Die eigentümliche Vorliebe für das Meer – Gregor Hens

AutorGregor Hens
VerlagAufbau Digital
Datum15. August 2023
AusgabeKindle Ausgabe
Seiten257 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB0C2ZH6PZ8

„Am liebsten würde sie die Routine zwischen Wohnung, Bibliothek und Klinik ewig fortführen. Ihr Leben ist ein Dreieckskurs, vorhersehbar und sicher, es gibt keine Überraschungen, alles hat seine Ordnung.“ (Zitat Seite 18)

Inhalt

Als sie achtzehn Jahre alt ist, verlässt Benedita „Dita“ Chou da Luz ihre Heimatstadt Nam Van und ihre Familie. Sie zieht nach Europa, nach Geest, in das Haus, das sie von ihrer Urgroßmutter Janne geerbt hat, und studiert Medizin. Sie will Ärztin werden. Jetzt, an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag, kehrt sie nach Nam Van zurück. Ihr Onkel Gabriel, der das Luxushotel Majestic leitet, das der Familie gehört, hat sie eingeladen. Ein neunzehnstöckiges Luxushotel, ein goldener Turm, der wie ein Leuchtturm alles überstrahlt, wird dieses Haus auch Benedita ihren weiteren Weg weisen?

Thema und Genre

Dieser Generationenroman ist die Geschichte der Familie Chou da Luz. Es geht um das Leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten und Kulturen, um Beziehungen, Kinder, Erinnerungen, Familiengeheimnisse, Liebe und Schuld – und immer geht es auch um das Meer.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird abwechselnd von Gabriel und Dita erzählt. Sie beginnt in der Jetztzeit und geht dann weit in die Vergangenheit zurück. „Es ist, als wollte Benedita die Familiengeschichte von hinten aufrollen. Als wollte sie selbst verstehen, an welchem Punkt die Dinge aus dem Ruder gelaufen sind.“ (Zitat Seite 242) So entsteht langsam ein buntes und bewegtes Bild einer Familie, beginnend mit den beiden sehr unterschiedlichen Urgroßmüttern, weiter zu Ditas Großeltern, bis zu den ebenso unterschiedlichen Brüdern Gabriel und Tovo, Ditas Vater. Diese Art des Erzählens fasziniert sofort durch die Vielfalt der dadurch immer deutlicher aus der Vergangenheit und den vielen verschwiegenen Lücken in der Familiengeschichte hervortretenden Figuren, ihrer Konflikte und Handlungen. Verbunden sind diese Ereignisse mit bildintensiven Beschreibungen der Entwicklung der Hafenstadt Nam Van, der Landschaften und der Natur. Die Sprache ist kraftvoll, einfühlsam und poetisch.

Fazit

Eine spannende Geschichte, deren Vielfalt und Figuren begeistern. Ein Roman, den man von der ersten bis zur letzten Seite mit Begeisterung und Vergnügen liest.

Léon und Louise – Alex Capus

AutorAlex Capus
VerlagCarl Hanser
Datum7. Februar 2011
AusgabeKindle-Ausgabe
Seiten320 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB004W2JWZG

„Da haben wir uns ein paar Jahre lang ziemlich nah beieinander die Hintern plattgesessen. Das nennt man Pech.“ (Zitat Seite 135)

Inhalt

Der junge Morseassistent Léon Le Gall ist siebzehn Jahre alt, als er Louise Janvier im Frühling 1918 kennenlernt. Pfingsten 1918 hat er drei Tage dienstfrei und er fährt mit ihr an den Ozean. Auf der Heimfahrt geraden sie in einen Angriff der Deutschen, Léon wird schwer verletzt und er erhält die Nachricht, Louise habe nicht überlebt. Auch Louise sagt man, dass Léon tot sei. 1928 begegnen sie einander zufällig in Paris wieder, doch Léon ist inzwischen mit Yvonne verheiratet und Vater, obwohl er nie aufgehört hat, an Louise zu denken.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um eine große Liebe, die sich durch ein ganzes Menschenleben zieht, die durch schicksalshafte Ereignisse jedoch nur heimlich gelebt werden kann, mit jeweils jahrelangen Unterbrechungen. Es geht um Familie, Verantwortung und Entscheidungen. Gleichzeitig ist dies die Geschichte Frankreichs während der beiden Weltkriege.

Erzählform und Sprache

Es ist der Enkel von Léon Le Gall, der die Lebensgeschichte seines Großvaters schildert, aktuell beginnend mit den Ereignissen vom 16. April 1986, an dem eine Frau eine Fahrradklingel in den Sarg seines Großvaters legt.  Von hier aus schwenkt die Geschichte direkt in die Vergangenheit und beginnt mit dem Tag, an dem der junge Léon dieses besondere Mädchen mit der gepunkteten Bluse zum ersten Mal sieht. Von da an zieht sich diese besondere Liebesgeschichte durch das ganze Leben von Léon und Louise und wird durch Details aus der großen Familie Le Gall auch zu einer Generationengeschichte. Die fiktiven Ereignisse fügen sich in die historischen Fakten ein, besonders in die Zeit der beiden Weltkriege und damit verbunden, das Leben in Paris während der deutschen Besatzung. Die Sprache erzählt eindrücklich, einfühlsam, doch immer mit leichtem Humor und niemals kitschig.

Fazit

Eine ungewöhnliche, mit charmanter Leichtigkeit erzählte Liebes- und Lebensgeschichte, deren Ereignisse eingebettet sind in den realen historischen Hintergrund Frankreichs im 20. Jahrhundert.

Das Lächeln der Königin – Stefanie Gerhold

AutorStefanie Gerhold
VerlagGaliani-Berlin
Datum8. Februar 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3869712987

„Bedeutenden Fund gemacht. Beschreiben nutzlos. Brief folgt. Borchardt. (Zitat Pos. 139)

Inhalt

James Simon ist der vermögende Inhaber einer florierenden Berliner Textilfirma. Sein Vermögen setzt er für viele soziale Projekte ein, aber er ist auch ein begeisterter Kunstmäzen. Während der Weihnachtsfeier 1912 erhält er ein Telegramm des Archäologen Ludwig Borchardt, dessen Ausgrabungen in Tell el-Amarna James Simon ebenfalls finanziert. Noch ahnt Simon nicht, welche Auswirkungen die Entdeckung der Werkstatt des Bildhauers Thutmes haben wird und vor allem der Fund der Büste der Nofretete. Bei der Aufteilung der Funde gelingt es Borchardt, die Büste der Königin für Berlin zu gewinnen, indem er dem Ägyptischen Museum den Klappaltar mit einem Bild des Königspaares Echnaton und Nofretete mit drei Kindern überlässt. 1913 erhält er tatsächlich die Ausfuhrgenehmigung nach Deutschland. Öffentlich ausgestellt wird bie Büste jedoch erst im Jahr 1924, und damit beginnen auch die Diskussionen um eine Rückgabe.

Thema und Genre

Obwohl es sich hier um einen Roman, somit um Fiktion handelt, sind die Menschen und Fakten real und auch die Ereignisse wurden von Stefanie Gerhold an die vorhandenen geschichtlichen Quellen wie Biografien und Fachliteratur angepasst. Themen sind Ausgrabungen, das alte Ägypten, aber auch das gesellschaftliche Leben im pulsierenden Berlin der Zwanziger Jahre als Zentrum der Kultur und Wissenschaft. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der bedeutende Sammler und Mäzen James Simon, dem die Berliner Museen wertvolle Sammlungen und Kunstschätze verdanken.

