100 Autorinnen in Porträts: Von Atwood bis Sappho, von Adichie bis Zeh

AutorinnenVerena Auffermann
Julia Encke, Ursula März
Elke Schmitter, Gunhild Kübler
Verlag Piper Taschenbuch
Erscheinungsdatum 31. August 2023
FormatTaschenbuch
Seiten592
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492319485

„Also sagt Rachel Cusk es noch einmal anders, aber genauso unbequem. Schriftsteller sind dazu da, zu irritieren und zu spalten, und nicht, um Dinge zu sagen, die andere gerne hören wollen.“ (Zitat Seite 62, Rachel Cusk von Verena Auffermann)

Thema und Inhalt

Fünf bekannte Journalistinnen und Literaturkritikerinnen stellen in informativen, spannenden Essays einhundert Schriftstellerinnen aus mehr als zweitausendfünfhundert Jahren vor.

Umsetzung

Die Anordnung der einzelnen Artikel in diesem Buch richtet sich nach dem Geburtsjahr der jeweiligen Schriftstellerin und beginnt im Heute mit Leila Slimani, geboren 1981, um mit Sappho, geboren um 617 v.Chr. zu enden. Schon dieser ungewöhnliche Aufbau macht dieses Buch zu einer besonderen Lektüre, da es die Entwicklung der schreibenden Frauen rückwirkend und nachvollziehbar aufzeigt. Auch die internationale Vielfalt der verfügbaren Literatur wird durch diese ausgewählten Porträts sichtbar, wobei der Schwerpunkt auf dem zwanzigsten Jahrhundert liegt. Jeder Beitrag umfasst mehrere Seiten und ist per se ein Essay, da wir neben den Biografien vor allem die besonderen Eigenheiten, den Werdegang, die Konflikte und Erfolge im künstlerischen Wirken jeder der vorgestellten Frauen erfahren, und vor allem die Themen, die sie antreiben bzw. zu ihrer Zeit besonders beschäftigt haben. Durch die fünf unterschiedlichen Verfasserinnen der einzelnen Porträts entsteht auch hier eine lebhafte, ausdrucksstarke sprachliche Vielfalt.

Fazit

Ein breit gefächerter, interessanter Streifzug durch die weibliche Kultur- und Literaturgeschichte. Doch dieses Sachbuch ist wesentlich mehr, diese Auswahl von bekannten und weniger bekannten Schriftstellerinnen bietet eine Fülle von Wissen, sodass wohl auch jede versierte Leserin und jeder versierte Leser noch Neues über Schriftstellerinnen finden wird, von denen man bereits alles zu wissen glaubte. Ein packendes Lesebuch, das man mit Vergnügen von der ersten bis zur letzten Seite liest und das auch die persönliche Wunsch-Leseliste um einige weitere Titel ergänzt.

Österreichischer Buchpreis 2023, Longlist Shortlist Debüt

HerausgeberHauptverband des Österreichischen Buchhandels Wien
Erscheinungs-datum 5. September 2023
FormatBroschüre, e-book
SpracheDeutsch

„Er verfolgt das Ziel, die Qualität und die Eigenständigkeit der österreichischen Literatur zu würdigen und ihr im deutschsprachigen Raum erhöhte Aufmerksamkeit zu verschaffen.“ (Zitat Pos. 1209)

Thema und Inhalt

Dieser wichtige Preis wurde in Österreich 2016 gestiftet und zum ersten Mal vergeben. 2023 haben 59 Verlage insgesamt 137 Bücher eingereicht. Jedes Jahr wählt eine Expertenjury in einem zweistufigen Wettbewerbsverfahren zunächst zehn Titel für die Longlist. In einem zweiten Durchgang werden aus dieser Liste die Titel für die Shortlist ausgewählt. Gleichzeitig mit der Longlist wird die Shortlist Debütpreis veröffentlicht, welche drei Titel umfasst.

Gestaltung

Die zehn nominierten Titel der Longlist werden in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Autoren und Autorinnen mit einer ausführlichen Leseprobe vorgestellt. Die jeweilige Überschrift trägt den Autorennamen, den Titel und die Kategorie. Am Ende der Leseprobe werden diese Angaben wiederholt und mit dem Namen des Verlages, sowie dem Erscheinungsjahr ergänzt. Es folgen die Leseproben der drei Titel der Shortlist Debütpreis. Anschließend an die Leseproben finden sich Informationen über die Autoren und Autorinnen mit Foto, kurzem Werdegang, Veröffentlichungen und Preisen, ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge, gefolgt von den Porträts der Jurymitglieder. Den Abschluss der Broschüre bilden die Daten der Bücher selbst, Coverfoto, Verlag, Anzahl der Seiten und Preis. Auch hier wird die alphabetische Reihenfolge nach Autoren- und Autorinnenname beibehalten, wobei die Werke auch hier nach Longlist 2023 und Shortlist Debüt 2023 getrennt sind.

Fazit

In österreichischen Buchhandlungen liegt die Broschüre in gedruckter Form auf. Ich lebe in Deutschland und bin daher dankbar, dass sie von NetGalley Deutschland in elektronischer Form kostenlos zur Verfügung gestellt wird. In dieser Form habe ich sie gelesen. Es ist ein informativer Überblick über die nominierten Werke, mit ausführlichen Leseproben. Manche der Bücher sind bekannt, finden sich schon auf der deutschen Longlist. Interessant ist der Debütpreis, der in Österreich gleichzeitig mit dem Buchpreis verliehen wird.

Deutscher Buchpreis 2023: Die Nominierten

HerausgeberFachmagazin Börsenblatt
Buchpreiswww.deutscher-buchpreis.de
Erscheinungsdatum 24. August 2023
FormatTaschenbuch, e-book
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3-7657-3441-0

„Die nominierten Romane spiegeln das Weltgeschehen wider und laden dazu ein, die eigene Blase zu verlassen – eine Fähigkeit, die vor allem in Krisenzeiten überaus wertvoll ist und uns immer mehr abhandenzukommen droht.“ (Zitat Pos. 24, Vorwort von Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels)

Thema und Inhalt

Das Taschenbuch „Deutscher Buchpreis 2023. Die Nominierten“ stellt die zwanzig Titel vor, welche in diesem Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert sind und die Longlist bilden, aus welcher in der Folge die Titel der Shortlist ausgewählt werden, die am 19. September 2023 veröffentlicht wird. Der aus dieser Shortlist ausgewählte Siegertitel wird am 16. Oktober 2023 am Beginn der Frankfurter Buchmesse präsentiert. Insgesamt waren 196 Romane von 111 Verlagen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingereicht worden.

Umsetzung

Die zwanzig Autoren und Autorinnen werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, beginnend jeweils mit einem Foto, gefolgt von einem kurzen Lebenslauf und dem künstlerischen Werdegang. Daran schließt eine Beschreibung des Themas des jeweiligen Romans an, gefolgt von einer ausführlichen Leseprobe. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die jeweilige Präsentation ab.

Fazit

In Buchhandlungen liegt die Broschüre in gedruckter Form auf, doch sie ist nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und rasch vergriffen. NetGalley Deutschland stellt die Broschüre in elektronische Form, herausgegeben vom „Börsenblatt“, kostenlos zum Download bereit, in dieser Form habe ich sie gelesen. Es ist ein interessanter, sehr informativer Überblick über die nominierten Romane. Natürlich sind es mehrheitlich Titel, die man aus der Werbung und diversen Besprechungen in den Medien kennt. Auch in diesem Jahr wählte die Jury wieder eine Reihe von Romanen mit autofiktionalen Inhalten aus, ein nunmehr jahrelanger Trend, der mich nicht besonders anspricht. Dennoch konnten mich einige der Leseproben überzeugen und drei der Bücher kamen auf meine Wunschliste.

