Die Wirtinnen“  von Silvia Pistotnig

AutorSilvia Pistotnig
VerlagElster & Salis Verlag
Datum9. Mai 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten360
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3039300464

„Nur nicht an das Orgelspielen und die Musik denken. Das war nichts, womit sich ein Essen auf den Tisch stellen oder ein Mann finden ließ.“ (Zitat Seite 62)

Inhalt

Es sind die Arbeit und die Verantwortung für das familieneigene Gasthaus in einem Kärntner Dorf, welche das Leben der beiden Frauen, Johanna und Marianne, ihre Tochter, prägen. Sowohl die hochbegabte Johanna mit ihrer Liebe zur Musik und zu den Tasteninstrumenten, als auch Marianne mit ihrer Affinität für Zahlen und Mathematik, haben keine Chance, ihre Träume und Wünsche an das Leben verwirklichen zu können. Mariannes Tochter, die junge, rebellische Getrud „Trudi“, schämt sich für ihr Zuhause in diesem in die Jahre gekommenen Familiengasthof und plant, dieses sofort nach der Matura verlassen, nach Wien zu gehen und dort zu studieren. Dieser Wunsch kann sich erfüllen, denn ihr älterer Bruder Thomas studiert bereits, nicht jedoch ihr Traum von einer Fußball-Karriere als Mädchen in diesen frühen 1990er Jahren. Noch aber lebt Trudi bei ihrer altmodischen, verschlossenen Großmutter Johanna und ihrer Mutter Marianne, die auf Grund der Arbeit im Gasthaus kaum Zeit für sie hat, und versucht, sich in dem eigenartigen, komplizierten Gefüge der Generationen ihrer Familie zurechtzufinden. „Kann mir irgendwer irgendwas erklären?“ (Zitat Seite 309)

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um traditionelle Rollen der Frau, Gehorsam und Pflichtgefühl. Diese starren Gefüge lassen keine Veränderungen und schon gar kein Ausbrechen zu, Begabungen und eigene Lebensträume sind unerfüllbare Wünsche, geopfert der Verantwortung für die Familie.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte erstreckt sich über die Jahre 1936 bis 2022 und ist in Kapitel eingeteilt, wobei jeweils eine der drei Frauen, Johanna, Marianne oder Gertrud, im personalen Mittelpunkt steht. Die einzelnen Erzählstränge der drei Hauptfiguren verlaufen in sich chronologisch, jedes Kapitel trägt als Überschrift den entsprechenden Namen und die Jahreszahl. Dadurch ergibt sich eine vielschichtige Handlung, sehr klar strukturiert und nachvollziehbar. Gleichzeitig wird die Geschichte dadurch packend, da sich Details, die wir als Leser bereits aus den Schilderungen der Geschehnisse in Johannas Vergangenheit kennen und über die in der Familie geschwiegen wird, für Marianne und Getrud erst viel später durch Antworten auf ihre Fragen zumindest teilweise enthüllen. Doch wichtige Ereignisse, besonders in Johannas Leben, bleiben ungesagt, dadurch können wir Johannas Verhalten besser verstehen, als ihre Tochter und Enkelin. Die Autorin verändert auch ihre Erzählsprache passend zur jeweiligen Zeit und Figur. So sehen wir mit Johannas Augen die Großstadt Wien im Jahr 1938, wo sie eine Stelle als Dienstmädchen antritt, und Trudi, oder wie sie genannt werden will, Geri, wird 1994 durch ihre Sprache sofort zur erfrischend unangepassten Jugendlichen, die sie ja auch ist.

Fazit

Eine facettenreiche Familien- und Generationengeschichte, in deren Mittelpunkt drei Frauen stehen, von denen jede auf ihre Art besonders ist, die sich jedoch auf Grund des Umfeldes und der Lebensumstände nicht so entfalten können, wie es ihren Begabungen und Wünschen entspricht. Skurrile Momente und die genaue, aber dennoch einfühlsame, liebevolle Zuwendung, mit der die Autorin auf ihre Figuren blickt, machen diese Geschichte zu einem überzeugenden Leseerlebnis.

Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre – Monika Zeiner

AutorMonika Zeiner
Verlagdtv Verlagsgesellschaft
Datum12. September 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten672
SpracheDeutsch
ISBN-13ISBN-13: 978-3423284240

„Ich war lange Zeit nicht mehr in der Villa Sternbald gewesen, aber ich hatte sie mir oft vergegenwärtigt, als müsste mir die Erinnerung etwas zeigen, das bisher verborgen gewesen ist.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Seit Generationen stellt das Familienunternehmen Finck Schulmöbel her. Gegründet von Ferdinand „Ferry“ Heinrich Finck, ging es auf seinen Sohn Johann „Jean“ Finck über, obwohl dieser viel lieber Insektenforscher geworden wäre. Jeans Sohn Heinrich „Henry“ jedoch ist der geborene Unternehmer. Die Beziehungen der jeweiligen Söhne zu ihren Vätern ist in dieser Familie immer problematisch, es sind die Großväter, die sich um die Enkel kümmern. Daher entscheidet sich der schon als Junge phantasievolle Drehbuchautor Nikolas Finck, der vor vielen Jahren den Familiensitz, die Villa Sternbald, verlassen und seither nicht mehr betreten hat, nun doch an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren, zum 103. Geburtstag seines Großvaters Henry. Obwohl es das Verhalten und die Entscheidungen seines Großvaters waren, die dazu geführt hatten, dass es zum Bruch kam, als Nikolas ein Jugendlicher war, der viele Fragen stellte, Fragen, die nicht oder ausweichend beantwortet wurden. Konkret ging es um die Übernahme des Unternehmens der Familie Stein, das ebenfalls Schulmöbel herstellte, im Jahr 1935. Aus den geplanten Tagen werden Wochen und Monate, in denen Nikolas in die Vergangenheit der Familie, in die Familiengeheimnisse und in seine eigenen Erinnerungen eintaucht. „Ist es, dachte ich, das Gedächtnis, das die Sanduhr umdreht und die Zeit immer wieder verrieseln lässt?“ (Zitat Seite 53)

Thema und Genre

In diesem deutschen Generationen- und Familienroman, geht es um Familiengefüge, Familiengeheimnisse, Halbwahrheiten, Erinnerungen, Kindheit, Erziehung, Gesellschaftsnormen, Philosophie, Religion, Konflikte und Gefühle – und Insekten in vielen Varianten. Ein wichtiges Kernthema ist das Verhalten der Familie während der Jahre des Nationalsozialismus.

Erzählform und Sprache

Monika Zeiner passt die gewählte Erzählform dieses Romans, der aus aneinandergereihten Episoden besteht, den Personen an, Nikolas Finck, die Hauptfigur, ist der Ich-Erzähler in der aktuellen Zeit. Die Geschichte seines Großvaters, Urgroßvaters, Ururgroßvaters wird in der personalen Form geschildert, mit jeweils einer der Figuren im Mittelpunkt. Die Rahmenhandlung, der Besuch von Nikolas in seinem Elternhaus, verläuft chronologisch, wird jedoch von eigenen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, und von den zahlreichen Episoden aus dem Leben seiner Vorfahren unterbrochen. Die Erzählform ordnet die Handlung den Figuren und Anliegen unter, schildert nicht so sehr die Ereignisse, sondern vielmehr die Hintergründe, Konflikte und Befindlichkeiten der einzelnen Figuren, wodurch sich neben Dialogen, die nicht unbedingt mit einem realen Gegenüber geführt werden, es kann auch Gisberta, eine tote Feuerwanze sein, viele innere Monologe und Gedankenströme ergeben. Die Kernthemen der Autorin, Familiengefüge, Väter und Söhne, fehlende Mütter, Literaturverweise, Philosophische Abhandlungen, Religion, Kindheit und Erziehung im Wandel der Zeit, die Deutschen während der Zeit des Nationalsozialismus, ergänzt durch umfassendes Wissen über Insekten, füllen die Seiten. Sprachlich hat mich dieser Roman sehr angesprochen, die gekonnten Sätze, Formulierungen und die brillanten Vergleiche machen Freude beim Lesen.

Fazit

„Von fließender Zeit kann in der Villa Sternbald keine Rede sein. Sie hat es nicht eilig, sie hat sich hier eingerichtet wie die Schnecke in ihrem Haus.“ (Zitat Seite 345)

Diese Aussage beschreibt meiner Meinung nach auch perfekt den vorliegenden Roman, eine Geschichte, die sich breit und behäbig fließend statt packend über sechshundertfünfzig Seiten ergießt. Für mich nicht das richtige Buch, andere Leser begeistert es, wie die positiven Fachbewertungen zeigen.

