Vögel füttern, aber richtig: Das ganze Jahr füttern, schützen und sicher bestimmen – Peter Berthold und Gabriele Mohr

AutorPeter Berthold
AutorinGabriele Mohr
Verlag Franckh Kosmos Verlag
Erscheinungsdatum 7. September 2017
FormatTaschenbuch
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3440156933

„So ist ein wunderbares Buch entstanden, das auf den heute verfügbaren wissenschaftlichen Grundlagen aufbaut und eindeutig zeigt: Vogelfütterung – sowohl als Winterfütterung und besser noch als Ganzjahresfütterung – leistet, verantwortungsvoll durchgeführt, einen überaus wertvollen Beitrag zum Vogelschutz und zum Erhalt der Artenvielfalt.“ (Zitat Seite 5, Vorwort Heinz Sielmann)

Thema, Inhalt und Umsetzung

Dieses Sachbuch mit zahlreichen Farbfotografien ist ein umfassender, informativer Ratgeber zum Thema Ganzjahrsfütterung unserer gefiederten Gäste aus der heimischen Vogelwelt.

Das über viele Jahre recherchierte Fachwissen ist wie folgt eingeteilt:

Zunächst werden in zwei übergeordneten Kapiteln die Grundlagen dargelegt.

Vögel füttern: es geht um den Artenrückgang und die Geschichte der Fütterung. Den Abschluss dieses Teiles bildet der Haussperling als detailliertes Beispiel.

Was Vögel zum Leben brauchen: hier sind die wissenschaftlichen Grundlagen nachzulesen.

Es folgt der umfangreiche Praxisteil.

Vögel Füttern in der Praxis: hier geht es um Futterspender, die unterschiedlichen geeigneten Futterarten, eine Übersicht der Fütterung im Jahreslauf. Diesmal ist der Star das Musterbeispiel. Doch auch auf die nicht gewünschten Besucher des Futterplatzes wird Bezug genommen, auf die erforderliche Hygiene und auch Tipps, was bei kranken oder toten Vögeln zu tun ist. Ein umfangreicher Teil mit ergänzenden Maßnahmen vom vogelfreundlichen Garten bis zu geeigneten Nistplätzen beendet diesen Praxisteil.

Den Abschluss bildet ein vierzig Seiten langes Porträt der heimischen Vogelarten, die an den Futterstellen zu beobachten sind, jeweils eine genaue Beschreibung, Ähnlichkeiten und Unterschiede für die Bestimmung werden durch zahlreiche Farbfotografien klar erkennbar.

Am Buchende findet sich ein kurzer Serviceteil mit Quellenangaben und Adressen von Futtermittelherstellern.

Fazit

Ein praxisnaher Ratgeber, verfasst nach jahrelanger Forschung von Prof. Peter Berthold und seiner leitenden Assistentin Gabriele Mohr. Klar strukturiert und sehr verständlich und lesbar geschrieben, finden auch schon bisher überzeugte Ganzjahresfütterer wie ich viele neue, wichtige Informationen und Tipps. Ein Sachbuch, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt, um nachzulesen, oder einfach aus Freude an den vielen wunderbaren Fotografien.

Und das Meer vor uns – Franziska Fischer

AutorFranziska Fischer
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832165413

„Uns wird ständig eingebläut, dass Fehler etwas Negatives sind, aber das Leben ist dazu da, Fehler zu machen. Sonst leben wir es nicht richtig, sondern nur knapp am Leben vorbei.“ (Zitat Seite 229)

Inhalt

Caja Rodinger, ihre beste Freundin Jolie Mossmann und Ludwig Gruber, ein lebhafter, älterer Witwer, fahren spontan ans Meer. Sie landen in der großen Künstlervilla des bekannten Regisseurs Riccardo Renzi in Caorle, wie sich herausstellt, ein alter Freund von Ludwig. Caja ist Künstlerin, nimmt aber seit Jahren nur mehr Auftragsarbeiten als Kinderbuchillustratorin an. Für ihren Ehemann Ben ist sie von Berlin nach Graz gezogen, doch die Ehe ist im Alltag zu einem wortlosen Nebeneinander geworden und Caja flüchtet sich in die persönliche Welt einer Fremden, deren Smartphone sie gefunden hat und deren tagebuchartige Einträge sie liest. In Italien beginnt Caja, den Grund für den Stillstand in ihrem Leben zu suchen und darüber nachzudenken, wie es weitergehen könnte.

Thema und Genre

Das Cover lässt einen unbeschwerten Sommerroman für den Liegestuhl erwarten, doch schon die Leseprobe zeigt, dass es hier um ein Netz von ernsten Konflikten geht, um Stagnation und Selbstzweifel, um die Suche nach dem Platz im eigenen Leben. Themen sind Liebe, Verlust und Freundschaft. Auch Farben, die Malerei und das Meer spielen eine Rolle.