Jenny Erpenbeck über Christine Lavant – Jenny Erpenbeck

AutorJenny Erpenbeck
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Herausgegeben vonVolker Weidermann
Erscheinungsdatum 17. August 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462004687

„Das eigene Leben bewahren, ohne den eigenen Willen aufzugeben, Kompromisse eingehen, die einen nicht die Seele kosten – wie das gelingen kann, und auch, wie manche ihrer Figuren tragisch daran scheitern, hat Christine Lavant in ihren Texten beschrieben.“ (Zitat Pos. 817)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist der fünfte Band der Serie „Bücher des Lebens“, herausgegeben von Volker Weidermann. Es geht um Bücher, welche die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck besonders beeindruckt und geprägt haben. Erpenbeck ist dreißig Jahre alt, als sie zum ersten Mal ein Gedicht von Christine Lavant liest. „Dreißig Jahre alt musste ich werden, bevor ich zum ersten Mal ein Gedicht von Christine Lavant gelesen habe. Bevor sich mir diese fremde Welt aufgetan hat, die ich nicht kannte und dich im ersten Moment wiedererkannt habe.“ (Zitat Pos. 284) Seither folgt sie den Spuren und dem Leben dieser ungewöhnlichen Frau, der einfachen Strickerin und Schriftstellerin und vertieft die biografischen Geschichten mit den Themen Bücher, Lyrik, das Leben als Schriftstellerin.

Umsetzung

Nach einem kurzen Vorwort von Volker Weidermann beginnt Jenny Erpenbeck ihr Essay mit der Frage, wann der richtige Moment sei, um ein Gedicht zu lesen, gibt sich selbst in Gedanken verschiedene Antworten, die ebenfalls Fragen bleiben. Im zweiten Kapitel schreibt sie, was Christine Lavant in ihren biografischen Notizen über das Lesen von Gedichten geschrieben hat und tritt so mit dieser österreichischen Lyrikerin aus Kärnten in einen inneren Dialog. Diesen führt sie in allen weiteren Kapiteln abwechselnd fort, Jenny Erpenbeck berichtet über ihre Erlebnisse während der fünf Jahre, die sie in Graz gelebt hat und beginnt danach mit der Kindheit von Christine Lavant, mit bürgerlichem Namen Christine Habernig, geb. Thonhauser. Erpenbeck folgt einerseits dem von Selbstzweifeln geprägten Leben von Christine Lavant, sucht in den vielen vorhandenen Aufzeichnungen, besonders Briefen, in den Archiven und Museen nach dem Menschen und der Künstlerin. Besondere Aussagen ergänzt Erpenbeck mit entsprechenden Gedichten von Christine Lavant.

Im Anhang finden sich die Lebensdaten von Christine Lavant und die Erklärungen zu den durchnummerierten Fußnoten.

Fazit

Dieses Buch berichtet über das Leben der österreichischen Schriftstellerin Christine Lavant, deren literarisches Werk in der breiten Öffentlichkeit nicht allzu bekannt ist, und in deren Würdigung seit 2016 ein eigener Literaturpreis, der Christine Lavant Preis, verliehen wird.

Die Wokeness-Illusion – Alexander Marguier, Ben Krischke (Hg.)

HerausgeberAlexander Marguier
HerausgeberBen Krischke
Verlag Verlag Herder
Erscheinungsdatum 13. Februar 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3451395567

„Bedrückend an diesem Kampf der Identitäten – seien sie ethnischer, geschlechtlicher, religiöser, milieubezogener oder jedweder anderen Art – ist nicht nur die (Selbst-) Viktimisierung ganzer Bevölkerungsschichten, sondern die Unversöhnlichkeit, in der er gerade geführt wird.“ (Zitat Seite 11, Alexander Margulier)

Thema und Inhalt

„Wenn Political Correctness die Freiheit gefährdet“, so lautet der Untertitel dieser Sammlung von neun Essays von neun Autoren, die sich mit den wichtigsten Elementen von Wokeness kritisch auseinandersetzen. Die Themen der einzelnen Beiträge reichen von den Anfängen der Identitätspolitik über woke Wirtschaft, politisch korrekten Konsum, Sprache, bis zur Debatte um die kulturelle Aneignung. Am Ende des Buches werden kurz die einzelnen Autoren vorgestellt.

Umsetzung

Die Beiträge sind in einzelne Kapitel gegliedert, umfassen jeweils etwa zwölf Seiten und ein Quellenverzeichnis. Interessant sind die unterschiedlichen Blickwinkel, mit denen die einzelnen Autoren das jeweils gewählte Thema betrachten, einige gehen weit in die Geschichte zurück und legen so die Wurzeln der Entstehung wichtiger Elemente frei, die von der Wokeness Bewegung unbewusst oder auch bewusst falsch interpretiert und ausgelegt werden. Auch wer zum Beispiel die sprachlichen Diskussionen, die Diskussionen um kulturelle Aneignung und Diversität aktiv mitverfolgt, findet hier bisher noch nicht bekannte Ansätze und neues Wissen. Interessant, weil in den Medien wenig präsent, die Beiträge zur woken Wirtschaft und dem neuen ethischen Konsum, das Phänomen Woke Washing als Entwicklung des seit Jahren bekannten Greenwashing. Besonders eindrücklich bringt folgende Aussage von Ralf Hanselle das Dilemma der neuen Identitätspolitik in seinem Essay zu diesem Thema auf den Punkt: „Und vielleicht gäbe es hinter der eigenen Wunde der Identität etwas Größeres zu entdecken – eine Realität, die ganz unabhängig ist von Identitäten, und einen Universalismus, der weit mehr ist als die Summe einzelner Partikularinteressen. Das Ende unserer Identitätsfixierung könnte auch der Neubeginn der Gesellschaft sein.“ (Zitat Seite 24, Ralf Hanselle)

Fazit

Dieses Buch der Cicero-Redaktion ist ein lesenswerte Sammlung von interessanten, sachlichen Beiträgen von Publizisten und freien Journalisten zu den wichtigsten Elementen der Wokeness, eine Bewegung, die dabei ist, die Gesellschaft zu spalten. „Der woke Blick findet überall neue Symbole, an denen sich allgemeine Empörung entzünden kann. Damit hält er die Protestenergie wach und demonstriert die eigene Macht.“ (Zitat Seite 65, Bernd Stegemann). Ein Buch zum Mitdenken, zum Nachdenken und vielleicht auch zum Überdenken eigener Ansichten.

Mein Abschied von Deutschland – Matthias Politycki

AutorMatthias Politycki
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Erscheinungsdatum 2, März 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten144
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455014396

„Die Alternative, vor der wir täglich aufs neue stehen, ist: mitmachen und uns von dieser oder jener Haltung anschließen – oder, trotz allem, erst mal selber denken, unabhängig denken.“ (Zitat Seite 19)

Thema und Inhalt

Seit einigen Jahren fühlt sich der Schriftsteller Matthias Politycki in Deutschland nicht mehr wohl, doch da er ohnedies meistens auf Reisen ist, bleibt es ein vages Unbehagen. Doch mit dem Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 wird ihm klar, was er in den in Deutschland täglich präsenten Debatten zunehmend vermisst: die für ihn bisher selbstverständliche Freiheit der freien Meinungsäußerung und die damit verbundene Diskussionskultur. Damit steht sein Entschluss fest, im Frühjahr 2021 verlässt er Deutschland und zieht nach Wien. Dieses Buch vertieft seinen Standpunkt zu der heute gleichsam verordneten Wokeness, seine Argumente und Sorgen, die er zuvor in einem Artikel in der FAZ dargelegt hatte. Es ist ein überzeugendes Plädoyer für die Freiheit der Kunst, für die Freiheit des Schriftstellers, sich sprachlich auszudrücken und damit verbunden für die Vielfalt der Literatur. „Literatur, die sich absichert, ist überflüssig.“ (Zitat Seite 78)

