Graubart Boulevard – Christoph W. Bauer
Autor | Christoph W. Bauer |
Verlag | Haymon Verlag |
Erscheinungsdatum | 30. September 2008 |
Format | Gebundene Ausgabe |
Seiten | 297 |
Sprache | Deutsch |
ISBN-13 | 978-3852185729 |
„Die Museumsstraße entlang und immer tiefer hinein in die Geschichte einer Familie, von der ich zunächst nichts anderes wusste als das Datum der Ermordung Richard Graubarts.“ (Zitat Seite 73)
Inhalt
1878 kommt der junge Simon Graubart nach Wien, ab 1880 hilft er seinem Onkel in Langen am Arlberg, den Arbeitern beim Tunnelbau Kleider und Schuhe zu verkaufen und 1888 eröffnet er sein erstes Schuhgeschäft in Innsbruck. Seine drei Söhne Siegfried, Alfred und Richard, der jüngste, kämpfen im ersten Weltkrieg für Österreich. Aus dem ersten Geschäft wird eine Kette von Schuhgeschäften.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, die Geschäfte sind längst arisiert, die Koffer sind bereits für die Abschiebung nach Wien gepackt, dringen Mitglieder der SS unter der Führung eines bekannten Innsbrucker Hotelierssohnes und Schilehrers auch in das Haus der Familie Graubart ein und Richard wird ermordet. Seine Tochter Vera ist gerade vier Jahre alt. Jahre später haben alle Beteiligten des SS Rollkommandos nur ihre Pflicht getan, Befehle befolgt, ohnedies helfen wollen und niemand übernimmt die Verantwortung für den Mord.
Thema und Genre
Dieser zeitgeschichtlich-biografische Roman spielt in Österreich, mit Schwerpunkt Tirol und Innsbruck. Am Beispiel der großen jüdischen Familie Graubart wird die Geschichte Österreichs ab 1888, der erste Weltkrieg, die politischen Unruhen der Zwischenkriegszeit und die NS-Zeit geschildert.
Was mit einer Geschichte über die Ermordung Richard Graubarts begann, wird die Geschichte von mehreren Generationen einer Familie und dieser Jahre, über die viele nur von den großen Ereignissen, den Eckdaten wissen. Diese Geschichte einer Familie ist symbolisch für die Geschichte vieler Familien von Opfern, verbunden für immer mit den Tätern, die einst Nachbarn, Geschäftsfreunde waren.
Der Roman erzählt die Vergangenheit chronologisch, unterbrochen durch die Berichte des Autors in „Ich-Form“ über die umfassende Recherchearbeit, von der Suche nach möglichen Spuren, um Licht in die Geschehnisse der Nacht des Novemberpogroms zu bringen, Morde, die nie aufgeklärt wurden. Geschildert wird, wie sich aus Berichten, Erzählungen, Gesprächen langsam ein Gesamtbild formt, immer noch mit vielen Lücken. Ein entscheidender Schritt ist die Kontaktaufnahme mit den Nachkommen. Denn möglich wurde dieses Buch wohl erst dadurch, dass Mitglieder der Familie Graubart bereit waren, ihre Familiengeschichte, soweit aus Erzählungen und alten Unterlagen noch bekannt, mit dem Autor zu teilen.
Fazit
Dieser Roman, eigentlich eine zeitgeschichtliche Dokumentation in Romansprache, ist auf eine leise Weise einprägsam, beklemmend und macht nachdenklich. Denn abseits der bekannten Namen zeigt er am Beispiel einer altösterreichischen Kaufmannsfamilie, wie Menschen von nebenan, Freunde, Nachbarn, plötzlich auf Grund ihrer Religion ihre Heimat, ihr Eigentum und auch ihr Leben verlieren. Was besonders beeindruckt, ist der Mut dieser Familie und die positive, offene Lebenshaltung. Ein großartiges Buch, das mich sehr beeindruckt hat und das man gelesen haben sollte.