Vaterländer – Sabin Tambrea

AutorSabin Tambrea
VerlagGutkind Verlag
Datum29. August 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3989410008

„Ein Mosaik aus seinen Farben ergoss sich durch das Zimmer, als wir die Kleidung ausräumten, schließlich der Kalender mit der Gravur 1990 aus der oberen Ablage herunterfiel, jeden Tag des Jahres bis zur letzten Seite mit der Zeichnung seiner Handschrift ausgefüllt, überschrieben mit den Worten: Memoiren, Horea Sava.“ (Zitat Seite 163)

Inhalt

In der Schule sitzt Béla Tambrea neben Rodica, beide sind ehrgeizig, abwechselnd Klassenbeste und beide wollen Violinisten werden. Später, als Ehepaar, kommen sie auf einer gemeinsamen Orchesterreise 1984 in die westdeutsche Stadt Marl. Erstmals spricht Béla es aus, dass er zuhause in Târgu Mureș in Rumänien keine Zukunft sieht und ein Jahr später trifft er während einer Konzerttournee in Frankreich im Juli 1985 eine Entscheidung. Es folgen schwierige Jahre der Trennung, bis am 19. März 1987 Rodica mit dem dreijährigen Sabin „Nuku“ und seiner acht Jahre alten Schwester Ai nach einer Reise über Ungarn und Wien in Köln eintrifft, wo Béla sie abholt und das neue Leben der Familie in Marl, Deutschland, beginnt.

Thema und Genre

Vaterländer ist ein autobiografischer Generationen- und Familienroman, gleichzeitig jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik in Rumänien, eine Schilderung des Alltagslebens der Menschen unter dem Druck und der Willkür der Securitate unter Gheorghiu-Dej, und anschließend im Ceauceșcu-Regime. Ein Thema sind Flucht und die Probleme eines Neubeginns in einem fremden Land, der teilweise Verlust der Heimat und das Leben in einem neuen Kulturraum, wo jedoch die Musik alle Grenzen überwindet. Es ist eine Geschichte über Familie, Mut, Zusammenhalt, Verzweiflung, Hoffnung und die Kraft der Liebe.

Erzählform und Sprache

Sabin Tambrea teilt seinen Roman in drei Abschnitte, im ersten Teil schildert der junge Sabin als Ich-Erzähler seine Kindheit und Jugend ab seiner Ankunft in Deutschland, den zweiten Teil bilden die persönlichen Aufzeichnungen seines Großvaters Horea Sava über die Jahre seiner Inhaftierung durch die Securitate. Der letzte Teil ergänzt den ersten Teil, nun erzählt Sabins Vater Béla die Geschichte der Familie aus seiner Sicht. Alle drei Teile verlaufen in sich chronologisch, um sich am Ende zu treffen und den Kreis zu schließen. Sabin Tambrea schreibt einfühlsam, poetisch, aber gleichzeitig lebhaft, packend und präzise.

Fazit

Ein beeindruckender, authentischer Generationenroman, spannend, interessant zu lesen und auch sprachlich überzeugend.

Nachtfrauen – Maja Haderlap

AutorMaja Haderlap
VerlagSuhrkamp Verlag
Datum11. September 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten294
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518431337

„Es waren gewissermaßen Expeditionen im eigenen Land, Reisen ins Innere ihrer Kindheit, die Mira mehr anstrengten als längere Aufenthalte im Ausland oder tagelange Fußmärsche mit schwerem Gepäck. Sie konnte nicht einmal behaupten, in die Fremde zu reisen, wenn sie nach Hause fuhr, das würde ihr niemand glauben.“ (Zitat Seite 11)

Inhalt

Mira lebt seit ihrer Studienzeit in Wien, das sind nun schon mehr als dreißig Jahre. Aufgewachsen ist sie mit ihrer Mutter Anni und ihrem Bruder Stanko in Jaundorf, einem Ort in Südkärnten. Die alte Anni wohnt noch immer in dem kleinen, einfachen Haus, einem Nebengebäude auf dem Bauernhof ihres Bruders,  in dem sie nach dem frühen Tod ihres Mannes die beiden Kinder großgezogen hat. „Weggehen kann jeder. Das Schwierige ist doch, zu bleiben, auch wenn die Mehrzahl der Bewohner das Weite gesucht hat.“ (Zitat Seite 14) Inzwischen hat Annis Neffe Franz das gesamte Anwesen geerbt und jetzt will er das Häuschen abreißen und dort eine Tischlerwerkstatt bauen. Mira muss nach Jaundorf fahren, sie soll Anni von der Notwendigkeit der Übersiedlung überzeugen und mit ihr Entscheidungen treffen, wie und wo Anni nun wohnen soll. Mira spricht mit ihrer Mutter immer noch slowenischen Dialekt, die Sprache ihrer Kindheit, und jede Reise nach Südkärnten ist für Mira auch eine Reise zurück in die Erinnerungen einer problematischen Vergangenheit.  

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um drei Frauen, Mira, ihre Mutter Anni und deren Mutter, Miras Großmutter Agnes. Themen sind Heimat, enges Dorfleben, Verluste, problematische Mutter-Tochter-Beziehungen, die vom Schweigen über die Vergangenheit und Verschweigen geprägt sind. Es geht auch um Schuldgefühle, die den Verlauf von Menschenleben beeinflussen, um Beziehungen und Liebe.

Erzählform und Sprache

Im ersten Teil des Romans steht Mira im personalen Mittelpunkt der Geschichte, wir sehen die Ereignisse aus ihrem Blickwinkel, tauchen in ihre Gefühle und Gedanken ein. Wir erfahren Details aus der Vergangenheit, an die sie sich während dieser aktuellen Tage mit ihrer Mutter erinnert. Durch Zufall trifft sie ihre Jugendliebe Jurij wieder, was dazu führt, dass sie über ihre Ehe mit dem Mittelschullehrer Martin nachdenkt. Im zweiten Teil der Geschichte steht dann Miras Mutter Anni im Mittelpunkt. Die bevorstehende Übersiedlung aus dem alten Häuschen, in dem sie einundvierzig Jahre ihres Lebens verbracht hat, nützt Anni, um ihre Erinnerungen zu sichten, Kartons mit alten Unterlagen, Briefen, Zeitungsausschnitten und Fotos, mit denen sie einzelne Ereignisse verbindet. So reisen ihre Gedanken zurück in ihre eigene Kindheit und als sie die Schachtel mit der Hinterlassenschaft ihrer Mutter Agnes durchsieht, öffnet sich vor uns auch das Leben von Agnes und ihrer unangepassten Schwester, der Partisanin Dragica. Es sind von Entbehrungen, harter Arbeit und dem Druck auf die slowenische Minderheitsbevölkerung im südlichen Kärnten geprägte Frauenschicksale. Sowohl die eindrucksvolle Geschichte selbst, als auch die intensive Sprache ziehen uns sofort in ihren Bann.

Fazit

Eine packende, vielschichtige Generationengeschichte, in deren Mittelpunkt drei Frauen, Großmutter, Mutter, Tochter, stehen. Dieser Roman war für den Österreichischen Buchpreis 2023 nominiert und ist ein überzeugendes Leseerlebnis.

Kantika – Elizabeth Graver

AutorElizabeth Graver
Verlagmareverlag
Datum20. Februar 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten386
SpracheDeutsch
ÜbersetzungJuliane Zaubitzer
ISBN-13978-3866487109

„Es ist die schöne Zeit, die Zeit der ausgebreiteten Flügel, der Freudensprünge und offenen Türen, das Leben ein haltloser Fluss von hier nach dort. Es ist die vorgedankliche Zeit, die Welt noch nicht als Listen wahrgenommen, nicht als Rückblick oder Futur, sondern als inbrünstige Musik – kantas, singen.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Rebecca wächst in Istanbul behütet und finanziell privilegiert auf, ohne dies wirklich zu bemerken. Bis sich am 14. November 1914 alles ändert. Die Familie wird gezwungen, nach Spanien auszuwandern, wo sie in Barcelona einen Neubeginn versuchen. Bisher Inhaber eines Textilunternehmens ist Alberto, Rebeccas Vater und das Familienoberhaupt nun Hausmeister der kleinen Synagoge. Rebecca ist bereits vierundzwanzig Jahre alt, als sie endlich den größten Wunsch ihrer Eltern erfüllt, sie heiratet. Bald darauf ist sie eine junge Witwe mit zwei Kindern. Auch die zweite Ehe wird von der Familie arrangiert und führt sie nach New York. Die Zeiten sind für Juden gefährlich geworden und diese Heirat ist die Hoffnung für die Familie auf eine Einreise in die sicheren Vereinigten Staaten.

Thema und Genre

In diesem Generationenroman geht es um Kulturen, Religionen, Heimat und den Verlust der Heimat, Vertreibung, Familiengefüge, Frauenleben.

Erzählform und Sprache

Da dieser Roman fiktiv-biografisch ist und die Familiengeschichte der Autorin betrifft, gibt er wesentliche, interessante Einblicke in das Leben der jüdischen Familien in dieser Zeit. Im personalen Mittelpunkt der Geschichte steht Rebecca, der Großmutter der Autorin. Geschildert wird ihr wechselvolles Leben mit schicksalhaften Wendungen und großen Veränderungen. Sie ist beeindruckend, einerseits ist sie eine selbstbewusste Frau, die eigenständig für sich und ihre Kinder sorgt, andererseits wird sie durch den Vater als Oberhaupt der Familie zwei Mal in reine Zweckehen getrieben. Interessant werden die späteren Kapitel, wo der personale Mittelpunkt wechselt und Luna, die Tochter von Sam, Rebeccas zweitem Ehemann, Rebecca aus ihrer Sicht schildert. Es sind die Menschen, die im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen. Interessant sind die Schilderungen, die Geschichten und dieses leichte Wechseln zwischen den Religionen Judentum und Christentum am Beispiel von Rebecca in Konstantinopel. Leider rückt mit Barcelona die Situation der Familie immer mehr in den Vordergrund und wir erfahren  wenig über die allgemeine, gesellschaftspolitische Situation in Barcelona und noch weniger über das Leben in der lebhaften, interessanten Stadt New York der 1930er Jahre. Die Sprache ist angenehm zu lesen und passt zu diesem epischen Generationenroman

Fazit

In Generationenroman über Heimat und Verlust der Heimat, über Hoffnung und Neubeginn in fremden Ländern, anderen Kulturräumen und neuen Sprachen. Obwohl in den Traditionen im Familiengefüge die Männer, Väter und Ehemänner, die Entscheidungen treffen und bestimmen, was geschieht, sind es in dieser Geschichte die Frauen, jede auf ihre Art stark und mutig, die sich den immer wieder neuen Herausforderungen des Lebens stellen.

