Die Welt ist voller Sommer, Eine Familiengeschichte von Rügen – Christiane Töllner

AutorChristiane Töllner
Verlag EDITION POMMERN
Erscheinungsdatum 23. März 2020
FormatTaschenbuch
Seiten208
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3939680574

„Seit mehr als hundert Jahren bin ich mal Mittelpunkt dieser Geschichte, mal Zuschauer, mal ganz nah, dann abgeschnitten und weit entfernt. Ich habe während dieser Zeit Vieles erlebt, erfahren, gesehen und gelernt. Ich möchte sie jetzt gerne erzählen.“ (Zitat Seite 5)

Inhalt

Fritz Töllner hatte 1899 in Sellin zunächst die Villa Hedwig gebaut, doch diese war rasch zu klein geworden und so hat er sie drei Jahre später wieder verkauft und auf einem 2.000 m2 großen Grundstück 1903 die Villa Helene gebaut, ein neues Haus für die Familie, mit Fleischerei und Pensionszimmern für Sommergäste. Dieses Haus erzählt die abwechslungsreiche Geschichte der Familie Töllner.

Thema und Genre

Diese biografische Familiengeschichte ist gleichzeitig die Geschichte der Entwicklung des Bädertourismus und der Seebäder am Beispiel des Ortes Sellin. In diesem ersten Band stehen die Jahre 1903 bis 1953 im Mittelpunkt.

Handlung und Gestaltung

Es ist das Haus selbst, das sich an die wechselhafte Geschichte erinnert, beginnend mit dem Jahr 1903, gefolgt von dem kalten Winter 1904 und dem gespannten Warten auf die ersten Sommergäste und den Beginn der Saison im Frühling. Es folgt der Bau der ersten Seebrücke im Jahr 1906 und die erfolgreiche Entwicklung der Seebäder. Zwei Weltkriege und die mühevolle, entbehrungsreiche Zwischenkriegszeit hat diese Familienvilla gut und sicher überstanden, bis zu jenen Schicksalstagen der Aktion Rose im Frühjahr 1953, denen sich die Familie Töllner in letzter Minute durch die Flucht in den Westen entziehen kann.

Es sind Bücher wie dieses, das die Geschichte wirklich spannend und erlebbar machen. Dieses Alltagsleben von Menschen wie du und ich, mit den glücklichen und traurigen Tagen, versetzt uns beim Lesen in diese Zeit zurück. Wir erleben den Beginn des Bädertourismus, den Aufstieg von Sellin im Schatten von Binz, aber auch damals schon ruhiger, mit mehr Persönlichkeit und Flair.

Woher kann ein Haus dies alles wissen? Die Autorin löst das auf eine originelle, plausible Art. Das Haus ist ein interessierter Zuhörer und Beobachter. „Ich höre nicht nur die Stimmen von Familie Töllner innerhalb meiner etwas mehr als vier Wände, sondern der Wind trägt mir über die Dächer und Gärten der anderen Häuser außerdem den neuesten Tratsch und Klatsch und Wichtigkeiten durch Fenster und Türen.“ (Zitat Seite 28).

Viele Fotografien, Dokumente, Originaltexte und ein genau recherchierter, geschichtlicher, internationaler Hintergrund ergänzen die erzählte Familiengeschichte.

Fazit

Ein Leseerlebnis nicht nur für Menschen, die hier leben und aufgewachsen sind, und Menschen, die ihren Urlaub an der Ostsee und vielleicht sogar auf der schönen Insel Rügen verbrinden, sondern auch für die interessierte jüngere Generation. Es sind diese Geschichten der Vorfahren, die nicht verloren gehen dürfen, sondern erzählt und angehört werden sollen. Ich musste beim Lesen dieser packend und lebhaft erzählten Lebensgeschichte einer Familie an ein Zitat des bekannten Autors Alessandro Baricco (Novecento, Piper Verlag, Seite 19) denken: „Du bist nicht wirklich aufgeschmissen, solange du noch eine gute Geschichte hast und jemanden, dem du sie erzählen kannst.“

Stille Quellen – Norbert Hummelt

AutorNorbert Hummelt
Verlag Sammlung Luchterhand
Erscheinungsdatum 1. März 2004
FormatTaschenbuch
Seiten112
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630620749

 „die tropfkerzen brannten gefährlich herunter

du hingst nur da u. drücktest auf repeat

kein blick nach draußen, keine fremdwahrnehmung

für eine weile, die sich endlos zieht“

(Zitat, Ausschnitt aus „entfernte musik ..“, Seite 81)

Inhalt

Dieser Gedichtband ist vier übergeordnete Abschnitte gegliedert, und endet mit einem Epilog. Der erste Abschnitt, „stille quellen“ gibt dem Buch den Titel. Die meisten Gedichte dieser Sammlung sind zwischen Dezember 2000 und September 2003 entstanden.

Themen und Sprache

Es geht um Erinnerungen, die eigenen Wurzeln, Momentbilder aus der Kindheit, ins Heute versetzt, um Liebe, Einsamkeit, Alter. Es sind besondere Augenblicke, ein Naturerlebnis, ein Alltagsgegenstand, welche die Gedanken auf die Reise schicken, die dann oft ernüchtert wieder in die Situation im Jetzt zurückkehren.

Die besondere Sprache dieser Gedichte malt Bilder, verknüpft Dinge, Eindrücke, Gefühle völlig unerwartet neu, interpretiert mit einem oft überraschenden Schlussgedanken.

Fazit

Gedichte in einer modernen lyrischen Sprache, in der nicht die bekannten Vers- und Reimformen zählen, sondern die freie Entfaltung der Worte in einer besonderen Melodie der Sprache. Nachdenklich, mit einer leisen Melancholie, führen diese Gedichte auch in die eigene Erinnerung.

Meine Inselbuchhandlung – Petra Dittrich und Rainer Moritz: Zwischen Bodden und Brandung (Sehnsuchtsorte, Band 10)

AutorPetra Dittrich
AutorRainer Moritz
Verlag Eden Books
Erscheinungsdatum 6. März 2020
FormatBroschiert
Seiten208
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959102476

„Nein, mit der liebevoll verklärten Bullerbü-Heimeligkeit aus Astrid Lindgrens Büchern hat mein Alltag nicht viel zu tun. Es ist eine schöne, aber keine heile Welt in meinem Gingst. Und in ihr steckt sehr viel Arbeit.“ (Zitat Seite 128)

Inhalt

Petra Dittrich ist auf Rügen geboren, doch als sie achtzehn Jahre alt ist und die Grenzen offen sind, zieht es sie in die Großstadt Berlin. Im Jahr 2000 kommt sie auf die Insel zurück, hilft, in Gingst eine Buchhandlung aufzubauen, doch dann erhält sie ein Angebot einer Buchhandlungskette in Hamburg. 2008 dann hat sie das Gefühl, dass es Zeit ist, irgendwo wirklich anzukommen und dieses Irgendwo kann nur Rügen sein. Die Buchhandlung aus dem Jahr 2000 in Gingst gibt es nicht mehr, doch dies hält sie nicht von ihren Plänen ab, weiterhin als Buchhändlerin tätig zu sein, selbstständig, in ihrem eigenen Buchladen, wieder in Gingst. Ihre Idee: eine Buchhandlung, gemütlich wie ein Wohnzimmer, kleine Verlage, außergewöhnliche Bücher abseits des Mainstream. Ihre Umsetzung: nicht einfach, aber erfolgreich.

Thema und Genre

In dieser autobiografischen Geschichte geht es um eine Buchhändlerin und vor allem um ihre besondere Buchhandlung auf der ebenso besonderen Insel Rügen.

Autoren

Petra Dittrich erzählt uns ihre eigene Geschichte, ihren Werdegang, ihre turbulenten Großstadt-Jahre. Sie schildert ihr Konzept für ihre Buchhandlung und die Realisierung. Wir erhalten Einblicke in den Alltag einer engagierten Buchhändlerin, die ihre Energie und Einsatz zwischen dem Laden und der Organisation von Lesungen zu einem nunmehr erfolgreichen Gesamtpaket bündelt.

Rainer Moritz, Germanist, promovierter Literaturwissenschaftler, leitet das Literaturhaus Hamburg, ist Autor, Literaturkritiker und Übersetzer. Als ich gelesen habe, dass er auch eines meiner Lieblingsbücher übersetzt hat, „84, Charing Cross Road“ von Helene Hanff, wusste ich, dass sich hier, in „Meine Inselbuchhandlung“ ein Autorenpaar getroffen hat, dessen Herzen für Bücher schlagen, kraftvoll, engagiert, aber mit wunderbar leisen Tönen.

