Reise mit zwei Unbekannten – Zoe Brisby

AutorZoe Brisby
Verlag Eichborn Verlag
Erscheinungsdatum 26. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMonika Buchgeister
ISBN-13978-3847900566

„Sie hinterließ ihm die Erinnerungen an diese zwei Tage. Das war nicht viel, aber er konnte sich ihrer bedienen, wie man sich eines Schmuckkästchens bedient.“ (Zitat Seite 360)

Inhalt

Alex ist fünfundzwanzig Jahre alt, unsicher, schüchtern und unglücklich verliebt. Er muss raus aus dem Alltag und beschließt, durch Frankreich nach Brüssel zu fahren. Aus finanziellen Gründen sucht er über eine Mitfahrzentrale eine weitere Person. Als er in seinem alten Renault Twingo Max „Hobbies: Technik, Whisky, Tour de France“ abholt, rechnet er mit einem jungen Mann. Doch es erwartet ihn Maxine, violette Haare, exzentrisch und über neunzig Jahre alt. Sie hat erste Anzeichen für Alzheimer an sich entdeckt und und will in Brüssel ihr Leben selbstbestimmt geordnet beenden. Doch zuvor will sie diese Reise richtig genießen, Spaß haben und plötzlich können beide wieder lachen.

Thema und Genre

Dieser Roman ist ein charmantes Roadmovie. Es geht um Verständnis zwischen den Generationen, Lebenserfahrung, Mut und vor allem um die Freude am Leben mit allen Höhen und Tiefen.

Charaktere

Das denkt Maxine über Alex: „Was diesem jungen Mann fehlte, war Vertrauen. Zunächst einmal Selbstvertrauen, aber darüber hinaus auch Vertrauen zu anderen, Vertrauen in das Leben, Vertrauen in die Zukunft.“ (Zitat Seite 38)

Das denkt Alex über Maxine: „Einerseits sah sie aus wie eine freundliche und harmlose alte Dame, andererseits bekam sie offenbar alles was sie wollte, und brachte ihr Gegenüber mühelos dazu, das Gegenteil von dem zu tun, was er eigentlich vorgehabt hätte.“ (Zitat Seite 39)

Handlung und Schreibstil

Die Handlung umfasst nur wenige Tage. Sie beginnt mit den beiden Einträgen in das Formular der Mitfahrzentrale und schildert chronologisch den Verlauf der Reise von Alex und Maxine. Details aus dem Leben der beiden erfahren wir durch die Episoden, die sie einander erzählen. In den einzelnen Kapiteln steht jeweils Alex oder Maxine im Mittelpunkt der personalen Erzählform, was Abwechslung und Vielfalt in den Text bringt. Es sind witzige und skurrile Situationen, die sie auf dieser Reise erleben, manche abenteuerlich und oft überraschend. Spannung erhält die Geschichte durch die Frage, ob und wie diese gemeinsame Reise die beiden Hauptfiguren verändern wird. Für mich wäre die Handlung damit perfekt gewesen, doch die Autorin bringt ein weiteres Detail als Spannungsmoment in die Handlung, die dadurch etwas ins Unglaubhafte, Konstruierte abgleitet.

Fazit

Liebenswerte Charaktere, Humor und Lebensfreude ergeben einen unterhaltsamen Roadmovie-Roman.

Drei Sommer – Margarita Liberaki

AutorMargarita Liberaki
Verlag Arche Literatur Verlag AG
Erscheinungsdatum 18.März 2021
Format Gebundene Ausgabe
Seiten388
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMichaela Prinzinger
ISBN-13978-3716027981

„Abends vorm Einschlafen denke ich über dich und Infanta, über Mutter und Vater und sogar über Tante Tereza nach. Ich frage mich, wie unser Leben später mal aussehen wird, was wir erreichen werden. Wir müssen doch etwas erreichen, Maria, oder?“ (Zitat Seite 80)

Inhalt

Maria, Infanta und Katerina gehören zu einer angesehenen, begüterten Familie und leben mit ihrer geschiedenen Mutter Anna und Tante Tereza auf dem großen Landgut des Großvaters, in Kilissi, der noblen Wohngegend außerhalb Athens. Dieser erste von drei aufeinander folgenden Sommern in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg ist für Katerina etwas Besonderes. Denn in diesem Sommer lassen ihre beiden älteren Schwestern, Maria ist zwanzig Jahre alt, Infanta achtzehn, die sechzehnjährige Katerina erstmals an ihren Gesprächen teilhaben, teilen ihre Geheimnisse mit ihr, während sie versuchen, die Welt um sich herum und sich selbst zu verstehen. Aus den früheren Freunden der Kindheit sind junge Männer geworden und mit diesen Veränderungen kommt auch die erste Liebe. Im zweiten Sommer verliebt sich Katerina, doch gleichzeitig träumt sie von einem Leben als Schriftstellerin, ungebunden und frei.

Thema und Genre

Dieser Roman ist eine Frauen-, Familien- und Coming-of-Age-Geschichte. Es geht um das enge, traditionelle Frauenbild im Griechenland der 1930er Jahre. In Griechenland zählt dieser 1946 erschienene Roman heute zu den modernen Klassikern.

Charaktere

Katerina ist ein eigenwilliges Mädchen, neugierig, aber auch verträumt. Sie überlegt, ob sie wirklich ein Leben als Ehefrau und Mutter führen will, träumt von fernen Ländern und Freiheit. Sie beobachtet und beschreibt die unterschiedlichen Menschen aus mehreren Generationen in ihrem Umfeld, Frauen, Männer, Familie, Freunde, versucht, ihre Geheimnisse zu ergründen, ihr Leben und ihr Verhalten zu verstehen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung umfasst hauptsächlich die Sommermonate in drei aufeinanderfolgenden Jahren, wird ergänzt durch dazwischenliegende Ereignisse, Kindheitserinnerungen von Katerina und Episoden aus dem Leben der Großeltern- und Elterngeneration. Die gesamte Geschichte wird nachträglich aus der Erinnerung erzählt, mit Katerina als Ich-Erzählerin, jedoch unterbrochen und ergänzt durch weitere Erzählstimmen, zwischen denen die Autorin wechselt. So erfahren wir beim Lesen auch Geschichten, die Katerina nicht wissen kann. Inhalt der Handlung sind die alltäglichen kleinen Erlebnisse und Erfahrungen dieser Zeit, der häusliche, weibliche Tagesablauf in vielen kleinen Momenten, die einzigartige Üppigkeit der griechischen Frühlings- und Sommermonate, eine Zeit voll von Wärme, Düften und Gefühlen. Die Sprache der Übersetzung liest sich angenehm und fließend.

Fazit

Ein Klassiker der modernen griechischen Literatur, es sind die Schilderungen der kleinen alltäglichen Momente im Leben der Frauen in den 1930er Jahren in Griechenland, die den Roman interessant und lesenswert machen.

Über Menschen – Juli Zeh

AutorJuli Zeh
Verlag Luchterhand Literaturverlag
Erscheinungsdatum 22. März 021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630876672

„Meistens besteht das Leben aus Trial and Error, und der Mensch kann viel weniger begreifen und kontrollieren, als er glaubt. Auf dieses Dilemma kann weder Nichtstun noch Aktionismus die richtige Antwort sein.“ (Zitat Seite 28)

Inhalt

Dora, sechsunddreißig Jahre alt, ist eine erfolgreiche Werbetexterin, als ihr im Home-Office des Corona-Lockdown nicht nur die gemeinsame Wohnung in Berlin, sondern auch das Leben mit Robert endgültig zu eng wird. Bereits im Dezember hatte sie heimlich das renovierungsbedürftige, alte Gutsverwalterhaus auf dem verwilderten Grundstück mit den großen Bäumen gekauft, in Bracken, einem kleinen Straßendorf irgendwo in Brandenburg. Jetzt, drei Monate später, ist sie emdgültig hierher übersiedelt. Mit ihrer Hündin Jochen, ohne Möbel, aber mit einem Nachbarn, der sich ihr als Gote, wie Gottfried, ich bin der Dorf-Nazi vorstellt, was zu seiner sauber geschorenen Glatze passt. Doch plötzlich liegt ihre Matratze auf einem eigens für sie angefertigten Bett und auf ihrem Lieblingsplatz auf dem Treppenabsatz vor dem Haus stehen eines Tages Küchenstühle. Hier, in diesem Dorf mit seinen Menschen verändert sich etwas in Dora, vom Nachdenken zum Umdenken.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Menschen, ihre Ängste, Sorgen, aber auch den Zusammenhalt in diesen herausfordernden Tagen einer modernen, aber unsicher und brüchig gewordenen Gegenwart.