Die eigentümliche Vorliebe für das Meer – Gregor Hens

AutorGregor Hens
VerlagAufbau Digital
Datum15. August 2023
AusgabeKindle Ausgabe
Seiten257 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB0C2ZH6PZ8

„Am liebsten würde sie die Routine zwischen Wohnung, Bibliothek und Klinik ewig fortführen. Ihr Leben ist ein Dreieckskurs, vorhersehbar und sicher, es gibt keine Überraschungen, alles hat seine Ordnung.“ (Zitat Seite 18)

Inhalt

Als sie achtzehn Jahre alt ist, verlässt Benedita „Dita“ Chou da Luz ihre Heimatstadt Nam Van und ihre Familie. Sie zieht nach Europa, nach Geest, in das Haus, das sie von ihrer Urgroßmutter Janne geerbt hat, und studiert Medizin. Sie will Ärztin werden. Jetzt, an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag, kehrt sie nach Nam Van zurück. Ihr Onkel Gabriel, der das Luxushotel Majestic leitet, das der Familie gehört, hat sie eingeladen. Ein neunzehnstöckiges Luxushotel, ein goldener Turm, der wie ein Leuchtturm alles überstrahlt, wird dieses Haus auch Benedita ihren weiteren Weg weisen?

Thema und Genre

Dieser Generationenroman ist die Geschichte der Familie Chou da Luz. Es geht um das Leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten und Kulturen, um Beziehungen, Kinder, Erinnerungen, Familiengeheimnisse, Liebe und Schuld – und immer geht es auch um das Meer.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird abwechselnd von Gabriel und Dita erzählt. Sie beginnt in der Jetztzeit und geht dann weit in die Vergangenheit zurück. „Es ist, als wollte Benedita die Familiengeschichte von hinten aufrollen. Als wollte sie selbst verstehen, an welchem Punkt die Dinge aus dem Ruder gelaufen sind.“ (Zitat Seite 242) So entsteht langsam ein buntes und bewegtes Bild einer Familie, beginnend mit den beiden sehr unterschiedlichen Urgroßmüttern, weiter zu Ditas Großeltern, bis zu den ebenso unterschiedlichen Brüdern Gabriel und Tovo, Ditas Vater. Diese Art des Erzählens fasziniert sofort durch die Vielfalt der dadurch immer deutlicher aus der Vergangenheit und den vielen verschwiegenen Lücken in der Familiengeschichte hervortretenden Figuren, ihrer Konflikte und Handlungen. Verbunden sind diese Ereignisse mit bildintensiven Beschreibungen der Entwicklung der Hafenstadt Nam Van, der Landschaften und der Natur. Die Sprache ist kraftvoll, einfühlsam und poetisch.

Fazit

Eine spannende Geschichte, deren Vielfalt und Figuren begeistern. Ein Roman, den man von der ersten bis zur letzten Seite mit Begeisterung und Vergnügen liest.

Die Glasschwestern – Franziska Hauser

AutorFranziska Hauser
Verlag Eichborn Verlag
Erscheinungsdatum 28. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3847900450

„Das Schicksal hat ihnen gleichzeitig denselben Schlag erteilt und gesagt: Seht zu, wie ihr klarkommt, wenn ihr einander nicht helfen könnt.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Dunja und Saphie, neununddreißig Jahre alt, sind Zwillingsschwestern, doch ihr Leben verläuft in unterschiedlichen Bahnen. Dunja war früh Mutter geworden und lebt in der Großstadt, der Sohn studiert bereits, die Tochter bereitet sich auf das Abitur vor, vom Vater ihrer Kinder hat sie sich vor kurzer Zeit endgültig getrennt. Ursprünglich war es Saphie, die möglichst schnell aus dem kleinen Dorf, ehemals DDR, in die Stadt ziehen wollte, doch sie bleibt und leitet gemeinsam mit ihrem Mann ein Hotel. Dann kommt dieser Wintermorgen, Dunjas Ex-Mann stürzt vom Dach und ist tot. Am selben Morgen kippt Saphies Mann tot vom Hometrainer. Nach der Beerdigung bleibt Dunja in Saphies Hotel, entdeckt das Dorf ihrer Kindheit neu. Die Schwestern kommen einander wieder näher, beide sind auf der Suche nach Antworten, wie es nun weitergehen soll. Durch Reporter stoßen sie auf ein Familiengeheimnis, das alle im Dorf schon längst zu kennen schienen, nur Dunja und Saphie nicht. Kann diese Aufarbeitung der Vergangenheit den beiden Frauen helfen, die jeweils für sie selbst passende Zukunft zu finden?

Thema und Genre

In diesem Generationen- und Familienroman geht es um Familienstrukturen und Familienbeziehungen, um ein Familiengeheimnis, Dorfleben, Verlust, Trauer und Neubeginn.

Charaktere

Nach zwanzig Jahren steht Dunja wieder am Beginn eines Lebens, in dem sie im Mittelpunkt steht, das ihr allein gehören wird, denn ihre Kinder wollen eigene Wege gehen, ihr eigenes Leben führen. Sie will nicht mehr Deutsch als Fremdsprache unterrichten, doch was will sie stattdessen? Bisher war es Saphie, die immer die Kontrolle hatte, nach vorne geschaut hat, den Blick auf die Zukunft gerichtet. Doch plötzlich fühlt sie sich in ihrem Dorf fremd.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird chronologisch erzählt, wie auch der Übergang der Natur vom Winter in den Frühling und weiter im Jahreslauf. Die kurzen Kapitel tragen jeweils einen Kalenderspruch als Überschrift und berichten abwechselnd, oder auch gleichzeitig, über die das Leben der Hauptfiguren. Handlungsbogen und Spannung ergeben sich nicht aus den Ereignissen, sondern vor allem aus den persönlichen Konflikten und Problemen der einzelnen Figuren, ihren Gedanken, ihrem Verhalten und ihren Entscheidungen. Wiederkehrende Symbole oder auch Metapher, deren Deutung uns Lesenden überlassen bleibt, verdichten die Schilderung der Gefühlswelten, in denen sich die Figuren bewegen. Die Erzählsprache ist angenehm und einfach zu lesen.

Fazit

Dieser Roman lässt mich etwas ratlos zurück. Bis etwa zur Hälfte war es für mich eine überraschende, witzige, ungewöhnliche Geschichte mit vielen aus dem Leben gegriffenen Themen wie Alltagsprobleme von Ehefrauen, Müttern mit Kindern auf dem Weg in die Selbstständigkeit, Spannungen und Geheimnisse innerhalb von Familiengefügen, alle diese Komponenten gekonnt verknüpft. Doch dann flacht die Handlung ab, die Befindlichkeiten der beiden so unterschiedlichen Frauen stehen im Mittelpunkt und damit Selbstzweifel und sich wiederholende Fragen, wobei die Sichtweisen zwischen Dunja und Saphie auch öfter die Seiten wechseln, einander widerspiegeln. Eine komplexe, spannende Grundidee, mit Längen in der Umsetzung.

Die Abtrünnigen – Abdulrazak Gurnah

AutorAbdulrazak Gurnah
Verlag Pengiun Verlag
Erscheinungsdatum 26. April 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten400
SpracheDeutsch
ÜbersetzungStefanie Schaffer-de Vries
ISBN-13978-3328602613

„Es ist eine Geschichte darüber, dass eine Geschichte viele Geschichten enthält und dass sie nicht nur uns gehören, sondern Teil der zufälligen Strömungen unserer Zeit sind. Und es ist eine Geschichte darüber, wie wir uns in Geschichten hineinverstricken und für alle Zeit darin gefangen bleiben.“ (Zitat Seite 182)

Inhalt

Ende des 19. Jahrhunderts findet in einer kleinen ostafrikanischen Stadt der Krämer Hassanali eines Tages im Morgengrauen einen stark geschwächten Mann. Martin Pearce ist Engländer und als er später zurückkommt, um sich für seine Rettung zu bedanken, verliebt er sich in Rehana, Hassanalis Schwester. Eine Liebe, die nicht nur ein Skandal, sondern auch streng verboten ist. Mitte des 20. Jahrhunderts verliebt sich der junge Amin in Jamila, einige Jahre älter als er, eine geschiedene Frau, die auf Grund ihrer Unabhängigkeit und ihrer angeblich zweifelhaften Herkunft im Mittelpunkt von Gerüchten steht.  Auch diese Liebe wäre ein Skandal, käme sie an die Öffentlichkeit. Amins Eltern bedrängen ihn wegen der drohenden Schande und der gesellschaftliche Ächtung, die er über die Familie bringen würde. Rashid, Amins jüngerer Bruder, will der Enge der Heimat entfliehen und plant zu dieser Zeit bereits seine Reise nach London, wo er bereits an einer Universität aufgenommen wurde. Trotz der Ablehung und Ausgrenzung, mit der man ihm begegnet, bleibt er nach dem Abschluss seines Studiums in England. Doch die Geschichte von Amin und Jamila beschäftigt ihn auch noch viele Jahre später, und er beginnt mit Nachforschungen.