Umsetzung

Petra Dittrich beginnt mit der Situation im Jahr 2019, schildert die für sie so wichtigen Lebensjahre ab 2008 chronologisch, ergänzt durch Erinnerungen. Vor allem jedoch ist dieses Buch eine bunte, lebhafte Mischung, in der zum Beispiel auch die geliebten Bücher ihrer Kindheit nicht fehlen, ihre Lieblingsbücher, die Autor*innen und Lesungen, ihr Garten, ihre Katzen, Lieblingsplätze auf Rügen und besondere Tipps mit ihren Lieblingslokalen. Zeit nimmt sie sich auch für die Beschreibung von Gingst, vom Marktplatz und seinen Läden, und malt mit Worten die Stimmung auf dem wöchentlichen Grünen Markt im Museumshof. Ehrlich und ohne falsche Romantik erzählt sie mit Herz, Verstand, Freude, Überzeugung und Humor und lässt auch Schwierigkeiten nicht aus.

Fazit

Die Geschichte der Inselbuchhandlung in Gingst auf Rügen, erzählt von der Buchhändlerin selbst. Ein besonderes Lesevergnügen, in dem mit jedem Wort die Liebe zum Beruf, zu Büchern, zu den Menschen und zum Leben überhaupt mitklingt.

Die Bücherinsel – Janne Mommsen

AutorJanne Mommsen
Verlag Rowohlt Taschenbuch
SerieDie Inselbuchhandlung-Reihe, Band 2
Erscheinungsdatum 26. März 2019
FormatBroschiert
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3499275869

„Von Anfang an war der Büchertempel ein magischer Ort für Sandra gewesen. Irgendeine besondere Energie ging von den Bänden in den schattigen Räumen aus, und das hatte bis heute nicht nachgelassen.“ (Zitat Seite 26)

Inhalt

Bis vor fünf Jahren hat Sandra, nun Mitte dreißig, zusammen mit ihren Eltern auf Jahrmärkten einen Autoscooter betrieben, seither lebt sie auf der Insel. Die Schönheiten der Natur und der Gezeiten begeistern sie täglich aufs Neue. Doch plötzlich kommt Unruhe in ihr bisher beschauliches Leben, einerseits durch den neuen Schulleiter Björn, der ihr mehr als sympathisch ist, andererseits durch die Tatsache, dass sie spontan dem Leserkreis von Gretas kleiner Inselbuchhandlung beigetreten ist. Sandra besitzt viele Bücher, aber es sind Hörbücher, denn sie kann weder lesen noch schreiben. Nur Greta kennt ihr Geheimnis und macht ihr ein Angebot. Wird Sandra es annehmen?

Thema und Genre

Auch im zweiten Roman dieser Serie um eine kleine Inselbuchhandlung geht es wieder um Bücher und das Leben auf einer kleinen Insel, um Freundschaft und um die Liebe. Doch das wichtigste Thema sind diesmal die Probleme und der Alltag heimlicher Analphabeten.

Charaktere

Sandra liebt ihr Leben auf der Insel, doch als Analphabetin ausgerechnet einem Leserkreis beizutreten und sich auch noch in einen Deutschlehrer zu verlieben, bringt sie in eine persönliche Krise. Das Verbergen ihrer Schwäche kostet viel Energie, dazu kommen ihre Schwindeleien. Trotz ihres Alters fehlen ihr der Mut und das Selbstbewusstsein, sich den Tatsachen zu stellen. Die Haltung dieser Protagonistin schildert die Problematik sehr realistisch.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einem überschaubaren Zeitraum von einigen Wochen. Die straffe Handlung wird durch Schilderungen der Vielfalt der Natur, des lebhaften Insellebens und des Lesekreises ergänzt. Der Schreibstil ist leicht und angenehm zu lesen und entspricht dieser Wohlfühlliteratur. Die bisher drei Bände dieser Serie um eine kleine Inselbuchhandlung können unabhängig voneinander gelesen werden und auch die Reihenfolge spielt keine große Rolle.

Fazit

Ein Unterhaltungsroman mit Inselfeeling. Perfekt, um den Alltag auszublenden und wenigstens in Gedanken ans Meer zu reisen.

Der zerrissene Brief – Hanns Zischler

AutorHanns Zischler
Verlag Galiani-Berlin
Erscheinungsdatum 13.13. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3869712079

„Wahrsagende Begebenheiten – auf die kommt es an. Die kommen ganz überraschend und strahlen in alle Richtungen aus, auch in unsere Vergangenheit. Unsere Erinnerungen spulen sich um das, was gewesen ist, wie Eisenspäne um einen Magneten.“ (Pos. 1654)

Inhalt

Pauline ist siebzehn Jahre alt und lebt in dem kleinen Ort Treuchtlingen, als sie den dreißig Jahre älteren Max Lassenius, Weltreisenden, Fotograf, Kameramann, Sammler, kennenlernt. Dieser finanziert und ermöglicht ihr 1899 einen Aufenthalt in New York, über zwei Jahre lang arbeitet sie dort in den Botanic Garden in der Bronx. Anschließend heiraten sie. 1966 besucht Elsa, die in Frankfurt Biologie studiert, die nun vierundachtzig Jahre alte Pauline, bei der sie als Kind Ferien verbracht hatte. Elsa hat gerade eine Beziehung beendet und wird von Paulines Erinnerungen an die vielen intensiven Augenblicke eines abenteuerlichen, von Reisen in ferne Länder geprägten Lebens mit Max in eine völlig andere, vergangene Zeit entführt.

Thema und Genre

Dieser Roman erzählt eine spannende Lebensgeschichte, es geht um Erinnerungen, Erfahrungen, um Weltoffenheit, um Kultur und Natur, aber auch um Beziehung und Liebe.

Charaktere

Der Aufenthalt in New York bringt Pauline Selbstständigkeit und ein umfassendes Wissen und Bildung, was sie zur perfekten Gefährtin des gewandten Weltreisenden Max macht. Als Pauline später als Witwe wieder im Dorf ihrer Kindheit lebt, spürt sie keine Enge mehr, sie hat sich verändert, weil ihr Leben mit Erfahrungen und Erinnerungen gefüllt ist. Max kann sich durch die Heirat mit Pauline endlich aus der Umklammerung seiner Mutter lösen. Elsa besitzt die natürliche Neugierde einer Forscherin, sie stellt Fragen, kann aber auch zuhören.

Handlung und Schreibstil

Pauline erzählt ihr Leben nicht chronologisch, sondern in bruchstückhaften, Puzzleteilen gleichenden Erinnerungen, die plötzlich durch eine Bemerkung, eine Situation wieder lebendig werden. Die gemeinsame Zeit mit Max ergibt sich durch Antworten auf Elsas Fragen. Der Roman beginnt mit einem Brief Elsas an den Autor, in dem sie erklärt, woher sie Pauline kennt, wie sie zu deren umfangreichen Aufzeichnungen kam und der die Geschichten zu einem Ganzen schließt.

Die Sprache ist in den Dialogen lebhaft, einfühlsam und passt zu den beiden Frauen. Die erzählenden Beschreibungen sind jedoch intensiv ausgeschmückt, kein Objekt darf in knappen Worten einfach sein, sondern wird dicht mit Adjektiven und Metaphern versehen. Dadurch verliert die Sprache hier die poetische Leichtigkeit der Dialoge. „Das Papiergeraschel der Blätter. Grüne Schattenfächer zerteilten den Widerschein schwach durchwindeter Wolken auf dem Wasser. In nervösen Wellen floss das Licht der Pappeln hinauf und ließ die Luft erzittern.“ (Zitat Pos. 1782) Schilderungen wie diese erzeugen in mir kein Bild der Szene, weil die Gedanken an den Sätzen festhängen.

Fazit

Dieser Roman erzählt das erfüllte, abenteuerliche Leben einer klugen, selbstbewussten Frau, das Erkunden ferner Länder und Kulturen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Als habe diese Geschichte nur darauf gewartet, einmal, ein einziges Mal erzählt zu werden“ (Zitat Pos. 2605) Durch das Erzählen und Teilen der eigenen Erinnerungen mit der nächsten Generation wird die Vergangenheit noch einmal zur Gegenwart.

Nerds retten die Welt: Gespräche mit denen, die es wissen – Sibylle Berg

AutorSibylle Berg
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungsdatum 5. März 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462054606

„Wissenschaft funktioniert nur im Team, je diverser, desto besser.“ (Zitat Pos. 1058)

Thema und Inhalt

Dieses Sachbuch ist eine Sammlung von Interviews mit sechzehn Wissenschaftler*innen und Forscher*innen in unterschiedlichen Bereichen. Diese Gespräche entstanden während die Autorin an ihrem Roman „GRM“ arbeitete und wurden zunächst in ihrer Kolumne im Magazin „Republik“ veröffentlicht.