Umsetzung

„Wovon ich rede, wenn ich von Freiheit rede“ lautet der Untertitel dieses Buches. In dreiundzwanzig Kapiteln mit ebenso vielen Themen und Stichworten, von „Freiheit“ über „Umbegreifung der Begriffe“, „Reduktion des Arbeitsmaterials: Wörter“, „Reduktion des Arbeitsmaterials: Stoffe“ „Zensur“, „Die neue Rolle des Schriftstellers“, „Gendern als zivilgesellschaftlicher Ungehorsam“, bis zu „Wovon ich rede, wenn ich von Sprache rede“ und „Wien“ setzt sich Politycki mit unserer Gesellschaft und den neuen, alarmierenden Entwicklungen auseinander, vor allem was die Diskussionen um Ausdruck, Sprache und Stoff für Schriftsteller und Leser bedeuten. „Betreutes Lesen fängt beim kuratierten Schreiben an.“ (Zitat Seite 77) Eindrücklich widersetzt sich der Schriftsteller, der sich als klassischer Linker sieht, allen Einschränkungen der Meinungsfreiheit, des wilden Denkens, der Phantasie und damit auch der Literatur. Im Anhang des Textes finden sich die Quellenangabe zu im Text angeführten Zitaten.

Fazit

„Gesetzt den Fall, ich müßte dieses Buch auf einen einzigen Satz zusammenstreichen, so würde er lauten: Laßt mir die Musik der Sprache!“ (Zitat Seite 114) Die beste Begründung, warum ich dieses Buch mit großem Interesse und Zustimmung gelesen habe und warum ich es empfehle, ist diese Aussage von Politycki selbst.

Schrecklich schön und weit und wild – Matthias Politycki

AutorMatthias Politycki
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Erscheinungsdatum 2. August 2023
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455016956

„Den Wert einer Reise bemesse ich nicht nach ihrem Schwierigkeitsgrad, ihrer Exotik oder sonstigen Rahmenbedingungen, sondern nach den Erkenntnissen, die auf den Wegen der Neugier als Stolpersteine lagen.“ (Zitat Pos. 66)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist kein Reisehandbuch und auch keine Anleitung oder Gebrauchsanweisung für das Bereisen einzelner ferner Länder und Kontinte. Matthias Politycki reist und schreibt seit über vierzig Jahren, besonders prägende Eindrücke und Menschen beeinflussen später seine Romane. Schon in der Einleitung zu diesem Buch stellt er fest, er sei kein Reiseschriftsteller, sondern Schriftsteller und er reise daher meistens um des Reisens willen. Daher ist dieses Buch eine interessante, spannende Mischung aus persönlichen Erlebnissen, Erfahrungen und unterschiedlichen Aussagen und Gedanken zum Thema Reisen, von Politycki selbst und auch von seinen Reisefreunden und Reisefreundinnen. „Wir sind nicht aufgebrochen, um ein besserer Mensch zu werden. Sondern ein anderer. (Zitat Pos. 2440)

Umsetzung

Es ist eine bunte Vielfalt an Themen, die in einzelnen Kapiteln geschildert, hinterfragt, überlegt und als Notizen, Erinnerungen, als Geschichten über Glückliche und gefährliche Erlebnisse, unvergesslich schöne Momente und Eindrücke und ebenso unvergessliche Enttäuschungen erzählt werden. Da geht es um die Faszination von Landkarten, das Märchen vom leichten Gepäck, die Problematik, fremde Sitten und Kulturen trotz der eigenen Vorstellungen und Verhaltensweisen zu verstehen, zu einer Verständigung zu kommen. Es geht um die Frage nach der Sinnhaftigkeit oder sogar Notwendigkeit, nach einem genauen Plan zu reisen, aber auch um Spontaneität. Zwei Kapitel sind einem besonderen Wandern gewidmet, aber nicht auf die höchsten Gipfel, sondern dem Stadtwandern, Städte gehend zu erforschen und dies abseits der von den Reiseführern beschriebenen Wege und Sehenswürdigkeiten. Reisen hat sich in diesen vierzig Jahren, die Politycki als Reisenden geprägt haben, stark verändert, auch darüber schreibt er und, eher gegen seine persönliche Überzeugung, legte er eine persönliche Liste der Tops und Flops an, die er mit uns teilt. Gerade als Schriftsteller und begeisterter Leser zitiert er auch aus Literatur zum Thema Reisen, eine umfassende Erklärung der einzelnen Fußnoten und Quellenangaben findet sich am Ende des Buches.

Fazit

Matthias Politycki selbst beschreibt dieses Buch als ein Buch für alle, die Reisen vom bequemen Ohrensessel aus lesend erleben wollen, aber auch für jene, die tatsächlich immer wieder aufbrechen und ihre eigenen Erfahrungen gesammelt haben. Dies bringt es genau auf den Punkt, für mich war dieses Buch eine unglaublich vielseitige, spannende, interessante und auch poetische Reise.  

Seiten Wechsel – Johanna Hansen und Wolfgang Allinger

Autor-AutorinJohanna Hansen und fünf weitere
VerlagWORTSCHAU VERLAG
DatumNovember 2022
AusgabeBroschiert
Seiten204
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinnenJuliane Gräbener-Müller, Nicole Nau
ISBN-13978-3-944286-39-6

„Angelika Overath hat mich durch ihr Buch auf die Idee gebracht, vier Autorinnen und Autoren zu einem Projekt einzuladen, bei dem wir simultan an verschiedenen Ecken der Welt an einem gemeinsamen Tagebuch schreiben.“ (Zitat Seite 21)

Thema und Inhalt

Sechs europäische und amerikanische Autoren und Autorinnen schreiben an einem vorher bestimmten Tag zwischen 2019 und 2022 ihre Notizen darüber, wo sie diesen Tag verbrachten, woran sie gearbeitet und was sie erlebt haben, dazu ihre Gedanken und besonderen Eindrücke. Dabei konnten sie jeweils frei entscheiden, ob sie autobiografisch über tatsächlich Erlebtes schreiben wollten, oder einen autofiktionalen, poetischen Text. Ihre Tagebuchnotizen teilen in diesem Buch mit uns: Kathrin Schadt – Barcelona, Gundega Repše – Riga, David Eisermann – Bonn, James Hopkins – Kathmandu, Davis Oates – Portland/Oregon und Johanna Hansen – Düsseldorf.

Umsetzung

Die Tage wurden in einem Abstand von jeweils etwa einem halben Jahr gewählt und auch die Wochentage variieren von Montag bis Sonntag. Es wurde jedem Tag ein Thema zugeordnet, welches ebenfalls für alle Teilnehmenden galt, zum Beispiel Glück, Kälte, Fernweh, Abschied, Sehnsucht. Der erste Eintrag ist vom Montag, 1. Juli 2019, der nächste vom Dienstag, 24. Dezember 2019, es folgen Mittwoch, der 27. Mai 2020, Donnerstag, der 31. Dezember 2020, Freitag, der 25. Juni 2021, Samstag, der 1. Januar 2022 und schließlich Sonntag, der 10. Juli 2022. Besonders die Vielfalt der Texte und Herangehensweisen, von Prosa bis Gedicht, als Tagebuch, teilweise sogar genauer Zeitangabe, oder als absolutes Gegenteil autofiktional-irreal, und die unterschiedlichen Orte und Situationen, an denen die Texte entstanden sind, machen diese Tagebuchnotizen so interessant und spannend zu lesen. Verstärkt und teilweise geprägt wurden die Themen durch die nicht vorhersehbare Ausnahmesituation auf Grund von Corona und alle damit verbundenen Einschränkungen, das Neu-Erleben nach dem Ende des Lockdown, die Wahrnehmungen der sich deutlich abzeichnenden Klimakrise, sowie den Eintrag vom 10. Juli 2022 der lettischen Autorin.