Erzählform und Sprache

James Simon steht im personalen Mittelpunkt der chronologisch erzählten Ereignisse. Die Sprache schildert lebhaft und spannend und ist auch auf Grund der genauen Recherche interessant zu lesen. Ein Epilog erzählt mit historischen Daten und Fakten die hier als Roman begonnene Geschichte real zu Ende.

Fazit

Eine unterhaltsame, packende Geschichte zwischen Fiktion und Fakten, eine ausgewogene, gelungene Kombination aus Roman und geschichtlichem Hintergrund, die man mit Vergnügen liest.

Hotel Amerika – Maria Leitner

AutorMaria Leitner
Verlagmehrbuch Verlag
Datum10. November 2021
AusgabeKindle
Seiten235 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB09X61WZNP

„Du wirst schon sehen, ich werde wirklich gehen, noch heute, alles dalassen, dies ganze hässliche, schwere Leben. Möchtest du das nicht auch? (Zitat Pos. 127)

Inhalt

Shirleys Mutter Celestine ist Scheuerfrau im Hotel Amerika, die junge Shirley ist eine der Wäscherinnen. Seit sechs Jahren lebt Shirley mit ihrer Mutter und drei weiteren Frauen in einem erbärmlichen, engen Zimmer in diesem New Yorker Hotel, das die Gäste mit jedem nur denkbaren Luxus verwöhnt. Shirley träumt von einer Veränderung in ihrem Leben, bald wird auch sie das Hotel als Gast betreten, das hat ihr ihr neuer Freund versprochen. Heute soll ihr letzter Tag als schwer arbeitende Wäscherin sein, doch die Ereignisse entwickeln sich anders, als von ihr erwartet.

Thema und Genre

In diesem sozialkritischen Roman geht es um den Traum von einem besseren Leben in Amerika, der sich jedoch nur für einen kleinen Teil der New Yorker Bevölkerung erfüllt hat. Die meisten Einwandererfamilien fristen ein Leben unter den härtesten Arbeitsbedingungen, immer in Sorge um den Arbeitsplatz. Es geht um Erpressung, Liebe, Luxus, Armut, Träume, und den Beginn von gewerkschaftliche Zusammenschlüssen.

Erzählform und Sprache

Dieser Klassiker, erschienen 1930, spielt an einem einzigen Tag und ist eine interessante Mischung aus Kriminalgeschichte und gesellschaftskritischem Zeitbild. Eine bunte Vielfalt von unterschiedlichen Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Schicksalen erlebt die ebenso vielfältigen Ereignisse an diesem besonderen Tag. Durch Erinnerungen und Gespräche ergeben sich viele Einzelgeschichten, deren Fäden sich bereits um die Mittagszeit in diesem Hotel verknüpfen, während die Vorbereitungen für eine Luxushochzeit laufen und das Personal erstmals bei einem völlig ungenießbaren Mittagessen offen gegen die Missstände aufbegehrt. Maria Leitner war bekannt für ihre intensiven Recherchen, für ihre Sozialreportagen nahm sie auch selbst inkognito Arbeit in den unterschiedlichen Bereichen an und diese Erfahrungen finden sich in auch in diesem Roman wieder, was die Geschichte zu einem authentischen Zeitbild macht. Ich selbst habe die Kindle-Version gelesen, doch am 16. Februar 2024 erscheint im Reclam Verlag unter der ISBN-13: 978-3150114766 eine neue, gebundene Ausgabe.

Fazit

Ein Klassiker, der bei seinem Erscheinen 1930 sehr erfolgreich war, bis die Bücherverbrennung im Jahr 1933 den Roman für viele Jahre in Vergessenheit geraten ließ. Dicht, interessant, authentisch, lesenswert.

Yellowface – Rebecca F. Kuang

AutorRebecca F. Kuang
VerlagHarper Collins Publ. UK
Datum16. Mai 2023
AusgabeBroschiert
Seiten323
SpracheEnglisch
ISBN-13978-0008532789

„The night I watch Athena Liu die, we’re celebrating her TV deal with Netflix.“ (Zitat Seite 1)

Inhalt

Mit dem oben zitierten Satz beginnt dieser Roman. June Hayward und Athena Liu, zwei jungen Autorinnen, sind seit der Collegezeit befreundet. Im Gegensatz zu June, die immer noch vom großen Durchbruch träumt, wurde bereits der erste Roman von Athena ein gefeierter Bestseller und Athena ist seither eine in den Medien präsente, sehr erfolgreiche Autorin. Eines Abends, genau genommen ist es Mitternacht, feiern sie in Athenas Appartement, als diese bei einem plötzlichen Unfall stirbt. Kurz darauf präsentiert June das Manuskript für ihren neuesten Roman „The Last Front“, eine Geschichte über chinesische Arbeiter im Ersten Weltkrieg, und nicht nur ihr Agent ist sofort begeistert. Doch bald entstehen in den sozialen Medien brisante Diskussionen, nicht nur darüber, ob June, die den Roman unter ihren Vornamen Juniper Song veröffentlicht, als weiße Frau ohne chinesische Wurzeln einen Roman über ein Thema aus der chinesischen Geschichte schreiben darf. Noch könnte June einige Dinge richtigstellen, doch andererseits hat sie nun endlich den Erfolg, der ihr ihrer Meinung nach zusteht.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Literatur, die vielen Aspekte der Literaturszene und der Social Media, um den kreativen Schreibprozess und die brisante Frage, wer worüber schreiben darf, um Identität und kulturelle Aneignung. Themen sind Erfolg, Eifersucht, Wahrheit und die erste Lüge, der immer mehr Lügen folgen.

Erzählform und Sprache

Rebecca F. Kuang wählt eine moderne Form des Erzählens. Einerseits lässt sie June selbst als Ich-Erzählerin ihre Geschichte schildern, was klar ist, denn nur June kann wissen, was wirklich vorgefallen ist. Vermutungen, wie verlässlich June als Erzählerin ist, ob sie den Ablauf dieses besonderen Abends, als alles begann, wirklich so beschreibt, wie es tatsächlich stattgefunden hat, bleiben uns Lesern überlassen. Was jedoch diese bekannte und oft verwendete Erzählperspektive in diesem Roman auszeichnet, sind Junes Gedanken und Meinungen zu den vielen auftretenden Konflikten und Themen, die sie mit uns teilt, ihre Erfahrungen mit dem Literaturbetrieb und den omnipräsenten Usern der Social Media, aber auch ihre Schuldgefühle und Ängste. Gleichzeitig wendet June sich in ihren Überlegungen und auch Erklärungen der Hintergründe an uns Leser als imaginäre Gesprächspartner, und sucht durch ihre Argumente nach einer Bestätigung für ihre Entscheidungen. Dies führt dazu, dass man mit June mitempfindet, ihre Schuldgefühle und zunehmende Bedrängnis intensiv miterlebt. Obwohl sie als Figur nicht sehr sympathisch ist und ich ihrem lockeren Umgang mit geistigem Eigentum nicht zustimmen kann, habe ich bald gehofft, dass sie einen Ausweg aus ihren immer dichteren Verstrickungen und Probleme findet, gleichzeitig neugierig, was sie als nächstes tun wird.

