Maskerade – Hans Flesch-Brunningen

AutorHans Flesch-Brunningen
VerlagEdition Atelier
Herausgegeben vonWolfgang Straub
Datum15. März 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ÜbersetzerAlexander Pechmann
ISBN-13978-3990650929

„Auf dem Heimweg war ich immer noch in nachdenklicher Stimmung. Ich wusste überhaupt nicht, wo ich stand. Meine Zeit als aktiver Kämpfer war gewiss abgelaufen.“ (Zitat Seite 79)

Inhalt

Seit etwa zwei Jahren leben sie schon als Ausländer in Rom, der Wiener Schriftsteller und Journalist Martin Boldt und seine lebenslustige Frau Rosika aus Ungarn, die Archäologie studiert. Bei einem Vortrag am deutschen archäologischen Institut in Rom lernen sie den deutschen Archäologen Gerhard Hesmert kennen. Dieser plant eine Griechenlandreise, während das Ehepaar Boldt mit der Bahn durch Umbrien bis nach Siena zum Palio reisen möchte. Überraschend taucht auch Hesmert kurz vor Abfahrt des Zuges auf, er will Freunde in Siena besuchen. „Ich habe meine Meinung geändert. Ich fahre mit Ihnen. Ich habe eine Einladung von Gatti für uns alle.“ (Zitat Seite 102)

Thema und Genre

Dieser Exilroman ist ursprünglich in englischer Sprache erschienen, 1937 unter dem Titel „The Blond Spider“ und 1939 in den USA unter dem Titel „Masquerade“. Themen sind Politik, Widerstand, Spionage, Liebe und alle damit verbundenen Gefühle, sowie Die Vergnügungen des italienischen Sommers.

Charactere

Martin ist Schriftsteller und schreibt an einem Buch, während Rosika vor allem das Leben genießen will, trotz der geringen finanziellen Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen. Martin Boldt und Gerhard Hesmert trennen politisch Welten, denn Hesmert ist ein überzeugter Nationalsozialist, während der Kommunist Martin Boldt in Italien seine politisch aktive Zeit als „Kilian“ geheim halten will.

Erzählform und Sprache

Der Schriftsteller und Journalist Martin Boldt schildert die Ereignisse selbst. Wir erhalten Einblick in die Gedanken, Gefühle und Ängste des Ich-Erzählers, erfahren seine Geheimnisse, seine Eindrücke, die er während dieser Zeit in Italien sammelt und kennen seine Eifersucht, da er nicht weiß, wie weit der Flirt zwischen seiner Frau und Hesmert tatsächlich geht. Seine Sichtweise ist durch diese personale Erzählform subjektiv und eingeschränkt, doch durch die vielen Dialoge und Gespräche aller Figuren ergibt sich eine Fülle von zusätzlichen Informationen. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, ergänzt durch Boldts Eindrücke der italienischen Landschaft und Städte, der Menschen und der vielen vergnügten Stunden. Man geht aus und es fließen reichlich Wein und Wermut. Er scheint jedoch teilweise ein unzuverlässiger Erzähler zu sein, denn manche Begegnungen und Ereignisse gleiten ins Surreale ab, was ist real, was Einbildung?

Fazit

Dieser erstmals 1937 erschienene Roman mit autobiografischen Elementen ist ein interessantes, vielseitiges und authentisches Bild dieser politisch brisanten Zeit und gleichzeitig eine eindrückliche Studie menschlicher Verhaltensweisen.

Wüste Welt – Wolfgang Popp

AutorWolfgang Popp
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 12. Januar 2016
FormatGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005143

„Es ist mindestens zwei Jahre her, dass ich irgendwie von meinem Bruder gehört habe, und dann plötzlich vor einer Woche dieses geheimnisvolle SMS.“ (Zitat Seite 5)

Inhalt

Seit mehr als zwei Jahren hat der Ich-Erzähler nichts mehr von seinem jüngeren Bruder gehört. Dann plötzlich bekommt er ein SMS von ihm, er will, dass er zu ihm kommt. Die Zahlen im Text des SMS erweisen sich als Flugnummer und kurz darauf sitzt er im Flugzeug nach Agadir. So beginnt eine Reise, die ihn in den Süden von Marokko führt. Immer wieder findet er einen neuen Hinweis und folgt so den Spuren seines Bruders, und immer wieder verpasst er ihn nur knapp. „Wer sich auf meinen Bruder einlässt, weiß nie, woran er ist. Etwas mit ihm zu unternehmen, hat schon immer geheißen, keine Ahnung zu haben, was als nächstes passiert.“ (Zitat Seite 18)

Thema und Genre

Eine Roadnovel nennt Wolfgang Popp seine Geschichte, ein Tagebuch einer Reise durch die Wüste von Marokko. Gleichzeitig finden sich in diesem Roman alle Elemente und die Symbolik einer klassischen Suche.

Charaktere

Der Ich-Erzähler ist Sänger, Bariton in einem kleinen klassischen Ensemble. Sein Bruder ist eineinhalb Jahre jünger, doch übertrifft den älteren in der Schul- und Studienzeit in allen Wissensbereichen, bis der Ich-Erzähler den Kontakt abbricht, weil er kein Leben im Schatten seines genialen Bruders führen will.

Handlung und Schreibstil

Diese Geschichte ist eine ungewöhnliche, überraschende Mischung, ein moderner Roadtrip und eine epische Suche. Er findet Begleiter, die ihn unterstützen, trifft die unterschiedlichsten Menschen, die ihm den jeweils nächsten Hinweis geben. Manchmal fragt er sich, was Realität ist und was Einbildung, und wir fragen uns das ebenfalls. Die Sprache beschreibt bildintensiv und poetisch die typischen kleinen Dörfer und die vielfältigen Eindrücke in der Einsamkeit der Wüste. „Oben setze ich mich auf einen Felsen und sehe der Sonne beim Sinken zu. Sie sieht aus wie ein glutroter Orden, verliehen an die Erde, dafür, dass sie diesen Tag überstanden hat.“ (Zitat Seite 100)

Fazit

Eine beeindruckend dichte Erzählvielfalt auf relativ wenigen Seiten. Eine spannend zu lesende Mischung aus Reisetagebuch, Landschaftsbeschreibung, interessanten Figuren, Symbolen, mystischen Orten und Begegnungen, dazu immer wieder Überraschungen. Ein facettenreiches Lesevergnügen!

Telefónica – Ilsa Barea-Kulcsar

AutorinIlsa Barea-Kulcsar
Verlag Edition Atelier
HerausgeberGeorg Pichler
NachwortGeorg Pichler
Erscheinungsdatum September 2021
FormatBroschiert
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650561

„Das alles war nun der Zielpunkt für die Kanonen und Fliegerbomben der Faschisten. Sie haben recht, wenn sie uns zerstören wollen, dachte Agustín. Wir sind eines der Nervenzentren von Madrid.“ (Zitat Seite 19)

Inhalt

Der 16. November 1936 ist für den Journalisten Stephen Johnson aus London der erste Tag in Madrid. Die vom Bürgerkrieg umkämpfte Stadt steht unter Beschuss, die faschistischen Truppen Francos wollen die Stadt einnehmen, noch halten die Republikaner mit Unterstützung durch die Internationalen Brigaden an der nahen Front stand. Auch für Anita Adam ist es der erste Tag in Madrid, gestern aus Valencia eingetroffen, übernimmt sie an diesem 16. November 1936 ihre erste Nachtschicht als neue Leiterin der Zensurstelle. Sie alle treffen in der Telefónica, der Telefonzentrale, aufeinander. Diese ist der einzige Ort, von dem aus die internationalen Journalisten mit dem Ausland telefonieren können und so ihre Berichte weitergeben. Agustín Sánchez, der Kommandant der Telefónica, ist verschlossen, sehr misstrauisch, aber auch korrekt und ehrlich. Anita Adam braucht seine Unterstützung, denn sie will eine offenere Berichterstattung ins Ausland ermöglichen, lässt mehr zu. Dadurch schafft sie sich sofort Feinde. Da sie eine Frau und dazu noch Deutsche ist, wird ohnedies jeder ihrer Schritte mit Argwohn beobachtet. Die Telefónica ist die einzige Verbindung zwischen dem belagerten Madrid und der Welt draußen und die Angst vor Spionage und Sabotage ist entsprechend groß.