Charaktere

Jolie ist unabhängig, kommt gerade von einem Auslandsjob in Chile nach Berlin zurück. Juran ist Musiker und Maler, nimmt notfalls auch jeden Gelegenheitsjob an, reist von Künstlerkolonie zu Künstlerkolonie. Caja dagegen hängt in einem Leben fest, das völlig anders verläuft, als sie es sich gewünscht hatte. Ihre Kreativität ist blockiert, unter Auftrags- und Termindruck fehlen ihr die Ideen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte, in deren Mittelpunkt die Reise nach Italien und daran anschließend ein Aufenthalt in Berlin stehen, wird von einer Parallelgeschichte begleitet, Nathalie und ihr Tagebuch, das sie selbst  in ihrem Smartphone führt. Die Handlung ist stimmig, die Autorin lässt der Hauptfigur Caja, die ihre Geschichte ebenfalls als Ich-Erzählerin schildert, viel Freiraum. Besonders die Szenen, in denen Caja sich langsam wieder auf ihre Malerei besinnt, sind sehr einfühlsam geschildert. Andererseits jedoch lässt die Autorin Caja zu lange in einer dauernden Schleife der Entscheidungslosigkeit, Unschlüssigkeit und Selbstzweifel verharren, lässt sie mit einer gewissen Verbissenheit dem Leben Nathalies folgen, statt sich endlich mit dem eigenen auseinanderzusetzen, was leider zu einigen Längen in der Handlung führt. Die einfühlsame, lebhafte und dann wieder poetische Sprache überzeugt jedoch.

Fazit

Ein Frauenroman mit einer unentschlossenen Hauptprotagonistin, welcher der Mut für die Umsetzung der eigenen Wünsche und Träume fehlt.

Eisblumenwinter – Anne Barns

AutorAnne Barns
Verlag HarperCollins
Erscheinungsdatum 25. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3959675369

„Hedwig, Erika und ich -, wir sind drei Personen mit verschiedenen Wahrnehmungen und Wirklichkeiten, aber keine von uns kennt die Wahrheit.“ (Zitat Seite 258)

Inhalt

Es ist der erste Adventsonntag, der Tag, an dem der jährliche Kuchenwettbewerb bei Oma Anni im Haus auf Rügen stattfindet. Alle sind gekommen, ihre Freundin Thea, ihre Schwester Erika und ihre drei Enkelinnen Katharina, Pia und Jana. Erika hat Anni ein Geschenk mitgebracht, mit dem sie nicht bis Weihnachten warten wollte. Es sind Annis rote Stiefel, sie vor vielen Jahren plötzlich verschwunden waren. Ihre Tange Hedwig hatte sie ihr damals geschenkt. Alle dachten, die alte Tante sei längst gestorben, doch Hedwig, die demnächst fünfundneunzig Jahre alt wird, lebt gesund und rüstig am Schönberger Strand. Für Oma Anni scheint es an der Zeit, offene Fragen und Lücken in der Familiengeschichte zu klären. Pia begleitet ihre Oma auf dieser Reise zu Tante Hedwig und will die Zeit nützen, sich über ihre Beziehung zu Paul, eine Fernbeziehung zwischen Rügen und Juist, klarzuwerden.

Thema und Genre

In diesem Frauen- und Familienroman geht es um Geheimnisse in der Vergangenheit, um Familie, Beziehungen und natürlich um die Liebe. Es ist der zweite Band einer Serie ,ist jedoch in sich abgeschlossen und kann auch unabhängig vom ersten Band gelesen werden.

Charaktere

Pia, Katharina und Jana sind selbstbewusste junge Frauen. Jede der drei Schwestern steht vor der Entscheidung, sich auf die Liebe und eine echte Beziehung einzulassen.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt an der Ostsee, auf Rügen und am Schönberger Strand. Die aktuelle Handlung wird durch Erinnerungen und Erzählungen, wichtige Ereignisse in der Vergangenheit betreffend, ergänzt. Dies führt zu Überraschungen, doch langsam ergeben sich Antworten auf viele seit Jahrzehnten offene Fragen und der Stammbaum, den Erika erstellt hat, füllt und erweitert sich.

Die Sprache ist angenehm, flüssig zu lesen und humorvoll. Sehr einprägsam sind die lebhaften Schilderungen der Ostsee im Winter. Ein Rezeptteil im Anhang lädt zum Ausprobieren ein.

Fazit

In dieser Geschichte erhält Pia einen weichen, warmen Schal als Geschenk, dessen Design „Cozy Hugs“ heißt. Das ist auch die perfekte Beschreibung für diesen unterhaltsamen Wohlfühlroman: Cozy Hugs.