Die Texte werden, über das Buch verteilt, durch Fotografien der Arbeitsplätze und Notizen der teilnehmenden Schriftsteller und Schriftstellerinnen ergänzt. Im Anhang finden sich die Kurzbiografien, ebenfalls mit Foto.

Fazit

Ein spannendes Projekt das ich durch Zufall entdeckt habe. Rasch habe ich unter den Schreibenden meine persönlichen Favoriten gefunden, auf die ich mich in jedem weiteren Abschnitt besonders gefreut habe.

Dieses broschierte Buch ist nur direkt beim WORTSCHAU Verlag erhältlich, kann auf der Verlagsseite problemlos bestellt werden. Eine kleine Mühe, doch sie wird durch ein interessantes, vielseitiges und außergewöhnliches Leseerlebnis belohnt.  „Was alle vereinte und auch den tieferen Anlass des Seitenwechsels ausmachte, war der genaue Tag, auf den alle sich bezogen. Das öffentliche, private oder fiktionale Geschehen dieses Tages, an den jeweiligen Orten, mit seinen Chancen, Gefahren und Krisen geben den gemeinsamen Fokus vor.“ (Zitat Seite 3, 4 – Vorwort)

Mann vom Meer: Thomas Mann und die Liebe seines Lebens – Volker Weidermann

AutorVolker Weidermann
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungsdatum 7. Juni 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462002317

„Die Größe, die Bedeutung und die lang währende Kraft und Wirkungsmacht von Thomas Manns Werk besteht darin, dass er einerseits schonungslos und radikal immer wieder sich  selbst preisgab. Und – noch wichtiger – dass dieses Selbst auf, ja, magische Weise mit seiner Zeit, mit den Menschen seiner Zeit, der Politik, der Gesellschaft, den Ängsten, den Hoffnungen der Gegenwart verbunden war.“ (Zitat Seite 141)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist eine ungewöhnliche, sehr gut gelungene Mischung. Ein narratives, kreatives Sachbuch, welches die Geschichte des Lebens von Thomas Mann neu erzählt, ausgehend von seiner engen, sehnsuchtsvollen Bindung und Liebe zum Meer, welche sich durch sein Leben und seine Werke zieht.

Umsetzung

Ihre frühen Kindheitsjahre verbrachte die Mutter von Thomas Mann in Brasilien, in einem Haus direkt am Meer. Für Thomas Mann, der in Lübeck aufwächst, wird das Meer zum Sehnsuchtsort, einerseits Begriff von endloser Weite  und Freiheit, andererseits Sinnbild für einen geheimnisvollen Sog in die ebenfalls endlose Tiefe.

In vielen Textbeispielen aus Thomas Manns Werken folgt Volker Weidermann dem Menschen Thomas Mann, der die Vorbilder für seine Romanfiguren vor allem in sich selbst findet, aber auch in den Menschen in seinem Umfeld, beginnend mit dem großen Roman seiner Familie, den Buddenbrooks. „Er war ein Seelenkenner, nicht nur seiner selbst. Sondern auch ein Seelenkenner der Welt, die ihn umgab.“ (Zitat Seite 141)

„Mann vom Meer“ ist keine verklärte oder verklärende Biografie des berühmten deutschen Schriftstellers und Nobelpreisträgers, sondern es zeigt einen lebenslang mit seinen Gefühlen ringenden Menschen, der sich selbst und sein Leben in seinen Romanen schonungslos offenlegt, den Ehemann und Familienvater, an dessen Seite es niemand leicht hat, der seine Frau Katia liebt, sich aber auch immer wieder in junge Männer verliebt. Volker Weidermann schildert offen, aber nicht wertend, die sich mit den Jahren und Erfahrungen stark verändernden politischen Überzeugungen von Thomas Mann, vom patriotischen Optimisten zum überzeugten Demokraten. Im Nachwort geht es um Thomas Manns Tochter Elisabeth Mann Borgese, eine beeindruckende, selbstbewusste Frau, eine Wissenschaftlerin mit Ansichten, Ideen und Anliegen, die ihrer Zeit weit voraus waren und bis heute zeitlos aktuell sind. Mit einer ausführlichen Bibliographie schließt das Buch.

Fazit

Diese Geschichte vom Mann vom Meer birgt eine Fülle an neuem oder ergänzendem Wissen, nicht nur für interessierte Lesende, die  Thomas Mann bisher vielleicht von der Schullektüre her kennen, sondern auch für Menschen, die sich schon lange und intensiv mit Thomas Mann und seinem Werk beschäftigt haben. Die Sprache sorgt für Lesevergnügen und das Buch selbst schlägt auch nach der Lektüre Wellen, die einen langen, stetigen Sog entwickeln und dazu anregen, die Romane von Thomas Mann nun wieder, oder aber auch zum ersten Mal, zu lesen.

Ulrich Greiners Leseverführer – Ulrich Greiner

AutorUlrich Greiner
Verlag C. H. Beck
Erscheinungsdatum 18. Oktober 2005
FormatGebundene Ausgabe
Seiten215
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3406536441

„Um Romane soll es im Folgenden hauptsächlich gehen, um erzählende Literatur und um die besten Wege dorthin. Den einen und einzigen Weg gibt es nicht, denn letztlich geht jeder Leser einen anderen.“ (Zitat Seite 10)

Thema und Inhalt

„Eine Gebrauchsanweisung zum Lesen schöner Literatur“ nennt Ulrich Greiner sein unterhaltsames Buch, in dem er seine persönlichen Leseerfahrungen mit uns teilt. Es sind Fragen, die sich Lesende manchmal stellen, die keine Literaturprofis wie Germanisten oder Bibliothekare sind.

Umsetzung

In neun Kapiteln schreibt Ulrich Greiner über Themen wie die Frage, warum wir lesen, wie viel man gelesen haben muss, über Fiktion und möglichen Realitätsbezug, über literarische Helden, über Erzählperspektiven, über Anfänge und ungewöhnliche Romane, die ihren eigenen Regeln folgen. An das Ende der einzelnen Kapitel, mit Ausnahme des zehnten Kapitels, setzt der Autor einen eigenen Abschnitt, den der Pause nennt, in welcher er das jeweilige Thema aus einer anderen Sicht, jeweils beginnend mit einer Frage, beleuchtet. Viele erklärende Beispiele, kurze Ausschnitte aus Werken, zeitlich gesehen, von Wolfram von Eschenbach bis Juli Zeh, aus deutschsprachiger und fremdsprachiger Literatur, ergänzen die jeweiligen Themen. Dem zehnten Kapitel, in welchem einige der besprochenen Bücher zusammenfassend unterschiedlichen Kategorien und zusätzlich drei Schwierigkeitsgraden zugeordnet werden, folgt ein Anhang mit Internet-Adressen zum Thema und einer alphabetisch nach dem Namen der Autoren geordneten Liste der Autoren und Werke.

Fazit

Ein unterhaltsam geschriebener Streifzug durch die Welt der erzählenden Literatur und des Lesens derselben.

Über die Schwalbe – Stephen Moss

AutorStephen Moss
Verlag DuMont Buchverlag Köln
Erscheinungsdatum 12. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinnenMarion Herbert, Annika Klapper
ISBN-13978-3832180058

„Nicht jeder verknüpft den Wechsel der Jahreszeiten mit der Schwalbe, doch ich weiß, jene nervöse Vorfreude, die mich alljährlich erfasst, erfüllt auch Millionen andere Menschen.“ (Zitat Seite 211)

Thema und Inhalt

Der englische Naturforscher und Autor Stephen Moss folgt den Schwalben, in diesem Fall der Hirundo Rustica, der Rauchschwalbe, durch das Jahr. Der englische Originaltitel „The Swallow. A Biography“ drückt dies wesentlich besser aus, als der deutschsprachige Titel. Seine eigenen Beobachtungen und sein Fachwissen, er folgt der Reise der Schwalben bis nach Südafrika, ergänzt er mit Auszügen aus wissenschaftlichen Fachartikeln und literarischen Texten aus allen Epochen, von Aristoteles bis zu modernen Songtexten.