Thema und Genre

Dieser außergewöhnlich facettenreiche Roman spielt in Ostafrika und England, und ist sowohl ein Familienroman, als auch ein Generationenroman. Themen sind Kolonialismus, Unterdrückung, Ausgrenzung, gesellschaftliche Traditionen, Politik, Heimat und Fremde, Liebe und Trennung.

Charaktere

Es sind unterschiedliche Charaktere und ebenso unterschiedlich ist ihre Art, mit äußeren Zwängen und dem Druck gesellschaftlicher Regeln und Wertvorstellungen umzugehen, und trotz aller Widerstände ihren Platz im Leben zu suchen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung wird in neun Abschnitten erzählt, wobei jeweils eine Person im Mittelpunkt steht, die dem jeweiligen Abschnitt den Titel gibt und wo es vor allem um die jeweilige persönliche Lebenssituation, die Vergangenheit, Erfahrungen und Konflikte geht. Der Autor nimmt sich Zeit und schildert nicht nur die Ereignisse und das Leben der einzelnen Protagonisten, sondern auch das Umfeld, das Alltagsleben der Menschen, die politische Situation dieses Teiles von Ostafrika unter den Engländern, und später während der Umstürze, nachdem Sansabar Ende 1963 unabhängig geworden war. Es ist Rashid, der die Geschichte erzählt, doch er präzisiert: „Es gibt, wie Sie sehen, ein Ich in dieser Geschichte, aber es ist keine Geschichte über mich. Es ist eine Geschichte über uns alle, über Farida und Amin, über unsere Eltern und über Jamila.“ (Zitat Seite 182). So folgen wir fasziniert und gespannt einem Zeitrahmen  etwa einhundert Jahren, pendeln zwischen Afrika und England und sind keine einzige Minute gelangweilt.

Fazit

Abdulrazak Gurnah ist ein leiser, aber eindrücklicher Erzähler, er klagt nicht an, sondern beleuchtet alle Graubereiche der Geschichte und der Menschen, und dies alles in einer wunderbar zu lesenden Erzählsprache.

Lektionen – Ian McEwan

AutorIanMcEwan
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 28. September 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten720
SpracheDeutsch
ÜbersetzungBernhard Robben
ISBN-13978-3257072136

„Die Zeiten seiner wilden Reisen waren zwar vorbei, aber der Wunsch nach Abenteuern und einer unmöglichen Freiheit verdarb ihn immer noch für die Gegenwart, die doch die meisten Befriedigungen des Lebens bereithielt. Es war eine Frage der inneren Einstellung. Sein wahres Leben, das grenzenlose Leben, fand anderswo statt.“ (Zitat Seite 237)

Inhalt

Im Spätsommer 1959 kommt Roland Baines, elf Jahre alt, mit seinen Eltern aus Libyen nach England. Für ihn beginnt, dreitausend Kilometer von seinen Eltern entfernt, das Internatsleben. Die Erfahrungen dieser Jahre verändern sein ganzes weiteres Leben. Er hat viele Pläne, reist, vermeidet Bindungen. Doch dann trifft er Alissa, verliebt sich, heiratet. Wenige Monate nach der Geburt seines Sohnes Lawrence verlässt Alissa völlig überraschend ihn und das Baby. Er ist fassungslos, sucht nach Alissa, doch sie will nicht gefunden werden. Gleichzeitig bringt das Leben mit seinem Sohn auch Routine und Ordnung in sein eigenes Leben. Mit den Jahren beginnt er, über sein Leben nachzudenken, über wichtige Entscheidungen, die er getroffen hat und die Konsequenzen. „Die Vergangenheit war nicht mehr zu retten, aber die Gegenwart konnte er vor dem Vergessen bewahren.“ (Zitat Seite 477)

Thema und Genre

Dieser Roman schildert ein Menschenleben von der Kindheit bis ins Alter, die Ereignisse und Entscheidungen, gleichzeitig ist es ein zeitpolitischer Roman und ein Familien- und Generationenroman. Es geht um Lebenspläne, um das Leben als Schriftsteller, um Träume, Enttäuschungen, Beziehungen, Liebe, Fragen und die Suche nach dem Platz im eigenen Leben.

Charaktere

In jungen Jahren träumt Roland Baines von einem Leben in Freiheit, ohne Verpflichtungen. Auch nach der Zeit im Internat macht ihn dies ruhelos, voller Ideen, die er rasch wieder vergisst, nie zu Ende bringt. Er lässt sich durch sein Leben treiben, reagiert, aber agiert nicht. Die Charaktere und die Geschichten der Hauptfiguren enthüllen sich langsam, zunächst fehlen viele Details, doch  im Laufe der Handlung gewinnen wir immer mehr Einblicke in die Vergangenheit. Entscheidungen sind nachvollziehbar, erklärbar, auch wenn man selbst unterschiedlicher Meinung ist.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung schildert das Leben der Hauptfigur Roland Baines chronologisch über viele Jahre, Zeitsprünge sind durch die entsprechenden Jahreszahlen oder Altersangaben leicht zu erkennen. Doch dies ist nur eine Seite dieser facettenreichen Geschichte, denn einen wichtigen Teil machen seine Erinnerungen, Gedankengänge, Überlegungen aus und werden durch viele Gespräche zwischen den Hauptfiguren ergänzt. Die Geschichten der Elterngeneration ergeben sich zum Teil aus Tagebüchern und aus Erzählungen. Chronologisch ist jedoch nur Rolands Geschichte, alle diese ergänzenden Episoden tauchen plötzlich auf, wenn Roland sich daran erinnert, darüber nachdenkt, nach Antworten für sein Leben sucht. Diese Art des Erzählens, des Schilderns und die genauen Beobachtungen, so vielseitig wie die sprachliche Umsetzung, machen das Lesen dieses Romans zu einem packenden Erlebnis.

Fazit

Ein epischer Roman über das Leben, als Wienerin fällt mir der Songtitel „mei potschertes Leb’n“ ein, denn es ist kein einfaches Leben, das Roland führt. Held, Antiheld, gar kein Held, irgendwie doch ein Held, das alles in einer Figur. Gleichzeitig ein politisch-kritischer Roman über eine Generation, die den Fall der Mauer bereits im Erwachsenenalter erlebt hat, die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen und dann in nur dreißig Jahren  erleben musste, dass immer mehr neue Mauern errichtet wurden und werden. Ich wollte mich während dieser Lesestunden mehrmals überreden, Roland Baines nicht zu mögen, sein Zaudern, seine Antriebslosigkeit – und doch ist es mir in keiner Minute gelungen, dieses Buch nicht großartig zu finden. „Es gab Strömungen, Handlungsstränge, Entwicklungen, die niemand hätte vorhersehen können, auf den nun verbrannten Seiten hatte er nicht einmal die entsprechenden Fragen gestellt.“ (Zitat Seite 696). Hier schreibt ein Autor, der nicht nur alle Facetten der Sprache kennt, sondern auch alle Facetten des Lebens.

Wenn ich wiederkomme – Marco Balzano

AutorMarco Balzano
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 29. Februar 2021
FormatHardcover
Seiten320
SpracheDeutsch
ÜbersetzungPeter Klöss
ISBN-13978-3257071702

„Du verstehst deine Mutter nicht, weil sie dir erlaubt hat, eine andere Frau zu werden.“ (Zitat Seite 276)

Inhalt

Manuel wächst in Rădeni auf, einem rumänischen Dorf nahe der Grenze zu Moldawien. Er ist zwölf Jahre alt, als er eines Morgens erwacht und seine Mutter ist weg. Heimlich hat Daniela die Familie verlassen und ist jetzt auf dem Weg nach Italien, wo sie in Mailand eine Stelle als private Pflegerin angenommen hat. Zurück bleiben Manuel, seine acht Jahre ältere Schwester Angelica und sein arbeitsloser Vater. Angelica muss sich, gemeinsam mit den Großeltern, um die Familie kümmern. Daniela will mit dem Geld, das sie verdient, ihren beiden Kindern eine gute Ausbildung und damit eine bessere Zukunft finanzieren. Besonders Manuel leidet unter dieser Situation, die immer kürzer werdenden Besuche der Mutter, die doch wieder wegfährt. Dann stirbt Opa Mihai, sein einziger Halt. Es gibt Tage, da läuft es für Manuel besser, dieser eine Tag war vom Aufwachen an keiner dieser guten Tage.

Thema und Genre

Dieser Roman handelt von den Migrantinnen, die ihre Familien verlassen, um im Ausland als billige Arbeitskräfte tätig zu sein, meistens als Haushaltshilfen und im privaten Pflegebereich. Es geht um diese Mütter, doch vor allem geht es um das Leben der zurückgelassenen Kinder und Jugendlichen, in ihren Heimatländern „Eurowaisen“ genannt.