Umsetzung

Alle Interviews beginnen mit der Frage, ob sich der/die Interviewte heute schon um den Zustand der Welt gesorgt habe, was im Moment am meisten irritiert und Ideen, was man dagegen unternehmen kann, dann soll die eigene Tätigkeit und Forschungsschwerpunkte in drei Sätzen beschrieben werden. Nun folgt der eigentliche, fachbezogene Teil. Alle Gespräche enden mit der Frage nach einem positiven Schlussstatement.

Valerie M. Hudson, Prof., Politikwissenschaftlerin

 „Unsere Kinder werden frei geboren; wenn wir ihnen beibringen, ohne das Elend und das Leid zu leben, das durch die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen verursacht wird, können sie frei bleiben.“ (Zitat Pos. 237)

Wilhelm Heitmeyer, Soziologe, Erziehungswissenschaftler

„Gewalt ist immer eine Machtdemonstration, die wiederum Anerkennung schafft in der jeweiligen Bezugsgruppe, etwa von Jugendlichen.“ (Zitat Pos. 481)

Robert Riener, Dr., Professor für Sensomotorische Systeme

„Jede – alte und neue – Technologie hat immer zwei Seiten. Sie kann uns nützen, oder sie kann so missbraucht werden, dass sie uns schadet.“ (Zitat Pos. 722)

Elizabeth Anne Montgomery, Dr., Professorin für Pathologie und Onkologie

„Die KI kann heute kaum die anatomische Herkunft einer Probe erkennen. Aber irgendwann könnte sie eine große Rolle spielen, indem sie jene Analysedaten bewältigt, die repetitiv und für einen Menschen nicht besonders interessant sind.“ (Zitat Pos. 878)

Lorenz Adlung, Dr., Systemtheoretiker und Systembiologe

„Wissenschaft funktioniert nur im Team, je diverser, desto besser.“ (Zitat Pos. 1058)

Iddo Magen, Dr., Neurobiologe

„Wenn es etwas gibt, das mich als Wissenschaftler beunruhigt, dann, dass die Menschen an Fake News, an erfundene Nachrichten, glauben und dass sie nicht an den Aussagen ihrer Führer zweifeln oder deren Aussagen überprüfen.“ (Zitat Pos. 1125)

Dirk Helbing, Physiker, Soziologe, Professor für Computational Social Science

“Wenn man die beste Einzellösung mit anderen Lösungen kombiniert, dann entsteht oft eine noch bessere Lösung. Das ist das Geheimnis der kollektiven Intelligenz. (Zitat Pos. 1507)

Abraham (Avi) Loeb, Dr., Professor für Astrophysik

„Die Quantenmechanik besagt, dass eine Information nicht verschwinden kann, Hawkings Berechnungen hingegen haben gezeigt, dass sie es tut. Dieses Informatonsparadoxon ist eines der ungelösten Probleme der modernen Physik.“ (Zitat Pos. 1563)

Odile Fillod, Ingenieurin, Kognitionswissenschaftlerin, Wissenschaftssoziologin

„Es geschieht insbesondere im Namen eines bestimmten (essenzialistischen) Feminismus, dass fragwürdige Forschung über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern reproduziert und falsch ausgewertet wird.“ (Zitat Pos. 1866)

Hedwig Richter, Historikerin, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte

„Der Brexit war nicht Demokratie in Reinform, sondern ein demokratisches Missverständnis.“ (Zitat Pos. 2022)

Carl Safina, Meeresökologe, Dr., Professor, unterrichtet Wissenschaftskommunikation

„Wir begreifen, dass wir in der Lage sind, globale Probleme zu schaffen, aber nicht, dass wir sie dringend lösen müssen.“ (Zitat Pos. 2446)

Rolf Pohl, Soziologe, Sozialpsychologe, Männlichkeitsforscher

„Das Männliche ist weiterhin eine in der Kultur und bis ins Unterbewusste der Einzelnen tief verankerte Norm. Es gilt dem Weiblichen als überlegen und bestimmt die bei Männern und Frauen gängigen Einstellungsweisen und Wahrnehmungsmuster.“ (Zitat Pos. 2800)

Jens Foell, Dr., Neuropsychologe, Schwerpunkt Psychopathologie

„Das Smartphone, oder genauer gesagt, die Möglichkeit, ständig auf alles Wissen der Menschheit zugreifen zu können, ist eine nie da gewesene Herausforderung für unser Gehirn und unsere Gesellschaft.“ (Zitat Pos. 2855)

Jutta Weber, Dr., Technikforscherin, Philosophin, Professorin für Mediensoziologie

„Es gibt keine wertfreie Technik. Denn Technik greift in Wahrnehmung, Kommunikation, Sozialität – also in die Formen und Weises unseres Zusammenlebens – ein. (Zitat Pos. 3043)

Lynn Hersham Leeson, Künstlerin, Regisseurin, interaktive Medienkünstlerin

„Und das könnte der Schrecken der Unsterblichkeit sein: dass, um unsterblich zu werden, unsere DNA, das perfekte Archiv, bis zur Unkenntlichkeit mutieren wird.“ (Zitat Pos. 3391)

Emilia Zenzile Roig, Politologin

„Wichtig ist auch, Schuld und Verantwortung nicht zu verwechseln. Auch wenn wir in Bezug auf die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht schuldig sind, können wir trotzdem Verantwortung übernehmen.“ (Zitat Pos. 3651)

Fazit

Dieses Sachbuch bietet ein breites Spektrum an unterschiedlichen Informationen, die auch für interessierte Leser*innen ohne Fachwissen verständlich erklärt werden.  Es geht um ein besserer Verständnis unserer Welt, die sehr komplex geworden ist und um mögliche Wege in eine positive Zukunft. Zeitlos, aber in diesen Wochen von brisanter Aktualität.  

Sonnengesang – Norbert Hummelt

AutorNorbert Hummelt
Verlag Luchterhand Literaturverlag
Erscheinungsdatum 24. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten96
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630876306

„immer geht du bei den kreidefelsen,

verschränkst die arme hinter deinem rücken,

hast deinen leichten linken fuß erhoben

u. an der Sohle ist der gleiche weiße staub.“

(Zitat aus „immer gehst du ..“, Seite 70)

Inhalt

Dieser Gedichtband ist sechs übergeordnete Abschnitte gegliedert. Die sechzig Gedichte dieser Sammlung sind in den Jahren zwischen 2016 und 2019 entstanden.

Themen und Sprache

Es geht um das Leben, Natur, Erinnerungen, Beziehung, Liebe, Sehnsucht, Verlust. Worte, die Bilder von Momentaufnahmen malen, Augenblicke während eines Spazierganges in der Natur, Sonne, Licht, Wind und die Erinnerungen daran, wie man diese Situation früher erlebt hat, damals zu zweit, heute allein. Thema im Abschnitt IV sind Kindheitserinnerungen, die Freiheit in der Natur, die so anders war als in der Welt der Erwachsenen. Manches wiederholt sich, wenn der damalige Sohn inzwischen selbst Vater ist. Es sind Themen, die uns zum Nachdenken bringen, Alltagssituationen, die wir selbst ähnlich erleben. Wer kennt nicht den Spaziergang, oder die Reise, die man zuvor mit lieben Menschen unternommen hat und nun alleine geht, und die leise Wehmut der Erinnerung in den Gedanken.

Die Besonderheit der Sprache, das scheinbar rasch hingeworfene Spiel der Sätze, begleitet diese Gedichte, bei aller Nachdenklichkeit, manchmal Trauer, mit einer fühlbaren Leichtigkeit. Jede Zeile birgt eine Überraschung durch ungewohnte Umbrüche, man fragt sich in einem Sekundenbruchteil „was kommt, was geschieht jetzt, was macht er da“? Ein Beispiel der Beginn des Gedichtes „der geist von locarno“

„der eine stuhl an ihrem tisch war frei ich passierte

die seepromenade warf einen blick u. ging vorbei“ (Zitat Seite 77)

Der schräge Humor in „echo“ brachte mich dazu, laut aufzulachen, denn das Gedicht beginnt so

„abends bei cosenza liegen

zwei zerbeulte turnschuhe,

wo es über die treppe runter

zum busento geht. ..“ (Zitat Seite 82)

Wer denkt da nicht sofort an August von Platen, den edlen Alarich und die Goten. Im Kopf die Ballade, dazu das Bild von den Turnschuhen und die vom Autor erfasste aktuelle Stimmung, diese Mischung ist ein Leseerlebnis, das man so nur schwer beschreiben kann.

Fazit

Wer Gedichte noch immer mit Vers- und Reimformen, mit Hebungen und Senkungen verbindet, wird hier eine völlig andere Form der Lyrik entdecken, wer interessante, neue Möglichkeiten des Ausdrucks sucht, wer Sprache liebt, die gleichzeitig auch Bilder malt, Impressionen, verstärkt durch Gedanken und Gefühle, der sollte sich für diesen Autor Zeit nehmen.