Thema und Genre

In diesem Roman mit geschichtlichem und autobiografischem Hintergrund geht es um den spanischen Bürgerkrieg. Im Mittelpunkt steht die Telefonzentrale von Madrid, dreizehn Stockwerke und zwei Kellergeschoße, als Stadt in der Stadt für die Personen, die hier arbeiten und leben. Themen sind Formen der journalistischen Berichterstattung zwischen Objektivität und Menschlichkeit, vor allem jedoch das Zusammenleben dieser vielen unterschiedlichen Menschen, ihr Verhalten, ihre Gefühle zwischen Intrige, Freundschaft, Eifersucht und Liebe.

Charaktere

Mit ihrem Roman will die Autorin an die Schicksale der vielen Menschen erinnern, die diese Belagerung Madrids erlebt haben. Da sie selbst einige Monate in der Telefónica verbracht hat, sind ihre Figuren authentisch und so unterschiedlich wie im realen Leben. „Die Telefónica war der Wachturm und das Wahrzeichen Madrids in jenen ersten Belagerungsmonaten, als die Menschen über alle die kleinen Ängste und kleinen Tapferkeiten ihrer Einzelleben hinaus zu einem kämpferischen Volk verwuchsen.“ (Zitat Seite 6, Vorwort der Autorin)

Handlung und Schreibstil

Der Zeitrahmen der Handlung umfasst nur vier Tage. Ort der Handlung ist die Telefónica und die sie umgebenden Straßen mit Bars und Restaurants. Die einzelnen Kapitel sind in vier übergeordnete Teile zusammengefasst, wobei jeder Teil einem Tag entspricht. Im Mittelpunkt stehen Anita Adam und Agustín Sánchez und ein Kreis von Figuren, typisch für die Vielfalt, Funktionen und Lebenssituation der Menschen, die damals in der Telefónica beschäftigt waren. Es sind unterschiedliche Schicksale und Geschichten, die abwechselnd erzählt werden, personal die einzelnen Figuren in den Mittelpunkt stellen und so eine weit gefächerte Vielfalt an unterschiedlichen Meinungen, Erlebnissen, Gedanken, Eindrücken und Verhalten schildern. Ein ausführlicher persönlicher Bericht der Autorin über diese Zeit und die Hintergründe dieses Romans, sowie das Nachwort von Georg Pichler vervollständigen dieses Buch.

Fazit

Ein auch auf Grund des realen Hintergrundes sehr interessanter Roman mit zeitlos aktuellen Fragen zum Thema Journalismus und Berichterstattung, der durch seine Spannung, die eindrücklichen Schilderungen, sowie die lebhafte Vielschichtigkeit der Figuren zu einem überzeugenden Leseerlebnis wird.

Die Unpolitischen – Diego Viga

AutorDiego Viga
HerausgeberErich Hackl
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 3. Oktober 2022
Formatgebundene Ausgabe
Seiten696
SpracheDeutsch
ISBN-13978-399065083

„Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, weil wir es bequemer finden, nichts zu sehen, nicht zu schauen, erwischt uns die Politik am Ende doch.“ (Zitat Seite 60)

Inhalt

ohannes Kramer studiert an der Universität Medizin, beendet sein Studium erfolgreich. Gleichzeitig arbeitet er bereits im Forschungslabor der Universität Wien, denn er sieht seine Zukunft nicht als Arzt, sondern als Wissenschaftler in der Forschung. 1934 ist für ihn klar, dass er nicht in Österreich bleiben kann. Er bemüht sich um eine Forschungsstelle im Ausland. Uruguay bietet ihm diese Chance, doch alles ist völlig anders, als er erwartet hatte. Er kehrt nach Wien zurück, heiratet seine langjährige Freundin Anna. Trotz seiner negativen Erfahrungen mit Uruguay bleibt für ihn, seine Familie und Freunde Südamerika die einzige Hoffnung. Diesmal ist es Bogotá, Kolumbien. Wieder stehen sie alle am Anfang, müssen jede Arbeit annehmen, die man ihnen überhaupt anbietet, während sie die Vorgänge in Deutschland und Österreich verfolgen und darüber nachdenken, ob sie je wieder in ihre alte Heimat zurückkehren werden können.

Thema und Genre

In diesem wichtigen Roman der österreichischen Exilliteratur, einem autobiografischen Generationenroman, geht es um Österreich unter dem raschen, erfolgreichen Aufstieg des Nationalsozialismus und, damit verbunden, die Flucht ins Exil als einzigen Ausweg. Themen sind der Verlust der Heimat und der mühsame Neubeginn am anderen Ende der Welt, Hoffnungen und Sorgen. Gleichzeitig lesen wir auch über den Werdegang von Johannes als Schriftsteller, seine intensive Arbeit an seinem ersten Roman, der aus seinen Tagebucheinträgen, zahlreichen Aufzeichnungen und Beobachtungen entstehen soll. „Man kommt nie zur rechten Zeit. Entweder man erlebt etwas, oder man schreibt darüber. Es passt nie richtig zusammen.“ (Zitat Seite 331)

Charaktere

Der Arzt und Schriftsteller Paul Engel nennt sich als Schriftsteller Diego Vigas. Für seine autobiografische Hauptfigur wählt er den Namen Johannes Kramer.   

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in vier großen Abschnitten erzählt. Diese sind in Kapitel unterteilt. Johannes, seine Frau Anna und fünf weitere Personen schildern die Ereignisse abwechselnd, jeweils in der ersten Person, Zeitform ist immer das Präsens. Die einzelnen Erzählstimmen wechseln einander ab, immer mit dem jeweiligen Namen als Überschrift eines Kapitels. Mit jedem Wechsel der Erzählstimme beginnt ein neues Kapitel. Natürlich treten in diesem Roman wesentlich mehr Personen auf, deren Erlebnisse in Gespräche der erzählenden Hauptfiguren untereinander einfließen, in die Erinnerungen und vor allem auch in die Gedankenmonologe der Ich-Erzähler. Die geschilderte Gruppe von Menschen kennt einander, als Mitglieder einer Familie, aber auch als Freunde, Kollegen oder über gemeinsame Bekannte. Sie alle verlassen Deutschland, dann Österreich, später auch Europa, manche Schicksale trennen sich, bis sie einander wieder begegnen. „Treffen die Schicksalslinien einander oder geht jeder seinen eigenen Weg ins Unendliche allein, ohne dem anderen zu begegnen?“ (Zitat Seite 204) Diese Erzählform, verbunden mit der Sprache, überzeugt und zieht uns Lesende sofort in den Bann dieses packenden Familien- und Generationenromans. Das Nachwort, verfasst von Erich Hackl, ergänzt mit Fakten aus dem Leben von Paul Engel und seinem Werdegang als Schriftsteller.