Charaktere

Daniela will ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten und ist enttäuscht, dass vor allem Manuel ihr Opfer nicht zu schätzen weiß, er fühlt sich von ihr im Stich gelassen, verraten. Manuel würde viel lieber die Landwirtschaftsschule besuchen, als das Gymnasium, das seine Mutter mit ihrer Arbeit in Italien finanziert. Angelica studiert, muss durch den Weggang der Mutter aber die Verantwortung für den Haushalt und den jüngeren Bruder übernehmen, was sie zornig macht und überfordert.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in drei Abschnitten von jeweils einer der Hauptpersonen als Ich-Erzähler, teilweise rückblickend, geschildert. „Außerdem gibt es keine gemeinsamen Erinnerungen, jeder hat seine eigene und macht aus ihr, was er will.“ (Zitat Seite 230) Im ersten Teil beschreibt Manuel diese Jahre, beginnend mit dem Morgen, an dem seine Mutter ohne ein Wort abgereist ist. „Im Leben geht es nur darum, einander nah zu sein, wie bei den Kaninchen im Stall, wenn’s draußen friert.“ (Zitat Seite 30) Das denkt der junge Manuel, wünscht sich die Mutter zurück und ist ihr absolut nicht dankbar. Im zweiten Teil erzählt Daniela, die Mutter, von ihrer Arbeit als Pflegerin und Kindermädchen, von den Menschen, die sie in Mailand betreut hat, von ihrem Alltag und den Lebensumständen während dieser Zeit. Sie ist überzeugt, das Richtige getan zu haben, als sie, zu Hause arbeitslos geworden, ins Ausland arbeiten ging. Dieser zweite Teil verbindet die vergangenen Jahre mit der Gegenwart. Im dritten Teil erzählt die Tochter Angelica die Geschichte in der Gegenwart weiter, es ist zugleich auch ihre Geschichte. In diesem letzten Abschnitt geht es auch um die Frage, ob diese Familie noch einmal zusammenfinden kann. Die Sprache ist leise, klar und einfühlsam.

Fazit

Die Geschichte einer Familie, die plötzlich Tausende von Kilometern voneinander entfernt ist, weil die Mutter das abgelegene rumänische Dorf verlässt, überzeugt, keine andere Wahl zu haben. Dieser Roman beleuchtet vor allem die andere Seite, was macht diese Situation mit der Familie, mit den heranwachsenden Kindern, die in der Heimat zurückbleiben. Die Intention des Autors ist es, auf die Situation aufmerksam zu machen. Diese Geschichte verurteilt nicht, aber sie wirft viele Fragen auf, die zum Nachdenken anregen.

Der Zauberer – Colm Tóibín

AutorColm Tóibín
Verlag Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsdatum 27. September 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten560
SpracheDeutsch
ÜbersetzungGiovanni Bandini
ISBN-13978-3446270893

„Es gab zwei Männer, zu denen er nicht geworden war, und wenn es ihm gelänge, ihren jeweiligen Geist auf glaubhafte Weise zu beschwören, ließe sich ein Roman aus ihnen machten. (Zitat Seite 426)

Inhalt

Thomas Mann lebt schon als Heranwachsender tiefer in seiner eigenen Traumwelt und in seinen Phantasien, als sein Bruder Heinrich. Doch er zeigt es im Gegensatz zu Heinrich nicht. Nach dem frühen Tod des Vaters wird Heinrich als Ältester finanziell abgesichert und er kann sich dem Schreiben als Beruf widmen. Auch Thomas schreibt seit Jahren eigene Texte und will Schriftsteller werden, die Lehrstelle, die er auf Weisung seiner beiden Vormunde antreten muss, verlässt er bald wieder. Er ist erst einundzwanzig Jahre alt, als er beginnt, einen Roman über den Niedergang einer angesehenen Kaufmannsfamilie zu schreiben: Buddenbrooks. Anfang 1901 wird das Werk veröffentlicht. Das Schreiben wird immer einen wichtigen Stellenwert in seinem Leben einnehmen. Der Zauberer, diesen Namen findet seine Tochter Erika für ihn und das bleibt er auch für seine erwachsenen Kinder: ein Zauberer, oft unerreichbar in seiner Welt der Phantasie, zwischen Realität und Romanfiguren, neuen Ideen, Politik und Alltag.

Thema und Genre

Ein Künstlerroman, in dessen Mittelpunkt das Leben und die Werke des berühmten Schriftstellers Thomas Mann stehen und zugleich ein Roman der eigenwilligen, bekannten Mitglieder der Familie Mann. Sein Bruder Heinrich und vier seiner sechs Kinder sind ebenfalls Schriftsteller.

Charaktere

Thomas Mann, der Zauberer, der Zögerer, er geht oft den vorsichtigen Weg. Seine Tätigkeit als Schriftsteller übt er immer sehr ernst und diszipliniert aus, seine Stoffe formt er aus eigenen Erlebnissen und Gegebenheiten, auch seine Figuren entnimmt er der Realität. Für das Familienleben, für die Kinder ist seine Frau Katia zuständig, die auch dafür sorgt, dass er in seinem Arbeitszimmer die Ruhe hat, die er zum Schreiben braucht. Andererseits kümmert sich Thomas Mann immer um das Wohlergehen der Familie, er sorgt dafür, das die gesamte Familie emigrieren kann und sie alle sind auch im Exil aktiv.

Handlung und Schreibstil

Der Autor schildert das Leben von Thomas Mann in chronologischen Etappen, er stellt ihn in den Mittelpunkt dieses Künstlerromans. Doch dieser Roman ist auch ein Familienroman, ein Generationenroman, denn das Leben dieser berühmten Künstlerfamilie ist kein Einzelbild, sondern die Summe von eigenwilligen und kreativen Künstlern. So zieht sich auch seine Beziehung zu seinem Bruder Heinrich durch den Roman, die unterschiedlichen politischen Ansichten, der künstlerische Wettstreit der beiden Schriftsteller. Jedes der eigenwilligen, kreativen, oft auch schriftstellerisch tätigen Kinder Thomas Manns erhält mit der eigenen Lebensgeschichte einen entsprechenden Anteil an diesem Roman. Thomas Mann hat immer Tagebücher geschrieben, wo er besonders die Ideen und Hintergründe, das Entstehen seiner Romane genau notiert und so fließt vieles davon in die Handlung ein. Einfühlsam nähert sich der Autor dem Künstler, Familienvater und Menschen Thomas Mann, er erzählt, aber er wertet nicht. So entsteht ein auch sprachlich überzeugendes, lebendiges Bild der berühmten Familie.

Fazit

Ein Künstlerroman, der auch ein Familienroman ist. Colm Tóibín ist ein interessanter, packender, aber auch leiser, einfühlsamer Roman über diese prägende, berühmte Familie in einer Zeit der Umstürze und Kriege, zwischen Politik, Exil, Träumen, Hoffnung, Beziehungen, Aufbruch und Schicksal gelungen.

Viktor – Judith Fanto

AutorJudith Fanto
Verlag Verlag Urachhaus
Erscheinungsdatum 18. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten415
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinEva Schweikart
ISBN-13978-3825152574

„Tief in mir keimte die Hoffnung, dass ich durch ein Missverständnis – auf welche Weise auch immer – im falschen Leben gelandet war und dass mein eigentliches, mein echtes Leben irgendwo unberührt geduldig auf mich wartete.“ (Zitat Seite 73)

Inhalt

Geertje van den Berg studiert 1994 in Nimwegen Jura. Obwohl ihre Mutter Pauline aus einer wohlhabenden wienerisch-jüdischen Familie stammt, werden in der Familie keine jüdischen Traditionen mehr gepflegt. Für Geertje bedeutet dieses bewusste Verheimlichen des Judentums einen Konflikt, denn sie fühlt sich nicht als Geertje. Andererseits kennt sie auch ihre Wurzeln nicht, die Vergangenheit ihrer Familie, in der es einige sehr gut gehütete Geheimnisse gibt, über die nie gesprochen wird. Geertje ändert bewusst ihren Vornamen in Judith und begibt sich auf die Suche, die sie zurückführt in die Stadt Wien nach dem ersten Weltkrieg, wo ihr Großvater aufgewachsen ist, und besonders zu seinem geheimnisvollen, unkonventionellen Bruder Viktor.

Thema und Genre

In diesem Generationenroman geht es um die Nachkommen einer wohlhabenden jüdischen Wiener Familie, um die Schuldgefühle jener jüdischen Menschen, die überlebt haben, ihr Schweigen und die sich aus diesem Schweigen ergebenden Identitätsprobleme der heutigen Generation. Ein sehr interessantes Thema, das in dieser Form selten so eindrücklich geschildert wird.