KRYONIUM. Die Experimente der Erinnerung – Matthias A. K. Zimmermann

AutorMatthias A. K. Zimmermann
Verlag Kulturverlag Kadmos Berlin
Erscheinungsdatum 28. Oktober 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten324
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3865994448

 „Während ich zu lesen versuchte und in Gedanken doch ganz woanders war, wälzte ich unzählige Fragen in meinem Kopf: Wo bin ich? Wie kam ich hierher? Warum bin ich hier? Vor allem aber ließ mir eine Frage keine Ruhe: Wer bin ich?“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

„Ich“ befindet sich in einem Schloss, orientierungslos, ohne jede Erinnerung, kennt nicht einmal den eigenen Namen. „Ich“ ist ein Untertan in einer strengen Hierarchie aus einem König, Rittern und Wachen, und leitet die Lichterwerkstatt, wo an einer Lichtmauer gebaut wird, die das Schloss vor den Fabelwesen und Ungeheuern schützen soll, die in einem Wald hausen, der das Schloss umgibt. Es handelt sich um eine Insel in einem See und es soll einen geheimen Fluchtweg geben, der unter dem See auf das Festland führt. Denn „Ich“ will nur eines: fliehen, obwohl Fluchtversuche streng bestraft werden. Als „Ich“ einen Zauberstab findet, ist dies der erste von vielen mutigen Schritten in die Freiheit – doch in welche Freiheit?

Thema und Genre

Der Autor selbst nennt seine Geschichte ein technoides Märchen und führt uns in phantastische virtuelle Welten voller Magie und Fabelwesen. Das Kernthema sind philosophische Fragen, bis zurück zu Platons Ideenlehre und Höhlengleichnis, die Frage, wie weit vergängliche, veränderbare Sinneswahrnehmungen unsere Vorstellung von der tatsächlichen Realität, der wahren Wirklichkeit, beeinflussen. Es geht auch um die modernen Realitätsbegriffe, die mehr Fragen aufwerfen, als beantworten.

Charaktere

„Ich“ als Figur bleibt über lange Zeit schwer zu definieren, jeder Leser füllt die optische Präsenz dieses Wesens nach der eigenen Logik, die sich später als zutreffend erweist, oder auch nicht. Wir wissen jedoch, dass die Figur sehr mutig ist, kreativ, niemals ihre Fluchtversuche aufgibt und Entscheidungen trifft, die überraschen.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman ist in Worte gefasste phantastische Malerei, er versetzt den Leser sprachgewaltig in das Panorama der Bilder des Autors wie „Die Raummaschine 6“, „Die Raummaschine 7“ und „Die Zwischengänge zu Räumen unterschiedlicher Zeiten“. Die Handlung ist in drei übergeordnete Teile gegliedert, diese wiederum in fortlaufende Kapitel. Zwei Handlungsorte werden durch unterschiedliche Sichtweisen  nochmals aufgefächert. Die Wahrnehmungsebene der Figur pendelt wiederholt zwischen der verzauberten, magischen Welt und einer möglichen, erklärbaren Realität, und wieder zurück zur Magie. Die Ereignisse werden zeitlich fortlaufend geschildert, doch im dritten Teil schwenkt die Ich-Form zur personalen Erzählform, fasst beide Handlungsorte nochmals zusammen und diese veränderte Sichtweise verbindet die vorhergegangenen Ereignisse zu einem neuen, überraschenden Gesamtbild.

Fazit

Eine magische, geheimnisvolle, aber auch beklemmende Geschichte. Man erlebt mit einer Ich-Figur spannende Abenteuer, gefährliche Fluchten, trifft Zauberwesen und entwickelt selbst Zauberkräfte, wird durch virtuelle Ebenen von Computerspielen gewirbelt mit zum Glück mehreren Leben, um dann festzustellen, dass alles doch völlig anders ist. Ein phantastisches, packendes Leseerlebnis, dessen Themen zum Weiterdenken anregen.

Für immer die Alpen – Benjamin Quaderer

AutorBenjamin Quaderer
Verlag Luchterhand Literaturverlag
Erscheinungsdatum 9. März 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten592
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3630876139

„Um verstehen zu können, wieso ich gehandelt habe, wie ich gehandelt habe, muss ich nicht nur ein umfassendes Bild meiner Person und meiner Lebensgeschichte, sondern gleichzeitig der Rahmenbedingungen zeichnen, in denen ich mich hin und her geworfen fand wie eine Kugel in einem Flipperautomaten.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Am 31. März 1965 wird Johann Kaiser als Sohn von Soledad und Alfred Kaiser im Krankenhaus in Vaduz, Liechtenstein, geboren. Schon in jungen Jahren zeigt sich, dass er fremdes Eigentum als etwas ansieht, dass er sich bei Bedarf oder auch im Notfall jederzeit ausborgen kann, auch wenn er den Vorsatz, es dann zurückzugeben, meistens nicht einhalten kann. So erging es ihm auch mit den Kundendaten des Treuhandsektors der bekannten liechtensteinischen Bank des Fürstenhauses, die er für den Eigengebrauch kopiert hat und beinahe auch zurückgegeben. Doch aus diesmal blieb es beim „beinahe“ und so schreibt er, nun vierundfünfzig Jahre alt, mit neuer Identität irgendwo auf der Welt im Zeugenschutzprogramm lebend, seine Geschichte, seine Erlebnisse und seine Sicht der Dinge auf. „Ein Satz ist je schöner, desto mehr Wahrheit er enthält.“ (Originalzitat Seite 13)

Thema und Genre

In diesem Roman wird die Lebensgeschichte von H. K., im Buch Johann Kaiser, geschildert, der mit dem Verkauf der zuvor im Treuhandbereich der bekanntesten Bank Liechtensteins kopierten Kundendaten an den deutschen BND und weitere Länder einen internationalen Steuerskandal mit entsprechenden Ermittlungsverfahren ausgelöst hat. Es geht um den Finanzplatz Liechtenstein, internationale Finanzmärkte und den Wunsch eines Einzelnen, Teil davon zu sein.

Charaktere

Johann Kaiser, der an seiner Biografie schreibt und uns so die Geschichte seines bisherigen Lebens aus seiner Sicht, anhand seiner Aufzeichnungen und Erinnerungen schildert, sieht sich selbst nicht als kriminellen Betrüger, denn seine abenteuerlichen Aktionen waren nur teilweise geplant, oft sind seine Handlungen erst aus ausweglos scheinenden Situationen entstanden. „Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte anders gehandelt, aber weil es jedes Nachhinein erst im Nachhinein gibt, ist jedes Nachhinein sinnlos. (Zitat Seite 259)

Handlung und Schreibstil

Der Ich-Erzähler schildert die Ereignisse chronologisch in vierzehn und einem letzten Buch, wobei jedes Buch einen durch Jahreszahlen definierten Zeitabschnitt umfasst und in Kapitel eingeteilt ist. In der Zeit zwischen dem 6. Januar 2003 und dem 2. Juni 2003 stellt der Autor Johann Kaisers Schilderung der Ereignisse auktorial Seite für Seite den Tagesablauf des Dr. Jan Mayer gegenüber, ein Kriminalpsychologe, der das Fürstentum als Experte berät. Dies ist nur einer der vielen Sprachspielereien und Literaturformen, die der Autor in diesem Roman mit offensichtlicher Freude und Neugier an der Sprache vor den Lesern ausbreitet. Da gibt es leere Seiten, dort, wo Johann Kaiser Erinnerungslücken hat, Abschnitte, die kaum eine halbe Seite füllen, während der Rest der Seite jeweils mit einer Reihe von Fußnoten gefüllt ist, wo Johann Kaiser selbst seine Erinnerungen mit Erklärungen, Ereignissen und Gedanken ergänzt, oder mit ebenfalls fiktiven Quellenangaben. Zwischendurch lässt der Autor seinen Protagonisten Haikus schreiben, erklärt die Geschichte Liechtensteins seit der Entstehung und plötzlich befinden wir uns mit Captain James Cook im Jahr 1768.

Fazit

Wer neue Interna über diesen Steuerskandal erwartet, wird enttäuscht sein, denn der Autor verwendet nur Fakten, die aus Sachbüchern und Artikeln eines namhaften deutschen Nachrichtenmagazins längst bekannt sind. Wer jedoch einen spannenden, sprachlich mit großem Vergnügen zu lesenden Roman sucht, dessen Autor den Leser immer wieder überrascht und der die Balance zwischen Sozial- und Gesellschaftskritik und dem humorvollen Augenzwinkern eines begeisterten Fabulierers zwischen Fiktion und Realität gefunden hat, wird begeistert sein.

Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus – Jana Revedin

AutorJana Revedin
Verlag DUMONT Buchverlag
Erscheinungsdatum 12. November 2018
FormatKindle Ausgabe
Seiten305 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07CH3987G

„Ihre Bauhaus-Idee sei in den Köpfen der Menschen also tatsächlich eine Marke geworden, und diese sei seit der vergangenen Woche um einiges mehr wert.“ (Zitat Pos. 1824)

Inhalt

Ise Frank hat einige Semester in Berlin Germanistik studiert. Seit zwei Jahren arbeitet sie in einer Verlagsbuchhandlung in München, schreibt Rezensionen und ist auch journalistisch tätig. Am 28. Mai 1923 begleitet sie ihre Freundin Lise, die Architektur studiert, zu einem Vortrag des Architekten Walter Gropius an der TU Hannover, wo dieser über seine innovative Bauhaus-Idee referiert. Am 11. August 1923 fährt sie zu den Eröffnungstagen der Bauhaus-Ausstellung nach Weimar. Die Bauhaus-Idee begeistert und inspiriert Ise. „Ise, ich brauche Sie“, sagt Gropius zu Ise Frank, die am 16. Oktober 1923 Frau Gropius wird und als gleichrangige Partnerin von Gropius bald für alle „Frau Bauhaus“ ist.

Thema und Genre

Dieser biografische Roman Hintergrund stellt Ise Gropius in den Mittelpunkt, engagiert, eigenständig, entspricht die Journalistin und Schriftstellerin dem modernen Frauenbild. Kernthema ist die Bauhaus-Idee, die künstlerische Umsetzung und die mit dem Bauhaus in Weimar und später Dessau verbundenen bedeutenden Künstler.

Charaktere

Seit dem Tag, als Ise Walter Gropius kennenlernt, ist sie von der Bauhaus-Idee begeistert und lebt sie. Nicht nur Ehefrau, sondern gleich berechtigte Partnerin von Gropius, wird sie von den Künstlern auch auf Grund ihrer Kreativität und präzisen wirtschaftlichen Ideen geschätzt. Auch wenn es sich hier um einen Roman und kein Sachbuch handelt, bleiben die realen Figuren im Rahmen ihrer Biografien, werden aber durch die ausgearbeitete Handlung mit neuen Leben erfüllt.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman zeigt nur einen Ausschnitt aus dem Leben von Ise und Walter Gropius. Es geht im die aktiven Bauhaus Jahre von den Ideen bis zur Umsetzung der Projekte. Er spielt daher, ergänzt durch Rückblenden, in den Jahren 1923 bis zum 1. April 1928, als Gropius unter dem Druck der Politik die Leitung des Bauhaus abgibt. Mit einem kurzen Ausblick auf die weiteren Ereignisse im Leben des Ehepaares Gropius mit den bekannten Fakten und Daten schließt der Roman.

Der Autorin gelingt es, nicht nur die Künstlerin Ise Gropius in allen Facetten und mit vielen interessanten Details zu schildern, sondern auch das einmalige kreative Umfeld und Schaffen in dieser Gemeinschaft von Kunstschaffenden zu erfassen, das die Architektur und Innenarchitektur mit völlig neuen Inhalten und Leben abseits der starren Lehre der Hochschulen erfüllt. Großartig und spannend zu lesen ist der Weg des jungen Marcel Breuer und die Entwicklung seiner modernen Stahlrohrmöbel.

Fazit

Ein biografischer Roman über Ise Gropius, die engagierte Frau und kreative Partnerin an der Seite des Architekten und Bauhaus-Gründers Walter Gropius. Ein Buch, dessen Seiten die Ideen und künstlerische Vielfalt des Bauhaus Gedankens atmen und den damit verbundenen Aufbruch in völlig neue Wege einer modernen Architektur.

Die Seebadvilla – Kathleen Freitag

AutorKathleen Freitag
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 24. März 2020
FormatBroschiert
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959673921

„Tatsächlich glich ihre Familiengeschichte einem Puzzle, bei dem sie nur die Randstücke zusammensetzen konnte.“ (Zitat Pos. 186)

Inhalt

1992 führt Henriette (Henni) Faber seit über fünfunddreißig Jahren ein erfolgreiches Modeatelier in München. Ihre Tochter Caroline hilft ihr beim bevorstehenden Umzug in ein günstigeres Geschäftslokal. Dabei entdeckt sie eine alte Fotografie und das Schreiben eines Anwaltsbüros aus Greifswald, in dem es um die mögliche Rückübertragung einer Villa auf der Insel Usedom geht. Doch ihre Mutter will damit nichts zu tun haben, will nicht einmal darüber reden. Caroline aber will die Wahrheit wissen und besucht zuerst ihre Großmutter Grete in Berlin, anschließend fährt sie auf die Insel Usedom. Zu viele offene Fragen warten auf Antworten.

Thema und Genre

Dieser Familien- und Generationenroman spielt in den Nachkriegsjahren und nach der Wende. Es geht um die DDR, um die Aktion Rose, um Schweigen, um zu vergessen. Ein Thema sind auch die Liebe, Hoffnung und Mut zum Neubeginn.

Charaktere

Grete, Henni und Caroline, drei unterschiedliche Generationen einer Familie, aber jede ist auf ihre Art eine starke, mutige Frau. Sie alle sind durch Geheimnisse und Verschweigen wichtiger Familienereignisse geprägt. Generell sind die Charaktere dieses Romans klar in „gut“ und „böse“ eingeteilt, es fehlen die menschlichen Graubereiche, die den Figuren mehr Tiefe gegeben hätten.

Handlung und Schreibstil

Die Familiengeschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt, ein Teil der Ereignisse spielt in den Jahren 1952 und 1953, der aktuelle Teil spielt im Jahr 1992. Die einzelnen Hauptprotagonistinnen Grete, ihre beiden Töchter Henni (Henriette)  und Lisbeth, und Henriettes Tochter Caroline stehen abwechselnd im Mittelpunkt eines Kapitels, die Zuordnung erfolgt durch die Jahresangabe und den Namen. Die Handlung ist nachvollziehbar, gut geschildert und ergänzende Beschreibungen des Lebens in Ahlbeck auf der Insel Usedom und der Natur bieten einerseits zeitgeschichtliche Informationen, lassen andererseits Inselfeeling aufkommen. Die Sprache entspricht dem Genre Unterhaltungsroman.

Fazit

Ein Familien- und Generationenroman mit zeitgeschichtlichem Hintergrund, der auf der Insel Usedom spielt. Eine spannende, interessante Handlung, leicht und unterhaltsam zu lesen, passend für den Strandkorb, Liegestuhl oder das Sofa.

Der Preis des Lebens – Bernhard Kreutner

AutorBernhard Kreutner
Verlag Benevento
Erscheinungsdatum 22. August 2019
FormatBroschiert
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3710900846

„Um Himmels Willen, wie viele Züge planst du voraus? Ganz abgesehen davon: deine Rechnung hätte sich auch als falsch erweisen können.“ (Zitat Seite 22)

Inhalt

Der unangepasste, brillante Ermittler Hauptmann Dr. phil. Michael Lenhart und Leutnant Sabine Preiss, gutaussehend, bestens ausgebildet, clever, von Vorgesetzten als „echte Nervensäge“ bezeichnet, bilden ab sofort die neue, von der EU geforderte Sonderabteilung für ungeklärte und ungewöhnliche Gewaltverbrechen. Was als Strafversetzung gedacht war, wird innerhalb weniger Stunden zu einer undercover ermittelnden, von Spezialisten unterstützten, Sondereinheit, als die Mordkommission um Unterstützung ansucht. Bei einer Beerdigung auf dem Wiener Zentralfriedhof ist ein Sarg zu Boden gefallen, in dem sich nicht nur eine tote alte Dame liegt, sondern auch ein ebenfalls toter junger Mann, dem die Leber fachmännisch entfernt worden war.

Thema und Genre

In diesem spannenden Kriminalroman mit Regionalbezug und Wiener Charme geht es um aktuelle Themen wie die technischen Möglichkeiten der globalen Überwachung, um internationalen Organhandel als höchst lukrative Einnahmequelle. Es geht um die Frage, wie weit vermögende Menschen zu gehen bereit sind, um ihr eigenes Leben oder das eines lieben Menschen zu retten. Auch die Politik, Medien und Korruption spielen eine Rolle.