Ich habe das englische Original gelesen und so auch die eindrückliche, sehr gut zu lesende Sprache genossen. Die deutsche Übersetzung trägt ebenfalls den Titel Yellowface und erscheint am 29. Februar 2024 im Eichborn Verlag.

Fazit

Eine facettenreiche, intensive Geschichte, spannend wie ein Kriminalroman, beklemmend durch unergründliche Vorfälle, ein überzeugendes Leseerlebnis.

The Beachside Guest House – Vanessa Greene

AutorVanesse Greene
VerlagSphere
Datum15. April 2015
AusgabeKindle-Edition
Seiten384 (Print-Ausgabe)
SpracheEnglisch
ASINB00S9R33AK

„All the time the windmill was getting closer. The place that had lit up a corner of her mind for so long – a symbol for something better, freer, happier, was now becoming real.” (Zitat Pos. 2116)

Inhalt

Als Iona, Rosa und Bee achtzehn Jahre alt waren, hatten sie einen wunderbaren Urlaub in einer umgebauten Windmühle auf Paros verbracht. Damals lag das Leben noch vor ihnen. Jetzt, ungefähr elf Jahre später, denkt Rosa über einen Neubeginn nach und als sie zufällig liest, dass das Windmill Guest House in Konkurs gegangen ist und zum Verkauf steht, greift sie zu. Bee, die gerade ihre bevorstehende Hochzeit abgesagt hat, weil sie plötzlich nicht mehr sicher war, übersiedelt mit Rosa nach Paros. Als sie vor dem Guest House stehen, müssen sie entsetzt feststellen, dass es wesentlich desolater ist, als auf den Fotos zu sehen war, doch Aufgeben ist keine Option für Rosa und Bee. Könnte sie das Guest House mit den schönen, gemeinsamen Erinnerungen, auch Iona wieder näherbringen, die vor zwei Jahren plötzlich allen Kontakt zu den beiden Freundinnen abgebrochen hatte?

Thema und Genre

In diesem Wohlfühlroman geht es um Frauenfreundschaft, Beziehungen, Neubeginn, und natürlich die romantische, griechische Insel Paros, wo auch in der Liebe einige Überraschungen auf die Frauen warten.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog 2003, wird mit Kapitel 1 im Oktober 2014 fortgesetzt und chronologisch weitererzählt. In den einzelnen Kapiteln steht jeweils eine der drei Hauptfiguren Rosa, Bee und Iona im personalen Mittelpunkt, in anderen Kapiteln auch alle gemeinsam. Die Sprache ist sehr angenehm zu lesen und Romane wie dieser bieten sich an, englische Bücher in der Originalsprache zu lesen, um perfekt in die Stimmung einzutauchen.

Fazit

Eine entspannte, aber nicht seichte, Wohlfühlgeschichte mit griechischer Urlaubsstimmung und Inselfeeling.

The Seafront Tea Rooms – Vanessa Greene

AutorVanessa Greene
VerlagSphere
Datum8. September 2014
AusgabeKindle – English
Seiten417 (Print-Ausgabe
SpracheEnglisch
ASINB00IA2E5LU

„It enveloped her, as comforting as a duvet on a chilly winter’s day. The interior of the Seafront was reassuringly familiar – the wooden tables neatly laid with pressed white tablecloths, the delicate china teacups lining the shelves, and the 1920s table lamps.“ (Zitat Seite 8)

Inhalt

Charlie, gerade von Ben getrennt, schreibt seit acht Jahren für die Zeitschrift Indulge und ist für die nächste Ausgabe verantwortlich, sie könnte Chefredakteurin werden. Daher soll ihr Artikel etwas Besonderes werden, sie ist auf der Suche nach den besten englischen Tea Rooms. Ihr Weg führt sie nach Scarborough, wo ihre Schwester Pippa mit ihrer Familie lebt. Dort entdecke sie Letty und ihre Seafront Tea Rooms und lernt die alleinerziehende Mutter Kat mit ihrem kleinen Leo kennen und Séraphine aus Frankreich, die gerade als au pair für die zehnjährige Zoe in Scarborough tätig ist. Charlie ist fasziniert von den Seafront Tea Rooms, doch Kat kann sie überzeugen, diesen besonderen Rückzugsort nicht in ihren Artikel aufzunehmen, sondern gemeinsam weitere Adressen zu erkunden. Doch es sind nicht nur besondere Tea Rooms und dort die Afternoon Teas mit Scones und Kuchen, die sie entdecken, sondern sie finden auch für sich selbst heraus, wer sie sind und wie sie ihr weiteres Leben gestalten wollen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um englische Küstenorte, Familie, Liebe, Enttäuschungen, persönliche Probleme und Krisen. Es geht um Zusammenhalt und Frauenfreundschaft, aber auch um die besonderen, für England typischen Teestuben. Auch die Freude am Backen spielt eine Rolle.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird chronologisch erzählt, von Mitte August bis Anfang November, wobei die drei Hauptfiguren abwechselnd oder auch gemeinsam im Mittelpunkt stehen. Die Kapitel tragen das jeweils Tag und Datum als Überschrift und manche Ereignisse können so gleichzeitig, aber an verschiedenen Orten und mit nur einer der Hauptfiguren stattfinden. Dies garantiert ein genussvolles Lesen. Romane wie diese lese ich prinzipiell in der englischen Originalsprache und bin dann schon mit dem ersten Satz auch mit meinen Gedankenbildern mitten im Geschehen.

Fazit

Eine gemütliche, bezaubernde Wohlfühlgeschichte für entspannte Stunden.

Passage to Inis Mór: Could a Legend Save a Life? – Brian O’Raleigh

AutorBrian O’Raleigh
VerlagIndependently published
Datum22. November 2021
AusgabeKindle
Seiten318 (Print-Ausgabe)
SpracheEnglisch
ASINB09MFQ1Y7T
ISBN-13979-8414210658

„A few minutes later he was bringing the taxi to a halt outside a neatly kept whitewashed cottage standing alone in a field overlooking a small bay.” (Zitat Pos. 1160)

Inhalt

Als sein Vater bei einem Autounfall stirbt, verlässt Conners Mutter noch am Tag des Begräbnisses die irische Insel Inis Mór und der siebenjährige Conner wächst als John in Australien auf. Als seine Großmutter Grace O’Rourke stirbt, ist Conner achtunddreißig Jahre alt, seine zuvor erfolgreiche Werbefirma in Sidney steht vor dem Bankrott und seine Frau Nicky hat ihn gerade mit dem gemeinsamen Sohn Tristan verlassen. Von seiner Großmutter erbt er das alte Cottage in Kilmurvey, seit mehr als zweihundert Jahren im Familienbesitz, und das alte Segelboot Erin, das sein Großvater gebaut hatte. Conner will das Cottage verkaufen und so seine finanziellen Probleme in Sydney lösen, doch eine Klausel im Testament verhindert dies. So beschließt er statt dessen, das stark beschädigte Segelboot instand zu setzen. Ein alter Mann unterstützt ihn tatkräftig und mit Fachwissen.  Er kennt sich mit Bootsbau aus, doch nicht nur damit. Der Mann erklärt Conner, dass jeder Mensch eine besondere Gabe hat. „Your father was a Seanachie, a storyteller.“ (Zitat Pos. 1239) Wird Conner herausfinden, welche Gabe er hat, um wieder in seinem eigenen Leben anzukommen?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Leben der Menschen auf den irischen Aran-Inseln, um Familie, Traditionen, um die eigenen Wurzeln und die Suche nach einem Platz im eigenen Leben. Es geht um Scheitern und Verlust, aber auch um Freundschaft, Liebe, Veränderungen und Magie.