Der Hund und sein Mensch: Wie der Wolf sich und uns domestizierte – Josef H. Reichholf

AutorJosef H. Reichholf
Verlag Carl Hanser Verlag
Erscheinungsdatum 17. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3446267794

„Über die Jahre, die ich mit Branko lebte, lösten sich manche Annahmen und Gewissheiten, die ich als Zoologe und Evolutionsbiologe über die Beziehung zum Hund mitgebracht hatte, in eine Vielzahl von Fragen und Ungewissheiten auf.“ (Zitat Seite 151)

Thema und Inhalt

In diesem Sachbuch geht es um die besondere Beziehung zwischen Hund und Mensch und die Frage, wie und warum sich der Wolf als Hund zum Weggefährten des Menschen entwickelte. Der Autor und Evolutionsbiologe nimmt uns mit auf eine Reise, die weit in der Vergangenheit beginnt, in der späten Eiszeit.

Umsetzung

Das spannend und verständlich geschriebene Buch ist in drei große Abschnitte geteilt: I Wie aus Wölfen Hunde wurden, II Die Beziehung zwischen Hund und Mensch, III Hund und Mensch – und Katze? Ein Ausblick.

Eine Vorbemerkung umfasst die grundsätzliche Fragestellung, die in den nachfolgenden Texten aus verschiedenen Perspektiven untersucht und mit aktuellen Forschungsergebnissen dokumentiert wird. Ein Nachwort fasst nochmals die Überlegungen und die Gründe, warum dieses Buch entstanden ist, zusammen.

Abschnitt I schildert die kontinuierliche Interaktion zwischen Menschen und Tieren, die bereits in der Steinzeit begonnen hat und deren Erforschung wissenschaftlich noch lange nicht abgeschlossen ist. Ein einzigartiges Beispiel dafür sind die Wölfe, die sich mit dem Homo sapiens in zwei ökologischen Formen weiterentwickelt haben, die wilden Wölfe und die Hundewölfe, und damit die Hundwerdung von Wölfen durch Selbstdomestikation.

Abschnitt II beschreibt den Alltag des Autors mit dem Familienhund Branko, der als Welpe in die Familie kam, seine persönlichen Beobachtungen und praktischen Erfahrungen.

In Abschnitt III geht es um den Vergleich der Ähnlichkeiten und der Unterschiede in der Beziehung Mensch-Hund und Mensch-Katze. Auch bei der Katze ist die Ausgangssituation die Selbstdomestikation, sie hat sich ebenfalls den Menschen angeschlossen, blieb aber unabhängig.

Fazit

In seinen Dankesworten am Ende des Buches schreibt der Autor, er hoffe, dass es immer mehr Hunden vergönnt sein möge, ein Leben mit den Menschen zu führen, das nicht auf strenger Dressur beruhe, sondern auf jener liebevollen Beziehung, zu der die Hunde befähigt sind. Es ist diese Einstellung des Autors und Evolutionsbiologen, die uns Leserinnen und Leser aus jeder Zeile dieses Sachbuchs erreicht. Teilweise nicken wir bestätigend, aber viele dieser interessanten Fakten sind neues Wissen und führen so auch zu einem besseren Verstehen des Wesens dieser besonderen Beziehung zwischen dem Hund und seinem Menschen.

Wolkenballett: Poesie der Begegnung – Verena Liebers

AutorVerena Liebers
Verlag dahlemer verlagsanstalt
Erscheinungsdatum 20. August 2020
FormatBroschiert
Seiten158
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3928832939

„In diesen Tagen war ich draußen, / draußen mit dir, / war ich drinnen, / ganz innen bei mir.“ (Zitat aus „Drinnen und draußen, Seite 8)

Inhalt

Die Texte in diesem Lyrikband umfassen die Veränderungen der Natur und Stimmungen der Jahreszeiten im Laufe eines Jahres, wobei der Winter den Anfang macht.

Die insgesamt sieben übergeordneten Abschnitte beginnen mit dem Kapitel „Als Schnee schneite“ und enden mit „Drinnen, ganz innen“, dessen Abschluss das „Noch-Nicht-Gedicht“ bildet.

Das erste Gedicht des Buches ist keinem Kapitel zugeordnet und dieses „Drinnen und draußen“ ist gleichsam eine Zusammenfassung, denn es führt uns Strophe um Strophe durch alle Jahreszeiten, Eindrücke und Gefühle, welche in der Sammlung der einzelnen Gedichte dann vertieft, neu interpretiert, nochmals aufgegriffen und nachgefühlt werden.

Das Buch endet mit einem Nachwort von Ralph Köhnen, Universität Bochum.

Themen und Sprache

Verena Liebers, die Biologin, liebt die Natur. Bei jedem Wetter beobachtet sie, horcht und spürt, schildert, und fügt ihre eigenen Gedanken, Erinnerungen und Wünsche ein. Sie reist mit uns ans Meer, in die Berge, spaziert durch Städte und Gärten, durch große Eindrücke und kleine Dinge.

