„All the time the windmill was getting closer. The place that had lit up a corner of her mind for so long – a symbol for something better, freer, happier, was now becoming real.” (Zitat Pos. 2116)
Inhalt
Als Iona, Rosa und Bee achtzehn Jahre alt waren, hatten sie einen wunderbaren Urlaub in einer umgebauten Windmühle auf Paros verbracht. Damals lag das Leben noch vor ihnen. Jetzt, ungefähr elf Jahre später, denkt Rosa über einen Neubeginn nach und als sie zufällig liest, dass das Windmill Guest House in Konkurs gegangen ist und zum Verkauf steht, greift sie zu. Bee, die gerade ihre bevorstehende Hochzeit abgesagt hat, weil sie plötzlich nicht mehr sicher war, übersiedelt mit Rosa nach Paros. Als sie vor dem Guest House stehen, müssen sie entsetzt feststellen, dass es wesentlich desolater ist, als auf den Fotos zu sehen war, doch Aufgeben ist keine Option für Rosa und Bee. Könnte sie das Guest House mit den schönen, gemeinsamen Erinnerungen, auch Iona wieder näherbringen, die vor zwei Jahren plötzlich allen Kontakt zu den beiden Freundinnen abgebrochen hatte?
Thema und Genre
In diesem Wohlfühlroman geht es um Frauenfreundschaft, Beziehungen, Neubeginn, und natürlich die romantische, griechische Insel Paros, wo auch in der Liebe einige Überraschungen auf die Frauen warten.
Erzählform und Sprache
Die Geschichte beginnt mit einem Prolog 2003, wird mit Kapitel 1 im Oktober 2014 fortgesetzt und chronologisch weitererzählt. In den einzelnen Kapiteln steht jeweils eine der drei Hauptfiguren Rosa, Bee und Iona im personalen Mittelpunkt, in anderen Kapiteln auch alle gemeinsam. Die Sprache ist sehr angenehm zu lesen und Romane wie dieser bieten sich an, englische Bücher in der Originalsprache zu lesen, um perfekt in die Stimmung einzutauchen.
Fazit
Eine entspannte, aber nicht seichte, Wohlfühlgeschichte mit griechischer Urlaubsstimmung und Inselfeeling.
„It enveloped her, as comforting as a duvet on a chilly winter’s day. The interior of the Seafront was reassuringly familiar – the wooden tables neatly laid with pressed white tablecloths, the delicate china teacups lining the shelves, and the 1920s table lamps.“ (Zitat Seite 8)
Inhalt
Charlie, gerade von Ben getrennt, schreibt seit acht Jahren für die Zeitschrift Indulge und ist für die nächste Ausgabe verantwortlich, sie könnte Chefredakteurin werden. Daher soll ihr Artikel etwas Besonderes werden, sie ist auf der Suche nach den besten englischen Tea Rooms. Ihr Weg führt sie nach Scarborough, wo ihre Schwester Pippa mit ihrer Familie lebt. Dort entdecke sie Letty und ihre Seafront Tea Rooms und lernt die alleinerziehende Mutter Kat mit ihrem kleinen Leo kennen und Séraphine aus Frankreich, die gerade als au pair für die zehnjährige Zoe in Scarborough tätig ist. Charlie ist fasziniert von den Seafront Tea Rooms, doch Kat kann sie überzeugen, diesen besonderen Rückzugsort nicht in ihren Artikel aufzunehmen, sondern gemeinsam weitere Adressen zu erkunden. Doch es sind nicht nur besondere Tea Rooms und dort die Afternoon Teas mit Scones und Kuchen, die sie entdecken, sondern sie finden auch für sich selbst heraus, wer sie sind und wie sie ihr weiteres Leben gestalten wollen.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um englische Küstenorte, Familie, Liebe, Enttäuschungen, persönliche Probleme und Krisen. Es geht um Zusammenhalt und Frauenfreundschaft, aber auch um die besonderen, für England typischen Teestuben. Auch die Freude am Backen spielt eine Rolle.
Erzählform und Sprache
Die Geschichte wird chronologisch erzählt, von Mitte August bis Anfang November, wobei die drei Hauptfiguren abwechselnd oder auch gemeinsam im Mittelpunkt stehen. Die Kapitel tragen das jeweils Tag und Datum als Überschrift und manche Ereignisse können so gleichzeitig, aber an verschiedenen Orten und mit nur einer der Hauptfiguren stattfinden. Dies garantiert ein genussvolles Lesen. Romane wie diese lese ich prinzipiell in der englischen Originalsprache und bin dann schon mit dem ersten Satz auch mit meinen Gedankenbildern mitten im Geschehen.
Fazit
Eine gemütliche, bezaubernde Wohlfühlgeschichte für entspannte Stunden.
„A few minutes later he was bringing the taxi to a halt outside a neatly kept whitewashed cottage standing alone in a field overlooking a small bay.” (Zitat Pos. 1160)
Inhalt
Als sein Vater bei einem Autounfall stirbt, verlässt Conners Mutter noch am Tag des Begräbnisses die irische Insel Inis Mór und der siebenjährige Conner wächst als John in Australien auf. Als seine Großmutter Grace O’Rourke stirbt, ist Conner achtunddreißig Jahre alt, seine zuvor erfolgreiche Werbefirma in Sidney steht vor dem Bankrott und seine Frau Nicky hat ihn gerade mit dem gemeinsamen Sohn Tristan verlassen. Von seiner Großmutter erbt er das alte Cottage in Kilmurvey, seit mehr als zweihundert Jahren im Familienbesitz, und das alte Segelboot Erin, das sein Großvater gebaut hatte. Conner will das Cottage verkaufen und so seine finanziellen Probleme in Sydney lösen, doch eine Klausel im Testament verhindert dies. So beschließt er statt dessen, das stark beschädigte Segelboot instand zu setzen. Ein alter Mann unterstützt ihn tatkräftig und mit Fachwissen. Er kennt sich mit Bootsbau aus, doch nicht nur damit. Der Mann erklärt Conner, dass jeder Mensch eine besondere Gabe hat. „Your father was a Seanachie, a storyteller.“ (Zitat Pos. 1239) Wird Conner herausfinden, welche Gabe er hat, um wieder in seinem eigenen Leben anzukommen?
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um das Leben der Menschen auf den irischen Aran-Inseln, um Familie, Traditionen, um die eigenen Wurzeln und die Suche nach einem Platz im eigenen Leben. Es geht um Scheitern und Verlust, aber auch um Freundschaft, Liebe, Veränderungen und Magie.
Erzählform und Sprache
Conner O’Rourke erzählt seine Geschichte selbst in der ersten Person. So erfahren wir durch seine Erinnerungen viele Details aus seinem bisherigen Leben. Wir lauschen mit ihm den Geschichten des alten Mannes und erkennen an Conners Gedanken, wie er beginnt, sich zu verändern. Die Sprache erzählt klug, einfühlsam und poetisch.
Meine Ausgabe wurde schon 2014 unter dem Titel “The Storyteller of Inis Mór: Could a legend save his life?” herausgebracht, nun ist eine neuere Version erhältlich.
Fazit
„It was a magical, mystical evening and beyond a shadow of a doubt the strangest evening, that I’d ever spent in my entire life.“ (Zitat Pos. 3760). Besser kann man diese phantasievolle, wunderbar zu lesende Geschichte mit ihren vielen Facetten nicht beschreiben. Mich hat dieser Roman sofort in Gedanken und Erinnerungen zurück auf diese besondere Inselgruppe geführt, die mich bei meinem Besuch vor vielen Jahren sehr beeindruckt hat, doch man muss die Aran Inseln nicht kennen, um von diesem Roman verzaubert zu werden.