Charaktere

Die einzelnen Personen der Handlung, die Mitglieder der Familie Rosenbaum und ihre Nachkommen, sind mit Humor und großem Einfühlungsvermögen für ihre Eigenheiten und ihre Verhaltensweisen beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte der Familie wird in zwei Handlungssträngen erzählt, die einander abwechseln. Geertje-Judith schildert als Ich-Erzählerin ihr Leben im Jahr 1994, ihre Familie, ihr Studium in Nimhagen und ihre Recherchen. Parallel dazu erfahren wir die Geschichte ihrer Vorfahren in Wien, beginnend im Jahr 1914, bis zur Flucht von Geertje-Judiths Großeltern Felix und Trude im Jahr 1939 nach Belgien. Notizen über spätere Ereignisse schließen diesen historischen Teil ab, in dessen personalem Mittelpunkt Viktor steht, der Bruder von Felix. Die Sprache erzählt packend und die Handlung und Personen haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Besonders beeindruckt mich die Mischung aus Ernst, Tiefgang und gleichzeitig lebhafter Leichtigkeit, mit der diese Geschichte geschrieben ist.

Fazit

Ein großartiger Familienroman mit einer interessanten Problematik, klug, eindrücklich und humorvoll. 

Das Flüstern der Bienen – Sofia Segovia

AutorSofia Segovia
Verlag List Hardcover
Erscheinungsdatum 1. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3471360354

„Wenn er gekonnt hätte, hätte er ihnen von der Musik erzählt, die ihm die Bienen in sein lauschendes Ohr sangen: über die Blumen in den Bergen, Begegnungen in der Ferne und Freundinnen, die den weiten Weg nach Hause nicht geschafft hatten, über die Sonne, die heute vom Himmel strahlte, aber morgen hinter Gewitterwolken verschwinden würde.“ (Zitat Pos. 775)

Inhalt

Im Oktober 1910 findet die alte Nana Reja ein Baby. Ausgesetzt, um zu sterben, doch eingehüllt in einen Bienenschwarm, hat der kleine Simonopio überlebt. Die vermögenden Plantagenbesitzer Francisco und Beatriz Morales nehmen ihn als Patensohn an und er wächst auf ihrer Hazienda La Amistand auf, zusammen mit seinen Bienen, von denen er den Kreislauf der Natur lernt. Als im April 1923 Beatriz, schon neununddreißig Jahre alt, nochmals Mutter wird, kümmert sich Simonopio wie ein Bruder um den kleinen Francisco. Alle halten Simonopio auf Grund eines Geburtsfehlers, eine Oberlippenspalte, für beinahe stumm, doch Francisco lernt seine Sprache und er liebt die vielen Geschichten, die ihm Simonopio erzählt – nur eine nicht, die vom Kojoten, denn er spürt, dass diese Geschichte auch Simonopio Angst macht.

Thema und Genre

Dieser Familien- und Generationenroman spielt in Mexiko, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den Hintergrund bildet die wechselvolle Geschichte Mexikos in dieser Zeit, Krieg, Revolutionen, politische Umstürze und die Spanische Grippe, doch im Vordergrund stehen die Menschen, die auf der Hazienda La Amistand nahe der Stadt Linares leben.

Charaktere

Simonopio ist ein besonderer Junge, er hat eine enge, magische Bindung zu seinen Bienen, scheint in Gedanken mit ihnen zu reden. Ungebunden lebt er den Jahreslauf mit der Natur und mit seinen Bienen. Sein Wissen setzt er zum Wohle der Hazienda ein, denn früh erkennt man seine besondere Gabe und hört auf ihn. Der kleine Francisco ist ein ungestümer Wildfang, doch seinem Bruder Simonopio hört er zu und bei ihm kommt er zur Ruhe. Beatriz Cortés de Morales ist, obwohl ihrer Erziehung und den gesellschaftlichen Konventionen der mexikanischen Oberschicht verpflichtet, eine starke, selbstbewusste Frau, bereit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird von Francisco erzählt, der inzwischen längst ein alter Mann ist. Dies erfolgt, mit einigen Vorgriffen und Rückblicken, chronologisch. Dort, wo es Francisco selbst betrifft, in der Ich-Form, die anderen Teile als personaler Erzähler. Seit vielen Jahren lebt er schon in Monterrey, doch ein Mal will er noch zurück nach Linares, das Haus seiner Kindheit sehen und während der Fahrt schildert er dem Taxifahrer die Geschichte seiner Familie und die damaligen Ereignisse. Geschrieben in einer eindrücklichen, poetischen Sprache, geht die Autorin einfühlsam mit ihren Figuren um, gibt ihnen Freiraum, sich zu entwickeln und vertieft die Handlung mit einer Art positiver Magie. Damit gewinnt sie von den ersten Seiten an die Aufmerksamkeit der Lesenden und die vielen Hinweise und Andeutungen auf kommende Ereignisse, die in der Mitte des Buches auf beinahe jeder Seite auftauchen und wohl den Spannungsbogen steigern sollen, sind in meinen Augen unnötig. Es sind die eindrücklichen Hauptfiguren, welche die Geschichte tragen und denen man auch ohne diese Stilmittel gespannt und neugierig folgt.

Fazit

Eine faszinierende Geschichte, poetisch, einfühlsam und mit einem Hauch Magie erzählt.

Die verstummte Liebe – Melanie Metzenthin

AutorMelanie Metzenthin
SerieLeise Helden Band 3
Verlag Tinte & Feder
Erscheinungsdatum 12. Januar 2021
FormatTaschenbuch
Seiten461
SpracheDeutsch
ISBN-13978-2496703924

„Aber welchen Platz gab es für ein Mädchen aus reichem Haus in der Welt, das weder seine Familie noch seine Freiheit verlieren wollte? Sie hoffte so sehr, dass ihr die Reise durch Europa Antworten liefern und sie endlich befreien würde.“ (Zitat Pos. 437)

Inhalt

Am 2. Januar 1879 kommt Helen Mandeville in London als Tochter einer wohlhabenden Bankiersfamilie zur Welt. Das eigenwillige, wissbegierige Mädchen erhält eine umfassende Ausbildung, wie sie damals nur Söhnen vorbehalten war. Dennoch muss sie ihrem Vater gehorchen und im Mai 1899 findet die Verlobung mit dem sehr vermögenden, aufstrebenden Anwalt James Mitchell statt. Vor der Heirat wünscht sie sich eine Bildungsreise durch Europa. In Hamburg trifft sie ihre große Liebe, den Arzt Dr. Ludwig Ellerweg und heiratet ihn, sobald sie volljährig ist. Als ihre Mutter 1914 im Sterben liegt, reist Helen trotz aller Warnungen für einige Wochen zurück nach England. Ihr Mann bleibt mit dem gemeinsamen Sohn Fritz zu Hause in Hamburg. Als England Deutschland den Krieg erklärt, ist sie noch in London und der gefährliche Versuch, nach Hamburg zurückzukehren, scheitert. James Mitchell erweist sich als Freund und Retter und Helen trifft eine folgenschwere Entscheidung.

Thema und Genre

In diesem Familienroman mit geschichtlichem Hintergrund, dem dritten Teil der Serie „Leise Helden“, geht es um die traditionelle Stellung der Frauen, um Familie, Ehe, Gefühle und Entscheidungen, die das Leben für immer verändern.

Charaktere

Helen Mandeville, die Mutter des Arztes Fritz Ellerweg aus „Im Lautlosen“ und „Die Stimmlosen“, steht im Mittelpunkt dieses Romans, denn es ist ihre Geschichte, die erzählt wird. Entscheidungen, die sie 1914 trifft, machen aus der selbstbewussten, glücklichen Frau eine verbitterte, harte Person, die sich selbst längst verloren hat. Voll Selbstmitleid sucht sie die Schuld bei den anderen, nur in einigen ehrlichen Momenten bei sich selbst. Dies macht sie wenig sympathisch.

Handlung und Schreibstil

Die Rahmenhandlung beginnt im November 1945 und umschließt die Geschichte von Helen, beginnend mit ihrer Kindheit, bis zu diesem Tag im November 1945, an dem Helen selbst ihrer Tochter Ellinor die Wahrheit über die Vergangenheit erzählt. Die Autorin wählt jedoch nicht die Ich-form, sondern die personale Erzählform, dadurch wird aus diesem zweiten Erzählstrang eine eigenständige Geschichte, der Hauptteil dieses Romans. Obwohl man die Ereignisse durch den Einstieg in der aktuellen Zeit 1945 schon kennt, ist es spannend, die Entwicklung bis zu diesem Punkt zu verfolgen. Die gesamte Handlung ergibt sich als Konsequenz einiger unwiderruflicher Entscheidungen der Hauptfigur Helen. Das damalige Verhalten von Helen ist für mich nicht stimmig und schwer nachvollziehbar, daher ist für mich die Geschichte nicht immer plausibel.

Fazit

Ein interessanter, angenehm und leicht zu lesender Roman, etwas sehr konstruiert und daher weniger glaubhaft und überzeugend, als die beiden ersten Bücher der Serie „Leise Helden“.

Zorn und Stille – Sandra Gugić

AutorSandra Gugić
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Erscheinungsdatum 5. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455009767

„Wenn du mittendrin in einer Geschichte steckst, ist es noch keine Geschichte, mehr ein Getöse, ein Rauschen. Es beginnt erst eine Geschichte zu werden, wenn du sie jemandem erzählst. (Zitat Pos. 49)

Inhalt

Biljana Banadinović, Künstlername Billy Bana, ist vierzig Jahre alt und eine bekannte Fotografin. Im Grunde hasst sie das Reisen, hält es jedoch nie lange an einem Ort aus. Als Kind einer Gastarbeiterfamilie wächst sie in Wien auf. Schon seit sie siebzehn Jahre alt ist, führt sie ihr eigenes Leben und hat wenig Kontakt zu ihrer Familie. Nun ist der Vater verstorben und seine Anordnungen sind klar: er will in seinem alten Heimat in Serbien begraben werden. Die Reise nach Belgrad wird für Billy eine Erinnerungsreise in die Vergangenheit, denn ihr jüngerer Bruder Jonas Neven ist 2003 während einer Reise durch die neuen Länder Jugoslawiens spurlos verschwunden.