Charaktere

Dora muss in Bewegung sein, um sich ruhig zu fühlen. Sie hat eine eigene Meinung zu vielen Themen unserer Zeit, doch hier in Bracken erkennt sie rasch, wie sehr sie sich irrte, als sie überzeugt davon war, man könne doch Gut und Böse ganz einfach auseinanderhalten. Denn hier lernt sie alle möglichen Zwischenschattierungen in unterschiedlichster Form kennen.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman spielt in der Gegenwart in einem kleinen Dorf in Brandenburg. Dora zieht sich aus ihrem Leben in Berlin zurück, um mit ihrer Hündin Jochen eine völlig andere Art Leben zu probieren, denn Home-Office geht überall. Einkaufen ohne Auto, mit einer Busverbindung mit hohem Seltenheitswert, Gärtnern mit theoretischen Anleitungen über YouTube. Dazwischen freie Zeit, auch das muss sie lernen, mit dieser freien Zeit umzugehen, die Natur in ihrer wunderbaren Vielfalt hilft ihr dabei. Doch jeder Tag bringt neue Herausforderungen und manchmal wünscht sich Dora weit weg von allem, am besten auf die Raumstation ISS, um Abstand zu gewinnen und Ruhe. Die Autorin erzählt einfühlsam, intensiv, bindet die drängenden Themen der Gegenwart mit ein, schafft unterschiedliche Figuren mit völlig unterschiedlichen Sichtweisen, beleuchtet die Standpunkte, lässt sie ruhen, nimmt sie in einem neuen Zusammenhang wieder auf. Sie lässt ihre Figuren nachdenken, umdenken und uns beim Lesen mit.

Fazit

Dies ist tatsächlich ein Roman über Menschen, ihre Ängste, Probleme, das tägliche Leben mit skurrilen, witzigen Szenen und nachdenklichen, sehr traurigen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man miteinander umgeht, wenn die Meinungen stark auseinanderdriften. Es sind Figuren auf der Suche und man schließt jede einzelne der Figuren ins Herz, obwohl oder gerade weil jede so ihre Eigenheiten hat, authentisch, Menschen eben, und oft  anders, als die anderen denken.  

Die Buchhändlerin – Ines Thorn

AutorInes Thorn
Verlag Rowohlt Taschenbuch
Erscheinungsdatum 23. März 2021
FormatBroschiert,
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3499005152

„Wahre Literatur geht über den Zeitgeist, über die Moden hinaus. Noch hundert Jahre nachdem die Autor das Buch geschrieben hat, ist es aktuell.“ (Zitat Pos. 86)

Inhalt

Christa Schwertfeger wächst umgeben von Büchern auf, in der Buchhandlung der Familie, die ihr Onkel Martin leitet. Dieser wird von den Nationalsozialisten verhaftet, doch er überlebt und sofort nach dem Krieg öffnet er die Buchhandlung wieder. Denn trotz Hunger und Armut ist der Wunsch der Menschen nach Büchern ungebrochen. Christa kann es kaum erwarten, bis auch die Universitäten 1946 wieder geöffnet werden, sie will Literaturwissenschaften studieren. Doch familiäre Probleme zwingen Christa, das Studium abzubrechen und die Leitung der Buchhandlung zu übernehmen. Sie gründet einen Literaturzirkel und wird zu einer engagierten Buchhändlerin, ohne jedoch ihre Träume aus den Augen zu verlieren. Doch die Umstände fordern ein weiteres Opfer von ihr.

Thema und Genre

Dieser Frauenroman spielt in Frankfurt, beginnt 1941 und schildert vor allem die schwierige Zeit nach dem Krieg, die langsam beginnende Hoffnung und Aufbruchsstimmung, die erste Frankfurter Buchmesse 1949. Themen sind Bücher, Literatur, vor allem jedoch Familie, Verantwortung, Freundschaft und Liebe in vielen Facetten.

Charaktere

Christa Schwertfeger will studieren und Literaturwissenschaftlerin werden. Sie ist ehrgeizig und engagiert und weigert sich, ein Leben als Ehefrau, Hausfrau und Mutter zu führen, wie es ihre Mutter von ihr erwartet. Doch als die familiäre Situation persönliche Opfer von ihr fordert, gibt sie nach und bricht das Studium ab.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman spielt in den Jahren unmittelbar nach dem Ende des Zweites Weltkriegs. Die Geschichte der Buchhandlung Schwertfeger wird auch zur Geschichte der jungen Christa, die von einem selbstbestimmten Leben im Literaturbereich träumt, mit einem Studium und anschließender Berufstätigkeit. Der Erzählstrang schildert die Ereignisse chronologisch und beschreibt auch anschaulich das Leben in diesen schwierigen Jahren, die erfolgreiche Wiedereröffnung einer Buchhandlung, deren Regale sich langsam wieder mit Büchern füllen. Obwohl in der Handlung die verbotenen Bücher und Autor*innen, klassische Literatur, dann die jungen amerikanischen und deutschen Romane vorkommen, ebenso wie Lyrik, ist es vor allem eine Frauen- und Familiengeschichte. Die angenehm und leicht zu lesende Sprache entspricht dem Genre.

Fazit

Ein unterhaltsamer Frauenroman, der während der Nachkriegsjahre in einer Buchhandlung in Frankfurt spielt.

Der große Sommer – Ewald Arenz

AutorEwald Arenz
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 26. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832181536

„Es war dieser eine Sommer, wie es ihn wahrscheinlich nur ein Mal im Leben gibt. Dieser eine Sommer, den hoffentlich jeder hatte; dieser eine Sommer, in dem sich alles ändert.“ (Zitat Pos. 85)

Inhalt

Es ist der Sommer, in dem er sich auf seine Nachprüfungen vorbereitet, den Wert einer tiefen, echten Freundschaft auch in Krisensituationen erkennt, und Beate trifft, das freche Mädchen mit den grünen Augen und mit ihr die erste große Liebe. Friedrich ist sechzehn Jahre alt und noch auf der Suche nach dem Menschen, der er werden will, doch diese Wochen in diesem für immer besonderen Sommer sind der erste Schritt.

Thema und Genre

In diesem Coming-of-Age-Roman geht es um unbeschwerte Sommertage, aber auch um Trauer und Verlust, Lebenserfahrung und prägende Ereignisse, vor allem jedoch geht es um Jugend und Alter, Familie, Freundschaft und Liebe.

Charaktere

Wie schon in „Alte Sorten“ stellt der Autor auch diesmal Figuren unterschiedlichen Alters in den Mittelpunkt der Geschichte, einerseits Friedrich auf der Schwelle zum Erwachsenensein, andererseits die Nana und Großvater, die ihr Leben gelebt haben. Sehr behutsam entwickelt der Autor die einzelnen Charaktere dieses Romans, die jungen Menschen mit ihren Eigenheiten, ihrer Unbekümmertheit, aber auch ihren Unsicherheiten und Ängsten. Der Großvater, vor dem Friedrich großen Respekt hat, der seine eigenen Regeln aufstellt und erwartet, dass diese befolgt werden und dennoch bei Problemen sofort da ist, sich nicht nur mit Latein-Zitaten, sondern aktiv um Friedrich kümmert.

Handlung und Schreibstil

Friedrich, der Ich-Erzähler, ist längst erwachsen, als er wieder einmal auf dem Friedhof ein spezielles Grab sucht, eigentlich nur ein Stück Rasen, das damals, in jenem Sommer, ein Blick in eine fernen Zukunft und das Symbol der ganz besonderen Freundschaft dieser jungen Menschen werden sollte: Friedrich, seine ein Jahr jüngere Schwester und Vertraute Alma, Johannes, sein bester Freund, cool, aber sehr komplex, und die unangepasste Beate, die für Friedrich vom ersten Moment an etwas Besonderes ist. Auf dem Spaziergang über den Friedhof erinnert sich Friedrich zurück an die Ereignisse jenes Sommers, als er sechzehn Jahre alt war und statt einer Urlaubsreise bei Großvater und Nana für zwei Nachprüfungen lernen muss. Die Geschichte dieses Sommers ist das Kernstück des Romans. So eindringlich wie die einzelnen Figuren und ihre Thematik, beschreibt die poetische Sprache auch die Natur, die Wärme, den Duft und die Gefühle jener Sommertage, man taucht beim Lesen sofort in diese besonderen Tage ein.

Fazit

Dieser Roman über einen einzigartigen Sommer ist mit seinen besonderen Figuren, der einfühlsamen, genauen Beobachtung dieser Figuren und ihrer Erlebnisse zwischen intensiven Glücksmomenten und Verzweiflung, und der poetischen, aber auch humorvollen, lebhaften Sprache ein eindrückliches, überzeugendes Leseerlebnis.