„Nein, für das Leben lässt sich keine Bilanz ziehen. Man macht dies und macht das, und am Ende war’s ein Leben. Mehr ist es nicht.“ (Zitat Seite 162, 163)
Inhalt
Der Jurist Martin Brehm ist sechsundsiebzig Jahre alt, als erfährt, dass er an Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium erkrankt ist und ihm maximal noch ein halbes Jahr bleibt. Seit zwölf Jahren ist er mit der wesentlich jüngeren Künstlerin Ulla verheiratet und David, der gemeinsame Sohn, ist erst sechs Jahre alt. Welche gemeinsamen Erinnerungen kann er seinem Sohn hinterlassen, was kann und sollte er noch regeln und wie will er die nächsten Wochen für sich selbst gestalten?
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um Beziehung, Familie, Liebe, um das Abschiednehmen am Ende eines Lebens, um das Schaffen von gemeinsamen Erinnerungen und vor allem geht es darum, loszulassen.
Charactere
Martin Brehm blickt auf ein erfolgreiches Leben zurück, das von der Kindheit an davon geprägt ist, die Erwartungen zu erfüllen. Manchmal wurde er für kaltblütig gehalten, weil seine Gefühle sich immer erst mit einer gewissen Verzögerung einstellten. Seine Diagnose sieht er sachlich und die Situation wird für ihn rasch alltäglich.
Erzählform und Sprache
Martin steht im personalen Mittelpunkt des Geschehens und der Problematik, es ist seine Geschichte, die hier erzählt wird, seine Gedanken, Empfindungen und Überlegungen. Wir tauchen in seine Erinnerungen ein und sind gespannt auf seine Reaktion auf eine überraschende Entdeckung. Interessant ist es, Martins eigene Veränderung, die er in diesen Wochen durchläuft, mitzuerleben. Der Schriftsteller Bernhard Schlink erzählt auch diese Geschichte in seiner leisen, poetischen und präzisen Sprache.
Fazit
Eine einfühlsame Geschichte über die Entscheidung, wie ein Mensch die letzten Wochen seines Lebens selbstbestimmt verbringen will. Trotz des ernsten Themas ist es eine positive Geschichte, deren psychologische Elemente zum Nachdenken darüber anregen, wie man sich selbst in dieser Situation und mit diesem Wissen um die kurze, noch verbleibende Lebenszeit, entscheiden würde.
“Snow was falling gently, piling up on the old-fashioned mullioned windows of the little shops on Edinburgh’s Victoria Street; laying Calmly on the pavements; covering the world with its softness.” (Zitat Seite 1, so beginnt dieser neue Roman)
Darum geht es
Mit diesem oben zitierten ersten Satz beginnt der zweite Roman um eine kleine Buchhandlung in diesem berühmten, besonders schönen Teil der Old Town, genau unter Edinburgh Castle. Schnee, Weihnachtsdekorationen in „ihrem“ geliebten Buchgeschäft und das mitten im sonnigen August, verbunden mit einem romantisch-verklärten Bild von Schottland. Carmen Hogan verabscheut das alles, doch sie brauchen das Geld der Filmgesellschaft, um ihr Buchgeschäft, genau genommen ist es natürlich Mr. McCredies Buchgeschäft, zu erhalten. Andere kleine Geschäfte in der Gegend geben auf und stellen auf den Verkauf von bunten, kitschigen Souvenirs um, für Carmen keine Option. Mit dem Beginn der Weihnachtszeit bahnen sich jedoch einige Veränderungen in Carmens Leben an. Sie braucht Ideen, um Mr. McCredies Weihnachtswunsch zu erfüllen und entdeckt dabei verborgene Bereiche des kleinen Buchgeschäfts. Weihnachten, eine Zeit, in der Wunder möglich scheinen, auch für Carmen?
In diesem Roman geht es um Bücher, eine kleine, zauberhafte Buchhandlung im historischen Zentrum von Edinburgh, die besondere Magie der Weihnachtszeit, um Freundschaft, Zusammenhalt, Familie und um die Liebe.
Meine Meinung
Ich habe das englische Original gelesen. Jenny Colgan weiß einfach, wie man diese zauberhafte Zeit rund um Weihnachten mit den typischen Traditionen, den festlich geschmückten Straßen und Häusern, so gekonnt schildert, dass man sich beim Lesen sofort im Dezember in Edinburgh befindet. Dieses Setting und eine romantische Geschichte mit einer gelungenden Mischung aus Gefühl, Geborgenheit, Nachdenklichkeit und Humor, dazu sympathische, eigenwillige Figuren, ergeben ein Wohlfühlbuch, perfekt für diese besondere Zeit des Jahres.
„Haust du das gewusst? Dass du ein außergewöhnlich gut anzuzwinkernder Mensch bist?“ (Zitat Seite 10)
Inhalt
Julia Stern, zweiundfünfzig Jahre alt, ist die Leiterin des Kunst- und Zeitgeschichtearchivs in Wien und als ihre Mutter ihr auf dem Sterbebett gesteht, dass Joseph Wasserstein ihr leiblicher Vater sei, will sie diesen kennenlernen, unter dem Vorwand, einen Bildband zu planen. In seiner aktiven Zeit war Joseph Wasserstein ein berühmter, sehr erfolgreicher Fotograf, Erfinder einer besonderen Art zu fotografieren, nach ihm benannt. Damals waren ihm alte Menschen weise und gelassen vorgekommen, heute ist er selbst dreiundachtzig Jahre alt und nicht gelassen, sondern mürrisch und frustriert. Sein Nachbar und seit vierzig Jahren auch Freund Elve Hakim sieht dies anders. Mit sechsundsiebzig Jahren gibt er Kurse für orientalischen Tanz, spricht deutsch, denkt arabisch. So tanzen nicht nur seine Sätze, sondern auch er selbst durchs Leben. Schon nach dem ersten Treffen besucht Julia die beiden alten Männer regelmäßig und die nachmittäglichen Gespräche im Garten von Josephs Villa werden ein Fixpunkt im Leben dieser drei Menschen.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um das Älterwerden, Verständnis und Freundschaft, Philosophie und die Fragen des Lebens.
Erzählform und Sprache
Diese Geschichte eines Sommers, in dem es im Juni nochmals schneit, wird von den drei in ihrer Art so unterschiedlichen Figuren Joseph, Elve und Julia, getragen. Mit eindrücklicher Leichtigkeit schildert Thomas Sautner die Ereignisse des Alltags und die verständnisvolle Freundschaft zwischen den beiden alten Männern, die Julia sofort aufnehmen und in ihre Gespräche über das Leben, die Welt und die Geheimnisse des Universums, ihre Gedanken und Erinnerungen einbeziehen. Gleichzeitig beschäftigt ein aktuelles, beinahe magisches Ereignis nicht nur die Welt, sondern auch diese drei Menschen.
Fazit
Eine poetisch-locker-magische Geschichte über Freundschaft und das Leben.