Charaktere

Dr. phil. Michael Lenhart, zuerst Polizist eher durch Zufall, dann aus Überzeugung, ist ein erfahrener, hervorragender Analytiker mit Wiener Charme, der seine Vorgehensweise manchmal gedanklich mit Aristoteles und Sunzi abstimmt. Zwischen ihm und der toughen, attraktiven Sabine Preiss, der aufmerksamen Ermittlerin mit militärischer Ausbildung, stimmt die Chemie und sie bilden ein starkes Team, das sich nicht aufhalten lässt. Diese beiden Hauptprotagonisten, wie auch alle anderen Charaktere, sind detailliert, mit einer guten Prise Humor und in ihren unterschiedlichen Facetten absolut glaubhaft geschildert.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einem straffen Zeitrahmen, was die Spannung erhöht und dem Geschehen Realität verleiht. Die einzelnen Kapitel tragen als Überschrift Tag, Uhrzeit und Ort der Handlung. Die erklärenden Beschreibungen zeigen, wie genau und umfassend recherchiert wurde. Auch wenn die Handlung fiktiv ist, liegen die Fakten und Ereignisse durchaus im Bereich des Möglichen, was diesen Kriminalroman zu einer fesselnden Lektüre macht, aber auch nachdenklich stimmt. Die Sprache passt zum Genre, Humor und charmante Leichtigkeit verbinden sich mit spannender Action, interessanten strategischen Plänen, sachlichen Beschreibungen und etwas Philosophie zu einem unterhaltsam zu lesenden Ganzen.

Ein Glück, dass ich ein neues Buch niemals nach dem Cover, sondern stets nach Klappentext und Leseprobe auswähle, denn sonst wäre mir dieses spannende Lesevergnügen entgangen. Das Coverbild sollte wohl  kreativ-witzig werden, meiner Meinung nach ist es grenzwertig-geschmacklos.

Fazit

Ein spannender Kriminalroman mit brisanten aktuellen Themen, Wiener Charme und einem unangepassten, aber erfreulich normalen Ermittlerteam. Ein unterhaltsames Lesevergnügen, das auf eine Fortsetzung hoffen lässt.

Die Spionin – Imogen Kealey

AutorImogen Kealey
Verlag Rütten & Loening
Erscheinungsdatum 18. Februar 2020
FormatTaschenbuch
Seiten457
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3352009464

„Sie setzte sich in Bewegung, dann rannte sie, wurde immer schneller, rannte, bis sie die Verfolger hinter sich gelassen hatte und nur noch ihr keuchender Atem und sonst nichts zu hören war.“ (Zitat Pos. 586)

Inhalt

Nancy Wake, geboren am 30. August 1912 in Wellington, Neuseeland, wächst in Australien auf, geht als Journalistin nach Europa, wo sie 1938 in Wien die Verfolgung der Juden miterlebt, was sie für immer prägt. Sie lebt in Marseille, als die Deutschen Nordfrankreich besetzen und wird sofort aus tiefer Überzeugung als Fluchthelferin der Résistance tätig. Als Ehefrau des vermögenden Unternehmers Henri Fiocca hat sie die notwendigen Mittel und Tarnung für ihre gefährlichen Einsätze. 1943 flieht sie nach London, wird dort als Agentin ausgebildet und kehrt heimlich nach Frankreich zurück, um Einsätze der Maquis-Gruppen zu leiten. Fieberhaft suchen die Nazis nach der „Weißen Maus“ und bieten fünf Millionen Francs für ihre Ergreifung. Sie jedoch kämpft unbeirrbar weiter, in der Hoffnung, ihren Ehemann, den die Nazis 1943 verhaftet hatten und der seither verschwunden ist, nach dem Rückzug der Nazis zu finden und befreien zu können.

Thema und Genre

Dieser packende Roman mit biografischem Hintergrund handelt von einer der mutigsten Frauen der britischen Spezialeinheit SOE im zweiten Weltkrieg. Es geht um das von den Deutschen besetzte Frankreich und die Résistance, um die Agenten im Untergrund, welche die Landung der Alliierten in der Normandie durch ihre Einsätze erst möglich gemacht haben.

Charaktere

Nancy Wake ist eine attraktive Frau, ihr Ehemann Henri Fiocca ist ihre große Liebe. Das Risiko, das sie beide mit ihren Einsätzen im besetzten Frankreich eingehen, ist ihr bekannt, aber ihre persönliche Überzeugung und ihr Charakter machen es ihr unmöglich, einfach schweigend wegzusehen. Auch nach ihrer harten Ausbildung als kompromisslose Kämpferin bleibt sie in den wenigen ruhigen Minuten zwischen den Einsätzen eine Frau mit Freude an Kleidern und Kosmetik, für sie kurze Momente eines anderen Lebens. Als Strategin ist sie einfallsreich und in der Ausführung mutig und unerschrocken. Ihr erbittertster Gegner ist Markus Friedrich Böhm, Major der Gestapo Marseille.

Handlung und Schreibstil

Der Roman berichtet die Ereignisse chronologisch, er beginnt 1943 mit Nancys Einsätzen in Südfrankreich und endet 1944 nach der Landung der Alliierten in der Normandie und der Befreiung von Paris. Historische Anmerkungen am Buchende erklären den Lesern, welche Teile des Romans Fakten sind und wo fiktive Veränderungen vorgenommen wurden. Der Schreibstil, in diesem Fall auch die Übersetzung, ist eine perfekte Mischung aus interessanten Fakten, lebhaften Beschreibungen und fesselnden Schilderungen von gefährlichen Einsätzen.

Fazit

Ein spannender biografischer Roman über die mutige Agentin und Widerstandskämpferin Nancy Wake im von den Deutschen besetzten Frankreich des WK II, ein interessanter, packender Pageturner.

Das Ensemble – Aja Gabel

AutorAja Gabel
Verlag Piper
Erscheinungsdatum 3. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492058544

„Obwohl sie tief im Alltag der anderen verwurzelt waren (das Quartett war eine Art Lebenspartnerschaft) und manchmal nicht umhinkamen, sich einzumischen, drehten sich ihre Gespräche eher um Einsätze, Crescendos und Karrieren als um Liebesdinge.“ (Zitat Pos. 1057)

Inhalt

Schon während der Ausbildung haben sie sich gefunden und das Van-Ness-Quartett gegründet. Jana, Erste Violine, die meistens, und nicht nur in der Musik, den Ton und das Tempo vorgibt, Brit, die Zweite Violine, leise, im Leben manchmal pianissimo, doch wenn es im Ensemble darauf ankommt, ist sie präsent. Henry, Bratsche, das hochbegabte, jüngste Mitglied, denkt manchmal über eine Solokarriere nach und Daniel, Cello, der älteste der Gruppe, ist beinahe zwanghaft perfekt, ein großartiger Musiker, aber als Mensch anstrengend. Nach dem Abschlusskonzert am Konservatorium nehmen sie am Esterhazy-Quartett-Wettbewerb in Kanada teil, ein guter Platz wäre ein perfekter Start in eine erfolgreiche Zukunft. Doch persönliche Konflikte könnten sie auch musikalisch aus dem Takt zu bringen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Musik, um Erfolg als Künstler und die Frage, ob ein intensives Leben als Musiker noch Platz lässt für Beziehungen. Ein wichtiges Thema sind die völlig unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Mitglieder des Quartetts, sich daraus ergebende heftigen Diskussionen um musikalische Auslegungen und gleichzeitig die Liebe zur Musik als starkes Band, das sie zusammenhält und auch ihr Privatleben bestimmt.

Charaktere

Jana, Brit, Henry und Daniel sind sehr unterschiedlich in ihrem Herangehen an die Musik. Dennoch sind sie dann erfolgreich, wenn sie sich von der gemeinsamen Liebe zur Musik leiten lassen und so auch zu einem musikalischen Gleichklang finden. Die einzelnen Charaktere sind einfühlsam mit Liebe zum Detail geschildert und immer glaubhaft und stimmig. Die hohen persönlichen Anforderungen des Lebens als Musiker werden sehr realistisch, klar und keinesfalls idealisiert dargestellt, hier verstärkt durch die Zugehörigkeit zu einem Ensemble.

Handlung und Schreibstil

Der Roman folgt dem Ensemble chronologisch über mehr als fünfzehn Jahre lang, ist in vier Teile eingeteilt, wobei es in jedem Teil auch um bestimmte Musikstücke geht. Die personale Erzählform stellt in den einzelnen Kapiteln jeweils ein Mitglied des Ensembles in den Mittelpunkt, in Teil 1 und Teil 3 ist es abwechselnd Jana oder Brit, in Teil 2 und Teil 4 Henry oder Daniel. Dadurch ergeben sich für den Leser unterschiedliche Sichtweisen auf bestimmte Ereignisse, wodurch die Handlung intensiv erlebt wird. Musik und Leben im Alltag von Partnerschaften und Familie werden so zu einem facettenreichen Gesamtbild, auch in der Sprache untermalt von Musik.