Hard Land – Benedict Wells

AutorBenedict Wells
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 24. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257071481

„Der Himmel war blau wie ein Pool, und wenn ich heute an diesen Sommer zurückdenke, dann war das Schönste eigentlich immer der Weg von unserem Haus zum Kino oder zum Larry´s. Diese zwanzig Minuten, bis ich die anderen sah und in denen ich mir ausmalen konnte, was wir machen würden und ob ich Kirstie ein bisschen näherkam.“ (Zitat Seite 166)  

Inhalt

In diesem Sommer 1985 wird Sam Turner sechzehn Jahre alt. Eigentlich soll er die Ferien bei seiner Tante und Cousins in Kansas verbringen, doch dies will er auf keinen Fall und so nimmt er einen Ferienjob im kleinen, alten Kino von Grady, seiner Heimatstadt an. Bisher ein ruhiger, unsicherer Außenseiter, ändert sich in diesem Sommer alles für ihn. Denn im Kino trifft er Cameron, der immer für eine Geschichte gut ist und Brandon „Hightower“, Star des Footballteams der Schule und Kirstie, die Tochter des Kinobesitzers. Sam ist zum ersten Mal verliebt und durch seine neuen Freunde gewinnt er rasch Sicherheit. Dann kommt sein Geburtstag, der Tag, an dem er sechzehn Jahre alt wird und ein Ereignis sein Leben auf den Kopf stellt.

Thema und Genre

In diesem Coming-of-Age-Roman geht es um jene Phase zwischen Jugend und Erwachsenenleben, in der alles möglich scheint. Themen sind Verlust, Trauer, Mut, Angst, Freundschaft, Erwachsenwerden, 80er Lebensgefühl und die Liebe.

Charaktere

Der Autor nimmt sich Zeit für jede seiner unterschiedlichen Figuren und deren persönliche Geschichte, denn es ist nicht nur Sams Geschichte, sondern auch die seiner Mutter, seines Vaters, seiner älteren Schwester Jean, und der Freunde Hightower, Cameron und Kirstie. Es sind unterschiedliche Charaktere, jede*r auch mit eigenen Themen, die in ihrer Vielschichtigkeit den Charme dieser Geschichte ausmachen.

Handlung und Schreibstil

Sam Turner erzählt die Geschichte dieses Sommers 1985 rückblickend, ein Jahr später, am Beginn des nächsten Sommers, behält aber den chronologischen Ablauf bei. Die fünf übergeordneten Abschnitte der Handlung enthalten fortlaufend insgesamt neunundvierzig Kapitel, analog zu den neunundvierzig Geheimnissen von Grady, die es hier angeblich zu entdecken gibt, obwohl im Grunde alle so rasch als möglich aus dieser verschlafenen Kleinstadt ohne Perspektiven wegziehen wollen. Zitate und Auszüge aus „Hard Land“, einem Gedichtband, geschrieben von William J. Morris, Gradys berühmtestem Dichter, ziehen sich durch die Geschichte dieses besonderen Sommers und sind eine sprachliche, philosophische Vertiefung eines Schreibstils, der in den Schilderungen und Gedanken die Ausdrucksweise der Jugendlichen so realistisch trifft, dass man sich beim Lesen sofort mitten im Geschehen fühlt und diesen besonderen Sommer in dieser Kleinstadt, umgeben von einem See und endlosen Feldern, in Gedankenbildern miterlebt.

Fazit

Einfühlsam, und in der perfekten Mischung zwischen nachdenklich, traurig, jedoch nie larmoyant, und ausgelassen, übermütig, in einer ungestümen Aufbruchsstimmung der Freiheit und Träume, lässt der Autor den jungen Sam von diesem einen Sommer erzählen. Eines Tages prägt Kirstie ein neues Wort: Euphancholie, eine Mischung aus Euphorie und Melancholie. Besser kann man diesen Roman nicht beschreiben.

Freiflug – Christine Drews

AutorChristine Drews
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 12. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832181307

„Sehr geehrte Frau Maiburg, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 2. Mai 1974 und ihr Interesse an unserem Unternehmen. Da weibliche Flugzeugführerinnen in unserer Gesellschaft aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zum Einsatz kommen, müssen wir Ihre Bewerbung leider ablehnen.“ (Zitat Pos. 840)

Inhalt

Katharina Berner ist Anwältin aus Überzeugung, sie will Menschen helfen. In der bekannten Kanzlei in Köln, für die sie tätig ist, liegt der Schwerpunkt auf den finanziellen Erfolgen und als Frau wird sie von den männlichen Kollegen nur bedingt ernst genommen. Sie will ihre eigene Kanzlei eröffnen, andererseits will sie keinesfalls ihre vermögenden Eltern um finanzielle Hilfe bitten, denn ihre Familie hat kein Verständnis dafür, dass sie Anwältin werden wollte, statt zu heiraten und für Mann und Kinder zu sorgen. Rita Maiburg, ist mit erst zweiundzwanzig Jahren eine ausgebildete Pilotin mit hervorragenden Abschlüssen. Als das kleine Unternehmen, für das sie tätig ist, in Konkurs geht, bewirbt sie sich bei der Lufthansa als Linienpilotin. Als die Lufthansa ihre Bewerbung ablehnt, weil sie grundsätzlich keine Frauen als Piloten anstellt, wird ihr von Freunden Katharina Berner empfohlen. Als die Anwältin kurz darauf ihr eigenes Büro eröffnen kann, nimmt sie den Fall an und die beiden Frauen beschließen, gegen die Lufthansa und damit auch gegen ihre Haupteignerin, die Bundesrepublik Deutschland, auf Umsetzung des Artikel 3, Grundgesetz zu klagen. Wenn sie gewinnen, wäre dies ein neuer, sehr wichtiger Präzedenzfall.

Thema und Genre

Dieser Roman mit biografischem Hintergrund spielt in den Siebzigerjahren und Themen sind die Ungleichbehandlung der Frauen, der Wunsch nach Eigenständigkeit als Gegensatz zu den konservativen Werten, Familie und Beziehungen.

Charaktere

Rita Maiburg wurde 1976 als erste Frau zur Linienflugkapitänin befördert und dieser Roman orientiert sich an ihrer Biografie. Obwohl Rita Maiburg damals von einer Anwältin vertreten wurde, ist die Figur der Katharina Berner fiktiv. Die vermögende Unternehmerfamilie, aus der sie stammt, steht für ein damals noch geltendes traditionelles Rollenbild der Frau, während Ritas Freunde für die Freiheit der Hippiezeit stehen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt in den Jahren 1974 bis 1976. Dieser Zeitraum umfasst die Dauer des Verfahrens gegen die Lufthansa und wird durch einen Epilog und Prolog 1977 umschlossen. Die einzelnen Kapitel zeigen als Überschrift das genaue Datum und die personale Erzählform stellt jeweils Katharina oder Rita in den Mittelpunkt. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt weniger auf diesem interessanten Klageverfahren, sondern in den persönlichen Beziehungen und Konflikten im Freundes- und Familienkreis.

Fazit

Ein Roman, der die Schwierigkeiten jener Frauen aufzeigt, die ihren Weg und Ziele in einer damals noch Männern vorbehaltenen Berufswelt sehen. Ich hatte damit gerechnet, dass der Schwerpunkt auf dieser gesellschaftspolitisch so wichtigen Klage liegt, mir mehr Informationen und Details erhofft. In dieser Geschichte stehen jedoch Familie, Freundschaft, Liebe im Mittelpunkt, es ist ein unterhaltsam zu lesender Frauenroman.

Ypsilons Rache – Lou Bihl

AutorLou Bihl
Verlag Unken-Verlag
Erscheinungsdatum 28. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten289
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3949286001

„Ein Wesen, das mein Reisemotto „Werde, der du bist“ für sich selbst wörtlich genommen hatte und die Frau geworden war, die ich in meinen Träumen gerne wäre, nur dass mir der Mut zur Entscheidung fehlte und die Leidensbereitschaft, sie umzusetzen.“ (Zitat Seite 203, 204)

Inhalt

Professor Dr. Kristian Starck, ein erfolgreicher Pathologe, geschieden, zwei Töchter, eine Enkelin, ist fünfundfünfzig Jahre alt, als er beschließt, ein Jahr Auszeit zu nehmen. Er arbeitet an einem Buch, doch vor allem plant er sein Coming-out, er will endlich sich selbst finden und entscheiden, ob er die weiteren Lebensjahre als Kris oder Kristina verbringen will. Doch die Routineuntersuchung vor seinem Aufbruch ändert alles, denn die Diagnose Prostatakrebs erfordert ein rasches Handeln. Er braucht Zeit zum Nachdenken, verschiebt die endgültige Entscheidung, welche Therapieform er wählt, um drei Monate und geht nun mit drei Themen auf seine Reise durch Deutschland, sein Buch, der Krebs und sein Coming-Out. In Stuttgart nimmt er an einem Klassentreffen teil und trifft  seinen Bruder, in Heidelberg einen langjährigen Freund, in Hamburg besucht er auch diesmal nicht nur seine Mutter, sondern auch Conchita, die Männer mag und Frauen liebt, und mit der er regelmäßig als Kristina durch die Lokale zieht. Durch Conchita lernt er Chloé kennen, erfolgreiche Inhaberin einer Consulting-Agentur und Trans*frau. Nun hat er ein viertes Thema, die Liebe.