Fazit

Ursprünglich hatte der Autor den Titel „Die Parallelen schneiden sich“ gewählt, ein Titel, der Bezug auf diesen besonderen, vielschichtigen Aufbau der Geschichte mit ihren einzelnen Schicksalen und Lebenswegen genommen hatte. Doch unabhängig vom Titel ist dieser Roman ein sehr interessantes, zeitloses, beeindruckendes Beispiel der österreichischen Exilliteratur jener Epoche. 

Der Landvermesser – Björn Kuhligk

AutorBjörn Kuhligk
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 5. September 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650790

„Ja, vielleicht könnte auch er, wenn er wollte, den Rest seines Lebens in der U-Bahn sitzend in seinen Erinnerungen spazieren gehen, wie durch eine seit langem verlassene und doch vertraute Stadt.“ (Zitat Seite 96)

Inhalt

Alexander Müller, vierundvierzig Jahre alt, führt ein geordnetes Leben, ereignislos, farblos, ein Tag reiht sich im immer gleichen Ablauf an den nächsten, weil er es so will. Bis aus einem gerade begonnenen Urlaub, zwei Tage auf der Insel Hiddensee, plötzlich dreißig Tage in Cartagena, Kolumbien, werden. Kolumbien, seit Jahren die neue Heimat seines um ein Jahr älteren Bruders Thomas. Schon lange haben die Brüder keinen Kontakt mehr und nun ist Thomas tot. Durch Laura, die Freundin seines Bruders und José, den besten Freund seines Bruders, lernt er eine ihm unbekannte Seite seines Bruders kennen. Thomas, von Beruf Botaniker, wird in seiner neuen Heimat „El topógrafo“ genannt, der Landvermesser, doch womit hat er das Vermögen verdient, das er hinterlassen hat?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Gefühle und Ängste, Verlust, Distanz, Nähe, Entscheidungen und neue Möglichkeiten. Ein Thema sind auch die politische Situation und das alltägliche Leben in Kolumbien.

Charaktere

Alexander ist die Hauptfigur in diesem Roman und ist in seiner geordneten, ängstlichen, zögerlichen Biederkeit und deutschen Gründlichkeit der Antiheld im Gegensatz zu seinem unangepassten Bruder, der sich nie untergeordnet hat und sein Leben so gelebt hat, wie er es für richtig hielt.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird chronologisch erzählt und durch viele Erinnerungen Alexanders an prägende gemeinsame Erlebnisse der beiden Brüder Thomas und Alexander ergänzt. Die Spannung ergibt sich sich vor allem aus den vielen Gedanken und der Zögerlichkeit des Hauptprotagonisten Alexander. Seine Selbstzweifel, seine Ängste und für ihn überraschende Gefühle führen zu Konflikten. Alexander hatte zuvor noch nie Europa verlassen und findet sich nun plötzlich mitten in den lauten, farbenfrohen, extremen Eindrücken Kolumbiens wieder, die sich in diesen Tagen mit den Schilderungen von Laura und José über das Leben, das Tomás in Kolumbien geführt hat, zu einer völlig neuen Geschichte verbinden. Die intensiven Beschreibungen der Schönheiten der Natur und der lebhaften, pulsierenden Stadt Cartagena runden diesen Roman zu einem lesenswerten Ganzen ab.

Fazit

Eine vielseitige Geschichte, in der es um die Überraschungen in einem bisher ereignislosen Leben geht und die Schwierigkeit, die eigenen Ängste zu überwinden und sich auf Veränderungen und neue Möglichkeiten einzulassen.

Der Schrank – Simon Sailer

AutorSimon Sailer
IllustratorJorghi Poll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 28. Februar 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten104
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650608

„Eine Wand gehörte dem Schrank. Er lehnte daran, als wäre er der eigentliche Bewohner des Raums, der wahre Herr des Hauses, und blickte verärgert auf das verhängte Bett.“ (Zitat Seite 30)

Inhalt

Lena Kovac ist Möbelpackerin. Eigentlich wäre der Auftrag an diesem Nachmittag kein Problem: einen Schrank in einer Villa im neunzehnten Wiener Bezirk abholen und in eine Wohnung im ersten Bezirk bringen. Doch dann hat das Team vom Vortag den Wagen nicht vollgetankt und Korni, neben Yilmaz der Dritte in ihrem Team, kommt wie immer zu spät. Die Zeit wird knapp, denn der Schrank muss unbedingt noch am selben Tag ankommen. Sie holen den wuchtigen Schrank ab, doch als sie ihn im Wagen fixieren, bricht ein Bein ab. Lena trifft die erste von mehreren Entscheidungen, und ihre Welt gerät aus den Fugen.

Thema und Genre

Eine erstaunliche, schwer zuordenbare Erzählung, die als Wiener Alltagsstudie beginnt und rasch ins Genre Phantastik wechselt.

Charaktere

Die toughe Lena ist mit ihrem Leben zufrieden, sie ist gewohnt, verlässlich und effizient zu arbeiten. Das ist nicht einfach an solchen Tagen, wo der Chef sie unter Zeitdruck setzt, die beiden Kollegen mehr Pausen verlangen und sie selbst am Abend pünktlich zu Hause sein wollte.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt am Abend, Lena kommt nach Hause, Feierabend, während ihr Freund Hakan seinen Nachdienst antritt. Am Nachmittag des nächsten Tages wartet der letzte Auftrag. Sobald sie den Schrank abgeholt haben, passieren eigenartige Dinge, die immer rätselhafter und skurriler werden. Wir wissen nicht, wer die Geschichte Lenas erzählt und der Erzähler überlässt es uns, über mögliche Erklärungen nachzudenken. Er berichtet über erstaunliche Ereignisse und Begegnungen, vielleicht als Folge von Lenas Entscheidungen, wir wissen es nicht. Vielleicht ist es ja auch nur ein schlimmer Alptraum und Lena erwacht am Morgen, der Tag mit dem Schranktransport beginnt erst.

Fazit

Eine erstaunliche Geschichte, in deren Mittelpunkt ein robuster alter Schrank und viele Tiere stehen und deren zunächst gemütliche, humorvolle Szenen rasch ins grotesk-phantastisch-Schaurige kippen und viel Raum zum Nachdenken über mögliche Hintergründe und Erklärungen lassen.   

Lektionen in Dunkler Materie – Ursula Knoll

AutorUrsula Knoll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 28. Februar 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten248
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650684

„Dunkle Materie ist für alles der Grund. Ein Zeug, von dem man nur weiß, dass es Schwerkraft ausübt, dass es viermal so viel davon gibt wie von sichtbarer Materie und dass es durch seine Gravitation wie ein Kitt die Strukturen im Universum zusammenhält.“ (Zitat Seite 51)

Inhalt

Während Katalin gerade auf der Raumstation ISS im Weltall unterwegs ist und mit der KI Simon diskutiert, sorgt ihre Zwillingsschwester Eszeter als Polizistin für Ordnung im Alltag von Wien und als Managerin ihres Hedgefonds auch im internationalen Dschungel der Finanzwelt. Die Umweltaktivistin Dr. Milka Andrić ist Mitglied einer NGO und setzt sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Lebensmitteln ein, denn für sie ist das Gegenteil von Armut nicht Reichtum, sondern Gerechtigkeit. Seit beinahe zwanzig Jahren teilt Milka eine WG mit Martin und Ines. Ines Geiger, die in der Asylbehörde Anträge prüft und dabei laufend von ihrem Vorgesetzten mit internen Weisungen unterbrochen wird, zusätzliche Schulungen, Nachschulungen, Formulierungshilfen für ablehnende Bescheide. Fatima leitet einen Kindergarten, dessen Öffnungszeiten mit den Arbeitszeiten der seit ihrer Trennung von Katalin alleinerziehenden Mutter Heide unvereinbar sind – sie alle erkennen plötzlich, dass man immer etwas tun kann, und jede von ihnen trifft eine spontane Entscheidung.

