Tanger Transit: Ein Fluchtversuch – Claus G. H. Mayer

AutorClaus G. H. Mayer
Verlagtredition
Datum5. Juli 2023
AusgabeTaschenbuch
Seiten460
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3347981744

„Er würde vorsichtig so weit nachforschen, wie es ging. Vielleicht noch etwas weiter – Cotter kannte sich und er wollte immer wissen, was hinter dem Berg war.“ (Zitat Seite 27)

Inhalt

Cotter ist ein Freigeist, er liebt Camping, guten Kaffee und Nordafrika. Auf den Campingplätzen der spanischen Costa de la Luz findet er die Teilnehmer für seine geführten Touren mit Schwerpunkt Marokko. Es sind stürmische Märztage und Cotter weiß, dass nach solchen Nächten am Strand manchmal Schmuggelgut zu finden ist. Doch an diesem Märzmorgen am Strand von Tarifa findet Cotter keine Zigaretten, sondern Menschen, tot, ertrunken. Besonders ein Junge fällt ihm auf, da er sich von den anderen unterscheidet, vermutlich ein Saharaberber. Cotter interessiert das Schicksal hinter dieser Flucht, heimlich nimmt er die Tasche des Toten an sich und folgt dessen Spuren zurück nach Nordafrika.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Hintergründe der Migration aus Afrika nach Europa, das Geschäft mit den Flüchtlingen und die Schicksale der betroffenen Menschen. Themen sind das Leben in Nordafrika mit Schwerpunkt Marokko, Gesellschaft und Tourismus. Die Geschichte ist fiktiv, die Problematik, welche die Menschen in die Boote treibt, ist jedoch beklemmende Realität.

Charaktere

Es sind sehr unterschiedliche Menschen, auf die der Althippie Cotter während dieser besonderen Reise auf den Spuren eines jungen Marokkaners trifft, einige kennt er von früheren Touren, anderen begegnet er unterwegs und einige von ihnen begleiten ihn auf seiner Suche. Parallel dazu tauchen neue Charaktere auf, wir folgen ihrem Schicksal und ihren Entscheidungen. Eines haben alle Charaktere gemeinsam, sie sind eindrücklich und glaubhaft geschildert, ihr Verhalten nachvollziehbar.

Erzählform und Sprache

Der Autor erzählt die Ereignisse in mehreren Handlungssträngen, die aktuell und gleichzeitig stattfinden, oder in einer nahen Vergangenheit stattgefunden haben. Im Mittelpunkt der Handlung stehen immer die jeweiligen Protagonisten, manche vorerst mit ihrer eigenen, unabhängigen Geschichte. Wie der Autor einige diese einzelnen Handlungsstränge der einander zunächst fremden Einzelfiguren als themenverstärkende Erklärungen einsetzt, und sich im späteren Verlauf der Ereignisse annähern lässt, ist gekonnt, lebendig und packend. Hier schreibt ein Theaterregisseur, der jede Szene, jede Entwicklung bis ins Detail überlegt hat. Die Sprache zeigt viele Facetten zwischen salopp, einfühlsam, emotional, eindringlich, und beeindruckt durch lebhafte Schilderungen des Lebens in Nordafrika, der Menschen, der Natur, aber auch der Gedanken und Hintergründe. Hier schreibt ein Autor, der sich auskennt, genau beobachtet, und die Problematik sachlich und fundiert von unterschiedlichen Seiten beleuchtet.

Fazit

Eine spannende Geschichte, dazu viele Informationen und wissenswerte Fakten, großartige Schilderungen der Menschen, der Städte und Landschaften Marokkos. Darin eingebunden sind brisante aktuelle Themen und eine kritische Auseinandersetzung mit Politik und Gesellschaft. Dieses Buch hilft zu verstehen, ohne belehren zu wollen, es überzeugt als Gesamtpaket von der ersten Seite an.