Beim Lesen stellt man dann überrascht fest, dass diese Gedichte in dieser Reihenfolge nicht nur den Ablauf der Jahresablauf der Natur beschreiben, sondern dass auch die Gefühle einer Beziehung, von der stürmischen, noch neuen jungen Liebe, über den warmen, intensiven Sommer bis zur Einsamkeit im Herbstnebel leise mitschwingen.

Die Sprache malt Bilder, schildert, reimt sich manchmal, wie beinahe zufällig, aber immer mit einer wunderbar leichten Sprachmelodie.

Fazit

„Poesie der Begegnung“, so nennt die Autorin ihren Lyrikband und besser kann es nicht zusammengefasst werden. Poesie, die unsere Gedanken mit den Wolken fliegen lässt, als Reise durch die Vielfalt der Natur und dabei auch zu uns selbst.

Die Tochter des Zauberers: Erika Mann und ihre Flucht ins Leben – Heidi Rehn

AutorHeidi Rehn
Verlag Aufbau Taschenbuch
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746635811

„Wenn Amerika jetzt nicht aufwacht, um sich gegen Hitler zu stellen, werden wir uns eines Tages verwundert die Augen reiben, weil wir unsere Chance verpasst haben. Danke, Erika, dass Sie uns die Augen geöffnet haben.“ (Zitat Pos. 824)

Inhalt

Schon 1933 verlässt die Familie Mann Deutschland, um in der Schweiz zu leben. Doch Erika Mann ist das nicht weit genug weg von Nazideutschlad und sie wandert zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Klaus nach Amerika aus. Sie logieren im Hotel Bedford, wo sie auf bekannte deutsche Exilkünstler und Journalisten treffen und Erika knüpft rasch wichtige Verbindungen. Sie braucht jede Unterstützung, denn in wenigen Wochen trifft auch das Ensemble ihres Kabaretts „Die Pfeffermühle“ in New York ein, welches sie als „Peppermill“ weiterführen will. Ihr größtes Anliegen ist es, den Amerikanern die Augen über die Vorgänge in Deutschland zu öffnen und sie von den drohenden, realen Gefahren durch das NS-Regime zu überzeugen.

Thema und Genre

Dieser Frauenroman mit biografischem Hintergrund ist der Band 14 der Serie „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“. Im Mittelpunkt steht die Künstlerin Erika Mann, eine starke, eigenständige, engagierte Frau, die dennoch, ebenso wie ihr Bruder Klaus, ihr Leben lang im Schatten ihres berühmten Vaters Thomas stand. Themen sind die ersten Jahre der Naziherrschaft in Deutschland, Exilkunst, die großartige Kulturszene im New York der Vierzigerjahre und natürlich auch die Liebe in allen Facetten.

Charaktere

Der Wunsch nach einer künstlerischen Eigenständigkeit dominiert das Leben der Schauspielerin und Schriftstellerin Erika Mann, verbunden mit einen starken Drang nach persönlicher Freiheit und Ungebundenheit. Rastlos und engagiert eilt sie von Termin zu Termin und durch ihr Leben.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in den prägenden ersten Monaten in New York, zwischen September 1936 und Dezember 1937, wo Erika Mann, erst etwas über dreißig Jahre alt, wichtige Entscheidungen für ihr späteres Leben trifft. Persönlich steht sie zwischen zwei Männern und einer Frau und die Schilderung ihrer Zweifel und Überlegungen geraten etwas langatmig und bringen ihr Handeln zweitweise in die Nähe von Berechnung, was nicht zu dieser eigenwilligen, selbstbestimmten Frau passt, der die eigene Unabhängigkeit viel zu wichtig ist.

Die Sprache ist angenehm und entspannt zu lesen. In den Schilderungen und Beschreibungen hätte ich gerne noch mehr über das Leben in der pulsierenden Weltstadt New York gelesen, über die lebhafte, bunte Künstlerszene dieser Zeit und weniger über Cocktails und Erikas unentschlossene Selbstzweifel, ihre Gefühle betreffend.

Fazit

Ein interessanter Frauenroman mit biografischem Hintergrund, in dessen Mittelpunkt eine oft nur als Tochter des Nobelpreisträgers Thomas Mann wahrgenommene, vielseitige und ausdrucksstarke  Künstlerin steht. Die Handlung, die nur etwas mehr als ein Jahr erfasst, regt an, sich als Vertiefung durch einige der in der Literaturauswahl am Buchende genannten Titel zu lesen.

Schwarzer Jasmin – Manfred Rumpl

AutorManfred Rumpl
Verlag Picus Verlag
Erscheinungsdatum 26. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3711720979

„Es wäre nicht das erste Mal, dachte Franz, dass ihnen von höherer Stelle in die Arbeit gepfuscht würde. Und es wäre auch nicht das letzte Mal, dass sie sich keinen Deut darum scherten.“ (Zitat Seite 80)

Inhalt

Julia arbeitet für ein Projekt, das Asylwerber und Migranten betreut. Nach fünf Jahren kriselt es in ihrer Beziehung zu Jakob, einen Fachjournalisten und Weinkritiker. Ihre kurze Auszeit soll am 19. Dezember enden, bis dahin wollen sich beide klar sein, ob es eine gemeinsame Zukunft gibt.