Thema und Genre

Es ist ein Roman, der unterschiedliche Geschichten erzählt, mit einzelnen Situationen und Episoden als Auslöser für Veränderungen. Es geht um gesellschaftspolitische Probleme, Forschung, Wirtschaft, Finanzmärkte, doch auch um Themen wie zwischenmenschliche Beziehungen in ihren unterschiedlichen Formen, Freundschaft, Familie.

Charaktere

Im Zentrum dieses Romans stehen Frauen, jede auf ihre Weise individuell, mutig, zunächst der jeweiligen persönlichen Situation noch irgendwie angepasst, werden sie aktiv, als sie immer wieder an ihre Grenzen stoßen.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman spielt in Wien. Die Handlung greift viele brisante Themen unserer Zeit auf, konfrontiert die Protagonistinnen mit spontanen Konfliktsituationen und gibt ihnen Raum, Entscheidungen zu treffen, spontan und teilweise chaotisch. Nicht immer verlaufen die Ereignisse chronologisch und auch mögliche Beziehungen zwischen ihren Figuren deckt die Autorin nicht sofort auf, sondern lässt uns die Zusammenhänge erst nach und nach erkennen, manchmal treffen die Figuren unerwartet und zufällig aufeinander. Diese Geschichten sind keine Wohlfühllektüre, dennoch ist man ihnen und vor allem den einzelnen Protagonistinnen sofort verfallen, folgt ihrem Alltag, ihren Entscheidungen. Denn die Autorin schreibt engagiert, direkt, aber auch mit viel Einfühlungsvermögen und Humor. Es ist diese schwer zu beschreibende Mischung, die diesen Roman lesenswert und empfehlenswert macht.

Fazit

„Was also sollten sie mit diesem bisschen ungebetenen Glücks namens Leben in Zukunft anstellen?“ (Zitat Seite 247). Das Leben stellt unterschiedliche Anforderungen an die modernen Frauen in diesem Roman, doch sie haben eines gemeinsam: sie wollen etwas verändern, im persönlichen Umfeld, aber auch im großen Ganzen.

Im Atlas – Andreas Jungwirth

AutorAndreas Jungwirth
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 28. Februar 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten296
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650677

„Im Laufe einer jeden Reise, gegen Ende hin, gibt es diesen Moment, wo alles, was David in einem Land erlebt hatte, in eine zeitliche Ferne gerückt scheint, sich weit in der Vergangenheit abgespielt hat, obwohl er sich noch in diesem Land befindet.“ (Zitat Seite 266)

Inhalt

David ist Bühnenbildner, sein Freund Stefan ist studierter Betriebswirtschaftler. Beide sind beruflich eingespannt, doch Anfang Oktober ist es so weit, acht Tage Marokko, von Marrakesch aus weiter in Richtung Süden. Stefan hat alles organisiert, inklusive Mietwagen und Fahrer. Obwohl am Tag vor Beginn ihrer Reise über die Ermordung von zwei jungen Touristinnen nahe Imhil berichtet wird, überredet David Stefan, die Reise nicht abzusagen. Rasch kommt es zu Spannungen, sie halten es für besser, in einem Land wie Marokko ihre Beziehung zu verheimlichen, aber ihren Fahrer Kalifa können sie mit ihren Geschichten nicht täuschen, doch ist das überhaupt wichtig? Es zeigt sich, dass im Hintergrund ihrer gemeinsamen Reise die Frage, ob und wie es mit ihnen beiden weitergehen soll, immer präsent ist. Als David ausgerechnet nach Imhil will, um mehr über die Hintergründe der beiden Morde zu erfahren, verschwindet ihr Fahrer samt Auto, und David und Stefan sind auf sich alleine gestellt.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht eine Reise durch Teile Marokkos, doch dieser Roadtrip ist nur der vordergründige Rahmen für eine Reise in die jeweils eigene Vergangenheit von David und Stefan, es geht um Geheimnisse, Ehrlichkeit in einer Beziehung und den Mut, den Partner wirklich in das eigene Leben zu lassen.

Charaktere

David ist sechsundvierzig Jahre alt und hat bisher länger dauernde Beziehungen vermieden, hat immer für eine rasche Trennung gesorgt. Als Künstler hofft er immer noch auf den großen Durchbruch. Stefan ist ein Jahr älter, er ist der organisierte, erfolgreiche Geschäftsmann, provoziert David auch rhetorisch bewusst, fordert ihn heraus, endlich ehrlich Stellung zu beziehen.

Handlung und Schreibstil

Der Erzähler schildert diese Tage chronologisch, ergänzt durch Rückblenden in Form von Erinnerungen an prägende Ereignisse. Er berichtet personal, wird aber einige Male in seinen Andeutungen auch allwissend, was das Lesen abwechslungsreich, intensiv und interessant macht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht David, wir kennen seine Gedanken und Gefühle, seine Hoffnungen als Künstler, durch ihn erhalten wir Einblick in die Welt des Theaters, das Erarbeiten einer neuen Inszenierung, während wir von Stefan nicht mehr wissen, als David von ihm erfährt. Die Gedanken, die Stefan vor David geheim hält, kennen auch wir nicht. Mit jedem Tag dieser Reise lesen wir lebhafte Beschreibungen der Schönheiten und Eigenheiten des Landes Marokko, seiner Menschen, Landschaften und Natur. Andererseits tauchen wir immer weiter in die Hintergründe dieser noch relativ jungen Beziehung ein und verfolgen gespannt Seite um Seite nicht nur die abenteuerlichen Erlebnisse von David und Stefan, sondern fragen uns, ob die Erfahrungen dieser acht Tage sie verändern werden.

Fazit

Ein Roman mit vielen Facetten, die Schilderung einer Reise durch Marokko, ein Roadtrip, das Reisen aber auch als Metapher für die Wege in eine Beziehung und zu den Möglichkeiten, welche die Zukunft bietet, wenn man bereit ist, Entscheidungen zu treffen.

Das Glück im Großen und Ganzen – Teresa Kirchengast

AutorTeresa Kirchengast
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 30. Mai 2022
FormatBroschiert
Seiten200
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650707

„Sie war sich nur noch nicht sicher, wie interessant sie ihr Leben überhaupt haben wollte. Oder ob es ihr nicht besser ginge in einem Leben des Mittelmaßes mit den Extremen am Rand und freier Sicht auf einen unaufgeregten Alltag.“ (Zitat Seite 22)

Inhalt

Die drei Frauen Molly, Anke und Marie teilen sich eine Wohnung und staunen immer wieder, wie gut sie einander verstehen, obwohl sie so unterschiedlich sind. Sie sind Mitte zwanzig und dieser Sommer hat es in sich. Es gibt viel zu besprechen an den Sommerabenden auf dem Balkon mit der schönen Aussicht, auf den gerade drei Sessel passen und natürlich Himbeerkracherl für alle. Molly verliebt sich, zum ersten Mal in ihrem Leben bedingungslos, doch da gibt es ein Problem. Anke dagegen versucht, sich aus ihrer Beziehung zu lösen und Marie könnte sich verlieben, muss aber erst herausfinden, ob sie das überhaupt will. Es ist der Sommer der Fragen des Lebens. Würden sie Antworten finden, zum Beispiel auf die Frage, ob sie sich selbst als glückliche Menschen bezeichnen würden?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die vielen Facetten von Beziehungen, Freundschaft, Familie, aber auch um gesellschaftskritische Themen wie Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen.