“I will report on that later. Chronology is sometimes overrated as a narrative device.” (Zitat Seite 198)
Inhalt
Die fünfundfünfzig Jahre alte New Yorker Dichterin und Universitätsprofessorin Mia Fredricksen schlittert in eine ernste persönliche Krise, als ihr Mann Boris nach dreißig gemeinsamen Ehejahren eine Pause braucht. Rasch findet sie heraus, dass diese Pause eine wesentlich jüngere Kollegin ist. Sie beschließt, diesen Sommer als eigene Auszeit im ländlichen Ort ihrer Kindheit in Minnesota zu verbringen, umgeben von Frauen unterschiedlicher Generationen. Da sind ihre Mutter und deren vier lesebegeisterte Freundinnen, die älteste ist einhundertzwei Jahre alt. Spontan übernimmt Mia die Aufgabe, einen Lyrikkurs für Mädchen im Teenageralter zu geben. Sie hat ein Haus über den Sommer gemietet und freundet sich auch mit ihrer Nachbarin an, eine junge Mutter. Inzwischen hält Mias Tochter Daisy in New York den Kontakt zu ihrem Vater aufrecht.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um unterschiedliche Frauen aus verschiedenen Generationen, ihre Probleme, Konflikte, Freundschaft, Beziehungen, Ehe, Familie und die Erkenntnis, dass es möglich ist, in jeder Lebensphase neue Wege gehen zu können.
Erzählform und Sprache
Siri Hustvedt wählt hier eine moderne Schreibform, durchbricht die chronologischen Abläufe oft durch eigene Bewusstseinsströme, gedankliche Ausflüge in die Literatur, Erinnerungen, um dann nach einigen Umwegen wieder über die Ereignisse dieses aktuellen Sommers zu berichten. Die Sprache bringt Ruhe in die facettenreichen Handlung und ist einfühlsam, ehrlich und übt durchaus humorvoll Selbstkritik. Ich habe das englische Original gelesen, im Juni 2024 wird bei Rowohlt Taschenbuch eine neue Sonderausgabe von „Der Sommer ohne Männer“ erscheinen.
Fazit
Die Geschichte eines Sommers, in deren Mittelpunkt Frauen aller Alters- und Lebensstufen stehen, mit zeitlos aktuellen Themen.
„Es geht mir darum, mir eine Familie zu erschreiben. Keine Traumfamilie, keine Wunschfamilie … überhaupt eine Familie.“ (Zitat Seite 9)
Inhalt
Die Schriftstellerin Verena will ihre Geschichte über die wichtigen Frauen ihrer Familie in der aktuellen Zeit beginnen, mit Irène Vonderwied, die darauf wartet, am nächsten Morgen einen besonderen Anruf zu erhalten. Doch ihre Agentin überzeugt sie, die Geschichte chronologisch zu beginnen, mit Verenas Urgroßmutter Emma Hartkopf, Gattin des Wissenschaftlers Erich Hartkopf, der bei der Entwicklung der Chemiewaffen im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte. Emmas Tochter Wilhelmine dagegen interessiert sich nicht für Chemie, sondern ist eine begeisterte Physikerin. Ihr Fachgebiet ist die Kernphysik und sie ist von den vielen Möglichkeiten einer friedlichen Nutzung der Atomenergie überzeugt, wenn nur erst der Zweite Weltkrieg zu Ende ist. Erst jetzt führt die Geschichte zu Wilhelmines Tochter Irène. Physik fand Irène schon immer langweilig. Sie ist eine international bekannte Biologin, Fachgebiet Stammzellenforschung.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um drei Generationen von Frauen und jede dieser Frauen ist mit einer in ihrer Zeit besonders wichtigen Wissenschaftssparte eng verbunden, Chemie, Physik und Biologie. Doch während Emma noch die traditionelle Ehefrau und Mutter ist, bestimmen Wissenschaft und Forschung das Leben von Wilhelmine und Irène, beide auf ihrem Fachgebiet hochbegabt, ehrgeizig und sehr erfolgreich. Themen sind Frauenleben, die Stellung der Frau im Gefüge der universitären Wissenschaften, Familie, Freundschaft, Liebe, und die mit den jeweiligen bahnbrechenden Forschungsergebnissen verbundenen ethischen Fragen nach persönlicher Verantwortung und über mögliche Grenzen der Wissenschaft.
Erzählform und Sprache
Dieser Roman ist ein drei große Abschnitte geteilt, Emma, Wilhelmine, Irène. Die Geschichte der im jeweiligen Mittelpunkt stehenden Frauenfigur wird chronologisch und personal erzählt. Erinnerungen greifen jedoch immer wieder in vorhergehende Abschnitte zurück und und ergänzen mit weiteren Details, besonderen Ereignissen, neuen Sichtweisen und Gedanken. Diese Erzählform sorgt für Spannung, während die präzisen, aber gut verständlichen Erklärungen der wissenschaftlichen und geschichtlichen Hintergründe, Fakten und Realität, die fiktive Handlung mit interessantem Wissen ergänzen. Die Autorin Verena als Ich-Erzählerin bespricht die einzelnen Schritte des Schreibprozesses an ihrer Geschichte mit ihrer Agentin und diese Gespräche umrahmen die drei Abschnitte, verbinden sie.
Fazit
Ein packender, interessanter Wissenschafts-, Frauen- und Generationenroman, eine spannende, gelungene Mischung, die man mit großem Vergnügen liest.
„Every story we tell about ourselves can only be told in the past tense. It winds backward from where we now stand, no longer the actors in the story but its spectators who have chosen to speak.” (Zitat Seite 364)
Inhalt
1975 entdeckt Leo Hertzberg, Professor für Kunstgeschichte, in einer Galerie ein Gemälde eines damals noch weitgehend unbekannten Künstlers, das ihn durch die darin verborgene Aussagen sofort beeindruckt und eine Woche später kauft er es. William Wechsler, der Künstler, wollte wissen, wer sein Bild gekauft hatte und seit dem ersten persönlichen Treffen verbindet Leo und Bill eine enge Freundschaft. Fünfundzwanzig Jahre ist das nun her und Leo erzählt die Geschichte ihrer beiden Familien, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Thema und Genre
Dieser Roman spielt in New York, im lebhaften Künstlerviertel SoHo, und es geht um Freundschaft, Ehe, Eltern und Kinder, um Lebensentwürfe und die Suche nach künstlerischen Ausdrucksformen, Künstlerleben und den Kunstmarkt. Wichtige Themen sind Psychologie und Gefühlswelten, Beziehungen zwischen Liebe und Obsession, Verlust, Trauer, Hoffnung und Enttäuschungen.
Erzählform und Sprache
Die Geschichte wird ausgehend von der Gegenwart rückblickend erzählt, wobei ein chronologischer Zeitablauf, beginnend fünfundzwanzig Jahre zuvor, eingehalten wird. Dieser Rahmen wird jedoch durch viele weitere Ereignisse unterbrochen, an die sich der Ich-Erzähler Leo Hertzberg spontan erinnert. Da geht um um prägende Erlebnisse aus der Kindheit, Erinnerungen an die Eltern, aber auch einzelne Situationen und die damit verbundenen Gefühle. Im Mittelpunkt stehen zwei Familien: Leo Hertzberg, seine Ehefrau Erica Stein, Anglistin, der gemeinsame Sohn Matthew, und Bill Wechsler, seine erste Ehefrau, die Lyrikerin Lucille Alcott, der gemeinsame Sohn Mark, sowie Bills zweite Ehefrau, die Historikerin Violet Blom. Dazu kommen weitere wichtige Figuren, die durch ihr Verhalten das Leben der beiden Familie entscheidend beeinflussen. Ergänzt wird die Handlung durch eine lebhafte Schilderung der New Yorker Künstlerszene und kritische Betrachtungen des Kunstsektors. Siri Hustvedts Figuren zeichnen sich durch eine starke Präsenz und eine intensive Gefühlswelt aus, was diesen Roman eindrücklich und packend macht, zusammen mit gekonnt eingesetzten Spannungselementen. Diese Intensität spiegelt sich auch in der Sprache wider. Ich habe den Roman in der Originalsprache gelesen, die deutschsprachige Ausgabe trägt den Titel „Was ich liebte“.