Thema und Genre

Themen dieses Romans sind Transidentität und Diversität in allen Facetten, und mögliche Antworten auf die Frage, wer man ist und wer man sein möchte. Es geht auch darum, wie wir mit der Diagnose Krebs umgehen, um alle Schattierungen der menschlichen Psyche, um Verlust, um Freundschaft und die Liebe.

Charaktere

Es sind sympathische, liebenswerte Charaktere, die wir in dieser Geschichte kennenlernen. Kristian, manchmal Kristina, der versucht, seinen Weg durch diesen Wirbel an Fragen, Problemen, Gefühlen zu finden, meistens mit Humor und etwas Selbstironie, manchmal auch Selbstmitleid, aber immer authentisch. Alex, Conchita, Chloé sind selbstbewusste, empathische Frauen und jede ist auf ihre Art eine Bereicherung für Kris, gerade in diesen turbulenten, gefühlsintensiven Wochen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in der aktuellen Zeit und in einem begrenzten Zeitrahmen. Erzählt wird sie von Kris selbst als Ich-Erzähler. Überraschende Wendungen werden zu prägenden Ereignissen, Rückblicke durch Erinnerungen und Gespräche ergänzen und verdichten. Die Ausgangsposition ist die ungewöhnliche, aber durchaus realistische Fragestellung, wie ein Mann mit der Diagnose Prostatakrebs umgeht, wenn er gleichzeitig gerade auf der Suche nach seinem persönlichen Platz im weiten Spektrum der Gender-Palette ist. Denn besagte Prostata befindet sich möglicherweise im falschen Körper, den sich Kris und Kristina bisher teilen. Die Sprache erzählt einfühlsam und nachdrücklich, lebensnah und mit leisem Humor.

Fazit

Ein komplexes, interessantes Thema und eine packende, vielschichtige Geschichte mit starken psychologischen Momenten und Fragestellungen, die uns Lesende auf eine turbulente, intensive Reise mitnimmt.

Adas Raum – Sharon Dodua Otoo

AutorSharon Dodua Otoo
Verlag S. FISCHER
Erscheinungsdatum 24. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3103973150

„Die neuen Grenzen wirkten fließend, mehrdeutig, und als sie nicht mehr zu gebrauchen waren, verpufften sie. Sie wurden gegen andere Grenzen ausgetauscht.“ (Zitat Position 1701)

Inhalt

Ada ist verzweifelt, als ihr Kind im März 1459 kurz nach der Geburt stirbt. Das besondere Perlenarmband, das sie ihrem toten Sohn mitgeben will, macht sich auf eine eigene Reise durch die Jahrhunderte. Es kommt zur Wissenschaftlerin Ada Lovelace, die im März 1848 mit ihrem besonderen Freund Charles Dickens mathematische Formeln diskutiert, während ihr Gatte in Paris weilt. Im besonderen Block 37 im KZ Mittelbau-Dora ist Ada im März 1945 so oft im selben Zimmer, dass es den Namen „Adas Raum“ trägt und in genau diesem Zimmer liegt das Perlenarmband plötzlich auf dem Boden. Ada, Augusta Adaune Lamtey, ist dreiundzwanzig Jahre alt, als sie 2019 aus Ghana nach Berlin kommt, um hier zu studieren. Sie wohnt bei ihrer jüngeren Halbschwester, ist aber auf Wohnungssuche, freut sich auf ihr Baby. In einem Ausstellungskatalog entdeckt sie das Foto eines ungewöhnlichen Armbandes, dreiunddreißig Perlen, Fünfzehntes Jahrhundert, Westafrika, und damit schließt sich das Netz aus Schicksalsschleifen.

Thema und Genre

Der Roman handelt von Frauen, Frauen als Mütter, Freundinnen und Schwestern, auch im übertragenen Sinn. Themen sind Gewalt, Unterdrückung, Diskriminierung, aber auch Stärke, Zusammenhalt und die Suche nach Unabhängigkeit.

Charaktere

Ada, das ist die Summe aus vier Adas in vier unterschiedlichen Epochen, sie steht für die Summe von möglichen Frauenleben im Lauf der Geschichte. Die Übergänge erfolgen rasch, manchmal innerhalb eines Satzes, und so erfahren wir durch das jeweilige Umfeld  und die Situation zwar mehr über die entsprechende Ada, gleichzeitig bleibt sie dadurch als Figur auf Distanz.

Handlung und Schreibstil

Die vier Geschichten, in deren Mittelpunkt jeweils eine Ada steht, spielen in unterschiedlichen Jahrhunderten, wobei die Grenzen fließend sind. Die Autorin selbst spricht von Schleifen und ähnlich verknüpfen sich einzelne Situationen, um sich dann, oft mitten im Satz, wieder zu lösen und in die nächste Episode  in einem anderen Jahrhundert zu gleiten. Nur das etwas wirre und sehr konstruierte Ende überzeugt mich nicht, Schleifen sind luftig und in Bewegung, wenn man sie bewusst verknüpft, verlieren sie die Leichtigkeit. Die Grundzüge des Settings bleiben in allen vier Geschichten ähnlich, Hausnummern, wie Personen, familiäre Beziehungen und Namen. Lässt die Autorin zunächst jede Ada in der Ich-Form erzählen, wechselt sie rasch zu einem zeitlosen, geistigen Erzähl-Ich, das zu einzelnen Gegenständen wird und so die Ereignisse als Kehrbesen, Türklopfer oder Reisepass schildert, versucht, das Geschehen zu lenken und allwissend kommentiert. Dieses im philosophischen Sinn übergeordnete geistige Ich hat durchaus auch Humor, was zu skurrilen Dialogen führt. Die klare, gerade Sprache des Romans schildert und kann alles zwischen sehr kurzen und eindrucksvoll langen Sätzen, auch Metaphern werden bewusst eingesetzt.

Fazit

Ein Roman mit zeitlos aktuellen, politischen und sozialkritischen Themen, geschrieben in einer klaren, geraden Sprache. Unterschiedliche interessante Erzählformen schildern ein ebenso vielschichtiges Bild von Frauenschicksalen. Doch dieses deutlich ambitionierte Bemühen im Sinne der Kriterien der zeitgenössischen Literaturwissenschaften wird für mich teilweise zu offensichtlich und der Roman dadurch zu konstruiert – diese Perfektion ist zu gewollt, es fehlt die Seele.

Nächstes Jahr in Berlin – Astrid Seeberger

AutorAstrid Seeberger
Verlag Urachhaus
Erscheinungsdatum 10. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten252
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinGisela Kosubek
ISBN-13978-3825152611

„Großvater wusste, was ich wollte, er wusste es, bevor ich es selber wusste. Schreiben war mein Leben.“ (Zitat Pos. 2471)

Inhalt

Nach dem Erscheinen ihres Buches „Goodbye Bukarest“ in Deutschland, meldet sich der Priester Alois, ein alter, enger Freund ihres Vaters, über den Verlag bei der Ich-Erzählerin, um ihr etwas über ihre Mutter zu erzählen. Fünf Jahre sind seit dem Tod ihrer Mutter vergangen und nun schreibt die Tochter die Geschichten über die Familie nieder, die ihre Mutter ihr erzählt hatte. Gleichzeitig denkt sie über die Zeit kurz vor und nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2007 nach, über ihre eigenen Erinnerungen an die Eltern und die Großeltern und verbindet diese mit ihrem aktuellen Leben, die Zeit des Schreibens zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013.

Thema und Genre

Dieser autobiografische Roman ist eher ein Erzählband, mit einer Familiengeschichte durch bewegte Jahre einer glücklichen Zeit in Ostpreußen, Vertreibung, Flucht, Krieg, das geteilte Deutschland und einer problematischen Mutter-Tochter-Beziehung als Verbindung  der einzelnen Fragmente aus Geschichten und Erinnerungen.

Charaktere

Durch den dichten, autobiografischen Hintergrund dieses Romans sind die handelnden Personen sehr realistisch und präzise beschrieben, ihr Verhalten im Rahmen der Ereignisse verständlich und nachvollziehbar. Andererseits bleiben sie gerade wegen dieser Realität auf Distanz zum Leser.

Handlung und Schreibstil

Es ist ein Roman in Fragmenten. Im ersten, sehr beklemmenden Teil wechseln die Erinnerungen an die Tage vor und nach dem Tod der Mutter im Jahr 2007 mit dem aktuellen Jahr zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013, in welchem die Tochter als Ich-Erzählerin in ihrem Haus auf einer Insel in einem See in Schweden an dem Buch über ihre Mutter schreibt. Den zweiten Teil bilden viele einzelne Erzählungen, nicht immer chronologisch, die in vier großen Kapiteln mit je einem übergeordneten Thema zusammengefasst sind. Es sind die Familiengeschichten, die ihre Mutter ihr erzählt hat, beginnend mit der Kindheit und Jugend der Mutter in Ostpreußen. Daran schließen die eigenen Kindheitserinnerungen der Tochter an. Das letzte dieser vier Kapitel hat jene der Ich-Erzählerin bisher unbekannte Geschichte über ein Ereignis aus dem Leben der Mutter zum Inhalt, die ihr der alte Freund ihres Vaters erzählt, und die den Übergang bildet zum nachfolgenden Roman „Goodbye Bukarest“, der aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen in deutscher Übersetzung jedoch als erstes Buch erschienen ist.