Charaktere

Molly, aus einer Professorenfamilie stammend, liebt ihren Beruf als Schusterin, ist resolut, eigenwillig und meistens fröhlich und positiv. Anke arbeitet als Konditorin und Bäckerin, ist eher zurückhaltend. Marie studiert Kunstgeschichte, schreibt an ihrer Magisterarbeit über österreichische Schimpfwörter und macht sich sehr viele Gedanken, über alle und alles.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt während eines Sommers und wird chronologisch erzählt. Geschildert wird der Alltag der drei Hauptfiguren und ihre unterschiedlichen Erlebnisse, ergänzt durch die Schilderung der gemeinsamen Abende und teilweise Wochenenden und durch Erinnerungen, die sie einander erzählen. Es ist die Geschichte einer Frauengeneration von heute im Wissen um die Probleme der aktuellen Zeit, teilweise noch auf der Suche, wie sie sich ihr Leben vorstellen, aber auch mutig, sich auf Erfahrungen einzulassen. Die Sprache ist modern, locker und angenehm zu lesen, passt in die Welt der Mitte-Zwanzigjährigen und durch das besondere Thema der Abschlussarbeit von Marie fließen originelle Wortkreationen locker in die Handlung ein.

Fazit

Eine entspannte Sommergeschichte zwischen nachdenklich und humorvoll, mit drei sehr sympathischen Protagonistinnen, mit denen man gerne befreundet sein würde.

Die Stille der Gletscher – Ulrike Schmitzer

AutorUlrike Schmitzer
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 23. Februar 2017
FormatGebundene Ausgabe
Seiten144
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005259

„Das Spannendste ist, die Höhle gab es vorher noch nicht. Ich weiß das ganz genau.“ (Zitat Seite 41)

Inhalt

Im Auftrag einer Umweltschutzorganisation soll die Fotografin einen Gletscher fotografieren, um die jährlichen Veränderungen zu dokumentieren. Sie kontaktiert einen pensionierten Professor, dessen Langzeitmessreihen bereits fünfzig Jahre zurückreichen. Er ist beunruhigt, denn er hat Bohrlöcher von Probebohrungen im Gletscher entdeckt. Doch es läuft kein derartiges Forschungsprojekt, obwohl sich seit zwei Jahren eigenartige Teams für den Gletscher interessieren. Kurz darauf liest sie eine Meldung über den Fund einer Gletscherleiche aus dem ersten Weltkrieg, und kontaktiert den Gletscherarchäologen, denn gleichzeitig arbeitet sie an einer Porträtserie über Menschen, die sich mit Gletschern beschäftigen. Auch eine Biologin wird ihr empfohlen, eine bekannte Forscherin auf dem Gebiet der Schneealgen, doch diese ist von einer Expedition auf den Gletscher nicht zurückgekehrt. Vom Ehemann der Vermissten erhalten sie aktuelle Forschungsergebnisse, welche seine Frau im Safe aufbewahrt hatte. Nun erkennt das kleine, hartnäckige Team die Zusammenhänge, doch sie brauchen Beweise, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen – und genau das will jemand verhindern.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um den Klimawandel, das Schmelzen der Gletscher, das sehr lukrative, weit vernetzte Geschäft mit der Umwelt und die Rolle der investigativen Medien.

Charaktere

Der Roman kommt mit verhältnismäßig wenigen Seiten aus, dennoch sind die einzelnen Figuren mit ihren Fachgebieten und besonderen Eigenheiten sehr genau und lebhaft beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte findet innerhalb von wenigen Wochen statt, wird von der Fotografin als Ich-Erzählerin geschildert. Genau folgen wir ihren Gesprächen, hartnäckigen Recherchen und den kreativen Ideen auf der Suche nach Verbündeten. Diese straffe Handlung sorgt für Spannung und Überraschungen, gleichzeitig nimmt sich die Autorin Zeit für Details und Erklärungen der Fakten zu diesem interessanten, wichtigen Thema.

Fazit

Eine spannende, facettenreiche Geschichte mit brisanten Themen.

JOE 9/11 – Thomas Antonic und Janne Ratia

AutorThomas Antonic – Janne Ratia
GrafikenTina Raffel
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 21. Juli 2014
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3902498977

„Er blickt wieder auf die Flasche und bemerkt, dass sich darin ein eingerolltes Blatt Papier befindet. Eine Flaschenpost.“ (Zitat Seite 97)

Inhalt

Am Morgen des 12. Juni 2000 findet die Besitzerin des Café Mundo in Sagres, Portugal, neben der Eingangstüre eine Polaroid-Aufnahme der Küste. Das Bild gefällt ihr und sie hängt es neben die Speisekarte. Ein Jahr später sieht Peter Novak, Fotograf aus San Franzisco, das Foto und sie schenkt es ihm. Zurück in San Francisco betrachtet er das Foto genauer und entdeckt etwas Ungewöhnliches. Für seinen Freund Martty Bruce ist klar, sie müssen sofort in Portugal Nachforschungen anstellen. Doch Peter muss sich auf eine einmalige Chance vorbereiten, eine Gruppenausstellung in einer bekannten Galerie in New York und so fliegt Martty allein. In Sagres macht er eine ungeheuerliche Entdeckung und kurz darauf einen schweren Fehler.

Thema und Genre

In diesem Thriller geht es um die Frage, was ein Menschleben wert ist und die damit verbunden menschlichen Verhaltensweisen und Entscheidungen.

Charaktere

Peter, der Künstler, hofft auf den Durchbruch, als er die Chance erhält, in New York auszustellen. Doch dies ist mit einer Entscheidung verbunden, die ihn vor einen Gewissenskonflikt stellt. Martty lernt in Portugal den charismatischen, geheimnisvollen Joe kennen, der ihm ein ungewöhnliches Geschäft vorschlägt.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt im Juni 2000, die Haupthandlung spielt dann im Jahr 2001. Aus den Konflikten der Hauptfiguren baut sich Spannung auf, wobei man beim Lesen mancher Szenen zwischen Schock, Kopfschütteln und Lachen schwankt. Packend, verstörend und schräg, gewürzt mit schwarzem Humor, überzeugt diese Geschichte auch sprachlich.

Fazit

Ein spannender, hintergründiger Thriller und ein interessantes, ungewöhnliches Lesevergnügen mit Überraschungen.

Die Verschwundenen – Wolfgang Popp

AutorWolfgang Popp
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 15. Januar 2015
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005020

„Seit der Reise war mir aber klar geworden, dass es Menschen geben musste wie Philip, die genau wussten, was sie wollten, aber auch solche, die für andere die Scherben aufsammelten, und dass ich der Mann für die Scherben war und daran nichts falsch war.“ (Zitat Seite 157)

Inhalt

In fünf Episoden berichten fünf unterschiedliche Ich-Erzähler über das Wiedersehen mit einem Menschen, mit dem sie vor Jahren in mehr oder weniger engem Kontakt waren, bis dieser Mensch plötzlich mit oder auch ohne jeden Abschied und Erklärung verschwunden ist. Warum haben sie damals alle Kontakte abgebrochen und wie ist ihr Leben in diesen Jahren verlaufen? Ist es möglich, nach all den Jahren einfach weiterzumachen, oder ist es eher ein Neubeginn? „Wir wären alle zurück in einer Zufriedenheit, von der wir ohnehin nicht wissen, warum wir sie jemals verlassen haben. Ganz ehrlich, war es irgendwann später noch einmal so gut wie damals?“ (Zitat Seite 182)

Thema und Genre

In diesem Roman in Episoden mit fünf unterschiedlichen Erzählern geht es um Varianten von Beziehungen, von Menschen, die plötzlich mit oder ohne Vorwarnung verschwinden und sich nach vielen Jahren ebenso plötzlich wieder melden.