Fazit
Eine komplexe, intensive und menschlich sehr kluge Geschichte, auch sprachlich überzeugend – keine Neuerscheinung, aber zeitlos lesenswert.
„Ich hatte eine junge Marsianerin bei mir zu Gast, nach einer Bruchlandung bei mir untergekrochen. Sobald Gefühle ins Spiel kamen, wurde alles, was sie von sich gab, kryptisch, und ich fragte mich, ob das Absicht war, fragte mich aber zugleich, zu welchem Zweck ich mich überhaupt auf sie einließ.“ (Zitat Seite 32, 33)
Inhalt
Der Ingenieur Benno Romik, ist beinahe siebzig Jahre alt und trotz seiner Pensionierung noch fallweise als sachverständiger Brückenkommissar in Hamburg tätig. Soeben hat er erfahren, dass seine Krankheit ihm nur mehr eine in Tagen abzählbare Restlebenszeit gewährt. Es ist in einer sternenklaren Julinacht, als Benno Romik auf seinem Balkon schläft, um dies ein Mal in seinem Leben getan zu haben, als um exakt 2 Uhr 48 ein geparktes Auto in Flammen aufgeht und die darauffolgende Explosion Hollie Magenta, einundzwanzig Jahre alt, unangepasst, tough, zornig und abweisend, in sein Leben wirbelt. Brücken begleiten sein Leben, er bewundert sie, begutachtet sie, doch er hat keine gebaut, nur in seinem Flur steht ein riesiges Modell. Nun muss er eine Brücke zu bauen, von Mensch zu Mensch, um alle gegenseitigen Vorurteile und das Unverständnis zwischen den Generationen zu überbrücken, eine Brücke, die auch ihm neue Wege eröffnen könnte
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um das Leben in den Unsicherheiten und Brüchigkeiten unserer aktuellen Zeit, von der älteren Generation teilweise schwer zu verstehen und um die Unterschiede zwischen den Generationen, die intensiver und unüberbrückbarer scheinen, als je zuvor. Im Zentrum stehen Brücken, real, oft Symbole, das Universum mit der Vielfalt an nicht zu fassenden Sternen und die ebenso schwer zu fassende Vielfalt an zwischenmenschlichen Beziehungen.
Erzählform und Sprache
„Das Gute an jedem Ende: Alles ist Vergangenheit. Auf mich kommt nichts mehr zu, ich habe die Zukunft hinter mir.“ (Zitat Seite 18) Mit diesem Argument bricht der Ich-Erzähler Benno Romik aus der Chronologie seiner Lebensgeschichte aus, er will nicht mehr schildern, sondern spontan erzählen. Sein Leben teilt er gedanklich in fünf Teile ein, beginnend mit der Kindheit und endend mit Hollie Magenta. Er folgt dem Ablauf der aktuellen Ereignisse, deren Zeitrahmen wenige Wochen umfasst, doch unterbricht er diese durch seine Erinnerungen und weit gefächerten Gedankenflüge, ungeordnet, wie sie sich ergeben. Er ist immer noch ein Suchender in seinem Leben, und diese Tage mit Hollie, die Gespräche und Auseinandersetzungen, stellen auch sein bisheriges Leben in Frage. Einfühlsam, aber mit einer geradlinigen Offenheit, geht Mirko Bonné mit seinen zwei Hauptfiguren um, und ebenso präzise umgibt er sie mit einem Kreis von ihnen nahestehenden Figuren, die zumindest in den Gedanken immer präsent sind und ihr Leben geprägt haben und immer noch prägen. Er ist ein poetischer Erzähler, der uns mit dieser Geschichte und seiner Sprache sofort in seinen Bann zieht. Er spielt mit Anlehnungen an literarische Vorbilder, schafft metaphorische Gedankenbilder, doch er lässt es uns frei, ob wir auch diesen, oder nur der Handlung folgen wollen.
Fazit
Ein großartiger Roman, literarische Magie, die mich zunächst sprachlos machte. Eine Geschichte, der man von der ersten bis zur letzten Seite gebannt und ohne Unterbrechungen folgen will und es gleichzeitig bedauert, schon auf der letzten Seite angelangt zu sein.
„Was sieht sie gerade? Hausfrau, vierfache Mutter, diese etwas zu kleine und fettgepolsterte Frau mit dem Mantel von anno dazumal, der falschen Rocklänge, wie ich mir ständig von Katie sagen lassen muss, dem falschen Lippenstift und zur Krönung des Ganzen der schreiend komische Hut.“ (Zitat Pos. 193)
Inhalt
Als Stacey Cameron neunzehn Jahre alt ist, verlässt sie die Enge ihrer Geburtsstadt Manawaka und geht nach Vancouver. Dort lebt sie auch heute noch, inzwischen neununddreißig Jahre alt, seit sechzehn Jahren mit Clifford „Mac“ MacAindra verheiratet, Mutter von vier Kindern. Ihr Mann ist als Vertreter viel unterwegs, sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Sie hatte von einem aufregenden Leben in der Großstadt geträumt und fragt sich immer öfter, ob das wirklich alles war, der turbulente, anstrengende Familienalltag in dem Haus am Bluejay Crescent und ihre Ehe, in der es mit den Jahren schweigsam geworden ist. Es geht ihr gut, sagt sie, wenn sie gefragt wird, doch wie geht es ihr wirklich, genügt es, wenn sie sich bemüht zu funktionieren, wie es von ihr erwartet wird?
Thema und Genre
Dieser Roman der kanadischen Schriftstellerin ist 1969 erschienen und zeigt eine kurze Zeitspanne im alltäglichen Familien- und Gefühlschaos einer bald vierzigjährigen Hausfrau in einer damals noch von Männern dominierten Gesellschaft.
Charactere
In dieser Geschichte geht es um die chaotische Stacey, bald vierzig Jahre alt, Hausfrau, Mutter, sie liebt ihre Kinder und ist dennoch enttäuscht und frustriert darüber, dass ihr Leben völlig anders verläuft, als sie es erhofft hatte.
Erzählform und Sprache
Der Schwerpunkt dieses personal erzählten Romans liegt weniger im Tagesablauf mit den alltäglichen Ereignissen der Hauptfigur Stacey, sondern in der intensiven Darstellung ihres Charakters, ihrer Gedanken und Gefühle. Sie liest Zeitungsmeldungen und blickt in einzelnen Situationen dann gleichsam als Beobachterin auf ihr Verhalten. Gerade aus dieser abwechslungsreichen Erzählform ergibt sich die Spannung der Handlung, denn bei Stacey, einer etwas chaotischen Durchschnittsfrau in der damals üblichen Hausfrauenrolle, liegt meistens ein großer Unterschied zwischen dem, was sie sagt und den ausführlichen Gedanken, die sie dazu hat, die sie jedoch für sich behält. So erhalten wir Einblick in die Konflikte der einzelnen Figuren. Aus der inneren Befindlichkeit, wenn sie über ihr Aussehen nachdenkt, haben wir beim Lesen rasch ein Bild von ihr, die sie umgebenden Personen beschreibt Stacey durch ihre eigenen Wahrnehmungen und Gedanken. Durch ihre Erinnerungen erfahren wir ergänzende Details aus ihrem bisherigen Leben und das ihres Mannes. Auch die Sprache, besonders in den Gedankenphasen, fügt sich nachvollziehbar in das Charakterbild von Stacey ein.