Fazit

Ein leiser, manchmal nachdenklicher Roman, Musik, die konstant durch alle Entscheidungen der Mitglieder eines Ensembles von Streichinstrumenten schwingt, um dann in einer Konfliktsituation zum Fortissimo aufzubrausen. Die Frage, ob ein intensives Musikerleben, der Wunsch nach Anerkennung und Erfolg, für ein erfülltes Leben ausreichen, ob ein Ensemble die Familie ersetzt, oder ob ein privates Parallelleben möglich ist, gibt in diesem Roman gleich einem Notenschlüssel den Ton an. Diese ungewöhnliche Idee, gekonnt umgesetzt, garantiert Lesevergnügen, nicht nur für Musikfreunde.

Sternenblütenträume – Ulrike Sosnitza

AutorUlrike Sosnitza
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 10. Februar 2020
FormatTaschenbuch
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453423695

„Ich wollte an die Magie glauben. Ich wollte an alles glauben, an den Mann im Mond, den wir gemeinsam betrachtet hatten, und an die Unendlichkeit des Augenblicks. An unsere Sternenblütenträume.“ (Zitat Pos.1371)

Inhalt

Nina, 32, ist Fotografin und nach einer gescheiterten Beziehung lebt sie vorübergehend wieder bei den Eltern, die sie deshalb schon Bumerang nennen. Eine Wohnung in Talburg zu finden, ist schwierig. Felix, ein ehemaliger Investmentbanker, arbeitet nun als Übergangsmanager und hilft Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Als Nina und Felix sich durch Zufall auf einer Waldlichtung treffen, scheint es der Beginn eines Märchens zu sein. Doch beide haben ein Geheimnis und als sich herausstellt, dass es sich um das selbe Ereignis in der Vergangenheit handelt, ändert dies alles.

Thema und Genre

In diesem modernen Frauenroman geht es um Familie, das Spannungsfeld zwischen Eltern und erwachsenen Kindern. Ein wichtiges Thema sind Schuld, Neubeginn und natürlich die Liebe.

Charaktere

Feliix hat wohlhabende Eltern. Er selbst ist aus der turbulenten Frankfurter Bankenwelt ausgestiegen und von seiner Tätigkeit im Sozialbereich überzeugt. Nina hat die hektische Welt der Werbefotografie bewusst verlassen und ist eine begeisterte Hochzeitsfotografin im Familienunternehmen. Generell ein fröhlicher, positiver Mensch, gerät die Protagonistin, als ein einschneidendes Erlebnis aus der Vergangenheit in der Gegenwart wieder aktuell wird, in eine Spirale aus Hass und Rachegefühlen, die jede Vernunft ausschließt. Diese Überreaktion macht sie zeitweise weniger sympathisch, da sie nicht bereit ist, die andere Seite wenigstens anzuhören.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung wird fortlaufend abwechselnd aus der Sicht von Nina oder Felix in der Ich-Form erzählt. Zusammen mit den anderen Charakteren der Geschichte, den Erinnerungen und Rückblenden ergibt sich ein gut und flüssig zu lesendes Gesamtbild.

Fazit

Ein Frauenroman mit einem ernsten Thema, wo besonders das Verhalten der Hauptbeteiligten zum Nachdenken anregt. Trotz der nicht immer stimmig agierenden Hauptprotagonistin eine angenehm zu lesende, interessante Geschichte.

Wiedersehen in der kleinen Inselbuchhandlung“ (Die Inselbuchhandlung-Reihe, Band 3) – Janne Mommsen

AutorJanne Mommsen
Verlag Rowohlt Taschenbuch
Erscheinungsdatum 18. Februar 2020
FormatTaschenbuch
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3499276613

„Er spürte, dass gerade etwas Bedeutendes in seinem Leben passiert war, dessen Folgen er noch nicht abschätzen konnte.‘ (Zitat Seite 110)

Inhalt

IIhre Kindheit und Jugend auf der kleinen Nordseeinsel verbrachten sie als enge Freunde: Hauke, Wiebke, Nicole, Kai, eine untrennbare Clique. Doch nach dem Abitur waren sie plötzlich unterschiedliche Wege gegangen, nur Wiebke ist als Landwirtin auf der Insel  geblieben. Nach zwanzig Jahren kehrt der erfolgreiche Autor Hauke für eine Lesung in der Inselbuchhandlung in seine Heimat zurück und unter den Zuhörern sitzen auch Wiebke, Nicole und Kai. Können sie zu ihrer Freundschaft der unbeschwerten Kindertage zurückfinden?

Thema und Genre

Dieser unterhaltsame Roman hat die Wahl zwischen Stadtleben und Landleben, hier auf einer Insel, zum Thema. Vor allem jedoch geht es um Freundschaft, Entscheidungen und mögliche neue Wege.

Charaktere

Vier unterschiedliche Charaktere, die vor zwanzig Jahren eine eingeschworene Clique waren. Sehr stimmig ist die Entwicklung von Hauke, Wiebke, Nicole ind Kai geschildert, ihre Träume und die Situation der nun Erwachsenen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird in einer personalen Form erzählt, wobei abwechselnd  Wiebke oder Hauke im Mittelpunkt steht. Dadurch werden die Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, was den Figuren Tiefe gibt. Erinnerungen ergänzen die aktuelle Situation, wo notwendig. Die angenehm zu lesende Sprache versetzt den Leser durch die lebendigen Schilderungen des Lebens und der Natur der Insel sofort in Urlaubsstimmung.

Fazit

Ein Wohlfühlroman mit Inselflair für unterhaltsame Lesestunden, der zum Träumen anregt und den man mit einem Lächeln liest.

Der Freund – Sigrid Nunez

AutorSigrid Nunez
Verlag Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum 21. Januar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten235
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3351034863

„Es gab eine Zeit, in der mir klarer gewesen wäre, ob es von einer geistigen Störung zeugt, wenn man einem Hund Rilkes Briefe an einen jungen Dichter laut vorliest.“ (Zitat Pos. 1782)

Inhalt

Die Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin und Dozentin für Creative Writing, ist mit einem Schriftsteller in einer lebenslangen, tiefen Freundschaft verbunden, an der auch die drei Ehen des Schriftstellers nichts ändern. Als dieser Selbstmord begeht, versinkt sie in Erinnerungen, Fragen und führt in ihren Gedanken ihre lebhaften, kritischen Diskussionen mit ihm weiter, in denen es um Literatur, Schriftsteller und das Leben insgesamt geht. Doch die Realität verlangt von ihr Entscheidungen, denn ihr Freund hat ihr seinen alten Hund vermacht, eine große Dogge namens Apollo. Auch der Hund trauert, aber gerade daraus ergibt sich eine besondere Bindung zwischen der Schriftstellerin und der Dogge, die viel lieber Rilke vorgelesen bekommt, als Mozart zu hören.

Thema und Genre

Dieser vielschichtige Roman erzählt in Form der Gedanken und Gefühle einer Hauptfigur eine Geschichte von Freundschaft, Liebe, Literatur früher und heute, vom Schreiben und den Schriftstellern, vom Altern und von dem tiefen, wortlosen Verständnis zwischen Mensch und Hund.

Charaktere

Nur die Dogge hat einen Namen, alle anderen Figuren bleiben namenlos, werden aber durch die Schilderungen der Gedanken, Gefühle und erzählten Erinnerungen sofort fassbar und sind intensiv und detailliert beschrieben.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin ist eine wunderbare Erzählerin, sie gibt ihrer Ich-Protagonistin eine Stimme, die mit großem Einfühlungsvermögen Trauer, das Leben als Schriftsteller und die immer präsenten Zweifel schildert, dazu sehr kritische Betrachtungen zum modernen Literaturbetrieb, aber auch den Alltag in New York. Gekonnt spielt sie mit Handlungsebenen und überraschenden Wendungen. Die sprachliche Palette bewegt sich ausdrucksstark zwischen poetisch, philosophisch, kritsch, humorvoll und immer präzise auf den Punkt gebracht.

Fazit

Wer den üblichen unterhaltsamen Mensch-Hund-Wohlfühlroman erwartet, sollte nicht gerade zu diesem Roman greifen.

Wer eine auch sprachlich intensive Geschichte über Trauer, Freundschaft, den Literaturbetrieb und das Schreiben, über Liebe und die überaus gutmütige, kluge Dogge Apollo sucht, wird dieses Buch genießen, auch den damit verbundenen gedanklichen Ausflug in die Literatur. Ein Roman, der die Gedanken noch lange nach der letzten Seite beschäftigt und den man wohl auch ein zweites Mal lesen wird.

Goodbye Bukarest – Astrid Seeberger

AutorAstrid Seeberger
Verlag Urachhaus
Erscheinungsdatum 11. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten244
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3825152307

„Erst als ein Windhauch herüberwehte, hörte er es: Jemand pfiff eine Melodie, die er wiedererkannte. Eine Melodie, die das schwarze Loch mit Musik füllte: Bachs Ich ruf zu Dir.“ (Zitat Seite 91)

Inhalt

Astrids Mutter erzählte Zeit ihres Lebens, dass Astrids Onkel Bruno in Stalingrad gefallen sei. Erst nach dem Tod der Mutter erfährt Astrid von einem alten Pfarrer dass dies eine Lüge war. Bruno hatte den Krieg überlebt, aber mit der Familie bewusst gebrochen. Schon Astrids Mutter hatte nach Bruno gesucht, und Astrid setzt nun diese Suche fort, weil sie die Wahrheit wissen will. Was ist damals wirklich geschehen, lebt ihr Onkel Bruno noch?

