgebrochen werden, kommt einer der Männer nicht mehr zurück: Mátyás, der beste Freund von Waclaw. Die Suche wird aus Kostengründen rasch eingestellt. Waclaw erhält Urlaub und reist nach Ungarn, um die Sachen seines toten Freundes an dessen Familie zu übergeben. Will er wirklich wieder zurück, auf die nächste Ölplattform? Er macht sich stattdessen auf die Suche nach seinen Wurzeln, nach dem Rest seines Lebens. 

Thema und Genre

Man könnte diesen Roman als Roadmovie in einzelnen Bildern bezeichnen, Szenen, die durch plötzliche Erinnerungen wie schräg geschachtelt auftauchen und wieder verschwinden. Es geht um das Leben der Menschen in einer globalisierten Welt, wo Entfernungen ein möglicher Weg aus der Armut sind, mehr Geld für sich und die Familie. Natürlich ist auch Fernweh ein Thema, die Sehnsucht, die Enge der Kindheit zu verlassen. Es geht auch um die Frage, was der Verlust der eigenen Wurzeln mit den Menschen macht.

Charaktere

Waclaw, schon über 50 Jahre alt, ist anders, als man sich Männer im harten, gefährlichen Leben mitten auf dem Meer vorstellt. Er ist manchmal verträumt, verloren, er ist auf der Suche nach seinem „anderen“ Leben, nach Milena, die er immer wieder verlassen hat, um das fehlende Geld auf einer Ölbohrinsel zu verdienen. Als er Enzo „Alois“ in Bobbio, Norditalien, besucht, den besten Freund seines verstorbenen Vaters, überzeugt ihn dieser, weiter nach Norden zu fahren, zu Milena. Waclaw trifft auf seiner Reise die unterschiedlichsten Personen, sie alle sind sehr gut beschrieben und überzeugen.

Handlung und Schreibstil

Die Reise von Waclaw ist das chronologische Kernstück der Handlung, immer neue Zwischenhalte machen die Ereignisse interessant und überraschen. Die Frage, ob es eine Zukunft mit Milena geben kann, macht die Geschichte spannend. Die wie auf Stichworte bunt in die Handlung geschriebenen Erinnerungen irritieren teilweise den Ablauf und unterbrechen den Lesefluss. Wirklich großartig und beeindruckend ist die poetische Sprache dieser Autorin. Metapher und Symbolik wie die enge Bohrinsel, der enge Pick-up, Brieftauben als Symbol für Heimkehr, bereichern die Schilderungen und regen zum Nachdenken an.

Fazit

Für mich ist es besonders die intensive Sprache, in der diese innere und äußere Reise von Afrika bis an die polnische Ostseeküste geschildert wird, die diesen Roman prägt. Keine einfach zu lesende Geschichte, teilweise deprimierend, mit einem ernsten, vielschichtigen Thema, das auch in Zukunft gesellschaftlich aktuell sein wird. Für diesen ersten Roman einer jungen Autorin braucht man Zeit, aber die sollte man sich nehmen.

Die Gewitterschwimmerin – Franziska Hauser

AutorFranziska Hauser
Verlag Eichborn Verlag
Erscheinungsdatum 23. Februar 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3847906445

„Die Wellen haben mich zurück zum Ufer getragen, haben mich ausgespuckt, wollen mein Leben nicht haben.“ (Zitat Seite 66)

Inhalt

2011 erhält Tamara Hirsch die Nachricht vom überraschenden Tod ihrer Mutter Adele. Selbst Mutter von zwei Töchtern, Henriette und Maja, und auch schon Oma, blickt sie beim Entrümpeln und Umbau des geerbten Elternhauses auf ihr Leben zurück. Sie war immer das unangepasste Familienmitglied, geprägt durch die Mutter Adele, die am liebsten reiste, den Tod der jüngeren Schwester Dascha, die Erzählungen von Großvater Friedrich und Vater Alfred.Inh

Thema und Genre

Dieser autobiografische Generationen- und Familienroman ist gleichzeitig ein politisches Bild Deutschlands zwischen Nationalsozialismus und DDR. Die Themen sind vielschichtig, es geht um politische Überzeugungen, Enttäuschungen und eine Männerwelt, in der Frauen manchmal gehorsame Kulisse zu sein hatten. Dazu kommen noch problematische Mutter-Tochter-Beziehungen. Die eigenwillige Tamara, geprägt durch ihre Erziehung, durch das Verhalten von Vater und Onkel, durch die ständigen Abwesenheiten ihrer Mutter, kann sich in die Grenzen des Alltags der DDR schwer einfügen.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman ist in viele Kapitel unterteilt, die eher willkürlich aneinander gereiht scheinen. Jede Kapitelüberschrift trägt eine Jahreszahl und der erste Satz beginnt oft mit dem Namen des Familienmitgliedes, das dann im Mittelpunkt steht. Dies ist eine gewisse Orientierung für den Leser. Die Geschichte der Familie wird von Tamara in der Ich-Form erzählt, soweit es die eigenen Erinnerungen und Rückblicke auf ihr Leben betrifft. Die Ereignisse im Leben der anderen Charaktere, die Tamara nicht wissen kann, werden von einem Erzähler in der dritten Person geschildert, sodass sich ein umfassendes Bild über drei Generationen ergibt. Die Sprache ist kraftvoll, lebhaft erzählend und beschreibend.

Fazit

Mein erstes Buch vom Stapel einer persönlichen Auswahl aus den Titeln der Longlist, hat mich dieser Roman gefesselt, aber auf Grund der vielen Zeitsprünge nicht vollkommen überzeugen können. Der Leser erhält einen tiefen Einblick in die Interna der Familie Hauser, im Roman die Familie Hirsch und einen realen Eindruck vom Alltag in der DDR. Für dieses Buch sollten man sich Zeit nehmen und diese möglichst ohne allzu große Pausen, denn die sich gleichsam im Rösselsprung und vor und zurück durch die Generationen und Personen bewegende Geschichte wird sonst wirklich unübersichtlich und zeigt dadurch Längen.