Frank ist Kriminalhauptkommissar beim GTAZ, Terrorismusabwehr. Seit Monaten gibt es ernstzunehmende Hinweise, dass in Berlin „ein Zeichen gesetzt werden soll“. In diesem Dezember 2016 sind Frank und sein Team mit ihren Ermittlungen wesentlich weiter, doch es fehlen immer noch das Wann, Was, Wo. Für das Wer gibt es einen konkreten Verdacht. Die jungen Tunesier Eymen und sein bester Freund Ahmed waren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, doch während Ahmed erfolgreich eine Ausbildung als Koch beginnt, gleitet Eymen am Rande der Kriminalität dahin, bis er im Islamkreis Unterstützung und Freundschaften findet. Doch damit steht er in ihrer Schuld …

Thema und Genre

In diesem spannenden Roman und Thriller geht es um wichtige Entscheidungen, die, einmal getroffen, das Leben verändern können und gleichzeitig um die Frage, wie weit es möglich ist, den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Ein wichtiges Thema ist die Migration als Chance, aber auch als Bedrohung.

Charaktere

Die Figuren dieser Geschichte haben eines gemeinsam, sie alle sind auf der Suche. Julia sucht Möglichkeiten, Migranten zu helfen. Sie will in ihrer Beziehung intensiv über dieses Thema reden und sieht bei Jakob mehr Einsatz für tunesische Qualitätsweine, als für die europäische Flüchtlingsbewegung. Beide suchen mehr Tiefe in ihrer Beziehung. Frank und sein Team suchen in einem Gewirr aus Politik, Religion und V-Männern nach realen Gefährdern. Eymen und Ahmed, junge Flüchtlinge, suchen in Deutschland ein neues, besseres Leben.

Handlung und Schreibstil

Im Mittelpunkt der Handlung stehen einige Tage im Dezember 2016 in Berlin. Unterbrochen werden diese Ereignisse durch weitere Erzählstränge, welche früher beginnen und die Geschichte der einzelnen Hauptfiguren bzw. Figurengruppen schildern, bis sie alle in diesem Dezember 2016 aufeinandertreffen Ein sehr klug und gekonnt entwickeltes Netz aus Zufall und Unabwendbarkeiten, eindrücklich und achtsam erzählt. 

Fazit

Ein packender, vielschichtiger Roman mit einem brisanten Thema und authentischen Figuren, deren Schicksale nachdenklich stimmen. Eine leise Geschichte mit einem gerade deshalb intensiven Sog und einer beeindruckenden Dichte.

Die Unschärfe der Welt – Iris Wolff

AutorIris Wolff
Verlag Klett-Cotta
Erscheinungsdatum 22. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten216
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3608983265

„Es gab eine Zeit, die vorwärts eilte, und eine Zeit, die rückwärts lief. Eine Zeit, die im Kreis ging, und eine, die sich nicht bewegte, nie mehr als ein einzelner Augenblick.“ (Zitat Pos. 390)

Inhalt

Der junge Pfarrer Hannes erhält seine erste eigene Pfarrstelle und so zieht er mit Florentine, seiner Frau, in ein Dorf im Banat, wo auch ihr Sohn Samuel geboren wird. Das Leben der deutschsprachigen Bevölkerung im kommunistisch regierten Rumänien ist schwierig. Misstrauisch wird beobachtet, wer die Gastfreundschaft des Pfarrhofes für Übernachtungen in Anspruch nimmt, besonders, wenn es Reisende aus der DDR sind. Samuel beginnt spät zu sprechen und ist wie seine Mutter nachdenklich und schweigsam, ein Außenseiter. Nika, die sehr jung gestorben ist, war die beste Freundin von Florentine und Nikas Sohn Oswald „Oz“ ist jetzt der beste Freund von Samuel. Nach den Erfahrungen im Militärdienst will Oz Rumänien verlassen, doch er bekommt keine Ausreisegenehmigung. Was bedeuten seine Visionen von Drachen, die ihn immer wieder heimsuchen? Samuel erklärt es ihm, denn er hat die Lösung – Drachen fliegen…

Thema und Genre

In diesem zeitgeschichtlichen Generationenroman geht es um eine Familie und ihre Freunde und Bekannten, um das Leben und Schicksal von vier Generationen in einer politisch unsicheren Zeit, die geprägt ist von der Diktatur und Unterdrückung unter Nicolae Ceaușescu, und von den nachfolgenden Veränderungen. Es geht um Entscheidungen, Zufälle, und um die Liebe, vor allem aber um den  uneingeschränkten Zusammenhalt einer Familie.