Fazit

Ein stark autobiografischer Roman, der sich aus vielen unterschiedlichen Geschichten aus dem Leben von insgesamt drei Generationen der Familie der Ich-Erzählerin zusammensetzt. Es sind beklemmende Ereignisse, aber auch glückliche Kindheitserinnerungen, insgesamt eine sehr persönliche Aufarbeitung der schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, geschrieben in einer poetischen, dichten Sprache. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, mich aber etwas ratlos zurücklässt. „Ich weiß es nicht. Er ist so schwer, alles in Einklang zu bringen.“ Dies schreibt die Ich-Erzählerin (Zitat Pos. 3164) und so geht es auch mir mit diesem Buch.

Seeland Schneeland – Mirko Bonné

AutorMirko Bonné
Verlag Schöffling & Co.
Erscheinungsdatum 2. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
UmschlagbildJochen Hein
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895614101

„Je weiter weg man von den wirklich guten Leuten und den wahrhaft schönen Dingen ist, umso mehr soll man glauben, dass es sie gibt.“ (Zitat Seite 128)

Inhalt

Merce Blackboro war siebzehn Jahren alt, als er 1914 mit der bekannten Shackleton-Expedition auf der Endurance in die Antarktis aufbrach. Diese Erfahrungen haben Merce verändert. 1921, vierundzwanzig Jahre alt, fühlt er sich immer noch antriebslos, was fehlt ihm? Er ist unglücklich verliebt, doch kann dies der einzige Grund für seinen Zustand sein? Für ihn ist Ennid Muldoon die Frau seines Lebens. Diese jedoch trauert um ihren im Kampfeinsatz als Pilot gefallenen Verlobten und es hält sie nichts mehr in Newport. Auf dem Dampfer „Orion“ ist Ennid, zusammen mit vielen anderen Passagieren, einige davon sehr reich, die meisten jedoch arme Auswanderer, unterwegs in ein neues Leben in Amerika. Doch noch ist sie nicht in New York angekommen, denn nach heftigen Schneestürmen treibt der Dampfer manövrierunfähig vor der Küste Schottlands. Sofort bricht Merce zu Ennids Rettung auf, doch wird er sie finden?

Thema und Genre

Dieser Roman schreibt das Leben von Merce Blackboro aus „Der eiskalte Himmel“, in den Jahren nach seiner Rückkehr von der Endurance-Expedition weiter. Wieder steht ein Schiff im Mittelpunkt, diesmal ein alter Dampfer, Schnee, Eis und die wilde See, vor allem jedoch geht es um die Sehnsüchte, Träume und Wünsche, der reichsten Passagiere ebenso wie der ärmsten Auswanderer. Ein wichtiges Thema sind Familie, Freundschaft und die Kraft der Liebe in ihren unterschiedlichen Facetten.

Charaktere

Es sind seine Figuren, deren Beweggründe, Träume, Handlungen der Autor präzise beobachtet und uns an ihren Gedanken teilhaben lässt, die uns sofort in ihren Bann ziehen. Vom Beginn der Geschichte an werden sie einfühlsam geschildert und sind uns sofort vertraut. Zunächst noch auf der Suche, verändern die Ereignisse sie alle nachhaltig, Merce Blackboro, Ennid Muldoon, Diver Robey und die zwanzig Jahre jüngere Kristina Merriweather, Divers Assistenten und Vertrauten Bryn Meeks und den leisen, mutigen Steward Jirō Shimimura.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt im Jahr 1921 und wird durch einige kurze, erklärende Rückblenden in Form von Erinnerungen ergänzt. Die einzelnen Kapitel wechseln zwischen den Ereignissen an Land und auf See und stellen in ihrer personalen Erzählform abwechselnd jeweils einen der einzelnen Hauptcharaktere in den Mittelpunkt. Geschrieben in einer eindrücklichen, poetischen und lebhaft schildernden Sprache, fasziniert diese Geschichte von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit

Ein poetischer, intensiver Roman über Abenteuer, Träume, Sehnsüchte, die Suche nach dem Platz im eigenen Leben und über die Liebe. Wir bangen und hoffen mit den uns sofort vertrauten Figuren, während die lebhaften, eindrücklichen Schilderungen uns Bilder von Eis, Schnee, der wilden Natur, vom Leben in Newport „wir nennen unsere Stadt Casnewydd“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber auch von den Tagen und Nächten in den engen Kojen der Auswandererschiffe in die Gedanken malen. Ein großartiges Leseerlebnis!

Das Flüstern der Bienen – Sofia Segovia

AutorSofia Segovia
Verlag List Hardcover
Erscheinungsdatum 1. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3471360354

„Wenn er gekonnt hätte, hätte er ihnen von der Musik erzählt, die ihm die Bienen in sein lauschendes Ohr sangen: über die Blumen in den Bergen, Begegnungen in der Ferne und Freundinnen, die den weiten Weg nach Hause nicht geschafft hatten, über die Sonne, die heute vom Himmel strahlte, aber morgen hinter Gewitterwolken verschwinden würde.“ (Zitat Pos. 775)

Inhalt

Im Oktober 1910 findet die alte Nana Reja ein Baby. Ausgesetzt, um zu sterben, doch eingehüllt in einen Bienenschwarm, hat der kleine Simonopio überlebt. Die vermögenden Plantagenbesitzer Francisco und Beatriz Morales nehmen ihn als Patensohn an und er wächst auf ihrer Hazienda La Amistand auf, zusammen mit seinen Bienen, von denen er den Kreislauf der Natur lernt. Als im April 1923 Beatriz, schon neununddreißig Jahre alt, nochmals Mutter wird, kümmert sich Simonopio wie ein Bruder um den kleinen Francisco. Alle halten Simonopio auf Grund eines Geburtsfehlers, eine Oberlippenspalte, für beinahe stumm, doch Francisco lernt seine Sprache und er liebt die vielen Geschichten, die ihm Simonopio erzählt – nur eine nicht, die vom Kojoten, denn er spürt, dass diese Geschichte auch Simonopio Angst macht.

Thema und Genre

Dieser Familien- und Generationenroman spielt in Mexiko, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den Hintergrund bildet die wechselvolle Geschichte Mexikos in dieser Zeit, Krieg, Revolutionen, politische Umstürze und die Spanische Grippe, doch im Vordergrund stehen die Menschen, die auf der Hazienda La Amistand nahe der Stadt Linares leben.

Charaktere

Simonopio ist ein besonderer Junge, er hat eine enge, magische Bindung zu seinen Bienen, scheint in Gedanken mit ihnen zu reden. Ungebunden lebt er den Jahreslauf mit der Natur und mit seinen Bienen. Sein Wissen setzt er zum Wohle der Hazienda ein, denn früh erkennt man seine besondere Gabe und hört auf ihn. Der kleine Francisco ist ein ungestümer Wildfang, doch seinem Bruder Simonopio hört er zu und bei ihm kommt er zur Ruhe. Beatriz Cortés de Morales ist, obwohl ihrer Erziehung und den gesellschaftlichen Konventionen der mexikanischen Oberschicht verpflichtet, eine starke, selbstbewusste Frau, bereit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird von Francisco erzählt, der inzwischen längst ein alter Mann ist. Dies erfolgt, mit einigen Vorgriffen und Rückblicken, chronologisch. Dort, wo es Francisco selbst betrifft, in der Ich-Form, die anderen Teile als personaler Erzähler. Seit vielen Jahren lebt er schon in Monterrey, doch ein Mal will er noch zurück nach Linares, das Haus seiner Kindheit sehen und während der Fahrt schildert er dem Taxifahrer die Geschichte seiner Familie und die damaligen Ereignisse. Geschrieben in einer eindrücklichen, poetischen Sprache, geht die Autorin einfühlsam mit ihren Figuren um, gibt ihnen Freiraum, sich zu entwickeln und vertieft die Handlung mit einer Art positiver Magie. Damit gewinnt sie von den ersten Seiten an die Aufmerksamkeit der Lesenden und die vielen Hinweise und Andeutungen auf kommende Ereignisse, die in der Mitte des Buches auf beinahe jeder Seite auftauchen und wohl den Spannungsbogen steigern sollen, sind in meinen Augen unnötig. Es sind die eindrücklichen Hauptfiguren, welche die Geschichte tragen und denen man auch ohne diese Stilmittel gespannt und neugierig folgt.

Fazit

Eine faszinierende Geschichte, poetisch, einfühlsam und mit einem Hauch Magie erzählt.