Erzählform und Sprache

Conner O’Rourke erzählt seine Geschichte selbst in der ersten Person. So erfahren wir durch seine Erinnerungen viele Details aus seinem bisherigen Leben. Wir lauschen mit ihm den Geschichten des alten Mannes und erkennen an Conners Gedanken, wie er beginnt, sich zu verändern. Die Sprache erzählt klug, einfühlsam und poetisch.

Meine Ausgabe wurde schon 2014 unter dem Titel “The Storyteller of Inis Mór: Could a legend save his life?” herausgebracht, nun ist eine neuere Version erhältlich.

Fazit

„It was a magical, mystical evening and beyond a shadow of a doubt the strangest evening, that I’d ever spent in my entire life.“ (Zitat Pos. 3760). Besser kann man diese phantasievolle, wunderbar zu lesende Geschichte mit ihren vielen Facetten nicht beschreiben. Mich hat dieser Roman sofort in Gedanken und Erinnerungen zurück auf diese besondere Inselgruppe geführt, die mich bei meinem Besuch vor vielen Jahren sehr beeindruckt hat, doch man muss die Aran Inseln nicht kennen, um von diesem Roman verzaubert zu werden.

Das späte Leben – Bernhard Schlink

AutorBernhard Schlink
VerlagDiogenes Verlag
Datum13. Dezember 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257072716

„Nein, für das Leben lässt sich keine Bilanz ziehen. Man macht dies und macht das, und am Ende war’s ein Leben. Mehr ist es nicht.“ (Zitat Seite 162, 163)

Inhalt

Der Jurist Martin Brehm ist sechsundsiebzig Jahre alt, als erfährt, dass er an Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium erkrankt ist und ihm maximal noch ein halbes Jahr bleibt. Seit zwölf Jahren ist er mit der wesentlich jüngeren Künstlerin Ulla verheiratet und David, der gemeinsame Sohn, ist erst sechs Jahre alt. Welche gemeinsamen Erinnerungen kann er seinem Sohn hinterlassen, was kann und sollte er noch regeln und wie will er die nächsten Wochen für sich selbst gestalten?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehung, Familie, Liebe, um das Abschiednehmen am Ende eines Lebens, um das Schaffen von gemeinsamen Erinnerungen und vor allem geht es darum, loszulassen.

Charactere

Martin Brehm blickt auf ein erfolgreiches Leben zurück, das von der Kindheit an davon geprägt ist, die Erwartungen zu erfüllen. Manchmal wurde er für kaltblütig gehalten, weil seine Gefühle sich immer erst mit einer gewissen Verzögerung einstellten. Seine Diagnose sieht er sachlich und die Situation wird für ihn rasch alltäglich.

Erzählform und Sprache

Martin steht im personalen Mittelpunkt des Geschehens und der Problematik, es ist seine Geschichte, die hier erzählt wird, seine Gedanken, Empfindungen und Überlegungen. Wir tauchen in seine Erinnerungen ein und sind gespannt auf seine Reaktion auf eine überraschende Entdeckung. Interessant ist es, Martins eigene Veränderung, die er in diesen Wochen durchläuft, mitzuerleben. Der Schriftsteller Bernhard Schlink erzählt auch diese Geschichte in seiner leisen, poetischen und präzisen Sprache.

Fazit

Eine einfühlsame Geschichte über die Entscheidung, wie ein Mensch die letzten Wochen seines Lebens selbstbestimmt verbringen will. Trotz des ernsten Themas ist es eine positive Geschichte, deren psychologische Elemente zum Nachdenken darüber anregen, wie man sich selbst in dieser Situation und mit diesem Wissen um die kurze, noch verbleibende Lebenszeit, entscheiden würde.

Midnight at the Christmas Bookshop – Jenny Colgan

AutorJenny Colgan
Verlag Little, Brown Book Group
Erscheinungsdatum 26 October 2023
FormatPaperback
Seiten343
SpracheDeutsch
ISBN-1313: 978-1408726211

“Snow was falling gently, piling up on the old-fashioned mullioned windows of the little shops on Edinburgh’s Victoria Street; laying Calmly on the pavements; covering the world with its softness.” (Zitat Seite 1, so beginnt dieser neue Roman)

Darum geht es

Mit diesem oben zitierten ersten Satz beginnt der zweite Roman um eine kleine Buchhandlung in diesem berühmten, besonders schönen Teil der Old Town, genau unter Edinburgh Castle. Schnee, Weihnachtsdekorationen in „ihrem“ geliebten Buchgeschäft und das mitten im sonnigen August, verbunden mit einem romantisch-verklärten Bild von Schottland. Carmen Hogan verabscheut das alles, doch sie brauchen das Geld der Filmgesellschaft, um ihr Buchgeschäft, genau genommen ist es natürlich Mr. McCredies Buchgeschäft, zu erhalten. Andere kleine Geschäfte in der Gegend geben auf und stellen auf den Verkauf von bunten, kitschigen Souvenirs um, für Carmen keine Option. Mit dem Beginn der Weihnachtszeit bahnen sich jedoch einige Veränderungen in Carmens Leben an. Sie braucht Ideen, um Mr. McCredies Weihnachtswunsch zu erfüllen und entdeckt dabei verborgene Bereiche des kleinen Buchgeschäfts. Weihnachten, eine Zeit, in der Wunder möglich scheinen, auch für Carmen?

In diesem Roman geht es um Bücher, eine kleine, zauberhafte Buchhandlung im historischen Zentrum von Edinburgh, die besondere Magie der Weihnachtszeit, um Freundschaft, Zusammenhalt, Familie und um die Liebe.

Meine Meinung

Ich habe das englische Original gelesen. Jenny Colgan weiß einfach, wie man diese zauberhafte Zeit rund um Weihnachten mit den typischen Traditionen, den festlich geschmückten Straßen und Häusern, so gekonnt schildert, dass man sich beim Lesen sofort im Dezember in Edinburgh befindet. Dieses Setting und eine romantische Geschichte mit einer gelungenden Mischung aus Gefühl, Geborgenheit, Nachdenklichkeit und Humor, dazu sympathische, eigenwillige Figuren, ergeben ein Wohlfühlbuch, perfekt für diese besondere Zeit des Jahres.

Nur zwei alte Männer – Thomas Sautner

AutorThomas Sautner
VerlagPicus Verlag
Datum22. Februar 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3711721327

„Haust du das gewusst? Dass du ein außergewöhnlich gut anzuzwinkernder Mensch bist?“ (Zitat Seite 10)

Inhalt

Julia Stern, zweiundfünfzig Jahre alt, ist die Leiterin des Kunst- und Zeitgeschichtearchivs in Wien und als ihre Mutter ihr auf dem Sterbebett gesteht, dass Joseph Wasserstein ihr leiblicher Vater sei, will sie diesen kennenlernen, unter dem Vorwand, einen Bildband zu planen. In seiner aktiven Zeit war Joseph Wasserstein ein berühmter, sehr erfolgreicher Fotograf, Erfinder einer besonderen Art zu fotografieren, nach ihm benannt. Damals waren ihm alte Menschen weise und gelassen vorgekommen, heute ist er selbst dreiundachtzig Jahre alt und nicht gelassen, sondern mürrisch und frustriert. Sein Nachbar und seit vierzig Jahren auch Freund Elve Hakim sieht dies anders. Mit sechsundsiebzig Jahren gibt er Kurse für orientalischen Tanz, spricht deutsch, denkt arabisch. So tanzen nicht nur seine Sätze, sondern auch er selbst durchs Leben. Schon nach dem ersten Treffen besucht Julia die beiden alten Männer regelmäßig und die nachmittäglichen Gespräche im Garten von Josephs Villa werden ein Fixpunkt im Leben dieser drei Menschen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Älterwerden, Verständnis und Freundschaft, Philosophie und die Fragen des Lebens.