Charaktere

Damals gingen sie noch zur Schule oder waren Studenten. Sie waren befreundet, oder standen in einer anderen Form von Beziehung zueinander, heute, viele Jahre später, sind sie längst erwachsen und nicht immer führen sie genau jenes Leben, das sie damals geplant hatten, was beim Wiedersehen zu Überraschungen führt.

Handlung und Schreibstil

Auf den ersten Blick wirken sie wie fünf in sich abgeschlossene Geschichten, doch immer begegnen wir irgendwo am Rande des jeweiligen Geschehens kurz einer Person, die später selbst im Mittelpunkt einer anderen Geschichte stehen wird und so verbinden sich die Episoden zu einem Roman, dessen Fragen und Vermutungen durchaus auch zu überraschenden Resultaten führen können. Die geschilderten Ereignisse nehmen uns von Wien aus mit auf eine Reise in andere, teilweise weit entfernte Länder und so werden die Erlebnisse der einzelnen Figuren durch viele interessante Details, Beobachtungen und lebhafte Schilderungen ergänzt.

Fazit

Ein facettenreiches, interessantes Lesevergnügen.

Die Schrift – Simon Sailer

AutorSimon Sailer
IllustrationenJorghi Poll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 3. September 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten120
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650394

„Wer sich vor zehn Jahren für alte ägyptische Schriften interessierte, kannte Leo Buri. Heute will sich niemand mehr erinnern. Das heißt: abgesehen von mir.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Dr. Leo Buri ist Ägyptologe und arbeitet im Archiv des Instituts für Ägyptologie in Wien. Alte Schriften faszinieren ihn, aber nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Schrift selbst. Er ist ein hervorragender Zeichner, vereinfacht Motive zu eigenen Symbolen, arbeitet an einer universell einsetzbaren Schrift. Eines Tages erhält er ein Kuvert mit einem vergilbten Blatt Papier, das von Zeichen einer geheimnisvollen, ihm völlig unbekannten Schrift bedeckt ist. Damit ist sein bisher beschauliches Leben in Wien abrupt zu Ende: seine Ehefrau verlässt ihn plötzlich, er muss Wien verlassen, landet in Brüssel, später in London und danach in den USA. Menschen wenden sich plötzlich von ihm ab, nur das Blatt Papier mit der unbekannten Schrift und das Rätsel um diese geheimnisvollen Zeichen und die Botschaft dahinter lassen ihn nicht mehr los.

Thema und Genre

In diesem modernen Schauerroman geht es um Sprache, Schriftzeichen, Zufälle, geheimnisvolle Botschaften und menschliches Verhalten.

Charaktere

Der Ägyptologe Leo Buri ist von Schriften und Schriftzeichen fasziniert. Sein zuvor ruhiges, zufriedenes Leben wird zur Obsession, als er in den Bann einer für ihn nicht deutbaren unbekannten Schrift gerät.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte von Leo Buri wird von einem Bekannten seines Freundes Peter erzählt und der Ich-Erzähler hält schon zu Beginn seiner Geschichte fest, dass sich außer Peter in Wien niemand mehr an den Ägyptologen erinnern kann. Peter war es auch, der dem Ich-Erzähler von Leos Verschwinden berichtete, Fragen nach Details jedoch nicht beantworten konnte oder wollte. Nach Peters Tod findet der Ich-Erzähler weitere Dokumente in dessen Nachlass und fügt diese Fragmente zu der vorliegenden Geschichte zusammen. Nicht nur die Geschichte wirft Fragen auf, auch der Ich-Erzähler selbst ist geheimnisvoll, denn wir wissen nichts von ihm, hat er die Geschichte erfunden, mit eigenen Gedanken und Vermutungen ergänzt, oder hat sie sich tatsächlich so ähnlich zugetragen. Greifbar und real ist jedoch die von diesem Verlag gewohnte, qualitativ und handwerklich hochwertige Gestaltung dieses Buches, gebunden, mit Lesebändchen. Jorghi Poll ergänzt den Text perfekt mit seinen aussagekräftigen, ganzseitigen Illustrationen.

Fazit

Eine rätselhafte, geheimnisvolle Geschichte über eine ebenso rätselhafte, geheimnisvolle Schrift mit viel Raum für einige Ideen, Interpretationen und Fragen, wie: was wäre eigentlich passiert, wenn … .

Die Ahnungslosen – Wolfgang Popp

AutorWolfgang Popp
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 13. September 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten280
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903005419

„Gewöhnlich trinkst du in so einer Situation den Rest von deinem Bier in einem Zug aus, schüttelst dir den Kopf leer und drehst dich um in Richtung Weiter-Geht´s. In dem Moment schaltete das Schicksal aber auf Weil-ich-schon-dabei-bin-dich-zu-Verunsichern, sagte „hi!“ und borgte sich dafür eine Stimme, die er kannte.“ (Zitat Seite 85)

Inhalt

Raul, vierunddreißig Jahre alt, ist Musiker, singt und spielt Gitarre, seine Songs schreibt er selbst. Nach zehn Jahren Amerika ist er zurück, wählt aus spontaner Neugierde die Telefonnummer seines Geburtsdatums und kurz darauf hat er einen Job im Geschäft von Karoline, Papier und Künstlerbedarf. Auf dem Weg dorthin entdeckt der das Lokal Drei Giraffen und bald darauf hat er dort seinen ersten Auftritt. Mit Karolines Bruder Walt beobachtet er eines Abends einen alten Mann, der mit seiner gelben Gießkanne einen Kastanienbaum gießt und schreibt den Song Trees, mit dem sein Erfolg beginnt, Walt findet seinen Stil als Künstler. Raul macht Christian, den Inhaber der Drei Giraffen, auf Walts Zeichnungen aufmerksam. Christians zweite Frau Lara ist Galeristin. Ebenfalls in den Drei Giraffen wird Kri, Christians erste Frau, Eventmanagerin, die Agentin der aufstrebenden Schauspielerin Zora. Immer wieder sind es die Drei Giraffen, in denen Zufälle neue Verbindungen knüpfen und alte beleben, manchmal auch verändern, neu und anders weiterführen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Leben in seiner Vielfalt und die Überraschungen, die es bereithält, sobald man bereit ist, sich auf Neues einzulassen, Veränderungen anzunehmen. „Plötzlich ist sie wieder wo – und nicht irgendwo, und so ungewohnt das nach so langer Zeit ist, so großartig fühlt sich das auch an.“ (Zitat Seite 72)

Charaktere

Einfühlsam und mit Humor schickt der Autor seine unterschiedlichen Figuren im Alter zwischen Mitte dreißig, Teenager und demnächst hundert Jahre alt durch ihr Leben mit Alltag, Krisen, Entscheidungen und vor allem Überraschungen. „Walter ist sich sicher, gerade den besten Moment des Abends zu erleben, aber nur weil er nicht weiß, was in den nächsten Stunden alles passiert.“ (Zitat Seite 225)

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte in kurzen Episoden, wechselt die Erzählperspektiven und  stellt seine Figuren abwechselnd in den Mittelpunkt der einzelnen Kapitel. Zunächst treffen sie sich zufällig, um sich langsam miteinander zu verbinden. Sie rücken einander geschäftlich und privat näher und damit wird Schritt für Schritt, Entscheidung für Entscheidung, schließlich ein Gesamtbild, eine aus vielen Einzelepisoden in sich stimmige, ganze Geschichte. Diese Art des Erzählens ist interessant, unterhaltsam und sehr spannend.