Geheimakte Cíbola – André Milewski

AutorAndré Milewski
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 28. November 2018
FormatTaschenbuch
Seiten340
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746785356

„Zum ersten Mal, von den Lippen dieses unbekannten Indianers, hörten die Spanier den Namen, der von nun an auf ewig mit den Sieben Städten verbunden sein sollte – Cíbola.“ (Zitat Pos. 574)

Inhalt

Die Archäologen Max Falkenburg und Joe Carter müssen das Büro ihres vor sechs Wochen verstorbenen Freundes und Kollegen räumen. Zu ihrer Überraschung finden sie in einer versteckten Mappe alte Unterlagen über die Legende von Cíbola und die Sieben Goldenen Städte. Ihr Freund hatte der Spur alleine folgen wollen, diesmal sollte sein Name mit einer sagenhaften Entdeckung verbunden sein. Obwohl Professor Crichton die Berichte über Cíbola als reine Legende und Mythos abtut, ist Falkenburg entschlossen, den Spuren dieser Unterlagen zu folgen, um den Traum ihres toten Freundes in dessen Namen noch zu erfüllen.

Thema und Genre

In diesem archäologischen Abenteuerroman geht es um spanische Berichte aus dem 16. Jahrhundert, in denen ursprünglich von Dörfern der Pueblo-Indianer die Rede war, aus denen das Mythos von Sieben Städten aus Gold entstand.

Charaktere

Max Falkenburg fühlt sich dem Andenken an seinen verstorbenen Kollegen und Freund verpflichtet und ist fest entschlossen, Cíbola in dessen Andenken zu suchen und zu finden, obwohl niemand an den Mythos glaubt. Trotz der Skepsis begleiten ihn seine Freunde und Professor Crichton auf diesem Abenteuer.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung spielt im Oktober 1961 und wird unterbrochen durch Rückblicke auf die Recherchen des verstorbenen Kollegen, drei Monate zuvor. Bereits durch dessen Besuch in der Biblioteca Colombina in Sevilla wurden gierige Schatzjäger aufmerksam. Doch auch der neue Kollege in Boston, Experte für Amerikanische Geschichte, erkennt die Zusammenhänge und bietet seine Zusammenarbeit an. Doch Falkenburg lehnt ab und es beginnt ein Wettlauf gegen skrupellose spanische Schatzjäger, Kleinganoven vor Ort in Sierra Vista, Arizona, die ebenfalls vom unermesslichen Reichtum träumen und den Kollegen, der beides für sich allein will, das Gold und den mit der Entdeckung verbundenen Ruhm. Die spannende, actionreiche Geschichte erhält durch die unterschiedlichen handelnden Personen und ihre verschiedenen Beweggründe eine zusätzliche psychologische Komponente und Tiefe. Dieser Abenteuerroman ist Teil der Geheimakte-Serie, die Handlung ist jedoch in sich abgeschlossen und kann auch unabhängig von den anderen Bänden gelesen werden.

Fazit

Eine packende Geschichte mit archäologischem Hintergrund, eine interessante Mischung aus spannenden, abwechslungsreichen Actionszenen in einer gekonnt aufgebauten fiktiven Handlung in Verbindung mit geschichtlichen Fakten.

Geheimakte Uxmal – André Milewski

AutorAndré Milewski
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 18. Dezember 2017
FormatTaschenbuch
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3745071207

„Es war, als ob wir durch den Dorfältesten die Verantwortung übertragen bekommen haben. Dafür, darüber zu wachen, dass niemals jemand dieses alte Maya-Geheimnis lüftet.“ (Zitat Seite 59)

Inhalt

Anlässlich der feierlichen Verleihung der Ehrenbürgerwürde an seinen langjährigen Mentor und Freund Professor Crichton wird der Archäologe Max Falkenburg von dem Millionär Juan Barrales angesprochen. Dieser stellt gerade eine Expedition zusammen, es geht um Uxmal und ein altes Maya-Geheimnis. Falkenburg lehnt ab, obwohl auch Dr. Jody Wellesley, seine ehemalige Freundin, Mitglied dieser internationalen Forschergruppe ist. Vor vielen Jahren hatten Professor Crichton und Dekan Harris ein Jadestück mit Hinweisen auf ein Artefakt mit geheimnisvollen Kräften gefunden. Die eine Hälfte dieses Jadestückes wurde dem Museum von Barcelona übergeben, die andere Hälfte hat inzwischen ein Kunstsammler aus Florida erworben. Max Falkenburg und seine Freunde Joe und Patrick, ebenfalls Archäologen, sollen beide Teile so rasch als möglich zurück nach Boston bringen. Doch sie kommen zu spät …

Thema und Genre

In diesem archäologischen Abenteuerroman geht es um Uxmal, die einst kulturell wichtige Stadt der Maya auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko, heute UNESCO-Welterbe, und ein dort verborgenes Artefakt.

Charaktere

Jody hat sich von Max Falkenburg getrennt und nimmt in England das Angebot im Team des Kunstmäzens Juan Barrales an. Trotz seiner privaten Probleme zögert Falkenburg nicht, sich gemeinsam mit seinen Archäologenkollegen und Freunden Joe Carter und Patrick O’Malley auf die Suche nach den Jadestücken und in der Folge nach Barrales zu machen. Wieder treffen sie auf alte und neue Freunde und Feinde und manchmal wechseln diese auch die Position, mit logisch nachvollziehbaren Beweggründen.

Handlung und Schreibstil

Die spannende Suche führt den Archäologen Falkenburg und seine Freunde diesmal von Boston nach Barcelona, Florida und dann nach Kuba. Doch ihr Ziel ist die Halbinsel Yucatán, Mérida und die Ruinen der weitläufigen alten Mayastadt Uxmal. Die Geschichte wird in mehreren, parallel verlaufenden Handlungssträngen erzählt. Abwechselnd erfahren wir die Fortschritte der von Barrales geleiteten Expedition, der zweite Erzählstrang schildert die Abenteuer von Max, Joe und Patrick und im dritten Erzählstrang folgt Eddie Wellesley den Spuren von Barrales, um seine Schwester Jody zu beschützen. Auch die katholische Kirche greift in die Geschehnisse ein und verfolgt eigene Zwecke, wodurch sich weitere überraschende Wendungen ergeben. Sprachlich lösen packende Actionszenen, interessante Schilderungen und wissenschaftliche Fakten einander ab.

Fazit

Ein vielschichtiger, packender archäologischer Roman mit einem grandiosen Showdown im weitläufigen Gelände der alten Mayastadt Uxmal. Spannende, actionreiche Unterhaltung zwischen Fakten und Fiktion.

Geheimakte Babylon – André Milewski

AutorAndré Milewski
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 29. Juni 2019
FormatTaschenbuch
Seiten362
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3748552260

„Es enthält eine Art Prophezeiung. Wenn ich die Inschrift richtig gedeutet habe, wurde es womöglich von Daniel angefertigt, einem der Propheten aus dem alten Testament.“ (Zitat Seite 89)

Inhalt

Der Archäologe Max Falkenburg hat die Überraschungsparty zum Geburtstag seiner Freundin Jody Wellesley bis ins Detail geplant, denn er will ihr an diesem Abend die berühmte Frage stellen. Als er Professor Crichton abholen will, sind gerade Männer in dessen Büro eingedrungen und sie entführen nicht nur den Professor, sondern auch Falkenburg. Der Professor hatte in den Dreißigerjahren ein Buch über die Ausgrabungen von Babylon veröffentlicht und die Entführer haben in Jerusalem in altes Rollsiegel gestohlen, welches Hinweise auf ein machtvolles babylonisches Artefakt enthält. Jody und seine Freunde folgen den Spuren, um ihn und den Professor zu befreien. Unabhängig davon übernimmt Ed Wellesley, Jodys Bruder einen verdeckten Einsatz für den englischen Geheimdienst. Alle haben das gleiche Ziel, den Irak, die Ruinen der einst mächtigen Stadt Babylon an den Ufern des Euphrat.

Thema und Genre

In diesem archäologischen Abenteuerroman geht es um den neubabylonischen König Nebukadnezar II., das antike Babylon und ein Artefakt von apokalyptischer Macht.

Charaktere

Max Falkenburg und seine Freunde, ebenfalls Archäologen, nehmen diese Herausforderung an, einerseits angetrieben durch Forscherdrang und archäologische Neugierde, andererseits müssen sie auch unter Einsatz des eigenen Lebens ihre Gegner stoppen, deren Motiv die persönliche Gier nach uneingeschränkter Macht ist, nicht die wissenschaftliche Entdeckung alter Kulturen. 

Handlung und Schreibstil

Dieses packende Abenteuer führt führt Max Falkenburg und seine Freunde im März 1960 in den Ostteil der geteilten Stadt Berlin, nach Israel und durch die syrische Wüste in den Irak, vom Ischtar-Stadttor im Pergamonmuseum zur realen Ausgrabungsstädte des antiken Babylon im Irak. Schon der Aufenthalt an diesen Orten ist gefährlich, doch gleichzeitig befinden sie sich diesmal im Zentrum der Aktivitäten von unterschiedlichen Geheimdiensten mit ebenfalls sehr unterschiedlichen Interessen. Die straffe Handlung überzeugt durch überraschende Wendungen, spannende Actionszenen und einen sehr gelungenen Mix zwischen Fakten und Fiktion, Beschreibungen und humorvollen Dialogen. Obwohl Teil einer Serie, ist auch diese neue Geheimakte ein in sich abgeschlossener Fall und somit durchaus unabhängig von den anderen Bänden der Serie zu lesen.