Erzählform und Sprache

Diese Geschichte eines Sommers, in dem es im Juni nochmals schneit, wird von den drei in ihrer Art so unterschiedlichen Figuren Joseph, Elve und Julia, getragen. Mit eindrücklicher Leichtigkeit schildert Thomas Sautner die Ereignisse des Alltags und die verständnisvolle Freundschaft zwischen den beiden alten Männern, die Julia sofort aufnehmen und in ihre Gespräche über das Leben, die Welt und die Geheimnisse des Universums, ihre Gedanken und Erinnerungen einbeziehen. Gleichzeitig beschäftigt ein aktuelles, beinahe magisches Ereignis nicht nur die Welt, sondern auch diese drei Menschen.

Fazit

Eine poetisch-locker-magische Geschichte über Freundschaft und das Leben.

The Summer Without Men – Siri Hustvedt

AutorSiri Hustvedt
VerlagSceptre
Datum3 March 2011
AusgabeKindle Edition
Seiten225 (print-version)
SpracheEnglish
ASINB004Q9TK7A

“I will report on that later. Chronology is sometimes overrated as a narrative device.” (Zitat Seite 198)

Inhalt

Die fünfundfünfzig Jahre alte New Yorker Dichterin und Universitätsprofessorin Mia Fredricksen schlittert in eine ernste persönliche Krise, als ihr Mann Boris nach dreißig gemeinsamen Ehejahren eine Pause braucht. Rasch findet sie heraus, dass diese Pause eine wesentlich jüngere Kollegin ist. Sie beschließt, diesen Sommer als eigene Auszeit im ländlichen Ort ihrer Kindheit in Minnesota zu verbringen, umgeben von Frauen unterschiedlicher Generationen. Da sind ihre Mutter und deren vier lesebegeisterte Freundinnen, die älteste ist einhundertzwei Jahre alt. Spontan übernimmt Mia die Aufgabe, einen Lyrikkurs für Mädchen im Teenageralter zu geben. Sie hat ein Haus über den Sommer gemietet und freundet sich auch mit ihrer Nachbarin an, eine junge Mutter. Inzwischen hält Mias Tochter Daisy in New York den Kontakt zu ihrem Vater aufrecht.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um unterschiedliche Frauen aus verschiedenen Generationen, ihre Probleme, Konflikte, Freundschaft, Beziehungen, Ehe, Familie und die Erkenntnis, dass es möglich ist, in jeder Lebensphase neue Wege gehen zu können.

Erzählform und Sprache

Siri Hustvedt wählt hier eine moderne Schreibform, durchbricht die chronologischen Abläufe oft durch eigene Bewusstseinsströme, gedankliche Ausflüge in die Literatur, Erinnerungen, um dann nach einigen Umwegen wieder über die Ereignisse dieses aktuellen Sommers zu berichten. Die Sprache bringt Ruhe in die facettenreichen Handlung und ist einfühlsam, ehrlich und übt durchaus humorvoll Selbstkritik. Ich habe das englische Original gelesen, im Juni 2024 wird bei Rowohlt Taschenbuch eine neue Sonderausgabe von „Der Sommer ohne Männer“ erscheinen.

Fazit

Die Geschichte eines Sommers, in deren Mittelpunkt Frauen aller Alters- und Lebensstufen stehen, mit zeitlos aktuellen Themen.

Warten auf den Anruf – Birgit Rabisch

AutorBirgit Rabisch
VerlagAchter Verlag
Datum12. Oktober 2009
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten504
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3981237214

„Es geht mir darum, mir eine Familie zu erschreiben. Keine Traumfamilie, keine Wunschfamilie … überhaupt eine Familie.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Die Schriftstellerin Verena will ihre Geschichte über die wichtigen Frauen ihrer Familie in der aktuellen Zeit beginnen, mit Irène Vonderwied, die darauf wartet, am nächsten Morgen einen besonderen Anruf zu erhalten. Doch ihre Agentin überzeugt sie, die Geschichte chronologisch zu beginnen, mit Verenas Urgroßmutter Emma Hartkopf, Gattin des Wissenschaftlers Erich Hartkopf, der bei der Entwicklung der Chemiewaffen im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte. Emmas Tochter Wilhelmine dagegen interessiert sich nicht für Chemie, sondern ist eine begeisterte Physikerin. Ihr Fachgebiet ist die Kernphysik und sie ist von den vielen Möglichkeiten einer friedlichen Nutzung der Atomenergie überzeugt, wenn nur erst der Zweite Weltkrieg zu Ende ist. Erst jetzt führt die Geschichte zu Wilhelmines Tochter Irène. Physik fand Irène schon immer langweilig. Sie ist eine international bekannte Biologin, Fachgebiet Stammzellenforschung.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um drei Generationen von Frauen und jede dieser Frauen ist mit einer in ihrer Zeit besonders wichtigen Wissenschaftssparte eng verbunden, Chemie, Physik und Biologie. Doch während Emma noch die traditionelle Ehefrau und Mutter ist, bestimmen Wissenschaft und Forschung das Leben von Wilhelmine und Irène, beide auf ihrem Fachgebiet hochbegabt, ehrgeizig und sehr erfolgreich. Themen sind Frauenleben, die Stellung der Frau im Gefüge der universitären Wissenschaften, Familie, Freundschaft, Liebe, und die mit den jeweiligen bahnbrechenden Forschungsergebnissen verbundenen ethischen Fragen nach persönlicher Verantwortung und über mögliche Grenzen der Wissenschaft.

Erzählform und Sprache

Dieser Roman ist ein drei große Abschnitte geteilt, Emma, Wilhelmine, Irène. Die Geschichte der im jeweiligen Mittelpunkt stehenden Frauenfigur wird chronologisch und personal erzählt. Erinnerungen greifen jedoch immer wieder in vorhergehende Abschnitte zurück und und ergänzen mit weiteren Details, besonderen Ereignissen, neuen Sichtweisen und Gedanken. Diese Erzählform sorgt für Spannung, während die präzisen, aber gut verständlichen Erklärungen der wissenschaftlichen und geschichtlichen Hintergründe, Fakten und Realität, die fiktive Handlung mit interessantem Wissen ergänzen. Die Autorin Verena als Ich-Erzählerin bespricht die einzelnen Schritte des Schreibprozesses an ihrer Geschichte mit ihrer Agentin und diese Gespräche umrahmen die drei Abschnitte, verbinden sie.

Fazit

Ein packender, interessanter Wissenschafts-, Frauen- und Generationenroman, eine spannende, gelungene Mischung, die man mit großem Vergnügen liest.