Gestaltung

In einem Prolog wird der Weg beschrieben, den eine Schwalbe im Lauf eines Jahres zurücklegt, von Südafrika über Nordafrika nach Europa und wieder zurück. Im ersten Kapitel erfahren wir Wissenswertes über diesen besonderen Zugvogel, Inspiration auch für viele Mythen, Aberglaube und Geschichten. Dann folgen vier Kapitel mit den detaillierten Schilderungen und Fakten über das Verhalten der Schwalben in den einzelnen Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Zahlreiche Abbildungen in Farbe ergänzen die Texte und am Ende des Buches findet sich das entsprechende Abbildungsverzeichnis.

Fazit

Ich habe dieses Buch über diese einzigartigen Vögel und ihre unglaubliche Reise, die sie jedes Jahr im Frühjahr und Herbst antreten, im Garten sitzend gelesen, während ich die Schwalben beobachtet habe, ihren rasanten Flug bei der Insektenjagd, ihre Flugkünste bei der Rückkehr zu den Nestern, wo die Jungen auf Futter warten. Allerdings liegen die Nester  oben an unseren Hauswänden, unterhalb der Dachvorsprünge, denn es sind Mehlschwalben. Mit dem Autor teile ich das Warten und die Freude, wenn die Schwalben wieder bei uns einziehen und die leise Wehmut, wenn sie etwa Anfang September plötzlich fort sind. Eine interessante, unterhaltsame Lektüre, nicht nur für Schwalbenfreunde, und sicher auch ein willkommenes Geschenk.

How to Read Novels Like a Professor – Thomas C Foster

AutorThomas C Foster
Verlag Harper Perennial
Erscheinungsdatum 23. Mai 2017
FormatTaschenbuch
Seiten336
SpracheEnglisch
ISBN-130061340406

“Great novels, certainly, and maybe all novels, change us, but not merely by giving us something special. They also change us because of what we give to them. That’s a winner all the way around.” (Zitat Seite 302)

Thema und Inhalt

Eine unbeschwerte Erkundung der weltweit meistgeliebten literarischen Form, so nennt Thomas C. Foster, Professor für englische Literatur und Schriftsteller, dieses Buch. Besser kann der Inhalt nicht beschrieben werden. Er führt uns durch die Welt der Romane, beginnend bei den ersten Werken des 18. Jahrhunderts, über die für das 19. Jahrhundert typischen Romane, bis zu den vielen unterschiedlichen modernen Formen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Nach einer Einleitung werden in zweiundzwanzig Kapiteln zweiundzwanzig unterschiedlichen Themen, Aspekte und Fragestellungen der literarischen Gattung Roman vertiefend behandelt und mit Beispielen und Zitaten anschaulich erklärt. Das Buch schließt mit einem Fazit und einer Liste mit literaturkritischer Fachliteratur zum Thema Roman, beginnend mit Henry James, The Art of Fiction, aus dem Jahr 1884. Wie Thomas C. Foster selbst erklärt, verzichtet er bewusst auf eine zusätzliche Leseliste der Romane, da das gesamte Buch eine umfassende Lektüreliste ist.

Umsetzung

Ein Thema ist zum Beispiel die Wichtigkeit der ersten Seite eines Romans, wo der Lesende im besten Fall achtzehn unterschiedliche Informationen finden kann, denn die erste Seite muss uns verführen, das Buch lesen zu wollen. Der Blick auf die erste Seite ist in den meisten Fällen die Kaufentscheidung. „Page one is where we have our first meeting of the minds. And where we find out if there will be a page two. (Zitat Seite 34). Gleichzeitig zeigt uns schon die erste Seite, wie der Roman gelesen werden möchte, denn hier finden wir die Erzählfigur, Position, Perspektive, Zeit, Motiv, Form der Sprache. Thomas C. Foster gibt uns eine umfassende Aufstellung der vielen unterschiedlichen Arten, eine Geschichte zu erzählen. Um einen Roman zu verstehen, erklärt er, müssen wir herausfinden, was die Figuren wirklich wollen, was sie antreibt. Natürlich sind auch die verschiedenen Möglichkeiten, eine Geschichte zu beenden, klar und geordnet, oder offen, es dem Lesenden überlassend, eine persönliche Variante zu finden, ein Thema. „Openings tell us where we’re going. Endings tell us where we went.“ (Zitat Seite 277)

Fazit

Auch dieses Buch von Thomas C. Foster ist nur im englischen Original erhältlich, doch es ist keine komplizierte literaturwissenschaftliche Abhandlung. Informativ, interessant und sehr unterhaltsam wurde es bewusst für alle Lesenden geschrieben. Kann man beim Lesen eines Sachbuchs laut lachen? Ja!

How to Read Literature Like a Professor – Thomas C Foster

AutorThomas C Foster
Verlag Harper Perennial
Erscheinungsdatum 25. Februar 2014
FormatTaschenbuch
Seiten368
SpracheEnglisch
ISBN-13978-0062301673

“What I’ve learned from all these modern and postmodern works has led me to conclude that it is true of others as well: every work teaches us how to read it as we go along.” (Originalzitat Seite 248)

Thema und Inhalt

Thomas C Foster ist Professor für englische Literatur. Dieses Buch ist eine Art Wegweiser durch die Welt der Literatur und des Lesens. Auf unterhaltsame Art führt er die vielen unterschiedlichen Geschichten, die jemals geschrieben wurden, auf eine ursprüngliche Geschichte zurück, zitiert alte griechische Klassiker, Geschichten aus Religionen und Mythen. Es gibt nur eine einzige Geschichte, erklärt er, die Unterschiede entstehen durch die Art der Schriftsteller und Schriftstellerinnen, sie zu erzählen, und durch uns Lesende, mit welchen Erfahrungswerten wir die Geschichte lesen und für uns selbst auslegen. Diese Ausgabe aus dem Jahr 2014 ist eine überarbeitete Version des 2003 erschienenen Textes, mit neu hinzugefügten Kapiteln und Themen, die sich für Professor Foster aus seinem laufenden Unterricht und den dort gestellten Fragen ergeben haben, sowie zusätzlichen Beispielen aus der aktuellen Gegenwartsliteratur.

Umsetzung

In sechsundzwanzig Kapiteln geht Thomas C. Foster auf die wichtigsten Komponenten einer Geschichte ein, Kapitel siebenundzwanzig ist ein Text, die Kurzgeschichte „The Garden Party“ von Katherine Mansfield, um das nun erworbene Wissen am eigenen Leseverhalten zu testen. Das Buch schließt mit einer Leseliste und einem ausührlichen Index.