Fazit

Ein spannendes, rasantes archäologisches Abenteuer, in dessen Zentrum das antike Babylon des legendären Königs Nebukadnezar II steht. Ein packendes Lesevergnügen zwischen Fakten und Fiktion.

Geheimakte Excalibur – André Milewski

AutorAndré Milewski
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 29. Mai 2018
FormatTaschenbuch
Seiten358
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746729008

„Aber Excalibur wurde von treuen Gefolgsleuten versteckt und verwahrt, über Jahrhunderte hinweg. Sie waren es, die die Legende von Avalon in Umlauf brachten und es damit schafften, das Schwert ebenfalls in das Reich der Sage zu entrücken.“ (Zitat Pos. 1347)

Inhalt

Die Archäologen Max Falkenburg und Joe Carter haben gemeinsam ein Buch über ihre Entdeckungen in Ägypten herausgebracht und sind eingeladen, einen Vortrag im British Museum zu halten. Max nützt die Gelegenheit, um die Eltern seiner Freundin Jody Wellesley, alter englischer Adel, auf deren Landsitz zu besuchen. Doch der Besuch verläuft anders als erwartet. In der Nacht erfolgt ein brutaler Überfall, Jodys Mutter wird schwer verletzt und ihr Vater entführt. Denn der Viscount von Wellesley gilt als einer der Hüter des mythischen Schwertes Excalibur. Die Mitglieder eines alten Geheimordens, der seinen Ursprung in der Zeit der Kreuzzüge hat, halten ihren Orden für den rechtmäßigen Besitzer dieser legendären Waffe, denn sie kennen die wahre Macht und Kräfte dieses Schwertes.

Thema und Genre

In diesen archäologischen Abenteuerroman geht es um die bekannte Arthur-Sage, das mystische Avalon und das berühmte Schwert Excalibur.

Charaktere

Obwohl für Max Falkenburg, auch auf Grund seiner deutschen Wurzeln, der Besuch bei den versnobten Eltern seiner Freundin Jody mit mehr Nervosität und Aufregung verbunden ist, als manche seiner Ausgrabungen, zögert er nicht, die Entführer von Jodys Vater zu verfolgen, um diesen zu befreien und andererseits das Geheimnis um Excalibur zu lüften.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte führt weit zurück in die Zeit des legendären King Arthur und zu den Kreuzzügen von Richard Löwenherz. Die aktuelle Handlung spielt innerhalb von nur wenigen Tagen im Januar 1958. Diese rasant-kurze Zeitspanne  bringt Spannung auf jede Seites dieses Buches. Dennoch findet der Autor auch Zeit für Fakten. Er führt Max Falkenburg, seinen Freund und Kollegen Patrick O’Malley, Jody Wellesley, ihren Bruder Eduard „Eddie“  und uns Leser auf eine gefährliche Reise durch das verschneite England an alle mit der bekannten Legende verbundenen Orte: Glastonbury, das legendäre Avalon, mit dem Glastonbury Tor und natürlich auch nach Tintagel. Kartenskizzen, sowie Informationen am Buchende und Hinweise auf weiterführende Lektüre ergänzen die Handlung. Die Sprache passt zum Genre, schildert rasante Actionszenen, nimmt sich aber dennoch Zeit für die Erklärung der Hintergründe und auch der Humor kommt nicht zu kurz.

Fazit

Ein packender archäologischer Abenteuerroman zwischen Fakten und Fiktion, in dessen Mittelpunkt die Legenden um King Arthur und das Schwert Excalibur stehen. Obwohl dieses Buch Teil einer Serie ist, handelt es sich um eine abgeschlossene Geschichte, die unabhängig von den anderen gelesen werden kann, doch vermutlich bleibt es nicht bei diesem einen Band, denn es ist eine Serie mit hohem Fan-Faktor.

Das kleine Friesencafé“ (Die kleine Friesencafé-Reihe 1) – Janne Mommsen

AutorJanne Mommsen
Verlag Rowohlt Taschenbuch
Erscheinungsdatum 16. Februar 2021
FormatBroschiert
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3499003950

„In Wirklichkeit war der Gedanke, Backen und Malen an einem Ort zu verbinden, natürlich illusorisch, aber spinnen durfte sie ja.“ (Zitat Seite 69)

Inhalt

Julia Koslowski führt gemeinsam mit ihrer Oma Anita ein Blumengeschäft in Gelsenkirchen, doch jetzt braucht sie eine Auszeit. Julias jung verstorbene Mutter hatte mit der damals einjährigen Julia eine Mutter-Kind-Kur auf der Insel Föhr gemacht und daran erinnert sich ihre Oma, als sie ein altes Heft von Julias Mutter findet, das Tagebuch mit Zeichnungen aus diesem Urlaub. Julia reist auf die Insel Föhr, um die dargestellten Örtlichkeiten zu erkunden und zu malen. Zufällig entdeckt sie eine alte, restaurierte Scheune, das perfekte Atelier für sie, doch der Besitzer, der gerade pensionierte Kapitän Hark Paulsen will unbedingt seine Ruhe haben. In einem unbedachten Moment stimmt er jedoch zu und vermietet die Scheune an sie. Jetzt kommt auch noch Oma Anita nach mit alten, nie benützten Möbeln, in ihrer Jugend hatte sie davon geträumt, in Paris ein Café zu eröffnen. Rasch füllt sich die Scheune mit Bildern, Torten, Kuchen und vielen Gästen. Kann das gut gehen, denn für Kapitän Paulsen sollte diese Scheune ein Ort der Stille sein …

Thema und Genre

In diesem Wohlfühlroman geht es um die schöne Nordseeinsel Föhr, ihre Eigenheiten, um Familie, Mut zum Neubeginn in jedem Lebensalter und natürlich um die Liebe.

Charaktere

Als Julia auf die Insel kommt, hat sie das Gefühl, es sei vielleicht Zeit, mit ihren dreißig Jahren noch einmal etwas Neues zu beginnen. Andererseits war für sie immer klar, dass sie von ihrer Malerei nicht würde leben können und sie will auch ihre Oma, bei der sie aufgewachsen ist, nicht mit dem Blumengeschäft im Stich lassen. Rasch fühlt sie den Zauber der Insel, der schon ihre Mutter begeistert hatte. Alle Charaktere sind gerade wegen ihrer Eigenheiten sympathisch, der Autor beobachtet die Menschen sehr genau und dies macht seine Figuren natürlich.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt im Sommer auf der Nordseeinsel Föhr. Julia sucht anhand der Skizzen im Tagebuch ihrer Mutter die Orte, an denen diese Zeichnungen entstanden sind. Julia ist kaum ohne ihre Staffelei anzutreffen und gleichzeitig mit ihrer Entwicklung als Malerin werden wir durch die Schilderungen der Natur und der besonderen Plätze auf der Insel mitten in einen Sommer auf Föhr hineinversetzt. Es gibt auch Rückschläge, doch Julia beginnt sich zu fragen, ob es mehr werden könnte, als eine schöne Urlaubszeit.

Fazit

Ein unterhaltsamer Wohlfühlroman, der beim Lesen direkt auf die kleine Nordseeinsel und zu seinen Bewohnern führt und uns mit entspannten Lesestunden zum Träumen bringt.

Wo wir Kinder waren – Kati Naumann

AutorKati Naumann
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 26. Januar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten496
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3749900008

„Ich frage mich: Wie weit darf man gehen, um eine Tradition aufrechtzuerhalten?“ (Zitat Seite 317)

Inhalt

Eva, gelernte Spielzeuggestalterin, hat schon als Kind begeistert Spielzeug getestet, als sie zwischen fünf und dreizehn Jahre alt war. Dies war in Sonneberg, damals DDR. Heute ist Eva zweiundfünfzig Jahre alt und lebt immer noch in Sonneberg. Gemeinsam mit ihrem Cousin Jan und ihrer Cousine Iris gehört sie zur Erbengemeinschaft der ehemaligen Spielzeugfabrik Langbein, gegründet von ihrem Urgroßvater Albert Langbein. Als Jan das alte Haus der Familie räumen muss, da es vermietet werden soll, wollen Eva und Iris helfen. Sie tauchen tief in ihre gemeinsamen Kindheitserinnerungen an dieses Haus und besonders an ihre Großmutter Flora ein, entdecken die abwechslungsreiche Geschichte der Familie und einige alte Familiengeheimnisse, gleichzeitig wächst das gegenseitige Verständnis und langsam formt sich eine Idee.