Fazit

„Kürze ist, wenn es kürzer nicht mehr geht, wenn nur noch die richtigen Worte übrig bleiben, und deshalb schneidet und sticht sie auch, die Kürze.“ (Zitat Seite 223). Besser kann man diesen faszinierenden Roman nicht beschreiben, kein Wort zu viel, aber auch kein Wort zu wenig. Atemloses Lesevergnügen, und man schwankt zwischen dem Weiterlesen in jeder freien Minute und einem Innehalten, Genießen, um die Zeit bis zur letzten Seite noch hinauszuzögern.

Die dunklen Jahre – Friederike Manner

AutorFriederike Manner
Verlag Edition Atelier
HerausgeberinEvelyne Polt-Heinzl
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatBroschiert
Seiten424
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650448

„Und wie oft dachte ich, ich sei erloschen, und dann kam ein neuer Brand und weckte mich zu unerhörter Wachheit. Das eine, glaub ich, hab‘ ich doch verstanden: was Goethe mit seinem „Stirb und Werde“ meinte.“ (Zitat Seite 403)

Inhalt

Der Arzt Ernst und seine Frau Klara, Verlagslektorin, haben gerade beschlossen, die längst gescheiterte Ehe durch Trennung zu beenden, noch überlegen sie, wie sie es den beiden Kindern Stella und Friedel sagen. Doch was 1934 begonnen hat, ist nun, im Frühjahr 1938 Realität geworden, Hitler und der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich. Ernst ist Jude und für Klara ist es selbstverständlich, nun bei ihrem Ehemann zu bleiben, obwohl ihr wiederholt nahegelegt wird, die Ehe auflösen zu lassen. Vor allem jedoch geht es um die Rettung der beiden Kinder. Die erste Station ist ein strenges Kinderheim in der Schweiz, während Ernst endlich eine Ausreiseerlaubnis erhält und nach Belgrad ausreist. Doch Klara hält es in der Schweiz nicht aus und sie reist mit Stella und Friedel ebenfalls nach Belgrad, mitten in die von den Deutschen besetzte Stadt, in Hunger, Kälte, Gefahr, den täglichen Kampf um das Überleben, Alltag und die kleinen Freuden der frühlingshaft blühenden Natur, Freunde und gegenseitiges Helfen, wo sie, die Deutsche in Belgrad, es nicht erwartet hat. Belgrad wird vorübergehend so etwas wie Heimat für sie. „Voller Bitterkeit stellen wir fest, dass wir allen Grund haben, Hitler dankbar zu sein. Auf diese Weise sehen wir die Welt.“ (Zitat Seite 84)

Thema und Genre

Dieser autobiografische Roman beginnt im Februar 1934 und endet am letzten Tag des Jahres 1945. Themen sind Flucht, Exil, Krieg, Widerstand, Mut, aber auch Familie, Zusammenhalt, Freundschaft.

Charaktere

Klara ist eine starke Frau, die trotz aller Zweifel und Erschöpfung am Leben nicht aufgibt, sie kämpft für das Überleben ihrer beiden Kinder. „Ich mag mich nicht belügen. Lieber will ich verzweifeln – vielleicht ist Verzweiflung die einzige Form der Tapferkeit, die in so dunkler Zeit noch gilt.“ (Zitat Seite 232)

Handlung und Schreibstil

Klara schreibt als Ich-Erzählerin einen tagebuchartigen Bericht dieser Zeit, chronologisch gliedert sie die Handlung in die einzelnen Jahre, berichtet auch über die übergeordneten politischen Ereignisse. Doch vor allem geht es um ihre eigenen Gefühle zwischen Hass, Liebe und Verzweiflung, den Alltag im von den Deutschen besetzten Belgrad. In den Wintern Kälte, Hunger, Sorgen um den kranken Friedel, im Frühling und Sommer beinahe unbeschwerte Stunden in der blühenden Natur, ein gerettetes Katertier als Zeichen der Hoffnung, Momente der gemeinsamen Freude, um das Grauen irgendwie ertragen zu können. Klara schreibt offen, beobachtet genau, berichtet, sie schont niemanden, weder sich selbst, ihre noch ihre Mitmenschen. Immer wieder die Frage, wie es so weit kommen konnte, warum die Menschen in Deutschland und Österreich sich nicht rechtzeitig erhoben und gewehrt haben, denn anders als die Juden hatten sie die Wahl und konnten sich entscheiden. Erstmals ist dieser autobiografische Romanbericht von Friederike Manner 1948 unter dem Pseudonym Martha Florian im Wiener Verlag erschienen, am 22.02.2021 erfolgte diese Neuauflage durch den Wiener Verlag Edition Atelier.

Fazit

Ein zeitlos aktuelles Beispiel von Exil- und Erinnerungsliteratur, das sich eindrücklich und tief in unsere Gedanken prägt und die Vielschichtigkeit des Erlebten in dieser Zeit beleuchtet. Ein Buch, das mich sprachlos macht, man sollte es unbedingt lesen.

Das Krähennest – Martina Wied

AutorMartina Wied
HerausgeberinEvelyne Polt-Heinzl
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650509

„Niemand könnte einsamer sein, als ich es bin, keiner der alten Freunde – soweit sie noch erreichbar wären – kennt meinen Aufenthalt und wer hier mit mir umgeht, weiß nicht, wer ich war, wer ich bin: eine Sprachlehrerin, die ihr Fach leidlich versteht.“ (Zitat Seite 73)

Inhalt

Madeleine de la Tour verlässt ihren langjährigen Partner Ernest Mathieu Le Sieutre und gibt ihre erfolgreiche Tätigkeit als Kunsthistorikerin in Paris auf, als sie aus dem von den Nationalsozialisten besetzten Paris nach England flieht. Anders als Ernest ist sie nicht bereit, sich mit den Besatzern zu arrangieren, obwohl sie sich immer wieder fragt, ob es nicht mutiger und wichtiger gewesen wäre, zu bleiben und in Paris Widerstand zu leisten. Als Tochter eines französischen Vaters und einer österreichischen Mutter ist sie in der Lage, in England als Sprachlehrerin zu arbeiten. Aus den zahlreichen Angeboten wählt sie die Télème-Abtei-Schule, ein Londoner Privatinternat, das nun jedoch auf dem weitläufigen Lavendelhof in einer abgeschiedenen, vor den deutschen Bomben sicheren, ländlichen Gegend beheimatet ist. Der liberale Erziehungsstil in Koedukation spricht sie an, doch beginnt sie bald zu erkennen, warum alle hier die Schule nur „Krähennest“ nennen, denn nicht einmal in diesem geschützten Umfeld verläuft das Leben so friedlich, wie Leontes, der Prinzipal, es vorgibt.

Thema und Genre

Die Autorin lebte selbst von 1939 bis 1947 im Exil in Großbritannien und war dort als Mittelschullehrerin tätig. Begonnen hat sie diesen Roman 1944, beendet 1948. 1947 lehrt sie nach Österreich zurück, doch erst Ende 1951 findet sich ein Verleger für diesen Roman, in dem es um alle Aspekte eines Lebens im Exil geht, um Entwurzelung, Selbstzweifel und als Gegensatz Anpassung aus Bequemlichkeit geht. „Es ist unser Verhängnis – ist ein Attribut unseres Exils, daß wir immer im Vergangenen leben.“ (Zitat Seite 276).