Fazit
Ein interessant zu lesender Roman über das Leben einer unangepassten, eigenwilligen Frau in einer Zeit, als von Ehefrauen noch das Gegenteil erwartet wurde.
„Ich hatte den Verdacht, dass sie auf Schloss Sayn eigentlich Greta Thunberg hatte hören wollen und mir übelnahmen, dass ich nicht Greta Thunberg war, sondern ein weißer Alter, der für alles verantwortlich gemacht werden konnte.“ (Zitat Seite 13)
Inhalt
Seit etwa zwanzig Jahren verbringt ein Schriftsteller mehrere Wochen im Sommer auf der griechischen Insel Lefkada, als Gast im Haus seines Schwagers Micha und mit nachdenklichem, sehnsüchtigen Blick auf die Insel Ithaka. Diesmal freut er sich noch mehr als sonst auf diese Reise, denn er fährt mit seinem neuen Auto, einem nicht unbedingt klimafreundlichen SUV. Doch vor diesen glücklichen Sommertagen liegt eine Lesung aus seinem nächsten neuen Buch, auf Schloss Sayn im Westerwald, am Himmelfahrtstag. Die anschließende Diskussion, im Programm modern als „Talk“ bezeichnet, wird für ihn zum Fiasko, denn plötzlich dreht sich die Diskussion nicht um sein Buch, sondern um die Energiekrise und Greta Thunberg und aus dem Publikum tönt der Ruf „Altmännergeschwätz“. So wird Sayn zu einem Fixpunkt in seinen Gedanken, der ihn auch auf seiner Reise nach Lefkada begleitet, zusammen mit der Frage, wo sein Platz im Leben ist und ob jemand, der wie er schon viele Jahre durch das Leben wandert, unbedingt ein Ziel haben muss.
Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein älterer Schriftsteller mit seinen Gedanken zu aktuellen Themen unserer Zeit, mit seinen Fragen, Lebenserfahrungen, und Erinnerungen, mit seiner Sehnsucht nach einem Ort, wo er dem Leben zuschauen kann.
Erzählform und Sprache
Die Handlung verläuft chronologisch während der Sommermonate, im Mittelpunkt stehen Reisen, die Rückreise von einer Lesung, und einige Wochen später die Reise nach Griechenland, und dann die Wochen auf Lefkada. Doch dies ist nicht mehr als eine Art Rahmen, der die Vielfalt der Gedanken und Überlegungen des Schriftstellers als Ich-Erzähler umfasst. Wer wissen möchte, wie sich eine moderne, immer wieder überraschende Interpretation der Erzähltechnik „stream of consciousness“ (Bewusstseinsstrom) liest, wird in diesem Buch fündig. Da genügt ein Satz, um die Überlegungen zu einem bestimmten Gedanken oder Ereignis einzuleiten, und etwas später beginnt mit genau dem gleichen Satz eine neue Gedankenreihe, diesmal jedoch eine völlig andere Sichtweise. Es ist dieses scheinbar so Ungeordnete im Bewusstsein des Ich-Erzählers und die gekonnte Umsetzung, dazu die Ausdruckskraft der Sprache, die den Sog dieses Romans ausmachen.
Fazit
„Und so schöne Fragen, die mir auch nicht weiterhalfen, drängten sich schon wieder in meinem verqueren Inneren. Würde ich als Mann der schönen Sätze enden?“ (Zitat Seit 151) Diese Sorge des selbstkritischen Ich-Erzählers ist unbegründet, auch wenn er für die Fülle seiner Fragen, die er an sich selbst und an das Leben stellt, nicht immer Antworten findet und wenn, dann mehr als eine. Ein literarisches, poetisches, aber auch herausforderndes Leseerlebnis.
„Es war dieser eine Winter in Istanbul, der bald vorbei sein würde. Warum sollte er nicht einen Winter haben! Einen Winter nur für sich.“ (Zitat Seite 169)
Inhalt
Cla, fünfundvierzig Jahre alt, Religionswissenschaftler, ist Gymnasiallehrer an einer internationalen Schule im Engadin. Sein Spezialthema ist der Dialog zwischen den Religionen und als ihm die Stiftung einer Schweizer Privatbank ein Forschungsstipendium in Istanbul anbietet, nimmt er dieses an. Während ihn sein Cusanus-Projekt zurück in den Winter 1437/38 führt, entdeckt er durch Baran, einen jungen Kellner, Stadtführer, Schauspieler, Übersetzer mit türkisch-griechischen Wurzeln, das heutige Istanbul im Winter abseits der Touristenwege. Er verliebt sich in diese lebhafte, bunte, vielseitige Stadt, und nicht nur in die Stadt. Seit zwei Jahren lebt er in einer festen Beziehung mit Alva, doch nun fragt er sich, ob er dabei ist, sich zu verlieren, oder ob er sich gerade erst wirklich findet.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es einerseits um mögliche Dialoge zwischen den Religionen, um das vor sechshundert Jahren gespaltene Konstantinopel und um das heute ebenso gespaltene Istanbul. Gleichzeitig geht es um wichtige persönliche Entscheidungen, Selbstfindung, mögliche neue Lebenswege und die Liebe in vielen Facetten.
Erzählform und Sprache
Angelika Overath schildert abwechselnd die Begegnungen, Entdeckungen und Erlebnisse von Cla während der Wintermonate in der heutigen Zeit und die geschichtlichen Ereignisse einer Reise, die vor beinahe sechshundert Jahren, ebenfalls im Winter, stattfand. Die Handlung ist eingebettet in poetische, lebhafte und eindrückliche Beschreibungen der ungemein vielfältigen Schönheit der Stadt Istanbul. Diese Geschichte von Cla, Alva und Baran wird in dem Roman „Unschärfen der Liebe“, erschienen am 12. April 2023, fortgesetzt. Ich habe die beiden von der Art des Erzählens her völlig unterschiedlichen Bücher in umgekehrter Reihenfolge gelesen und es hat mein Lesevergnügen nicht geschmälert.
Fazit
Angelika Overath ist eine wunderbare, vielseitige Erzählerin, deren Sprache alle Facetten zwischen einfühlsam, poetisch, nachdenklich, kritisch und lebhaft, spannend umfasst.
„Ein Buch ist eine Handlung; es nimmt nicht nur Raum ein, sondern ereignet sich auch in der Zeit. Es ist nicht Information, sondern Beziehung.“ (Zitat Seite 393)
Inhalt
Die Kesh, ein kalifornisches Volk, leben in einer weit entfernten Zukunf im Na Tal, dem heutigen Napa Valley. Sie leben genügsam und im achtsamen Einklang mit der Natur, bemühen sich um Frieden untereinander und auch zwischen Menschen und Tieren. Während ihres Lebens können sie mehrere Namen annehmen, die sich nach ihrer persönlichen Entwicklung richten. Nordeule war der Erstname eines kleinen, eigenwilligen Mädchens. Jetzt, als ältere Frau, hat sie ihren Letztnamen gewählt, Erzählstein, denn sie erzählt ihr Leben, ihre Kindheit, schildert ihre Erlebnisse, abenteuerliche Reisen, Begegnungen, Feste und Bräuche in ihrem Heimatort Sinshan. Die Romanhandlung wird ergänzt durch unterschiedliche Erzählungen, Geschichten, Lyrik, Essays und Texte zu Erzähltheorien.