„What I Loved – Siri Hustvedt

AutorSiri Hustvedt
VerlagSceptre
Datum19. Januar 2012
AusgabeKindle-Ausgabe
Seiten386 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB006W2V0QI

„Every story we tell about ourselves can only be told in the past tense. It winds backward from where we now stand, no longer the actors in the story but its spectators who have chosen to speak.” (Zitat Seite 364)

Inhalt

1975 entdeckt Leo Hertzberg, Professor für Kunstgeschichte, in einer Galerie ein Gemälde eines damals noch weitgehend unbekannten Künstlers, das ihn durch die darin verborgene Aussagen sofort beeindruckt und eine Woche später kauft er es. William Wechsler, der Künstler, wollte wissen, wer sein Bild gekauft hatte und seit dem ersten persönlichen Treffen verbindet Leo und Bill eine enge Freundschaft. Fünfundzwanzig Jahre ist das nun her und Leo erzählt die Geschichte ihrer beiden Familien, die untrennbar miteinander verbunden sind.

Thema und Genre

Dieser Roman spielt in New York, im lebhaften Künstlerviertel SoHo, und es geht um Freundschaft, Ehe, Eltern und Kinder, um Lebensentwürfe und die Suche nach künstlerischen Ausdrucksformen, Künstlerleben und den Kunstmarkt. Wichtige Themen sind Psychologie und Gefühlswelten, Beziehungen zwischen Liebe und Obsession, Verlust, Trauer, Hoffnung und Enttäuschungen.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird ausgehend von der Gegenwart rückblickend erzählt, wobei ein chronologischer Zeitablauf, beginnend fünfundzwanzig Jahre zuvor, eingehalten wird. Dieser Rahmen wird jedoch durch viele weitere Ereignisse unterbrochen, an die sich der Ich-Erzähler Leo Hertzberg spontan erinnert. Da geht um um prägende Erlebnisse aus der Kindheit, Erinnerungen an die Eltern, aber auch einzelne Situationen und die damit verbundenen Gefühle. Im Mittelpunkt stehen zwei Familien: Leo Hertzberg, seine Ehefrau Erica Stein, Anglistin, der gemeinsame Sohn Matthew, und Bill Wechsler, seine erste Ehefrau, die Lyrikerin Lucille Alcott, der gemeinsame Sohn Mark, sowie Bills zweite Ehefrau, die Historikerin Violet Blom. Dazu kommen weitere wichtige Figuren, die durch ihr Verhalten das Leben der beiden Familie entscheidend beeinflussen. Ergänzt wird die Handlung durch eine lebhafte Schilderung der New Yorker Künstlerszene und kritische Betrachtungen des Kunstsektors. Siri Hustvedts Figuren zeichnen sich durch eine starke Präsenz und eine intensive Gefühlswelt aus, was diesen Roman eindrücklich und packend macht, zusammen mit gekonnt eingesetzten Spannungselementen. Diese Intensität spiegelt sich auch in der Sprache wider. Ich habe den Roman in der Originalsprache gelesen, die deutschsprachige Ausgabe trägt den Titel „Was ich liebte“.

Fazit

Eine komplexe, intensive und menschlich sehr kluge Geschichte, auch sprachlich überzeugend – keine Neuerscheinung, aber zeitlos lesenswert.

Alle ungezählten Sterne – Mirko Bonné

AutorMirko Bonné
VerlagSchöffling
Datum27. Juli 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten332
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613487

„Ich hatte eine junge Marsianerin bei mir zu Gast, nach einer Bruchlandung bei mir untergekrochen. Sobald Gefühle ins Spiel kamen, wurde alles, was sie von sich gab, kryptisch, und ich fragte mich, ob das Absicht war, fragte mich aber zugleich, zu welchem Zweck ich mich überhaupt auf sie einließ.“ (Zitat Seite 32, 33)

Inhalt

Der Ingenieur Benno Romik, ist beinahe siebzig Jahre alt und trotz seiner Pensionierung noch fallweise als sachverständiger Brückenkommissar in Hamburg tätig. Soeben hat er erfahren, dass seine Krankheit ihm nur mehr eine in Tagen abzählbare Restlebenszeit gewährt. Es ist in einer sternenklaren Julinacht, als Benno Romik auf seinem Balkon schläft, um dies ein Mal in seinem Leben getan zu haben, als um exakt 2 Uhr 48 ein geparktes Auto in Flammen aufgeht und die darauffolgende Explosion Hollie Magenta, einundzwanzig Jahre alt, unangepasst, tough, zornig und abweisend, in sein Leben wirbelt. Brücken begleiten sein Leben, er bewundert sie, begutachtet sie, doch er hat keine gebaut, nur in seinem Flur steht ein riesiges Modell. Nun muss er eine Brücke zu bauen, von Mensch zu Mensch, um alle gegenseitigen Vorurteile und das Unverständnis zwischen den Generationen zu überbrücken, eine Brücke, die auch ihm neue Wege eröffnen könnte

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Leben in den Unsicherheiten und Brüchigkeiten unserer aktuellen Zeit, von der älteren Generation teilweise schwer zu verstehen und um die Unterschiede zwischen den Generationen, die intensiver und unüberbrückbarer scheinen, als je zuvor. Im Zentrum stehen Brücken, real, oft Symbole, das Universum mit der Vielfalt an nicht zu fassenden Sternen und die ebenso schwer zu fassende Vielfalt an zwischenmenschlichen Beziehungen.

Erzählform und Sprache

„Das Gute an jedem Ende: Alles ist Vergangenheit. Auf mich kommt nichts mehr zu, ich habe die Zukunft hinter mir.“ (Zitat Seite 18) Mit diesem Argument bricht der Ich-Erzähler Benno Romik aus der Chronologie seiner Lebensgeschichte aus, er will nicht mehr schildern, sondern spontan erzählen. Sein Leben teilt er gedanklich in fünf Teile ein, beginnend mit der Kindheit und endend mit Hollie Magenta. Er folgt dem Ablauf der aktuellen Ereignisse, deren Zeitrahmen wenige Wochen umfasst, doch unterbricht er diese durch seine Erinnerungen und weit gefächerten Gedankenflüge, ungeordnet, wie sie sich ergeben. Er ist immer noch ein Suchender in seinem Leben, und diese Tage mit Hollie, die Gespräche und Auseinandersetzungen, stellen auch sein bisheriges Leben in Frage. Einfühlsam, aber mit einer geradlinigen Offenheit, geht Mirko Bonné mit seinen zwei Hauptfiguren um, und ebenso präzise umgibt er sie mit einem Kreis von ihnen nahestehenden Figuren, die zumindest in den Gedanken immer präsent sind und ihr Leben geprägt haben und immer noch prägen. Er ist ein poetischer Erzähler, der uns mit dieser Geschichte und seiner Sprache sofort in seinen Bann zieht. Er spielt mit Anlehnungen an literarische Vorbilder, schafft metaphorische Gedankenbilder, doch er lässt es uns frei, ob wir auch diesen, oder nur der Handlung folgen wollen.

Fazit

Ein großartiger Roman, literarische Magie, die mich zunächst sprachlos machte. Eine Geschichte, der man von der ersten bis zur letzten Seite gebannt und ohne Unterbrechungen folgen will und es gleichzeitig bedauert, schon auf der letzten Seite angelangt zu sein.