Alles wird gut: Chronik eines vermeidbaren Todes – Matthias Politycki

AutorMatthias Politycki
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Erscheinungsdatum 23. April 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455015843

„Nur die kleinen Geschichten haben ein Ende. Die großen gehen immer weiter. Je öfter sie erzählt werden, desto mehr verzweigen sie sich – wie der Wald, der nach jedem Regen wächst, bis er undurchdringlich scheint.“ (Zitat Pos. 5277)

Inhalt

Josef Trattner, siebenundvierzig Jahre alt, war bis Oktober 2019 in Aksum als Ausgrabungsleiter tätig. Das Rückflugticket für den 7. Februar 2020 hat er bereits in der Tasche, als ihn Weraxa, ein Mitarbeiter, überredet, zum Abschluss das Land zu besichtigen, in dem er drei Jahre lang gearbeitet hat. Mit ihrem Fahrer Mulugata brechen sie am 12. Januar auf. Im kleinen Suri-Dorf Surma Kibish sieht Trattner eine außergewöhnliche Frau, stolz, schön und offensichtlich eine unangepasste Außenseiterin. Ihr Name ist Nasedi, doch alle nennen sie Natu. Als sie am nächsten Tag ihrer Reise an einem der vielen Kontrollpunkte halten müssen, kommt eine Frau zu Trattners Auto und setzt sich wortlos zu ihm auf die Rückbank. Es ist Natu und Trattner weiß nicht, ob sie einfach bis zur nächsten Stadt mitfahren will, oder auf der Flucht ist.

Thema und Genre

Dieser Roman spielt im Südwesten Äthiopiens. Themen sind die alten Traditionen der hier lebenden Völker und Ethnien und das westlich geprägte, europäische Denken. Es sind fundamentale Gegensätze, auch in Bezug auf die Situation der Frauen, die durch die  Unmöglichkeit einer sprachlichen Verständigung zu großen Missverständnissen führen. Kann Liebe stark genug sein, um diese beinahe unüberwindlichen Barrieren zu überwinden?

Charaktere

Der Objektkünstler und Magister der klassischen Archäologie Josef Trattner ist im Grunde eine Art Lebenskünstler, redegewandt, einfallsreich, aber auch unentschlossen und zögerlich. Seine Erfahrungen mit Natu verändern ihn. Nun ist er bereit, Verantwortung zu übernehmen, obwohl Natu für ihn ein Rätsel bleibt. Sie lebt vollkommen in der Gegenwart und jeder Tag mit ihr ist ein neuer Anfang.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung umfasst nur den Zeitraum der Reise Trattners, ergänzt durch Rückblicke in Form von Erinnerungen und Gesprächen. Trattner ist die Hauptfigur und steht im personalen Mittelpunkt dieser Geschichte. So erfahren wir auch seine persönlichen Gedanken und Eindrücke, die sich durchaus von seinem Verhalten unterscheiden können. Er ist eine interessante, facettenreiche Figur, in seiner Widersprüchlichkeit und Zögerlichkeit nahe einem modernen Antihelden. Spannung erhält die Geschichte nicht nur durch die Frage, ob es in dem geschilderten Umfeld eine Zukunft für Trattner und Natu geben könnte, sondern auch durch die abenteuerliche, in diesen Wochen schon sehr gefährliche Reise. Es ist eine beeindruckende Vielfalt an unterschiedlichen Themen und Konflikten, in Verbindung mit authentischen Schilderungen der indigenen Menschen, ihrer Lebensweisen und Traditionen, denen sie sich zu unterwerfen haben. Als Gegensatz zeigt sich immer wieder das von europäischen Traditionen geprägte Verhalten von Trattner. Eindrückliche Landschaftsbeschreibungen ergänzen die Geschichte zu einem facettenreichen Gesamtbild.

Fazit

Dieser Roman brachte mir viel neues Wissen über ein Land und eine Kultur, von denen ich bisher nur wenig wusste. Eine interessante, spannende, in ihrer Vielfältigkeit beeindruckende Geschichte mit überraschenden Wendungen.