In jedem Kapitel geht es um ein bestimmtes Thema, zum Beispiel die Anordnung der einzelnen Figuren, wobei wir hier erkennen, dass es meistens nicht gut ist, direkt neben der Hauptfigur, dem Helden der Geschichte, zu stehen. So lernen wir, zwischen den Zeilen zu lesen, über die Bedeutung nicht nur der einzelnen Figuren nachzudenken und ihren Platz in der Handlung, über die Konflikte und Themen, sondern auch über die Landschaften, das Umfeld, das Wetter, die Jahreszeiten, alle möglichen Formen von Fortbewegung und Reisen und hier sogar auf die jeweilige Richtung zu achten. Dazu kann es sich lohnen, auch Zeichen und Metapher zu hinterfragen. Ungeschulte Hobby-Lesende wie ich denken, zu wenig Erfahrung mit Literatur zu haben, doch Forster bestärkt uns in diesem Buch darin, uns auf all das zu besinnen, was wir aus vergangenen Lektüren wissen, und nicht darauf, was wir nicht wissen. Wichtig ist es, jedes Buch, bildlich gesprochen, zu besitzen, es zu Unserem zu machen, denn jede einzelne Figur, die der Schriftsteller erfindet, wird von uns Lesenden neu erfunden, da wir unsere eigenen Erinnerungen, Erfahrungen und Beobachtungen mit einbringen. „Characters are products of writers‘ imaginations – and readers imaginations.“ (Originalzitat Seite 81)

Fazit

„There comes a point in anyone’s reading where watching for pattern and symbol becomes almost second nature, where words and images start calling out for attention.“ (Originalzitat Seite 304). Dieses vielseitige, interessante, erhellende und unterhaltsame Buch gibt es nur in der englischen Originalsprache, doch es ist sehr angenehm zu lesen und es lohnt sich.

Mein Leben als Leser – Nick Hornby

AutorNick Hornby
Verlag KiWi-Taschenbuch
Erscheinungsdatum 23. September 2005
FormatTaschenbuch
Seiten160
SpracheDeutsch
ÜbersetzungClara Drechsler, Harald Hellmann
ISBN-13978-3462036251

„Es soll hier also darum gehen, wie, wann und warum man liest, und darum, was man liest – um die Art und Weise, wie im Idealfall ein Buch zum nächsten und übernächsten führt, eine papierene Fährte aus Themen und Sinnzusammenhängen.“ (Zitat Seite 13, 14)

Thema und Inhalt

In diesem Buch spricht Nick Hornby nicht nur über die Bücher, die er während eines Jahres gekauft hat und jene, die er gelesen hat. Diese müssen nicht immer identisch sein, gelesen wurde nur ein Teil davon, was Buchmenschen aus eigener Erfahrung nur zu gut kennen. Das Schöne ist, Nick Hornby hat deswegen kein schlechtes Gewissen und damit bestätigt er auch uns. Bei ihm, wie bei uns, besteht jedoch die Absicht, alle Bücher auch zu lesen. „Aber mit jedem Jahr, das verstreicht, und mit jeder Neuanschaffung aus einer Laune heraus, drücken unsere Bibliotheken mehr und besser aus, wer wir sind, ob wir die Bücher lesen oder nicht.“ (Zitat Seite 138, 139)

Doch es geht hier um weit mehr, als nur um Bücher, es ist gleichzeitig eine sehr persönliche Autobiografie, Nick Hornby als Schriftsteller, als Leser und im Familienalltag als Vater von kleinen Kindern.

Umsetzung

Die vierzehn Kapitel sind monatliche Kolumnen, die Nick Hornby für das Magazin „The Believer“ geschrieben hat. Jedes Kapitel beginnt mit zwei nebeneinander angeordneten Listen: „Gekaufte Bücher“ und „Gelesene Bücher“. Im Text schreibt er dann zu jedem gelesenen Buch seine persönlichen Eindrücke, argumentiert, warum man dieses Buch unbedingt lesen sollte, oder aber, warum er sich über dieses oder jenes Buch geärgert hat. Bücher, deren Lektüre er abgebrochen hat, vermerkt er zusätzlich in der Spalte „Gelesene Bücher“. Oft zieht er auch Gedankenbrücken von der aktuellen Lektüre zu Büchern, die er schon früher gelesen hat und wo einen Zusammenhang sieht. Er selbst bemerkt, wie er selbst durch das Schreiben der Kolumnen seine Lektüre genauer auswählt und keine Romane mehr zu lesen beginnt, wo er schon vorher weiß, dass er sie nur unter verächtlichem Schnauben lesen wird. Seine Sprache ist unterhaltsam, interessant, humorvoll und man folgt mit großem Vergnügen seinen Gedanken, Eindrücken, Erinnerungen und Erfahrungen als Leser.  Am Buchende findet sich eine Bibliographie der gelesenen Bücher.

Fazit

„All die Bücher, die wir besitzen, gelesen und ungelesen, sind der bestmögliche Ausdruck unseres ureigensten Selbst, den wir zur Verfügung haben.“ (Zitat Seite 138). Besser kann man ein Leben als Leser oder Leserin nicht beschreiben, als Nick Hornby dies tut, und vergnügt schreibe ich nun einige der von ihm empfohlenen Titel auf meine Bücher-Einkaufsliste.

1001 Bücher: die Sie lesen sollten, bevor das Leben vorbei ist – Peter Boxall

HerausgeberPeter Boxall
VorwortPeter Ackroyd
Verlag Edition Olms
Erscheinungsdatum 30. März 2021
FormatTaschenbuch
Seiten960
ÜbersetzerinMaja Ueberle
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3283013035

„Dieses Buch handelt von 1001 Dingen, doch es ist erfüllt von dem atemlosen Drängen, das teilweise aus der quälenden Erkenntnis rührt, daß so viele andere Dinge noch hätten gesagt und so viele andere Romane noch hätten gelesen werden müssen.“ (Originalzitat Seit 10, Einleitung)

Thema und Inhalt

1001 BÜCHER ist eine abwechslungsreiche Reise durch die Literatur. Die unterschiedlichen Werke wurden von 157 internationalen Fachleuten aus den Bereichen Literaturwissenschaft und Journalismus, Schriftstellern und Schriftstellerinnen ausgewählt. Man entdeckt sicher Werke, die man bereits gelesen hat, aber auch zahlreiche andere, von denen man bisher noch nie gehört hat. Auch wenn der Schwerpunkt auf Literatur in englischer Sprache liegt, werden auch viele internationale Romane vorgestellt.

Gestaltung

Das Buch beginnt mit dem Vorwort von Peter Ackroyd, der Einleitung des Herausgebers Peter Boxall, der Auflistung der Mitarbeiter. Es folgt der Index der Buchtitel. Die einzelnen Beiträge sind in die Abschnitte „vor 1800“, „19. Jahrhundert“, „20. Jahrhundert“ und „21. Jahrhundert“ gegliedert. Daran schließen ein Index der Autoren und Werke an, der ausgezeichneten Autoren und Werke, gegliedert in die einzelnen Literaturpreise, sowie Bildnachweise. Jeder der 1001 Romane wird nach dem gleichen Schema besprochen: Titel, Autor oder Autorin, Lebensdaten, Erstausgabe, Verlag, Originaltitel. Dann folgt der eigentliche Beitrag, der nicht mehr als dreihundert Worte umfasst. Bedingt durch die vorgegebene Kürze wird auf Zusammenfassungen des Inhalts verzichtet, sondern es wird geschildert, was genau den jeweiligen Roman so unbedingt lesenswert macht. In jedem Beitrag finden sich auch ein oder mehrere Originalzitate aus dem besprochenen Buch. „Bei einer Diskussion über die Frage, was mit den einzelnen Beiträgen im besten Falle zu erreichen sei, traf einer der Autoren mit seiner Antwort für meine Begriffe den Nagel auf den Kopf: Er sagte, jeder Beitrag könne als eine Art „Mikroereignis“ gedacht werden, als eine komplette Leseerfahrung in Miniaturformat, die zugleich etwas von der Grenzenlosigkeit des Romans vermittle.“ (Originalzitat Seite 10) Zahlreiche Fotografien von Buchumschlägen und Autoren ergänzen die Texte.

Fazit

Das Stöbern in 1001 BÜCHER gleicht einem genussvollen, gemütlichen Spaziergang: man schlendert auf alten, bekannten Wegen, schwelgt in Erinnerungen, um dann mit dem nächsten Schritt auf Neues, Unerwartetes zu treffen, das man erforschen möchte. Perfekt für alle Lesebegeisterten und jene, die es noch werden wollen.

