Polulärer Realismus, unsere gegenwärtige Wohlfühl-Literatur?
Ich habe mich wieder mal mit Literaturkritik und dem aktuellen Buchmarkt beschäftigt, sicher auch angeregt durch die Leipziger Buchmesse, die ich jedoch nicht besucht habe. Ich habe mich allerdings durch die Artikel der Verlage gelesen und jetzt ein kritisches Essay von Moritz Baßler gelesen, „Midcult“.
„Dieser Neue Midcult ist also zwar nicht mehr ganz der alte, doch nutzt er mit dem populärrealistischen Erzählen (verständliche Sprache, nachvollziehbare Handlungen, Identifikationsfiguren) und ethisch-sozial bedeutsamen Themen durchaus vergleichbare Mittel, um seinen Anspruch, bedeutende Literatur zu sein, zu erheben und zu untermauern. Auch ist sein Irrtum der gleiche: dass nämlich Leiden und Probleme, wie relevant auch immer, ohne formale Durcharbeitung identifikatorisch mit Kunstanspruch dargeboten, zu etwas anderem führen würden als – Kitsch. Dieser Kitsch entsteht, wenn immer schon vorausgesetzt und der Zielgruppe klar ist, was relevant und richtig ist; wenn die entsprechende Arbeit nicht geleistet wird, eine Arbeit an Form und Kontext.“ (Zitat aus „Der Neue Midcult von Moritz Baßler, Untertitel: Vom Wandel populärer Leseschaften als Herausforderung der Kritik, 28.6.2021, (erstmals erschienen in: »Pop. Kultur und Kritik«, Heft 18, Frühling 2021, S. 132-149).“
Auch wenn ich mit einigen kritischen Aussagen dieses Artikels als einfache Leserin nicht übereinstimme, ich halte die international erfolgreiche Erzählprosa nicht durchwegs für Wohlfühl-Literatur (Knausgard, Murakami, echt jetzt?), so vermisse auch ich eine Themenvielfalt abseits der aktuell so beliebten autofiktionalen Erzählstimmen (Aufarbeitung der Jugend, Eltern, Großeltern, Brüder usw.) und der Themen Vergangenheit im NZ-Regime, Migration, neue und alte Heimat, Diskriminierung. So gesehen bin ich gespannt auf die Titel der Longlist 2023.