Charaktere

Im Mittelpunkt stehen die Mitglieder der Familie um Hannes und Florentine, das sind Karline und Johann, die Eltern von Hannes, sowie Samuel, der Sohn von Hannes und Florentine. Sie alle versuchen auf unterschiedliche Art, das Leben mit allen Höhen und Tiefen zu meistern.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung spielt in Rumänien und Deutschland, in den Jahren vor und nach dem Fall der Berliner Mauer und der Grenzöffnung. Die Ereignisse im Leben der Familienmitglieder werden episodenhaft erzählt. Neue Begegnungen erweitern den Personenkreis, manche bleiben als Freunde, andere entfernen sich wieder, bis sich mit den Jahren und den Erinnerungen langsam der Kreis schließt. Teilweise fühlte die Handlung sich für mich zu bruchstückhaft an, wie Momentaufnahmen, die rasch vorbeiziehen. Was mich jedoch beeindruckte und immer wieder in die Geschichte zurückholte, war die auf eine leise Art sehr intensive, eindringliche Erzählsprache.

Fazit

Ein Roman von der Suche nach dem Platz im Leben, vom Aufbruch und von Menschen, die zwischen Heimat, Freiheit und Fremde entscheiden müssen, bevor die Grenzen fallen und sich der Kreis der Generationen wieder schließt. Ein Zeitbild, eindrücklich erzählt.

Meereskalt – Elias Haller

AutorElias Haller
Verlag Edition M
Erscheinungsdatum 25. August 2020
FormatTaschenbuch
Seiten25. August 2020
SpracheDeutsch
ISBN-13978-2496704846

„Nachdem mich Hardy vom Fund der Glasmurmeln unterrichtet hatte, fiel mir plötzlich ein ähnlicher Fall ein. Ich habe recherchiert und diese fünf Jahre alte Akte gefunden.“ (Zitat Pos. 690)

Inhalt

Ein fröhliches Fest auf dem Anwesen des Oppositionspolitikers Johannes Vetterick auf der Insel Rügen. Plötzlich werden seine Kinder Finn und Frieda vermisst. Als sie endlich gefunden werden, kommt für die kleine Frieda jede Hilfe zu spät. Geschwister und Glasmurmeln, darum ging es auch fünf Jahre zuvor, als ein Kind verschwunden war, das nie gefunden wurde.

Thema und Genre

In diesem Thriller mit Regionalbezug zur Ostsee geht es um Kindheit, Familie, Verlust und einen kaltblütigen Mörder, der seine Spiele spielt, mit den Opfern, deren Familien und mit den Ermittlern.

Charaktere

Das erfahrene Ermittlerduo Greta Silber und Hardy Finkel geraten in diesem Fall extrem unter Druck. Die Öffentlichkeit, angeheizt durch die Medien, will Ergebnisse sehen, doch bei ihren Recherchen stoßen Greta, Hardy und ihr Team auf ablehnendes Schweigen. Plötzlich ist es Gretas persönlichster Fall, denn ihr Sohn Sören ist verschwunden.

Handlung und Schreibstil

Die packende Geschichte ist vielschichtig, aber komplex und ohne Längen. Man überlegt mit, vermutet, um beim Lesen dann doch wieder auf neue Wendungen und Überraschungen zu treffen. So bleibt die realistische Handlung durchgehend spannend bis zur letzten Seite. Die unterschiedlichen Örtlichkeiten, besonders auf der Insel Rügen, sind sehr gut ausgewählt und geschildert, die klare Sprache liest sich angenehm und flüssig.

Fazit

Ein neuer, packender Fall für Greta Silber und Hardy Finkel. Ein beklemmender, sehr gut recherchierter Thriller mit starken psychologischen Momenten und interessanten Figuren, der spannendes Lesevergnügen garantiert.

Terror – Dan Simmons

AutorDan Simmons
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 1. Dezember 2008
FormatTaschenbuch
Seiten992
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453406131

„Wenn wir also die Schiffe aufgeben und aufs Eis wollen in der Hoffnung, noch vor Wintereinbruch entweder den Großen Sklavensee oder die Ostküste der Somerset-Insel zu erreichen, dann müssen wir schon vor dem Juni aufbrechen.“ (Zitat Seite 522)