Thema und Genre
Themen sind die noch utopische Schilderung einer möglichen, friedlichen Lebens- und Gesellschaftsform im Einklang mit der Natur und ihre kulturelle Vielfalt, und im Gegensatz dazu ein kriegerisches Volk, das in einer großen Stadt lebt, sich durch Beutezüge und Eroberungen versorgt. Dieses Werk ist der phantastischen Literatur zuzuordnen, mit mythischen, magischen, aber auch sozial-utopischen Elementen zu möglichen Gesellschaftsstrukturen.
Erzählform und Sprache
Erzählsteins autobiografische Geschichte ist ein Roman, das Kernstück, aber nur ein kleiner Teil, des Buches. Ergänzt wird der Roman durch eine bunte Vielfalt von Texten in Form von Lebenserzählungen, kürzeren Geschichten, dramatischen Werken, Gedichten, Beschreibungen des Alltagslebens und der Feste im Jahreslauf, Naturschilderungen. Ursula K. Le Guin betont, dass sie die Grundlagen für die Mythen, Rituale und Gedichte in der mündlich überlieferten Literatur der Native Americans fand, sie hörte zu, verzichtete jedoch bewusst darauf, diese nachzuahmen oder sich anzueignen.
Im letzten Drittel des Buches findet sich ein ausführliches Glossar über das Volk der Kesh, ihre Landkarten, Künste, Kleidung, Essen, die Tänze, Musikinstrumente, das Kesh-Alphabet, eine Grammatik dieser Sprache. Es folgen spätere Texte, daran schließen Essays und Schriften aus Vorträgen an. So finden wir hier auch Le Guins bekannte Tragetaschentheorie des Erzählens. Mit einer ausführlichen Schilderung der Entstehung dieses Werkes in allen Details von der Idee bis zur Umsetzung, und der Vorstellung der Mitwirkenden endet das Buch.
Fazit
Ein in dieser Vielfalt einzigartiges, faszinierendes Buch. Keine einfache Lektüre, doch gerade der besondere Aufbau erlaubt Unterbrechungen, oder einen Wechsel zwischen den Abschnitten und Themen. Das Buch kann auf unterschiedliche Arten gelesen werden, es muss nicht chronologisch sein, man könnte zum Beispiel zuerst Erzählsteins Geschichte zu Ende lesen – doch wie auch immer man die persönliche Lesereise gestaltet, es ist ein sehr beeindruckendes Erlebnis.
„Es gibt solche, die spannende Geschichten zu erzählen haben, und solche, die nichts zu erzählen haben. Oder die möglicherweise viel zu erzählen hätten, das aber nicht von sich wissen, weil sie nichts in sich eindringen, sondern alles an sich abperlen lassen wie an einer Regenhaut.“ (Zitat Seite 12)
Thema
Es geht um einen Mann, Peter, unauffällig, ein introvertierter Einzelgänger, ein grauer Peter in einem grauen Leben, der sich auf einer Bahnfahrt von Nancy nach Basel plötzlich um einen alleinreisenden Jungen kümmern muss, der in Basel von seinem Onkel erwartet wird.
Meine Meinung
Hans Ulrich Probst bezeichnet Zschokke als einen Meister der Gestaltung der Ereignislosigkeit und ich stimme nur teilweise zu, ich fand nichts Meisterhaftes und Poetisches, dafür aber die Ereignislosigkeit in einem gleichförmiges Dahinplätschern der Handlung mit einigen irritierenden Momenten zwischen einem alten Mann und einem achtjährigen Jungen.
„Der junge Wissenschaftler spürte, dass diese konkrete und anschauliche Beobachtung in einer Verbindung zu den besprochenen theoretischen Problemen stand. Von welcher Art diese war, blieb ihm unklar, und er war auch zu müde, um weiter darüber nachzudenken.“ (Zitat Seite 8)
Inhalt
Im Frühjahr 1925 beobachtet der junge deutsche Physiker Werner Heisenberg, Gastdozent am Kopenhagener Physik-Institut, zu später Stunde im Faelledparken interessiert eine schattenhafte Gestalt. Ein Mann, der im Lichtkreis der Straßenlaterne auftaucht, dann unsichtbar im Dunkel verschwindet und kurz darauf im nächsten Lichtkreis wieder auftaucht. Die Gedanken des Wissenschaftlers beginnen um die Wahrscheinlichkeit des Auftauchens im nächsten Lichtkreis zu kreisen. Noch ahnt er nur vage, dass diese Beobachtung kurz darauf, während eines Aufenthaltes auf Helgoland, eine wichtige Rolle bei der Entwicklung seiner Quantentheorie spielen wird. Der einsame Spaziergänger dagegen ahnt nichts von seinem Beobachter. Helstedt ist ein emeritierter Professor für Geschichte, und sein Leben ist von Trauer, Einsamkeit und Erinnerungen geprägt.
Thema und Genre
In dieser Novelle geht es um die Fragen des Lebens, um Verlust, Trauer, Alter, Einsamkeit, um Quantenphysik, Philosophie. Ein Thema sind die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung, verbunden mit der Frage, ob wirklich nur existiert, was man auch mit Worten beschreiben kann.
Charactere
Die beiden Hauptfiguren, den jungen Wissenschaftler Heisenberg und den Geschichtsprofessor im Ruhestand, verbinden zwei Dinge, eine kurze, zufällige Begegnung, die allerdings nur von Heisenberg wahrgenommen wird, und die persönliche Einsamkeit. Doch während sich diese bei Helstedt durch die Trauer über den Tod seiner Ehefrau nach dreißig gemeinsamen Ehejahren ergibt, sucht Heisenberg die Einsamkeit der Natur auf der Insel Helgoland, um in Ruhe über seine physikalischen Fragen im Zusammenhang mit dem Atommodell nachzudenken.
Erzählform und Sprache
Es sind zwei unterschiedliche Lebenswege und Schicksale, die in dieser Novelle abwechselnd erzählt werden und die Christian Haller durch eine kurze Momentaufnahme, eine zufällige und unbewusste Begegnung, verbindet. Doch dieser Moment hat Auswirkungen auf beide Männer, denn auch in Helstedts Leben bahnen sich Veränderungen an. Die klare, genau beobachtende Sprache vertieft die besondere Art dieser Geschichte.
Fazit
Eine dichte, komplexe Geschichte auf verhältnismäßig wenigen Seiten, die gerade deshalb fasziniert und viel Platz für einige Überlegungen lässt.