Das Glutnest – Margaret Laurence

AutorMargaret Laurence
VerlagEisele Verlag
Datum26. Oktober 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinMonika Baark
ISBN-13978-3961611744

„Was sieht sie gerade? Hausfrau, vierfache Mutter, diese etwas zu kleine und fettgepolsterte Frau mit dem Mantel von anno dazumal, der falschen Rocklänge, wie ich mir ständig von Katie sagen lassen muss, dem falschen Lippenstift und zur Krönung des Ganzen der schreiend komische Hut.“ (Zitat Pos. 193)

Inhalt

Als Stacey Cameron neunzehn Jahre alt ist, verlässt sie die Enge ihrer Geburtsstadt Manawaka und geht nach Vancouver. Dort lebt sie auch heute noch, inzwischen neununddreißig Jahre alt, seit sechzehn Jahren mit Clifford „Mac“ MacAindra verheiratet, Mutter von vier Kindern. Ihr Mann ist als Vertreter viel unterwegs, sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Sie hatte von einem aufregenden Leben in der Großstadt geträumt und fragt sich immer öfter, ob das wirklich alles war, der turbulente,   anstrengende Familienalltag in dem Haus am Bluejay Crescent und ihre Ehe, in der es mit den Jahren schweigsam geworden ist. Es geht ihr gut, sagt sie, wenn sie gefragt wird, doch wie geht es ihr wirklich, genügt es, wenn sie sich bemüht zu funktionieren, wie es von ihr erwartet wird?

Thema und Genre

Dieser Roman der kanadischen Schriftstellerin ist 1969 erschienen und zeigt eine kurze Zeitspanne im alltäglichen Familien- und Gefühlschaos einer bald vierzigjährigen Hausfrau in einer damals noch von Männern dominierten Gesellschaft.

Charactere

In dieser Geschichte geht es um die chaotische Stacey, bald vierzig Jahre alt, Hausfrau, Mutter, sie liebt ihre Kinder und ist dennoch enttäuscht und frustriert darüber, dass ihr Leben völlig anders verläuft, als sie es erhofft hatte.

Erzählform und Sprache

Der Schwerpunkt dieses personal erzählten Romans liegt weniger im Tagesablauf mit den  alltäglichen Ereignissen der Hauptfigur Stacey, sondern in der intensiven Darstellung ihres Charakters, ihrer Gedanken und Gefühle. Sie liest Zeitungsmeldungen und blickt in einzelnen Situationen dann gleichsam als Beobachterin auf ihr Verhalten. Gerade aus dieser abwechslungsreichen Erzählform ergibt sich die Spannung der Handlung, denn bei Stacey, einer etwas chaotischen Durchschnittsfrau in der damals üblichen Hausfrauenrolle, liegt meistens ein großer Unterschied zwischen dem, was sie sagt und den ausführlichen Gedanken, die sie dazu hat, die sie jedoch für sich behält. So erhalten wir Einblick in die Konflikte der einzelnen Figuren. Aus der inneren Befindlichkeit, wenn sie über ihr Aussehen nachdenkt, haben wir beim Lesen rasch ein Bild von ihr, die sie umgebenden Personen beschreibt Stacey durch ihre eigenen Wahrnehmungen und Gedanken. Durch ihre Erinnerungen erfahren wir ergänzende Details aus ihrem bisherigen Leben und das ihres Mannes. Auch die Sprache, besonders in den Gedankenphasen, fügt sich nachvollziehbar in das Charakterbild von Stacey ein.

Fazit

Ein interessant zu lesender Roman über das Leben einer unangepassten, eigenwilligen Frau in einer Zeit, als von Ehefrauen noch das Gegenteil erwartet wurde.

Irgendwo. Aber am Meer – Arnold Stadler

AutorArnold Stadler
VerlagS. Fischer
Datum29. März 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3100751317

„Ich hatte den Verdacht, dass sie auf Schloss Sayn eigentlich Greta Thunberg hatte hören wollen und mir übelnahmen, dass ich nicht Greta Thunberg war, sondern ein weißer Alter, der für alles verantwortlich gemacht werden konnte.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Seit etwa zwanzig Jahren verbringt ein Schriftsteller mehrere Wochen im Sommer auf der griechischen Insel Lefkada, als Gast im Haus seines Schwagers Micha und mit nachdenklichem, sehnsüchtigen Blick auf die Insel Ithaka. Diesmal freut er sich noch mehr als sonst auf diese Reise, denn er fährt mit seinem neuen Auto, einem nicht unbedingt klimafreundlichen SUV. Doch vor diesen glücklichen Sommertagen liegt eine Lesung aus seinem nächsten neuen Buch, auf Schloss Sayn im Westerwald, am Himmelfahrtstag. Die anschließende Diskussion, im Programm modern als „Talk“ bezeichnet, wird für ihn zum Fiasko, denn plötzlich dreht sich die Diskussion nicht um sein Buch, sondern um die Energiekrise und Greta Thunberg und aus dem Publikum tönt der Ruf „Altmännergeschwätz“. So wird Sayn zu einem Fixpunkt in seinen Gedanken, der ihn auch auf seiner Reise nach Lefkada begleitet, zusammen mit der Frage, wo sein Platz im Leben ist und ob jemand, der wie er schon viele Jahre durch das Leben wandert, unbedingt ein Ziel haben muss.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein älterer Schriftsteller mit seinen Gedanken zu aktuellen Themen unserer Zeit, mit seinen Fragen, Lebenserfahrungen, und Erinnerungen, mit seiner Sehnsucht nach einem Ort, wo er dem Leben zuschauen kann.

Erzählform und Sprache

Die Handlung verläuft chronologisch während der Sommermonate, im Mittelpunkt stehen Reisen, die Rückreise von einer Lesung, und einige Wochen später die Reise nach Griechenland, und dann die Wochen auf Lefkada. Doch dies ist nicht mehr als eine Art Rahmen, der die Vielfalt der Gedanken und Überlegungen des Schriftstellers als Ich-Erzähler umfasst. Wer wissen möchte, wie sich eine moderne, immer wieder überraschende Interpretation der Erzähltechnik „stream of consciousness“ (Bewusstseinsstrom) liest, wird in diesem Buch fündig. Da genügt ein Satz, um die Überlegungen zu einem bestimmten Gedanken oder Ereignis einzuleiten, und etwas später beginnt mit genau dem gleichen Satz eine neue Gedankenreihe, diesmal jedoch eine völlig andere Sichtweise. Es ist dieses scheinbar so Ungeordnete im Bewusstsein des Ich-Erzählers und die gekonnte Umsetzung, dazu die Ausdruckskraft der Sprache, die den Sog dieses Romans ausmachen.

Fazit

„Und so schöne Fragen, die mir auch nicht weiterhalfen, drängten sich schon wieder in meinem verqueren Inneren. Würde ich als Mann der schönen Sätze enden?“ (Zitat Seit 151) Diese Sorge des selbstkritischen Ich-Erzählers ist unbegründet, auch wenn er für die Fülle seiner Fragen, die er an sich selbst und an das Leben stellt, nicht immer Antworten findet und wenn, dann mehr als eine. Ein literarisches, poetisches, aber auch herausforderndes Leseerlebnis.