Blaues Venedig – Venezia blu – Wolfgang Salomon

AutorWolfgang Salomon
Verlag Carl Ueberreuter Verlag
Erscheinungsdatum 3. April 2017
FormatBroschiert
Seiten180
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3800076680

„Durch die Fensterhöhlen der oberen Stockwerke fällt das Sonnenlicht in fast schon kitschigem Strahl in die von Efeu zugewachsenen, im Halbdunkel liegenden Räume des unteren Stockwerks. Lord Byron, Mary und Percy Shelley würden sich hier wohlfühlen. Pure Gothic Romantic in salziger Seeluft.“ (Zitat Seite 68)

Thema und Inhalt

„Eine Reise in die Abgründe der Lagunenstadt“, so nennt der Autor dieses Buch und er führt uns tatsächlich auf verlassene Inseln, zu den mit ihnen verbundenen Orten und Geschichten, an mystische Orte und auf versteckte Plätze, wo man noch den venezianischen Alltag erleben kann. In insgesamt fünfzehn Kapiteln lernen wir vierzehn besondere Orte kennen. Kulinarische Tipps und Weinverschläge ergänzen diese besondere Entdeckungsreise.

Umsetzung

Wie schon der Titel sagt, steht dieser besondere Reiseführer auch unter dem Zeichen der Farbe Blau, Blau wie das Wasser, Lebensader Venedigs, Blau wie die Sehnsucht, Blau wie ins Blaue, somit ins Unbekannte, Blau aber auch als Farbe der Romantik. Auf Poveglia, der Insel degli fantasmi e misteri, begegnen wir dieser Farbe in einem  besonderen Raum mit beinahe magischen Eindrücken. Zwei Jahre dauerten die Recherchen insgesamt und so führen uns die Besuche der unterschiedlichen, vom Tagestourismus unentdeckten Orte, Gebäude, Plätze und Inseln durch alle Jahreszeiten. Wir lernen interessante Menschen kennen, die dem Autor an diesen Orten begegnet sind. Jeden Artikel ergänzen entsprechende Schwarz-Weiß-Fotografien, erstellt von Wolfgang Salomon und dem ihn begleitenden Fotografen Helmut Petrin.

Fazit

Ein spannendes, interessantes, vielseitiges Lesevergnügen mit viel neuem Wissen. Egal, ob man Venedig schon oft besucht hat, oder noch nie, dieser besondere Reiseführer mit seinen Geschichten, die Bilder in unsere Gedanken malen und uns mit erinnerten Gerüchen umgeben, weckt sofort Sehnsucht.

Venedig: Wintertage in der Serenissima – Wolfgang Salomon

AutorWolfgang Salomon
Verlag Styria Verlag
Erscheinungsdatum 27. September 2021
FormatTaschenbuch
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3222136641

„Im Herbst und im Winter verzaubert Venedig auf ganz besondere Weise und bald lässt sich erahnen, warum diese Stadt Inspiration und Lebensader für Menschen aus aller Welt ist.“ (Zitat Seite 8)

Thema und Inhalt

Dieses Buch des Venedigkenners Wolfgang Salomon führt uns durch die immer noch ruhigen Wintermonate in der großartigen Stadt Venedig. Wir erforschen die Lagunenstadt zur Vorweihnachtszeit, schlendern durch enge Gassen, kleine Plätze abseits der Touristenrouten, erkunden Museen, erleben die Inseln der Lagune und den Lido in den Winterwochen. Ein besonderes Kapitel, „Ein Lagunentrip im Zeichen des Wassers schildert Acqua Bassa, Niedrigwasser, gefrorene Lagunen, vor allem aber auch das stetig wiederkehrende Acqua Alta, das die Plätze und Gassen unter Wasser setzt. Bei den Nachrichten über die Jahrhundertflut im November 2019 hielt es Wolfgang Salomon nicht in Wien, doch ein Schwerpunkt in diesem Buch ist kein Sensationsbericht über die Wassermassen, sondern er schildert eindrücklich den ungebrochenen Mut und Zusammenhalt Menschen, die hier leben „Duri bianchi – Wir geben nicht auf“ (Zitat Seite 145). Gegen Winterende bereitet sich Venedig auf den berühmten, traditionellen Karneval vor, der alle diese Orte wieder mit Menschen füllen wird, wobei sich Einheimische und Touristen mischen.

Gestaltung

In insgesamt sechs Kapiteln, chronologisch wie ein Tagebuch von Oktober bis Februar, beschreibt der Autor Ausflüge zu wenig bekannten Inseln der Lagune, in die Katakomben, Spaziergänge und eine Palazzo-Tour über den Canal Grande mit der Linie 1, vom Lido bis zur Piazzale Roma und daher gegen den Besucherstrom. Alles in dem ihm eigenen Tempo des Genießens, des Erlebens mit allen Sinnen. „Slowtravel“ nennt es der Autor. Die Beiträge sind eine interessante, vielfältige Mischung aus persönlichen Geschichten und Erfahrungen, Alltäglichem, historischen Fakten und Informationen. Viele Fotografien ergänzen die Texte und sie stammen, wie auch das Coverbild, ebenfalls von Wolfgang Salomon.

Als Gastronom weiß der Autor und Fotograf Wolfgang Salomon die Qualität von genussvoll zubereiteten Speisen und lokalen Weine des Veneto zu schätzen und teilt seine kulinarischen Tipps und persönlichen Empfehlungen mit uns, dazu auch seine Playlist, die er eigens für seine Streifzüge während dieser Winterwochen zusammengestellt hat.  

Fazit

Dieses ansprechend gestaltete Buch ist eine wunderbare Schatzkiste voll von Geschichten, Erlebnissen, Informationen, Wissen und Tipps. Ein Kleinod, nicht nur für Menschen, die Venedig noch nicht besucht haben und eine Reise planen, oder sich auf eine Gedankenreise begeben wollen, sondern auch für Venedigkenner, die hier neue Ideen für den nächsten Besuch der Serenissima finden und gleichzeitig auch auf eine Reise der eigenen Erinnerungen geschickt werden. Meine nächste Venedig-Reise – auf jedem Fall im Winter!

Das Schloss der Schriftsteller: Nürnberg ’46 – Uwe Neumahr

AutorUwe Neumahr
Verlag C.H.Beck
Erscheinungsdatum 23. Februar 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3406791451

„Bis heute waren wohl nie mehr so viele prominente Schriftsteller aus aller Welt unter einem Dach versammelt wie zu dieser „Stunde null“ auf Schloss Faber-Castell, als Weltliteratur auf Weltgeschichte traf.“ (Zitat Seite 9)

Thema und Inhalt

Der erste und Hauptprozess der Nürnberger Prozesse fand vom 20. November 1945 bis zur Urteilsverkündung am 1. Oktober 1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof statt, der im Justizpalast in Nürnberg tagte. Dies brachte auch viele bekannte Journalisten und Journalistinnen, Schriftsteller und Schriftstellerinnen nach Nürnberg, die für Zeitungen, Agenturen und Nachrichtensender berichten sollten. Die internationale Presse war im Schloss Faber-Castell untergebracht, wobei die Arbeitsbedingungen auf so engem Raum schwierig waren, dennoch verbanden sich in diesem Press Camp, das bis 1949 bestanden hat, journalistische Tätigkeit mit künstlerischer Kreativität. Darüber berichtet dieses Buch.

Umsetzung

Es sind viele prominente Namen, die sich hier einfinden, aufeinander treffen und in jedem der vierzehn Kapitel dieses Buches steht eine dieser bekannten Persönlichkeiten im Mittelpunkt, chronologisch geordnet nach dem Zeitablauf des Prozesses und gleichzeitig der Anwesenheit der betreffenden Persönlichkeit.