Charaktere

Die Autorin wählt einzelne Figuren, denen sie durch die gesamte Handlung folgt und zeigt an ihnen die steten, zunächst kaum bemerkbaren Veränderungen, im kleinen, geschätzten Bereich der Schule und in der besetzten Großstadt Paris. Es geht um die vielen Formen von menschlichen Beziehungen, die Konflikte zwischen Abhängigkeit, Stillschweigen, Heuchelei, Selbsttäuschung, Enttäuschung, Freundschaft, Liebe und Verrat.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin wechselt wiederholt zwischen den Erzähl- und Handlungsebenen. Sie wählt unterschiedliche Erzählformen, indem sie die Geschichte teilweise als Briefe, Zeitungsmeldungen, Rundfunkberichte, innere Monologe, Träume erzählt, dann wieder als allwissende Erzählerin berichtet und sogar mit ihren Figuren diskutiert. Die Sprache entspricht der Zeit, in der dieser Roman geschrieben wurde und ich hatte zunächst Mühe, mich in diese ausufernden, teilweise überschäumenden Schilderungen und langatmigen inneren Monologe einzulesen. Doch die Vielfalt der Themen und das weite Spektrum der Fragen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit dieser Zeit, metaphorisch und direkt, machen diesen Roman zu einer eindrücklichen, interessanten Lektüre, die zum intensiven Nachdenken anregt.

Fazit

Dieser lange vergessene Roman wurde 2021 von dem Wiener Verlag Edition Atelier neu herausgegeben und ist ein interessanter, wichtiger Beitrag der österreichischen Exilliteratur, nicht einfach zu lesen, doch es lohnt sich.

Im Ruin – Barbara Kadletz

AutorBarbara Kadletz
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650486

„Man kann auch an einem guten Ort auf einer Irrfahrt sein. Man irrt dabei halt nicht durch die Welt, sondern dreht sich immer auf der Stelle, permanent im Kreis herum.“ (Zitat Seite 73, 74)

Inhalt

Als David und Katharina das kleine Lokal im zehnten Wiener Gemeindebezirk von den alten Vorbesitzern übernehmen, liegt ihr Leben noch vor ihnen, denken sie. Jetzt ist David tot und Katharina. erst dreinundreißig Jahre alt, ist damit beschäftigt, das Leben im Andenken an ihn und die gemeinsame Vergangenheit weiterzuführen, sie funktioniert (meistens), und an weniger guten Tagen verlässt sie sich auf ihre Mitarbeiterin und beste Freundin Sabina. Ari ist auf der Flucht aus seinem Leben und landet durch Zufall in Wien. Schlaflos, erstaunt und verwirrt streift er durch Favoriten, diesen besonderen Bezirk, gleichsam eine Insel in der Großstadt, und entdeckt plötzlich diese kleine Bar „Ruin“ im Erdgeschoss eines ungewöhnlichen Hauses. Bekannt für den hervorragenden Kaffee, bietet das „Ruin“ seinen Gästen Frühstück ab siebzehn Uhr und dazu Getränke bis spät in die Nacht hinein. Es ist neunzehn Uhr, ein besonders gemütlicher Tisch in einer Nische ist frei und Ari hat Lust auf Frühstück, von nun an täglich, immer pünktlich um neunzehn Uhr.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Veränderungen, die Suche nach einem neuen oder alten Platz im eigenen Leben, um Trauer, Verlust, Freundschaft und um Wien und ein typisches Grätzellokal, das für die unterschiedlichsten Menschen so etwas wie Geborgenheit und Heimat bedeutet.

Charaktere

Die Figuren dieser Geschichte sind moderne Großstadtmenschen. Einfühlsam und humorvoll lässt die Autorin sie auch unkonventionelle Wege gehen, während sie realistisch die Probleme und Konflikte schildert. Gerade weil sie bisher nicht Teil eines gemeinsamen Lebens waren, können Katharina und Ari einander unvoreingenommen begegnen und auch dort interessierte und kritische Fragen stellen, wo andere aus Rücksicht und Sorge dies nicht tun.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in Wien, genau gesagt, im zehnten Wiener Gemeindebezirk, und der Zeitrahmen umfasst weniger als ein Jahr, vom Spätsommer bis zum nächsten Frühling. Rückblenden in Form von Katharinas Erinnerungen ergänzen die aktuelle Handlung, in der auch immer die entsprechende Musik mitklingt. Die Sprache der Autorin ist modern, manchmal kantig, grantig, aber immer auch charmant, Eigenschaften, mit denen man auch Wien und das Wienerische beschreiben könnte. „Easy“, wie Katharina zu sagen pflegt.

Fazit

„Romantischer Dadaismus“, diesen Begriff erfinden Katharina und Ari in einem Dialog in Bezug auf ihre unterschiedlichen Strategien, wieder in das eigenen Leben zu finden, und besser kann man diese kluge, poetische Geschichte nicht beschreiben.

Das Salzfass – Simon Sailer

AutorSimon Sailer
IllustratorJorghi Poll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650462

„Nur dieses Salzfass war hier. Mitten im Lager stand es. Nicht einmal versteckt, ganz so, als hätte er es noch mitnehmen wollen.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Als die Antiquitätenhändlerin das Geschäft übernimmt, ist es vollkommen leer, sowohl der Geschäftsraum, als auch das Lager. Nicht ganz, im Lager steht ein einziger Gegenstand, ein altes Salzfass aus englischem Silber und Kobaltglas. Sie beobachtet den Mann, der ihr Geschäft betreten hat, schon seit einer Weile und spürt deutlich sein Interesse an dem Salzfass, also erzählt sie ihm die Geschichte dieses Gegenstandes. Schon sein Vater war Antiquitätenhändler gewesen und nach seinem Tod hat sein Sohn Maurice Demel das Geschäft übernommen. Eines Tages wird ihm ein Nachlass angeboten, das hübsche kleine Salzfass gehört dazu. Doch bald bemerkt Maurice, dass dieser Gegenstand geheimnisvolle Kräfte zu haben scheint, es ist nicht nur ein weißes Geflecht, das er zunächst für Salzreste hielt, das aber die Größe verändern kann und immer mehr auch in seine Gedanken zu dringen scheint und bald sein Leben bestimmt. Er will es verkaufen, notfalls auch verschenken, doch so einfach ist das nicht.

Thema und Genre

Diese Erzählung spielt im modernen Wien von heute und ist eine eigenwillige Version eines klassischen, phantastischen Schauerromans mit Ereignissen, für die es keine logische Erklärung gibt.

Charaktere

Maurice Demel ist ein erfolgreicher Antiquitätenhändler, bis sich dieses Salzfass in sein Leben drängt. Seine Hilflosigkeit diesem Phänomen gegenüber erzeugt auch beim Lesenden Beklemmung und gespannt folgen wir seinen Versuchen, sich irgendwie mit dem Ding zu arrangieren und es so rasch als möglich loszuwerden.

Handlung und Schreibstil

In der Rahmenhandlung begegnen wir einer gesprächigen, engagierten Antiquitätenhändlerin in ihrem ersten eigenen Geschäft in der Wiener Innenstadt. Sie ist überzeugt, sofort zu erkennen, ob ein Kunde kaufen will, oder sich nur umsieht. Als sich ein Kunde für das Salzfass zu interessieren scheint, beginnt sie, ihm die Geschichte ihres Vorgängers Maurice Demel zu erzählen, wobei nicht sicher ist, was sie darüber tatsächlich weiß und was sie erfindet, um das Objekt für den möglichen Kunden spannend zu machen. Diese Geschichte von Maurice, in deren Mittelpunkt das Salzfass steht, ist die Haupthandlung. Der Autor beginnt leise, mit einer Schilderung eines durchaus üblichen Geschäftsvorganges im Antiquitätenhandel. Stetig und rasch steigt dann die Spannung und sorgt für unvorhersehbare Situationen und eine völlig überraschende Wendung. Zahlreiche schwarz-weiße Illustrationen, passend zum Genre, ergänzen die Geschichte.

Fazit

Die moderne, facettenreiche Version eines klassischen Schauerroman, packend und beklemmend.