Inhalt

Ursprünglich hätte der erfahrende Antarktisforscher Sir James Clark Ross diese Expedition leiten sollen, die den Auftrag hat, die legendäre Nordwestpassage zu durchsegeln und zu kartieren. Doch er lehnt aus persönlichen Gründen ab. Kurz bevor die Schiffe am 19. Mai 1845 in See stechen, äußert er gegenüber dem nun ernannten Leiter der Expedition, Sir John Franklin, seine Bedenken, besonders über die Größe der Expedition. Die beiden Schiffe, die  „Terror“ und die „Erebus“, seien zwar modern, aber zu schwer und hätten für das Eis zu viel Tiefgang. Tatsächlich sind sie dann bereits im Spätsommer 1845 im Eis eingeschlossen und verbringen die Wintermonate vor der Beechey-Insel. Erst im Mai 1846 kommen die beiden Schiffe frei und schon Anfang September beginnt das Eis, sich wieder zu schließen. Bei einer Besprechung der Offiziere am 3. September 1846 wird vorgeschlagen, die schwer beschädigte „Erebus“ aufzugeben, denn mit den gesamten Kohlevorräten käme die wendigere „Terror“ wesentlich rascher voran, Platz sei für beide Mannschaften und Vorräte vorhanden. Doch Sir John Franklin ist sechzig Jahre alt und es ist seine letzte Chance auf eine ruhmreiche Entdeckung. Sein Schiff, die „Erebos“, aufzugeben, kommt nicht in Frage und er erteilt den verhängnisvollen Befehl, die Reise mit beiden Schiffen fortzusetzen.  Doch nur zehn Tage später stecken beide Schiffe wieder im Eis fest und nicht nicht nur Kälte und Dunkelheit bedrohen die Menschen.

Thema und Genre

In diesem packenden historischen Roman erzählt Dan Simmons die Geschichte der legendären Franklin-Expedition und der mutigen Männer, die im arktischen Eis um das Überleben kämpften.

Charaktere

Die Personen, ihr Rang und ihre Aufgaben entsprechen den Musterungsrollen aus dem Jahr 1845. Die nach umfangreichen Recherchen in diesen Roman eingeflossenen Fakten betreffend die einzelnen Charaktere, das Leben an Bord und den Weg über das Eis, das Verhalten der Offiziere und die damals gültige strenge Hierarchie und Befehlshoheit, sind sehr realistisch geschildert.

Handlung und Schreibstil

Der Autor schildert die Handlung annähernd chronologisch, abwechselnd aus Sicht bestimmter Personen. Eine Ausnahme machen die Kapitel um Kapitän Crozier, die im Oktober 1847 beginnen, während die Ereignisse aus Sicht von Sir John Franklin und auch im Tagebuch des Schiffsarztes Dr. Goodsir, die bereits im Mai 1845 beginnen, um sich dann 1847 mit dem aktuellen Geschehen zu verknüpfen. Jedes Kapitel trägt den Namen der jeweiligen Person, die im Mittelpunkt steht, Datum und Standort. Diese spezielle Art der personalen Erzählform und der eindringlichen Sprache führen den Leser, die Leserin sofort in die Handlung und in das Eis der Arktis und machen diesen Roman zu einem ungemein lebendigen, spannenden Leseerlebnis.

Fazit

Dieser historische Roman ist eine durch dunkle Mystik ergänzte Schilderung des möglichen Schicksals der Franklin-Expedition zwischen Mai 1845 und Oktober 1848. Packend und eindrücklich erzählte 962 Seiten machen dieses Buch zum unwiderstehlichen Pageturner.

„Deutscher Buchpreis 2020: Die Nominierten“, Herausgeber: Börsenblatt / MVB GmbH

AutorDeutscher Buchpreis 2020
Verlag Börsenblatt / MVB GmbH
Erscheinungsdatum 18. August 2020
FormatKindle
Seiten130 (Print-Broschüre)
SpracheDeutsch

Originalzitat aus dem Vorwort der Jurysprecherin Hanna Engelmeier, Kulturwissenschaftliches Institut Essen, im „Buchjournal“:

„Es freut uns, dass auch Bücher vertreten sind, die die Form des Romans aufbrechen und mit ihr experimentieren. Die Longlist repräsentiert so nicht nur eine Vielfalt von Themen, sondern auch die Vielfalt poetischer Ausdrucksformen dieser Saison.“

Originalzitat aus dem Vorwort von Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in der hier vorgestellten Broschüre:

„Literatur schärft unsere Wahrnehmung und macht unsere Welt facettenreicher. Sie findet mutige Antworten und zeigt unvermutete Perspektiven auf. Literatur spricht zwischen den Zeilen und Wörtern.“

Inhalt

Diese Broschüre umfasst etwa 130 Seiten und stellt die zwanzig für den Deutschen Buchpreis 2020 nominierten Romane vor. In vielen Buchhandlungen erhält man die Broschüre in gedruckter Form kostenlos, doch NetGalley Deutschland stellt diese elektronische Form, herausgegeben vom „Börsenblatt“, ebenfalls kostenlos zum Download bereit.

Die zwanzig Autorinnen und Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, mit Foto, kurzem Lebenslauf und künstlerischem Werdegang. Daran schließt eine Beschreibung des Themas des jeweiligen Romans an, gefolgt von einer ausführlichen Leseprobe. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die jeweilige Präsentation ab.