„Wie gern würde ich vor den Erinnerungen fliehen, aber jetzt liegt die Vergangenheit vor mir ausgebreitet auf meinem Bett.“ (Zitat Seite 16)
Inhalt
Der Dichter und Literaturprofessor Diogo Santiago kehrt nach vielen Jahren in seine Geburtsstadt Beira zurück. Liana Campos moderiert die Veranstaltung, die zu seinen Ehren stattfindet. Später, als er schon wieder in seinem Hotelzimmer ist, erhält er einen Karton voller alter Dokumente, Fotografien und Notizblätter. Die Unterlagen sind von Liana Campos, ihr Großvater Óscar Campos war jener Inspektor der PIDE, der Diogos Vater, den Dichter Adriano Santiago, vor etwa vierzig Jahren verhaftet hatte. „Es ist ungerecht, eine Vergangenheit zu erben. Als würde uns die Zeit an den Füßen festgebunden.“ (Zitat Seite 17) Liana, bei Pflegeeltern aufgewachsen, ist auf der Suche nach ihrer Mutter, sie braucht Geschichten, um die Lücken in ihrer Vergangenheit zu füllen. Auch Diogo will sich seinen Erinnerungen stellen, hat gleichzeitig Angst davor. „Mich lähmt die Befürchtung, meine Vergangenheit nicht wiederzufinden, vor allem aber die Vorstellung, eine Stadt zu erleben, die ich letztlich nicht kenne.“ (Zitat Seite 21) Gemeinsam beginnen Diogo und Liana nach Antworten zu suchen, doch zunächst tauchen viele neue Fragen auf.
Thema und Genre
Dieser Roman spielt in Mosambik, in der Zeit der Befreiungskriege und aktuell im Jahr 2019. Themen sind die Geschichte Mosambiks als portugiesische Kolonie, vor allem jedoch die Schicksale der Menschen und Familiengeheimnisse. Es geht um das Erinnern und das Vergessen der Vergangenheit.
Charactere
Mia Couto unterstreicht seine Geschichte durch unterschiedliche, in ihren Konflikten, Gefühlen, Beweggründen und Handlungen authentische Figuren, welche die Handlung mit Leben füllen.
Erzählform und Sprache
Die aktuelle Handlung umfasst einen knappen Zeitraum zwischen dem sechsten und vierzehnten März 2019 und hier ist Diogo der Ich-Erzähler, dadurch erhalten wir auch Einblick in seine persönlichen Erinnerungen. Die aktuelle Handlung wird durch Erzählstränge in Form von Dokumenten, Aufzeichnungen und Schilderungen von wichtigen Eeignissen ergänzt, die bis ins Jahr 1951 zurückreichen, hauptsächlich jedoch im Jahr 1973 stattfanden. Die einander abwechselnden Kapitel fügen sich im Lauf der Geschichte zusammen, manchmal als Antworten auf Vermutungen, dann wieder mit überraschenden neuen Fragen und Möglichkeiten. Diese Art des Erzählens, die Varianten der Erzählform und Sprache ergeben eine eindrückliche, packende Geschichte.
Fazit
Ein Roman für interessante, spannende Lesestunden, der durch die Poesie der Sprache, die Vielfalt der Erzählformen und Figuren und die überaus gekonnt sich langsam aus vielen Einzelteilen verknüpfenden Geschichten überzeugt.
„Wie geht das denn? Also, wie krieg ich jemanden dazu, mich zu lieben?“ (Zitat Seite 31)
Inhalt
Pecola Breedlove, etwa elf Jahre alt, wünscht sich blaue Augen, so wie Shirley Temple sie hat und auch das kleine Mädchen, für deren Eltern Pecolas Mutter den Haushalt führt. Hätte sie blaue Augen, davon ist Pecola überzeugt, würden die Menschen sie lieben. Im Herbst wartet nicht nur Pecola auf ein Wunder, auch die Schwestern Claudia und Frieda, Pecolas Mitschülerinnen, hoffen auf ein glückliches Zeichen, wenn die Ringelblumen, die sie angesät haben, blühen, dann würde alles gut werden. Doch in diesem Herbst 1941 blühen keine Ringelblumen und Pecolas Leben nimmt eine katastrophale Wendung.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um Rassismus, gesellschaftliche Ächtung, Klassendenken, Schönheitsideale, Ausgrenzung und patriarchale Gewalt. Es geht um Aufwachsen in einer Kindheit ohne Zuwendung und Liebe, in einer zerrütteten Familie, und die Auswirkungen dieser Erfahrungen.
Charactere
Pecola Breedlove ist nicht nur Schwarz, sondern wird sogar von den ebenso Schwarzen Menschen in der Nachbarschaft als hässlich empfunden und abgelehnt. Blaue Augen sind für Pecola der Inbegriff von Schönheit und sie ist überzeugt davon, von allen geliebt zu werden, hätte sie blaue Augen. Die einzelnen Figuren dieser Geschichte definieren die Situation der Mädchen und Frauen in den 1940er Jahren.
Erzählform und Sprache
Dieser Roman ist in vier Abschnitte gegliedert: Herbst, Winter, Frühling, Sommer. Die Handlung setzt sich aus Geschichten aus unterschiedlichen Zeiten zusammen. So lesen wir nicht nur über Ereignisse aus dem Leben von Claudia, Frieda und Pecola, in diesen Teilen mit Claudia als Ich-Erzählerin, sondern erfahren auch die Vorgeschichten, das bisherige Leben der Eltern. Die Sprache erzählt und schildert einfühlsam, sehr präzise, und überrascht durch ungewöhnliche Vergleiche und Formulierungen. Die Geschichte beginnt mit einem Textauszug aus einem bekannten und beliebten Kinderbuchklassiker über eine glückliche, weiße Familie, Vater, Mutter, Dick und Jane, und Zitate daraus finden sich wiederholt als Überschrift zu einem Abschnitt mit einem ähnlichen Thema. Dadurch wird der große Unterschied zwischen diesen Kinderbüchern und Pecolas Realität unterstrichen. Ein Vorwort von Toni Morrison und ein Nachwort von Alice Hasters ergänzen den eigentlichen Roman.
Fazit
Obwohl die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison betont, ihren Roman geschrieben zu haben, um die Auswirkungen des Rassismus aufzuzeigen und die Tatsache, was es mit Menschen macht, wenn sie, wie die Schwarzen, seit Generationen als minderwertig bezeichnet werden, ist es für mich in erster Linie eine Geschichte einer Kindheit in Armut und Verwahrlosung, mit Gewalt statt Elternliebe, mit Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine eindrückliche Geschichte, wie sie in dieser Zeit ebenso in den New Yorker Slums der Einwanderer stattfanden, und in den europäischen Armenvierteln.
„Als Baran Anatol Chronas an einem Herbstmorgen in Chur einen Zweitklassewagen der Schweizerischen Bundesbahnen bestieg, wußte er, daß ihm keine gute Ankunft bevorstand. Und doch sollte er sich täuschen über das Ausmaß dessen, was ihn erwartete.“ (Zitat Pos. 43)
Inhalt
Seit etwa drei Jahren leben Baran und sein Schweizer Lebensgefährte Cla in Istanbul zusammen. Diesen Sommer hatten sie in der Schweiz verbracht, bei Clas früherer Partnerin Alva und der gemeinsamen kleine Tochter Florinda. Für einen dringenden Auftrag muss Cla zurück nach Istanbul fliegen, während Baran seine Rückreise erst sieben Tage später antritt, denn er reist lieber mit der Bahn. In dieser Woche lernt er Alva besser kennen. Die Fahrt von Chur nach Istanbul dauert etwa dreißig Stunden und Baran freut sich darauf, über Gleissystemene durch verschiedene Länder zu reisen und Zeit für seine eigenen Gedanken zu haben, über Entscheidungen nachzudenken und diese doch für eine kurze Zeit noch aufschieben zu können. „Unterwegs war er noch nirgendwo und mußte niemand sein.“ (Zitat Pos. 54)
Thema und Genre
Dieser Roman erzählt die Geschichte von drei Menschen, deren Leben miteinander verbunden ist, anhand einer Bahnfahrt von Chur nach Istanbul. Reisebeschreibungen, die Beobachtungen der Menschen auf den Bahnhöfen und in den Zügen, die Baran von der Schweiz aus durch Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Bulgarien bis in die Türkei bringen, vermischen sich mit seinen Erinnerungen und Gedanken. Themen sind Geschichte, Balkanpolitik, Religion, Familie, Beziehungen, Liebe.