Es geht um die Frage, wie dieses Unfassbare geschehen konnte, wie die Angeklagten sich zu verteidigen versuchten. Vor allem jedoch geht es hier um die Frage, wie sehr die Teilnahme an den Prozessen die Personen veränderte, und ob es überhaupt möglich war, die Sprachlosigkeit angesichts dieser Verbrechen in Worte zu fassen, literarisch begreifbar zu machen. Nicht nur der fachliche Hintergrund, ob Journalist, Journalistin, oder Schriftsteller, Schriftstellerin, macht einen Unterschied in der jeweiligen Berichterstattung, sondern auch die politische Einstellung, die Nationalität, eigene Erfahrungen in Deutschland und im Exil. Ähnlich unterschiedlich sind auch die Ansichten über Schuld, Sühne, Gerechtigkeit. Manchmal spalten diese Überzeugungen sogar Familien, wie wir am Beispiel Golo und Erika Mann lesen können. Biografische Hintergründe und zusätzliche Informationen, Hinweise auf literarische Werke, Beschreibungen der Befindlichkeiten in dieser Zeit der gemeinsamen Isolation ergänzen jedes Kapitel. Am Ende des Buches finden sich die Anmerkungen zu den Fußnoten, ein ausführliches Literaturverzeichnis, Bildnachweis und Personenregister.

Fazit

Es sind große Namen, denen wir in diesem Buch begegnen, und so ist diese facettenreiche Chronologie des Ablaufs des Prozesses in Nürnberg vor allem eine bei aller Knappheit der Seiten jedes Kapitels interessante Biografie der einzelnen Persönlichkeiten mit Details aus dem jeweiligen Leben, besonders im Zusammenhang mit diesen Tagen in Nürnberg. Diese Herangehensweise an die Thematik und Umsetzung, in Verbindung mit der umfassenden Recherche, beginnend bei der Broschüre „Das Bleistiftschloss als Press Camp“ von Steffen Radlmaier, herausgebracht am 70. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse, machen aus diesem Sachbuch eine interessante, spannende, bewegende und beeindruckende Lektüre.

Kai & Kiki: Your plurilingual sticker story – Vanessa Käpel und Oystar

AutorVanessa Käpel
IllustratorLukas Philippovich
Verlag Oystar
Erscheinungsdatum 14. September 2022
FormatJP Oversized, Softcover
Seiten40
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3991420002

„Mein Sohn ist ein Wunder der Natur, wie alle Kinder, und ich liebe ihn genau so, wie er ist.“ (Zitat Seite 5)

Inhalt

Kai ist ein Krähenjunge und er lebt in Finnland. Doch etwas ist bei ihm anders, sein Bauch ist nicht schwarz, wie es sich für Krähen gehört, sondern weiß. Als ihm eine Küstenseeschwalbe erzählt, dass in der Antarktis Pinguine leben, die einen weißen Bauch haben wie er, will er die Pinguine besuchen. Damit beginnt das große Abenteuer. Was er erlebt, wem er auf seiner Reise begegnet, und wo und wie er das Tukanmädchen Kiki trifft, müsst ihr selbst lesen …

Thema und Genre

Dieses Konzept eines mehrsprachigen Bilderbuches, besonders geeignet für Kinder bis etwa zwölf Jahre, ist neu, großartig und trotzdem im Grunde einfach. Das Buch in deutscher Sprache kann mit Stickern in einer anderen Sprache ergänzt werden. Dem ersten Band der Serie, der in Finnland beginnt, werden weitere Geschichten folgen. Zurzeit sind die Stickersets in dreizehn Sprachen erhältlich, es werden weitere Sprachen hinzukommen.

Umsetzung

Schon das Motto der Herausgeber „The world is your oyster and you’re the star”, der Hintergrund des Namens “Oystar”, zeigt auch die sprachliche Kreativität des Teams hinter dieser genialen Idee, die Illustrationen zeigen die künstlerische Qualität.

Das großformatige Buch ist in gebundener Form, besonders für das Kindergartenalter, und in einer Softcover-Ausgabe verfügbar. Da das junge Herausgeberteam noch dabei ist, die Vertriebswege aufzubauen, sind das Buch und alle Sprachstickersets, wenn nicht in der Buchhandlung vor Ort, dann auf jeden Fall über den Shop https://kaikiki.shop/ erhältlich.

Die Geschichte ist poetisch und spannend, die Texte sind sprachlich dem Alter von Kindern angepasst und der Art, wie Kinder die Welt erleben, ohne jedoch die Ausdrucksform zu vereinfachen, oder gar zu verniedlichen.

Der Originaltext oberhalb eines Bildes wird durch ein ebenso großes, an den Ecken markiertes Feld unterhalb des jeweiligen Bildes ergänzt, wo dann der Text in der gewählten Fremdsprache als Sticker eingefügt wird. So erhält man ein zweisprachiges Buch. Die Ausstattung ist hochwertig und garantiert eine lange „Haltbarkeit“ des Buches, das wohl rasch zum vielgelesenen Lieblingsbuch wird.

Fazit

Ich habe dieses Buch zufällig auf der BuchWien entdeckt, der Rabe hat mich sofort angezogen und neugierig gemacht. Das Gesamtkonzept, die Ideen und Kreativität haben mich begeistert. Ich habe ein Exemplar mit englischen Stickern erworben und selbst gelesen, bevor ich es auf die Reise buchstäblich an das andere Ende der Welt geschickt habe, es folgt beinahe der Reise von Kai dem Raben, und wird dann von den englischen Stickern zum deutschsprachigen Original, also umgekehrt, gelesen werden.

Das Buch (Dinge des Lebens) – Jochen Jung

AutorJochen Jung
Verlag Residenz Verlag
Erscheinungsdatum 13. September 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten64
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3701735648

„Ich fahre immer gerne auf Buchmessen, denn mehr überraschende Angebote als auf Buchmessen kann einem keine Bibliothek und kein Buchhändler vorlegen.“ (Zitat Seite 10)

Thema und Inhalt

Ein kleines Buch aus der Serie „Dinge des Lebens“. Hier schreibt jemand, für den Bücher tatsächlich zum täglichen Leben gehörten und auch heute noch gehören. Der Germanist, Schriftsteller und Verleger Jochen Jung war zunächst Lektor, später Geschäftsführer des Residenz-Verlages und gründete im Jahr 2000 den eigenen Jung-und-Jung-Verlag. Hier nun schildert er seine persönliche Beziehung zum Buch, in diesem Fall aus Überzeugung zum gedruckten Buch.

Umsetzung

In kurzen Essays erzählt Jochen Jung aus seinem Leben als Verleger und Leser, schreibt über Bücher, die ihn geprägt haben und über Begegnungen mit Autoren und Autorinnen. Es geht um die Vielfalt der Themen, Geschichten, um die unterschiedlichen Figuren und die Textsprache von Romanen, auch der Lyrik widmet er ein Kapitel. Doch wir erfahren auch Interessantes über die praktische Seite des Verlagswesens, zum Beispiel eine sachliche Erklärung zur Preisgestaltung von Büchern. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Vielfalt der Bücher, den Erfahrungen beim Lesen und der besonderen Vorfreude und Neugier, die uns erfasst, wenn wir die erste Seite eines neuen Buches aufschlagen und zu lesen beginnen.

Fazit

Dieses kleine Buch birgt eine Fülle von Anregungen und klugen Aussagen für jeden und jede Lesebegeisterte. So schreibt er über Autoren und Autorinnen: „Es versteht sich: Das Herz eines Buches ist immer eines, das vorerst in einem Menschen schlägt.“ (Zitat Seite 25). Ich selbst habe dieses Buch durch Zufall auf einer Buchmesse, der BuchWien entdeckt und mir selbst geschenkt, denn es ist das perfekte Geschenk für alle Lesenden.

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