Thema und Genre

Dieser autobiografische Roman führt seine Erzählerin durch miteinander verflochtene Schicksale, ausgehend von Sibirien im Zweiten Weltkrieg, nach Bukarest, über Berlin und München in ein altes Haus in Münsing, Bayern. Eines der Hauptthemen sind die Geschichte Rumäniens, Heimat, Flucht und Vertreibung, Familie, die Kraft der Musik und die Liebe in ihrer Vielfalt. Es geht um die Suche nach den eigenen Wurzeln.

Charaktere

Astrid will Antworten betreffend das Schicksal ihres Onkels Bruno und einen Teil ihrer Familiengeschichte, über den bisher geschwiegen wurde. Beharrlich folgt sie auch der kleinsten Spur und sie kann vor allem eines: zuhören. Sie hört den Menschen zu, deren Schicksal auf irgend eine Weise mit dem Schicksal Bruno Seebergers verknüpft ist, all dies eingebettet in wichtige Episoden europäischer Zeitgeschichte.

Handlung und Schreibstil

Der Aufbau dieses Romans wurde für dieses vielschichtige, umfassende Thema perfekt gewählt. Die Ich-Erzählerin berichtet über ihre Recherchen in der aktuellen Gegenwart, dadurch erfährt der Leser auch mehr über sie und ihr Leben. Mehrere Menschen sind fest mit dem Schicksal von Bruno verbunden. Deren Geschichten erfährt Astrid im Zuge ihrer Recherchen von den betroffenen Personen selbst oder durch nahestehende Zeitzeugen. Eine überaus spannende Reise durch die jüngere Vergangenheit, beeindruckend auch durch die vielseitigen Aspekte, die diese Menschen, ihre Entscheidungen und Gefühle, geprägt haben. Die poetische Sprache überzeugt ebenso, wie der gekonnte Aufbau und die Erzählformen.

Fazit

Ein spannend und doch poetisch erzähltes Stück Zeitgeschichte, ein Puzzle von verschiedenen Einzelschicksalen, die dicht miteinander verbunden sind und letztendlich ein Rätsel in der Geschichte einer Familie lösen.

Der Sommer, in dem Einstein verschwand – Marie Hermanson

AutorMarie Hermanson
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 8. März 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten371
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3458178460

„Die neue Frau hatte einen Beruf und war finanziell von niemandem abhängig. Sie hatte aber nicht irgendeinen Beruf; es musste etwas Freies und Kühnes sein, wie Künstlerin, Schauspielerin oder Journalistin.“ (Zitat Seite 20)

Inhalt

Im Jahr 1923 feiert Göteborg das Dreihundert-Jahre-Jubiläum. Die junge Ellen Grönblad erhält eine der begehrten Stellen als Voluntärin für die Ausstellungszeitung ‚Krone und Löwe‘ und wird täglich berichten.

Nils Gunnarsson ist Kriminalpolizist und einem Wirtschaftsbetrüger auf der Spur.

Albert Einstein wird in Göteborg seine Nobelpreisrede halten, doch er war schon in Berlin bedroht worden. Seine Relativitätstheorie und der damit verbundene internationale Erfolg, dazu dieTatsache, dass er Jude ist, machen ihn zum Feindbild der gefährlichen nationalen Kreise in Deutschland. Dann verschwindet plötzlich sein Kalender mit allen Terminen von seinem Schreibtisch. Den Vortrag muss er halten, doch er ändert seine Reisepläne, ein Ereignis, an das sich Otto auch im Jahr 2002 noch erinnern wird, der damals als Junge mit seiner Eselin Bella auf der Ausstellung für die Unterhaltung der Kinder sorgte.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Jubiläumsausstellung 1923 in Göteborg, eine Episode in Einsteins Leben. Thema sind die gesellschaftlichen Umbrüche und die Anfänge eines neuen, modernen Frauenbildes. Das Buch ist ein zeitgeschichtliches  Stimmungsbild der Gesellschaft Göteborgs in den Zwanziger Jahren.

Charaktere

Vier Hauptcharaktere stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Ellen, die angehende Journalistin, deren Ziel es ist, eine „Neue Frau“ zu werden, die es tatsächlich aber bereits ist. Nils, der sympathische Kriminalpolizist, der beharrlich alle Spuren verfolgt und auch zuhört. Otto, der aufgeweckte Eseljunge, dessen späteres Leben durch die Eindrücke dieser Ausstellungsmonate nachdrücklich geprägt wird und Albert, nun, Einstein ist Einstein, eigenwillig, aber immer menschlich, einfühlsam.

Handlung und Schreibstil

Die Ereignisse werden aus Sicht der einzelnen Protagonisten fortlaufend geschildert. Otto erinnert sich 2002 in der Ich-Form an die damalige Zeit zurück, während in der personalen Erzählform der weiteren Kapitel jeweils Ellen, Nils oder Albert im Mittelpunkt stehen. Die Kapitel wechseln einander ab und fügen sich, zusammwn mit ergänzenden Rückblenden, zu einem lebendigen Gesamtbild.

Der erzählende Schreibstil überzeugt auch sprachlich. Die Autorin vereint Beschreibungen, Gefühl und Humor zu einer unterhaltsamen, packenden Mischung.

Fazit

Auch wenn die Figuren und die Handlung, abgesehen von Albert Einstein und seine  Gegnern, fiktiv sind, ist der interessante Rahmen der Geschichte real und genau recherchiert. So entsteht ein lebhaft-buntes Stimmungsbild Göteborgs während dieser internationalen Ausstellung 1923.

Krähennest – Klara Holm

AutorKlara Holm
Verlag Rowohlt Taschenbuch
Erscheinungsdatum 26. März 2016
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3499270710

„Und dann erfuhren sie von ihm, was ihnen all die anderen Dörfler mit ihrem höflichen Plaudern und dem betroffenen Gehabe verschwiegen hatten.“ (Zitat Seite 103)

Inhalt

Spielende Kinder finden auf einem Kutter den Kopf eines toten Mannes. Zwei Tag später wird auch der Körper gefunden. Für Kriminalhauptkommissar Luka Kroczek und sein Team der Kripo Bergen beginnen intensive Ermittlungen, die Staatsanwaltschaft will rasche Erfolge sehen. Als sich herausstellt, dass der Tote ein Bauleiter von NWEU war, jener Firma, deren Ostsee-Abteilung Lukas Lebensgefährtin Teresa Schomaker leitet, wird Luka vom Fall abgezogen. Doch er ermittelt weiter und als Teresa ein wichtiges Detail entdeckt, verfolgt auch sie heimlich eine Spur, jedoch ohne mit Luka darüber zu reden. Dann geschieht ein weiterer Mord.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman ist der zweite Band einer Serie, die auf der Insel Rügen spielt. Die Problematik ist vielschichtig und auch soziale Aspekte sind ein wichtiges Thema.

Charaktere

Luka Kroczek und Conny Böhme sind nach kleinen Startproblemen beim ersten Fall nun ein erfolgreich ermittelndes Team. Dafür kriselt es zwischen Luka und Teresa durch einige Missverständnisse. Dass auch Teresa in diesen Fall involviert ist, macht die Dinge nicht einfacher.

Handlung und Schreibstil

Die straffe Handlung spielt im Sommer 2015 auf Rügen. Die Geschichte bindet viele Themen und unterschiedliche Aspekte mit ein und überrascht mit nicht vorhersehbaren Wendungen. Dennoch bleibt die Geschichte nachvollziehbar, die unterschiedlichen Personen stimmig. Auch der Rügen-Bezug ist wieder sehr gut recherchiert und es stimmen auch die Details, was bei Regio-Krimis leider oft nicht der Fall ist. Die Sprache passt sehr gut zum Genre und die eingefügten Schilderungen unterstreichen das Rügen-Feeling, ohne die Spannung aus der Handlung zu nehmen.

Fazit

Dieser zweite Band einer Serie, der problemlos auch als Einzelbuch gelesen werden kann, bringt einen neuen, sehr vielschichtigen Fall für Luka Kroczek und sein Team. Ergänzt wird die spannende Handlung durch treffende Beschreibungen der Insel Rügen, die Urlaubssehnsucht in die Gedanken malen. Perfekt für den Strandkorb, zum Beispiel in Glowe, aber natürlich auch für gemütliche Lesestunden zu Hause.

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