Ein Winter in Istanbul – Angelika Overath

AutorAngelika Overath
Verlagbtb Verlag
Datum12. April 2023
AusgabeTaschenbuch
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13 978-3442773220

„Es war dieser eine Winter in Istanbul, der bald vorbei sein würde. Warum sollte er nicht einen Winter haben! Einen Winter nur für sich.“ (Zitat Seite 169)

Inhalt

Cla, fünfundvierzig Jahre alt, Religionswissenschaftler, ist Gymnasiallehrer an einer internationalen Schule im Engadin. Sein Spezialthema ist der Dialog zwischen den Religionen und als ihm die Stiftung einer Schweizer Privatbank ein Forschungsstipendium in Istanbul anbietet, nimmt er dieses an. Während ihn sein Cusanus-Projekt zurück in den Winter 1437/38 führt, entdeckt er durch Baran, einen jungen Kellner, Stadtführer, Schauspieler, Übersetzer mit türkisch-griechischen Wurzeln, das heutige Istanbul im Winter abseits der Touristenwege. Er verliebt sich in diese lebhafte, bunte, vielseitige Stadt, und nicht nur in die Stadt. Seit zwei Jahren lebt er in einer festen Beziehung mit Alva, doch nun fragt er sich, ob er dabei ist, sich zu verlieren, oder ob er sich gerade erst wirklich findet.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es einerseits um mögliche Dialoge zwischen den Religionen, um das vor sechshundert Jahren gespaltene Konstantinopel und um das heute ebenso gespaltene Istanbul. Gleichzeitig geht es um wichtige persönliche Entscheidungen, Selbstfindung, mögliche neue Lebenswege und die Liebe in vielen Facetten.

Erzählform und Sprache

Angelika Overath schildert abwechselnd die Begegnungen, Entdeckungen und Erlebnisse von Cla während der Wintermonate in der heutigen Zeit und die geschichtlichen Ereignisse einer Reise, die vor beinahe sechshundert Jahren, ebenfalls im Winter, stattfand. Die Handlung ist eingebettet in poetische, lebhafte und eindrückliche Beschreibungen der ungemein vielfältigen Schönheit der Stadt Istanbul. Diese Geschichte von Cla, Alva und Baran wird in dem Roman „Unschärfen der Liebe“, erschienen am 12. April 2023, fortgesetzt. Ich habe die beiden von der Art des Erzählens her völlig unterschiedlichen Bücher in umgekehrter Reihenfolge gelesen und es hat mein Lesevergnügen nicht geschmälert.

Fazit

Angelika Overath ist eine wunderbare, vielseitige Erzählerin, deren Sprache alle Facetten zwischen einfühlsam, poetisch, nachdenklich, kritisch und lebhaft, spannend umfasst.

Immer nach Hause – Ursula K. Le Guin

AutorUrsula K. Le Guin
VerlagCarcosa
Datum16. Oktober 2023
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten859
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMatthias Fersterer, Karen Nölle
Helmut W. Pesch
ISBN-13978-3910914001

„Ein Buch ist eine Handlung; es nimmt nicht nur Raum ein, sondern ereignet sich auch in der Zeit. Es ist nicht Information, sondern Beziehung.“ (Zitat Seite 393)

Inhalt

Die Kesh, ein kalifornisches Volk, leben in einer weit entfernten Zukunf im Na Tal, dem heutigen Napa Valley. Sie leben genügsam und im achtsamen Einklang mit der Natur, bemühen sich um Frieden untereinander und auch zwischen Menschen und Tieren. Während ihres Lebens können sie mehrere Namen annehmen, die sich nach ihrer persönlichen Entwicklung richten. Nordeule war der Erstname eines kleinen, eigenwilligen Mädchens. Jetzt, als ältere Frau, hat sie ihren Letztnamen gewählt, Erzählstein, denn sie erzählt ihr Leben, ihre Kindheit, schildert ihre Erlebnisse, abenteuerliche Reisen, Begegnungen, Feste und Bräuche in ihrem Heimatort Sinshan. Die Romanhandlung wird ergänzt durch unterschiedliche Erzählungen, Geschichten, Lyrik, Essays und Texte zu Erzähltheorien.  

Thema und Genre

Themen sind die noch utopische Schilderung einer möglichen, friedlichen Lebens- und Gesellschaftsform im Einklang mit der Natur und ihre kulturelle Vielfalt, und im Gegensatz dazu ein kriegerisches Volk, das in einer großen Stadt lebt, sich durch Beutezüge und Eroberungen versorgt. Dieses Werk ist der phantastischen Literatur zuzuordnen, mit mythischen, magischen, aber auch sozial-utopischen Elementen zu möglichen Gesellschaftsstrukturen.

Erzählform und Sprache

Erzählsteins autobiografische Geschichte ist ein Roman, das Kernstück, aber nur ein kleiner Teil, des Buches. Ergänzt wird der Roman durch eine bunte Vielfalt von Texten in Form von Lebenserzählungen, kürzeren Geschichten, dramatischen Werken, Gedichten, Beschreibungen des Alltagslebens und der Feste im Jahreslauf, Naturschilderungen. Ursula K. Le Guin betont, dass sie die Grundlagen für die Mythen, Rituale und Gedichte in der mündlich überlieferten Literatur der Native Americans fand, sie hörte zu, verzichtete jedoch bewusst darauf, diese nachzuahmen oder sich anzueignen.

Im letzten Drittel des Buches findet sich ein ausführliches Glossar über das Volk der Kesh, ihre Landkarten, Künste, Kleidung, Essen, die Tänze, Musikinstrumente, das Kesh-Alphabet, eine Grammatik dieser Sprache. Es folgen spätere Texte, daran schließen Essays und Schriften aus Vorträgen an. So finden wir hier auch Le Guins bekannte Tragetaschentheorie des Erzählens. Mit einer ausführlichen Schilderung der Entstehung dieses Werkes in allen Details von der Idee bis zur Umsetzung, und der Vorstellung der Mitwirkenden endet das Buch.

Fazit

Ein in dieser Vielfalt einzigartiges, faszinierendes Buch. Keine einfache Lektüre, doch gerade der besondere Aufbau erlaubt Unterbrechungen, oder einen Wechsel zwischen den Abschnitten und Themen. Das Buch kann auf unterschiedliche Arten gelesen werden, es muss nicht chronologisch sein, man könnte zum Beispiel zuerst Erzählsteins Geschichte zu Ende lesen – doch wie auch immer man die persönliche Lesereise gestaltet, es ist ein sehr beeindruckendes Erlebnis.

Der graue Peter – Matthias Zschokke

AutorMatthias Tschokke
Verlag Rotpunktverlag
Erscheinungsdatum 15. März 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3858699770

„Es gibt solche, die spannende Geschichten zu erzählen haben, und solche, die nichts zu erzählen haben. Oder die möglicherweise viel zu erzählen hätten, das aber nicht von sich wissen, weil sie nichts in sich eindringen, sondern alles an sich abperlen lassen wie an einer Regenhaut.“ (Zitat Seite 12)

Thema

Es geht um einen Mann, Peter, unauffällig, ein introvertierter Einzelgänger, ein grauer Peter in einem grauen Leben, der sich auf einer Bahnfahrt von Nancy nach Basel plötzlich um einen alleinreisenden Jungen kümmern muss, der in Basel von seinem Onkel erwartet wird.

Meine Meinung

Hans Ulrich Probst bezeichnet Zschokke als einen Meister der Gestaltung der Ereignislosigkeit und ich stimme nur teilweise zu, ich fand nichts Meisterhaftes und Poetisches, dafür aber die Ereignislosigkeit in einem gleichförmiges Dahinplätschern der Handlung mit einigen irritierenden Momenten zwischen einem alten Mann und einem achtjährigen Jungen.

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