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um Heimat, Herkunft, Identität, Kindheitserinnerungen, um die Problematik, in mehreren Ländern zu Hause und gerade deshalb nicht wirklich zu Hause zu sein, um Verlust, Trauer, um Familie und Beziehungen und um die Suche nach dem eigenen Platz in diesem Gefüge. Themen sind auch die Situation der frühen Gastarbeiterfamilien und der Zerfall des ehemaligen Staates Jugoslawien.

Charaktere

Als der Vater Billy seine Leica schenkt, weiß sie, dass sie Fotografin werden will. Sie sieht Momente und Situationen immer in Bildern, nicht alle fotografiert sie, sondern speichert sie in ihren Erinnerungen. In einer lockeren Beziehung mit der Galeristin Ira Goldfarb, ist Billy eine rastlos Reisende, die nie sesshaft wurde und von sich selbst vermutet, immer gerade dort glücklich zu sein, wo sie nicht ist. Eine gerade wegen ihrer Ecken und Kanten sehr sympathische Hauptfigur.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in vier großen Abschnitten erzählt, wobei Billy in Teil I und IV die Ich-Erzählerin ist, während in Teil II ihre Mutter Azra im Mittelpunkt steht und in Teil III ihr Vater Sima. Die jeweils aktuellen Handlungsstränge umfassen unterschiedliche Zeitpunkte, Billy 2016 und 2018, Azra 2008 und Sima 1999 und werden nochmals von Erinnerungen unterbrochen und durch Rückblicke ergänzt. Der Prolog am Anfang des Buches schließt den Kreis in die Jetztzeit. Durch diese Schreibweise ergibt sich eine interessante, abwechslungsreiche und vielschichtige Familiengeschichte, die man gespannt miterlebt. Die in diesen Jahren wichtigen Ereignisse und die politischen Hintergründe ergänzen die Handlung. Die Sprache beschreibt lebhaft, schildert einfühlsam, die Bilder vor Billys Augen haben auch wir beim Lesen sofort vor Augen.

Fazit

Ein intensiver, großartig erzählter Roman einer Familie, der die wichtigen Fragen der heutigen Zeit aufgreift, die Träume jeder Generation und die Suche nach dem eigenen Platz im Leben. Ein beeindruckendes Leseerlebnis, das mich begeistert hat.

Das Haus an der Keizersgracht – Rinske Hillen

AutorRinske Hillen
Verlag Schöffling & Co.
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613678

„Die Zeit, in der sie dachte, sie könnte mit einer komfortablen Lüge besser leben als mit der schmerzlichen Wahrheit, war vorbei.“ (Zitat Seite 130)

Inhalt

Der Naturphilosoph Bram Wenksterman wird fünfundfünfzig Jahre alt, doch ein Geburtstagsfest ohne ihre Mutter kann sich seine Tochter Amber, gerade nach dem Abbruch ihres Studiums wieder nach Hause zurückgekehrt, nicht vorstellen. Ihre schwer depressive Mutter lebt zur Zeit in einer psychiatrischen Klinik. Außerdem will Ambers introvertierter Vater keine Party, er sucht die Ruhe in den Dingen und in der Natur, für die er sich begeistert. Doch Ella, die Cousine ihrer Mutter, sieht dies anders, bereit, in dem alten, gefährlich baufälligen Haus der Familie den Platz als Frau an der Seite von Ambers Vater einzunehmen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Trauer, nie bewältigte Schuldgefühle und die Auswirkungen des Schweigens auf alle Mitglieder der Familie. Ein gefährlich baufälliges Haus als Symbol einer entsprechend zerrütteten Familie.

Charaktere

Es sind keine Figuren, die man ins Herz schließt, die Beziehungen untereinander sind durch offene Fragen, Missverständnisse und Schweigen gekennzeichnet. Was wir über sie wissen, ergibt sich aus immer wieder in den Text eingeworfenen Details, doch die Fragmente schließen sich nicht zu einem Ganzen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung, ergänzt durch Rückblenden und Erinnerungen, spielt innerhalb von wenigen Tagen, im Mittelpunkt steht das Geburtstagsfest von Bram Wenksterman. Immer neue Konflikte und Problematiken kommen neben den Kernthemen an die Oberfläche, aber die Figuren haben nicht die Ruhe, sich damit auseinanderzusetzen. Auch die Sprache wirkt eigenartig gehetzt, die Autorin findet keine Zeit, bei einer Schilderung zu verweilen, den Lesenden Zeit für Gedanken zu geben, die Sätze fliegen vielmehr zwischen den Beobachtungen und Befindlichkeiten hin und her, treiben die Fragmente aus Handlung und Ereignissen aus der Vergangenheit voran.

Fazit

Ein Roman, der eine Vielfalt an Konflikten und Themen anspricht, sich aber nicht die Zeit nimmt, sie genauer zu betrachten. Der straffe Zeitrahmen schafft Augenblickssituationen und lässt den Figuren wenig Raum, nach möglichen Lösungen zu suchen. Eine Fülle, der es an Tiefe fehlt.

Das Meer in meinem Zimmer – Jana Scheerer

AutorJana Scheerer
Verlag Schöffling
Erscheinungsdatum 21. Juli 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613524

„Für einen Moment wollte ich ihm von der Szene erzählen, wollte ihm meine Erkenntnis mitteilen: dass es möglich war, zu lachen. Doch während ich überlegte, wie ich Pax dies erklären konnte, zerfiel der Gedanke.“ (Zitat Seite 70)

Inhalt

Jolanda ist eine neunzehn Jahre alte Abiturientin, als ihr Vater Pax stirbt. Obwohl dieser bereits längere Zeit schwer krank und pflegebedürftig war, will es die Mutter, Dr. Constanze Jellerich, Psychologin, nicht wahrhaben. Für sie ist er noch im Krankenhaus und kommt bald nach Hause. Sie ist nimmt ihre Patiententermine wahr, als sei nichts geschehen und erwartet von Jolanda, dass sie zur Abiturfeier geht. Am selben Abend wandert Jolandas Schwester Lilli, neun Jahre alt, alleine ins Watt, um nach ihrem Vater zu suchen, der sich oft dort aufgehalten hat. Nun liegt es an Jolanda, nicht nur ihre Schwester, sondern auch diese neue, kleine Familie zu retten.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um den Tod eines nahen Angehörigen, um Verlust, um Familie und um das Heranwachsen mit einem extrem schwierigen Vater, dessen bipolare Erkrankung sich in Stimmungsschwankungen und einer zwanghaften Suche nach einem bestimmten Schiffswrack äußert.

Charaktere

Schon früh muss Jolanda die Verantwortung für ihre kleine Schwester Lilli übernehmen. Oft fühlt sie sich schuldig, am Verhalten ihres Vaters, an allem, was in ihrer Familie passiert. Constanze ist Ärztin, Diplompsychologin, weigert sich, den Tod ihres leukämiekranken Ehemannes Pax zu akzeptieren. Mit der Situation völlig überfordert, lädt sie, wie auch bisher, alle Probleme auf den Schultern ihrer älteren Tochter Jolanda ab.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird von Jolanda als Ich-Erzählerin geschildert. Pax, der Vater, stirbt in den frühen Morgenstunden. Die Handlung findet in den anschließenden Stunden bis zum Ende dieses Tages statt. Den wichtigsten Teil bilden jedoch die Rückblenden, einzelne Episoden aus dem Familienleben mit Pax, an die sich Jolanda erinnert. Es sind einige fröhliche und viele in ihrer Hoffnungslosigkeit bedrückende Erinnerungen. Die Sprache entspricht der direkten, manchmal etwas saloppen Ausdrucksweise einer Neunzehnjährigen, wodurch manche der überbordernd eingesetzten Metapher zu aufgesetzt und nicht authentisch wirken.

Fazit

Die Autorin hat bisher Jugendbücher geschrieben. Für mich handelt es sich hier ebenfalls um ein Buch für junge Erwachsene, die sich mit der Hauptfigur Jolanda identifizieren können, mit ihrer durchaus witzigen Ausdrucksweise, mit den Problemen Heranwachsender in einem sehr fragilen, speziellen Familiengefüge. Die Geschichte selbst und besonders die Figur der Mutter sind für mich zu bemüht auf Wirkung konstruiert und nicht immer realistisch und stimmig. Sehr gut gefällt mir dagegen das Bild der Bagger, die sich als roter Faden durch die Geschichte ziehen, langsam den Blick aufs Meer verbauen, aber Sicherheit bringen.