Charactere
„Dieser Sommer hatte ihn unsicher gemacht. Etwas in ihm bekam Sprünge.“ (Zitat Pos. 1580). Barans Vater ist Grieche, seine Mutter Türkin, aufgewachsen ist er teilweise in Deutschland, die Erfahrungen der unterschiedlichen Kulturen haben ihn geprägt. Cla und er hatten nie über Treue gesprochen, für Baran war es selbstverständlich, während Cla wiederholt kurze Affären hatte und in den langen Stunden seiner Reise beginnt Baran über die Zukunft ihrer Beziehung nachzudenken.
Erzählform und Sprache
Dieser Roman spielt in dem kurzen Zeitrahmen einer Bahnreise durch Europa. Die einzelnen Kapitel tragen als Überschrift jeweils zwei Städte und die Handlung schildert die Ereignissen auf dem jeweiligen Streckenabschnitt, wobei der Ablauf chronologisch und entsprechend der Route erfolgt. Doch es sind nicht die vorrangigen Ereignisse, die diese Geschichte prägen, und auch nicht die genauen Schilderungen der Landschaften, Dörfer, Städte, durch welche wir der Hauptfigur Baran folgen, sondern jedes Detail wird durch seine Erinnerungen, Überlegungen, Gedanken ergänzt. Er beobachtet Mitreisende, spricht mit ihnen, wobei es oft um die Geschichte der jeweiligen Gegend geht, aber auch um aktuelle Fragen. Doch die langen Reisestunden geben ihm auch Zeit, über seine Liebe zu Cla und über diese letzten Tage mit Alva nachzudenken und sich zu fragen, wie sein Leben weitergehen soll. Es ist eine leise, poetische und gleichzeitig sehr präzise Sprache und eine ungewöhnliche, spezielle Form, eine Geschichte zu erzählen.
Fazit
Ein Zug, der durch Europa und damit auch durch die Geschichte der Balkanländer fährt und ein Reisender, der aus dem Fenster schaut, beobachtet, und über seine Beobachtungen nachdenkt. gleichzeitig aber auch eine Reise durch sein bisheriges Leben, seine Erinnerungen und die Frage, ob er auf der bisherigen Strecke bleiben soll, oder ob seine Gedanken gerade die Weichen für eine Abzweigung in eine neue Richtung stellen.
„Ich bin hier, um meine Tochter zu finden, die von Deutschland aus herkam, um einen verrückten Traum zu realisieren, sagte er sich und wusste, schon dieser Anlass für die Reise hätte seinen Vater den Kopf schütteln lasen.“ (Zitat Pos. 46)
Inhalt
Murad lebt in Berlin. Seit der Scheidung von seiner Frau Dorothee hat er den Kontakt zu der gemeinsamen Tochter Naima verloren, doch er war überzeugt, seine Tochter, inzwischen zwanzig Jahre alt und eine moderne junge Frau, gut zu kennen. Bis Naima vor zehn Monaten verschwunden ist. Sie ist einem jungen Glaubenskrieger ins Kalifat Syrien gefolgt und ist nun verheiratet. Murad lässt nach seiner Tochter suchen, sein bester Freund Aziz, verfügt als Kriegsreporter über viele Kontakte. Dann beschließt Murad, sich selbst mit Hilfe von Schleppern in das kurdische Grenzgebiet durchzuschlagen, vor Ort auf neue Informationen zu warten und seine Tochter nach Hause zurückzuholen. In einem kleinen Dorf wartet er auf den Boten, der mit einer syrischen Organisation in Verbindung steht, die Aussteigern, die zurück nach Hause wollen, bei der Flucht aus dem Kalifat zu helfen. Ist die junge Frau, die in einem Audiotagebuch von ihrem Leben berichtet, seine verschollene Tochter Naima? Wie kann er wissen, ob die tief verschleierte Frau auf den Fotos seine Tochter ist? Wenn ja, will sie überhaupt gerettet werden?
Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht ein Vater mit kurdischen Wurzeln, der in Deutschland aufgewachsen ist und der Heimat seiner Eltern längst entfremdet, auf der Suche nach seiner Tochter, die sich genau diesen Wurzeln zugewendet hat und schon in der Pubertät den Kontakt zum Vater weitgehend abgebrochen hat. Themen sind Familiengefüge zwischen den Kulturen und Religionen, Freundschaft, Vertrauen, die unterschiedlichen Welten und Denkweisen in Ost und West, die Einflussnahme der westlichen Politik auf die Konflikte in diesem gefährlichen Krisengebiet.
Charactere
Seine Frau denkt über Murad „immer zu spät und dann in der falschen Richtung unterwegs.“ (Zitat Pos. 868) Sie drängt, will genaue Berichte und Ergebnisse über die Suche nach ihrer Tochter und versteht nicht, dass es in dieser sensiblen, gefährlichen Situation wichtig ist, Geduld zu haben, zu vertrauen und zu warten. Murad und die Menschen, die er trifft, vertiefen in ihren Ansichten und in ihrem Verhalten die Authentizität dieser Geschichte.
Erzählform und Sprache
Es ist eine Geschichte auf vielen Ebenen, in einer personalen Erzählform in deren Mittelpunkt die Hauptfigur Murad steht. Murad reist in ein Dorf im türkisch-syrischen Grenzgebiet, unternimmt mit seinem Fahrer Streifzüge, trifft sich mit seinen Mittelsmännern. Als sein Zimmervermieter ihm ein abgeschiedenes kleinen Haus in Miete überlässt, hat Murad einen Rückzugsort. In den nun folgenden einsamen Stunden und Tagen des Wartens entwickelt sich eine zweite Geschichte, die der Bewusstseinsströme seiner Erinnerungen, Überlegungen und Gedanken. Er denkt über sein Verhältnis zu seiner verschwundenen Tochter nach, fragt sich, was er als Vater hätte besser machen können. Hätte er mehr mit ihr über die kulturellen Wurzeln der Familie gesprochen, hätte sie das vielleicht daran gehindert, selbst in einer ihr völlig fremden Welt danach zu suchen. Kritisch hinterfragt Murad in seinen Gedanken die Eingriffe der westlichen Politik in diese Krisenregion und die kulturellen Unterschiede, die schon in der Familienstruktur beginnen. Im Hintergrund verläuft jedoch, für Murad und damit auch uns Leser zunächst unbemerkt, eine dritte, reale Geschichte, die sich mit kleinen Hinweisen erst zum Ende erschließt. Die Sprache erzählt einfühlsam von der realen und philosophischen Suche eines Vaters nach seiner verschwundenen Tochter, nimmt sich aber auch Zeit für bildintensive Schilderungen der wilden, kargen Landschaft, des Dorflebens, der Menschen und der Natur.
Fazit
Ein beeindruckender, auch sprachlich überzeugender Roman, eine vielseitige Geschichte und eine besondere Art des Erzählens mit wichtigen, aktuellen Themen, der wir mit Interesse und gebannt folgen und die zum weiteren Nachdenken anregt.
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