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um die wechselvolle, reale Geschichte der Spielwarenerzeugung in der Spielwarenstadt Sonneberg von 1910 bis nach der Wende, am Beispiel eines fiktiven Familienunternehmens.

Charaktere

In der Buchinnenseite findet sich ein Stammbaum der fiktiven Familie Langbein. Alle Charaktere sind sehr lebensnah, stimmig und authentisch geschildert, ihre Handlungen und Entscheidungen sind nachvollziehbar. Es ist ein bunter Reigen an Figuren, die uns in dieser Geschichte begegnen und alle haben eines gemeinsam: sie sorgen sich um die Familie und das Familienunternehmen.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt und der Aufbau ist sehr kreativ und originell, auch sprachlich macht es richtig Freude, diese Geschichte zu lesen und die Spannung kommt nicht zu kurz. Die drei Cousins finden im alten Familienhaus einen besonderen Gegenstand, oder sie entdecken Unterlagen, bisher unbekannte Dokumente, und im nachfolgenden Kapitel wir genau jenes Ereignis in der Vergangenheit geschildert, in dem jeweils dieses gerade entdeckte Objekt eine Rolle spielt. Dadurch erfahren wir beim Lesen auch alle Hintergründe, welche die Erben nicht wissen können. So entsteht langsam ein großartiger Familienroman, ergänzt durch sehr lebendige, interessante Schilderungen des Handwerks der Spielzeugherstellung, besonders von Puppen und Plüschtieren, im Wandel der Zeit, von der Handarbeit zur Industrialisierung. Auch der Alltag und die täglichen Probleme der Menschen in jener Zeitspanne, in der Sonneberg zur DDR gehörte, sind sehr eindrücklich geschildert.

Fazit

Ein großartiger Familien- und Generationenroman, ein lebhaftes, vielschichtiges Zeitbild. Reale Vorbilder und eine intensive Recherche ergänzen die packende Geschichte mit interessanten Informationen und ergeben in Summe ein überzeugendes Leseerlebnis.

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid – Alena Schröder

AutorAlena Schröder
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum 20. Januar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3423282734

„Evelyn fixierte Hannah für einen kurzen Moment, prüfend, abwägend, müde. Sie hätte ihn einfach wegwerfen sollen, diesen Brief, nun war es zu spät.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

1942 fertigt Senta für ihren Schwiegervater Itzig Goldmann eine Inventurliste aller Kunstgegenstände an, die er den Nationalsozialisten übergeben muss. Seither sind die Liste und auch die Kunstwerke verschwunden. In der Jetztzeit erhält Dr. Evelyn Borowski, vierundneunzig Jahre alt, die einzige Tochter von Senta Goldmann, einen Brief von einem israelischen Anwaltsbüro, die auf diesen Tatbestand gestoßen sind und weiter Recherchen anbieten. Hannah, Germanistin, schreibt an ihrer Doktorarbeit und besucht ihre Großmutter Evelyn jede Woche. Da entdeckt sie durch Zufall diesen Brief. Warum hat man ihr nie etwas von diesem Teil ihrer Familiengeschichte erzählt und warum schweigt ihre Großmutter auch weiterhin? Hannah beginnt mit eigenen Nachforschungen.

Thema und Genre

In diesem Familien- und Generationenroman geht es um die Vergangenheit und Raubkunst, vor allem jedoch um Mütter und ihre Töchter, um die Probleme von Frauen, die schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein eigenständiges, beruflich erfolgreiches Leben führen wollten, was nur schwer mit ihrer Mutterrolle vereinbar war.

Charaktere

Evelyn hat mit ihrem langen Leben schon abgeschlossen, vor allem jedoch mit der Vergangenheit. Hannah ist für ihre siebenundzwanzig Jahre erstaunlich orientierungslos, weiß nicht, was sie will. Doch während sie sich nur sehr halbherzig ihrer Dissertation widmet, lässt sie bei ihrer Suche nach der Vergangenheit ihrer Familie nicht locker. Senta, Evelyn, Silvia, Hannah, vier Generationen, vier im Grunde nicht so unterschiedliche Frauen, die versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung spielt in der Gegenwart, im Mittelpunkt steht Hannah, ihr Leben und ihre Suche nach den Bildern und nach ihrer Familiengeschichte. Diese wird parallel in einem zweiten Handlungsstrang erzählt, der 1922 beginnt und 1950 endet und der das Leben von Senta und Evelyn zum Inhalt hat. Eine weitere Rückblende führt in das Jahr 2007, zu Evelyn und Silvia. Die Geschichte, in deren Mittelpunkt weniger die Ereignisse, als die Entscheidungen, Konflikte, Probleme und Beziehungen der vier Frauen stehen, ist dicht und stimmig entwickelt, beginnt intensiv und spannend, flacht jedoch im letzten Viertel etwas ab.

Fazit

Eine interessante, angenehm zu lesende Familien- und Generationengeschichte.

Orangen für Dostojewskij – Michael Dangl

AutorMichael Dangl
Verlag Braumüller Verlag
Erscheinungsdatum 26. Januar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3992002979

„Doch am meisten beseelte ihn die Anwesenheit des grandiosen Musikers, der auch ein grandioser Mann war und dabei so schlicht, so natürlich mit ihm sprach, als kennten sie einander schon lang.“ (Zitat Seite 112)   

Inhalt

Anfang August 1862 trifft Fjodor Michailowitsch Dostojewskij mit dem Zug in Venedig ein. Es ist seine erste Auslandsreise nach Europa, die am 7. Juni begonnen hatte. Er kommt aus Florenz und Italien hat ihn bisher enttäuscht. Schon vierzig Jahre alt, hat er nach ersten Erfolgen, Straflager und Strafdienst beim Militär, eine Schaffenskrise, auch wenn er durch seine Reise eine Fülle von neuen Ideen gesammelt hat. Schon überlegt er, aus Venedig früher abzureisen, als er den berühmten Komponisten Gioachino Rossini kennenlernt, der auch mit siebzig Jahren das Leben fröhlich feiert und genießt, hilfsbereit, liebenswert und großzügig. Durch ihn erlebt der zurückhaltende, schwermütige russische Schriftsteller die unvergleichliche Stadt Venedig, wie sie wirklich ist.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um eine Begegnung des Schriftstellers Dostojewskij mit dem Komponisten Rossini. Obwohl die beiden Künstler einander tatsächlich nie getroffen haben, ist diese Geschichte eine so lebendige, geniale Verbindung zwischen intensiver Recherche und einfühlsamer Phantasie, dass man beim Lesen vergisst, dass es sich um keine reale historische Begebenheit handelt.

Charaktere

Der lebensfrohe, überschäumend italienische Komponist Rossini ist das genaue Gegenteil des schwermütigen, damals von Selbstzweifeln erfüllten Schriftstellers Dostojewskij. Die gemeinsamen Gespräche sind trotz oder gerade wegen ihrer unterschiedlichen Sichtweisen für beide eine Bereicherung und beeinflussen das weitere künstlerische Schaffen. Auch die Personen im Umfeld sind so typisch italienisch, man hat sie und die teilweise chaotischen Situationen sofort vor Augen, sie werden lebendig, sind liebenswert, ohne je in Klischees abzugleiten.

Handlung und Schreibstil

Es sind nur fünf Tage, die Dostojewskij vor seiner Heimreise nach St. Petersburg in Venedig verbringt, doch die Fülle an Erlebnissen und Eindrücken, die uns jeder Tag in diesem auch sprachlich überzeugenden Roman schildert, lässt diese kurze Zeitspanne wie Wochen scheinen. Großartig ist die Szene, in der Rossini und Dostojewskij einander zum ersten Mal begegnen. Auch der Umgang der venezianischen Bevölkerung mit den österreichischen Besatzern ist ein Thema. Spätestens, als Dostojewskij zu einem Treffen im Caffè eilt und zuerst das Quadri betritt, wo er auf das gegenüberliegende Florian verwiesen wird, erkennt er die Zusammenhänge und Viva Verdi bekommt eine völlig neue Bedeutung. Doch während die Erinnerungen an den Strafmilitärdienst die Gedanken des russischen Dichters oft in tiefes Dunkel tauchen, hat sich Venedig die lebensfrohe, südliche Leichtigkeit auch unter der österreichischen Herrschaft erhalten. Spannung erhält diese Geschichte durch eine Idee Rossinis, er macht Dostojewskij einen Vorschlag und man ist neugierig, wie der Autor dies auflösen wird, da auch diese Idee fiktiv ist. 

Fazit

Ein funkensprühendes Zeitbild, eine Begegnung von zwei großen Künstlern, der schwermütige, ernste Russe trifft auf den fröhlichen italienischen Genussmenschen und lernt die einzigartige Stadt Venedig kennen und lieben. Ein Leseerlebnis, das mich begeistert hat, mich zum Träumen brachte und Erinnerungen an Venedigbesuche lebendig werden ließ. „Italien ist Italien, Venedig ist Venedig. Venedig bleibt Venedig. Immer.“ (Zitat Seite 434)

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