Belmonte: Eine deutsch-italienische Familiensaga – Antonia Riepp

AutorAntonia Riepp
Verlag Piper Paperback
Erscheinungsdatum 2. Juni 2020
FormatBroschiert
Seiten496
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492062015

„Ihren ersten Kaffee trank sie auf der Steinbank neben dem Kücheneingang im Schatten des Moro und beobachtete eine Eidechse, die sich auf dem Mäuerchen der Terrasse sonnte.“ (Zitat Pos. 952)

Inhalt

Simona, demnächst dreißig Jahre alt, hat Landschaftsgärtnerei studiert und ist in Kempten im Allgäu freiberuflich tätig. An dem Tag, an dem sie ihren Job verliert, stirbt auch ihre Großmutter, Nonna Franca, bei der sie aufgewachsen ist. Simona wusste nicht, dass Franca ein Haus in der Region Marche in Mittelitalien besaß. Dieses Haus in Belmonte ist das renovierte Elternhaus von Franca, mit einem wunderbaren Obst- und Gemüsegarten, das Simona nun erbt. Da sie ohnedies auch Abstand von ihrem Lebensgefährten Sebastian braucht, fährt sie nach Italien. Als sie mehrere Kuverts ohne Absender erhält, auf denen ihre Großmutter ihr Leben erzählt, beginnt sie nachzuforschen.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses deutsch-italienischen Familienromans stehen die Frauen. Themen sind Familie und ihr Zusammenhalt, die eigenen Wurzeln, Heimat und Auswanderer, eine noch ursprüngliche italienische Gegend und die Liebe. Es geht auch um schwierige Mutter-Tochter-Beziehungen, die sich durch vier Generationen ziehen.

Charaktere

Teresa und ihre Freundin Marta, Franca und ihre Freundin Irma, Marina und ihre Tochter Simona: unterschiedliche Frauen, deren Leben durch vergangene Ereignisse geprägt ist. Es sind einprägsame Figuren und die sympathisch gestalteten Charaktere stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte.

Handlung und Schreibstil

Die Familiengeschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, Simona in der Jetztzeit, unterbrochen immer wieder durch Teresas und Francas Geschichte in der Vergangenheit. Franca erzählt ihr Leben in der Ich-Form. Jedes Kapitel ist mit Zeit- und Namensangabe versehen, das macht die Handlung übersichtlich. Italienisches Flair erhält der Roman vor allem durch die Charaktere und die Schilderungen des Alltags in Belmonte. Denn obwohl auch Landschaft und Natur beschrieben werden, fehlte mir beim Lesen etwas von diesem lebendigen, typischen Italien der Marche, wie ich es kenne. Überraschende Wendungen sorgen für Spannung, allerdings trifft Simona im Laufe der Handlung eine Entscheidung, die für mich im Zusammenhang mit dem Charakter dieser Figur und Details der Ausgangssituation nicht stimmig und nicht nachvollziehbar ist.

Fazit

Ein Generationenroman mit starken Frauen, der von Ereignissen und Schicksalen erzählt, die ein Leben völlig verändern können. Ernste, traurige Erfahrungen wechseln mit humorvollen Episoden ab und Mut, Hoffnung und Liebe machen dieses Buch zu einer angenehmen Lektüre für entspannte Lesestunden.

Zwei Wochen im Juni – Anne Müller

AutorAnne Müller
Verlag Penguin Verlag
Erscheinungsdatum 27. April 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3328601098

„Ada betrachtete sich im Spiegel. Der Pullover war an den Ärmeln zu kurz, er passte nicht wirklich. Und irgendwie fühlte sich ihr Leben im Moment genauso an.“ (Zitat Seite 61)

Inhalt

Ada Hoffmann, dreiundvierzig Jahre alt, hat vor vierundzwanzig Jahren das Elternhaus in Gragaard an der Ostsee verlassen, um Kunst zu studieren und lebt jetzt in Hamburg. Toni, ihre drei Jahre ältere Schwester, Studienrätin, lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in der kleinen Stadt Ratzeburg. Vor sechs Wochen hatte sich ihre Mutter Nora wie immer abends vor den Fernseher gesetzt, war eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Nun kommen die beiden Schwestern ein letztes Mal nach Gragaard, in das alten Haus am Meer mit dem wunderbaren Garten. Das Haus muss geräumt werden, denn es wird verkauft. Jedes Stück trägt besondere Erinnerungen in sich, die sie nochmals durchleben. Dabei beginnen sie, auch über ihr aktuelles Leben nachzudenken.

Thema und Genre

In diesem Frauen- und Familienroman geht es um Kindheit, Erinnerungen, Familiengeschichte und um die Liebe in allen Facetten. Plötzlich ist nicht nur die Vergangenheit ein Thema, sondern auch mögliche Veränderungen und neue Wege.

Charaktere

In diesem Roman begegnen wir starken Frauen, die, völlig unterschiedlich, doch immer füreinander da sind. Nora, die Mutter, die ihre Karriere als Pianistin beendet hat, als Toni auf die Welt kam, ist die Seele des Hauses in Gragaard, klug, einfühlsam und mit einer großen Liebe zu ihren Töchtern und zu ihrem Garten. Toni schreibt Listen, seit sie schreiben kann, will alles perfekt machen, was dazu führt, dass sie zwischen Job und Familie manchmal auf die Lebensfreude und auf sich selbst vergisst. Ada ist nicht nur optisch das genaue Gegenteil. Sie ist eine kreative Künstlerin, die schon als Kind gemalt hat und lange Zeit das Gefühl hatte, im Schatten ihrer selbstbewussten Schwester zu stehen.

Handlung und Schreibstil

Besonders Ada hängt sehr an diesem Haus, doch auch ihre gestresste Schwester Toni spürt den alten Zauber der Kindheit und Jugend, als sie sich doch Zeit nimmt, die Gegenstände durchzusehen, zu sortieren und auch Unbekanntes über ihre Mutter zu entdecken. Die Geschichte spielt, wie der Titel sagt, innerhalb von zwei Wochen, allerdings unterbrochen durch Rückblenden, die langsam die gesamte Familiengeschichte bis zu diesen Tagen im Juni ergänzen. Die Sprache erzählt einfühlsam, mit feinem Humor und schildert lebendige Bilder in einer positiven Grundstimmung, die aber niemals übertrieben wirkt.

Fazit

Ein poetischer, leiser Roman, der Mut macht, der die Kraft der Erinnerung und den Trost im liebevollen Abschied über die Trauer eines Verlustes stellt. Eine nachdenkliche, aber immer positive Geschichte, die uns ihre sympathischen Figuren und das alte Haus mit seiner Seele und dem wunderbaren Bauerngarten am Meer sofort nahebringt.

Die Seebadvilla – Kathleen Freitag

AutorKathleen Freitag
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 24. März 2020
FormatBroschiert
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959673921

„Tatsächlich glich ihre Familiengeschichte einem Puzzle, bei dem sie nur die Randstücke zusammensetzen konnte.“ (Zitat Pos. 186)

Inhalt

1992 führt Henriette (Henni) Faber seit über fünfunddreißig Jahren ein erfolgreiches Modeatelier in München. Ihre Tochter Caroline hilft ihr beim bevorstehenden Umzug in ein günstigeres Geschäftslokal. Dabei entdeckt sie eine alte Fotografie und das Schreiben eines Anwaltsbüros aus Greifswald, in dem es um die mögliche Rückübertragung einer Villa auf der Insel Usedom geht. Doch ihre Mutter will damit nichts zu tun haben, will nicht einmal darüber reden. Caroline aber will die Wahrheit wissen und besucht zuerst ihre Großmutter Grete in Berlin, anschließend fährt sie auf die Insel Usedom. Zu viele offene Fragen warten auf Antworten.

Thema und Genre

Dieser Familien- und Generationenroman spielt in den Nachkriegsjahren und nach der Wende. Es geht um die DDR, um die Aktion Rose, um Schweigen, um zu vergessen. Ein Thema sind auch die Liebe, Hoffnung und Mut zum Neubeginn.

Charaktere

Grete, Henni und Caroline, drei unterschiedliche Generationen einer Familie, aber jede ist auf ihre Art eine starke, mutige Frau. Sie alle sind durch Geheimnisse und Verschweigen wichtiger Familienereignisse geprägt. Generell sind die Charaktere dieses Romans klar in „gut“ und „böse“ eingeteilt, es fehlen die menschlichen Graubereiche, die den Figuren mehr Tiefe gegeben hätten.

Handlung und Schreibstil

Die Familiengeschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt, ein Teil der Ereignisse spielt in den Jahren 1952 und 1953, der aktuelle Teil spielt im Jahr 1992. Die einzelnen Hauptprotagonistinnen Grete, ihre beiden Töchter Henni (Henriette)  und Lisbeth, und Henriettes Tochter Caroline stehen abwechselnd im Mittelpunkt eines Kapitels, die Zuordnung erfolgt durch die Jahresangabe und den Namen. Die Handlung ist nachvollziehbar, gut geschildert und ergänzende Beschreibungen des Lebens in Ahlbeck auf der Insel Usedom und der Natur bieten einerseits zeitgeschichtliche Informationen, lassen andererseits Inselfeeling aufkommen. Die Sprache entspricht dem Genre Unterhaltungsroman.

Fazit

Ein Familien- und Generationenroman mit zeitgeschichtlichem Hintergrund, der auf der Insel Usedom spielt. Eine spannende, interessante Handlung, leicht und unterhaltsam zu lesen, passend für den Strandkorb, Liegestuhl oder das Sofa.

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