Fazit

Eine perfekte Alternative zur gedruckten Broschüre, die nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und auch dort rasch vergriffen ist. Ein interessanter Überblick über die nominierten Romane mit ausführlichen Leseproben, die eine Entscheidung leichter machen, welche dieser Bücher auf die persönliche Liste für den nächsten Buchkauf kommen. Die erfreulich bunte Vielfalt an sehr unterschiedlichen, spannenden Themen, die sich auf dieser Longlist 2020 finden, macht die Auswahl nicht einfach.

Klammerblues um zwölf – Carla Berling

AutorCarla Berling
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 13. Juli 2020
FormatTaschenbuch
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453424128

„Im ersten Moment wollte ich ihr einen Vogel zeigen. Im zweiten Moment wäre ich ihr am liebsten um den Hals gefallen. Im dritten Moment überlegte ich, ob sie verrückt geworden war.“ (Zitat Seite 88)

Inhalt

Als ihr Ehemann an Krebs stirbt, verkriecht sich Felicitas Branding, genannt Fee, siebenundfünfzig Jahre alt, essend auf dem Sofa. Fernsehserien in Endlosschleife lassen sie das reale Leben vergessen. Etwas ändern – da hat sie sofort ein „Ja, aber“ parat. Da platzt in der Silvesternacht Claudia in ihr Leben und lässt sich von den vielen „Ja, aber“ nicht beeindrucken. Was gut ist, denn durch sie und die lebensfrohe Mary bekommt Fee’s Leben eine neue Wendung und ohne diese Veränderungen wäre sie auch nicht dem Mops „Taxi“ und Winnetou begegnet.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Lebenskrisen, das Älterwerden, den Mut zum Neubeginn, Veränderungen, vor allem aber um selbstbewusste Frauen, Freundschaft und die Liebe.

Charaktere

Fee lebt in Erinnerungen, die ihr Sicherheit geben, sie lässt sich gehen, weil sie keine Optionen sieht. Erst durch Claudine erkennt sie, dass die Vergangenheit auch Ballast sein kann. Der bedingungslose, ehrliche Rückhalt, den sie durch Claudine, Mary und alte Freunde erfährt, führt dazu, dass sich ihr Leben ändert. Unverändert, kreativ und zeitlos ist nur ihre Liebe zur Musik, für jede Situation und Stimmung findet sie sofort die passenden Songs.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in einem Zeitrahmen von einem Jahr, von Silvester bis zum nächsten Silvester. Fee ist die Ich-Erzählerin und schildert die Ereignisse weitere sechs Monate später. Ergänzt wird die Handlung durch Rückblicke, ihre Erinnerungen. Die Sprache erzählt flüssig, einfühlsam, klug und mit sehr viel Humor und Ideen über das tägliche Chaos, das sich Leben nennt.

Fazit

Ein unterhaltsamer Roman, der mit ernsten Themen zum Nachdenken anregt, aber mit seinen sympathischen, schrägen Figuren positiv stimmt und immer wieder für heiteres Lachen sorgt. Eine gelungene Mischung und die perfekte Sommerlektüre für entspannte Lesestunden.

Die Frau im Musée d’Orsay – David Foenkinos

AutorDavid Foenkinos
Verlag Penguin Verlag
Erscheinungsdatum 9. Juni 2020
FormatTaschenbuch
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3328105848

„Die Betrachtung der Schönheit war für ihn ein Mittel gegen die Hässlichkeit der Welt. Er hatte es schon immer so gemacht. Wenn es ihm schlecht ging, hatte er ein Museum besucht.“ (Zitat Seite 28)

Inhalt

Antoine Duris ist ein angesehener Hochschulprofessor in Lyon, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er plötzlich innerhalb eines Tages seine Stelle und seine Wohnung kündigt und nach Paris zieht, nicht einmal seiner Schwester verrät er seinen neuen Aufenthaltsort. Er tritt einen Posten als Saalaufsicht im Musée d’Orsay an, wo gerade die große Modigliani-Ausstellung stattfindet. Mathilde Mattel, die Personalchefin, wundert sich über diesen überqualifizierten Bewerber für diese einfache Stelle. Sein Freundeskreis sieht in Louise, die ihn nach sieben Jahren Beziehung verlassen hatte, den Grund für sein Verschwinden, doch dies ist es nicht. Erst Mathilde erfährt eines Tages den wahren Hintergrund.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen, Trennung, Trauer und Schuldgefühle, die ein Leben blockieren können. Auch die Malerei ist ein wichtiges Thema, vor allem das Bildnis von Jeanne Hébuterne, das Modigliani von seiner letzten Lebensgefährtin gemalt hat. Damit verbunden ein Verbrechen, das vom Täter nicht als solches gewertet wird, und die Folgen.

Charaktere

Antoine Duris ist ein angesehener, bei den Studenten beliebter Professor. Als ihn seine Freundin Louise nach sieben Jahren verlässt, kann er sich damit nur schwer abfinden. Dann entdeckt in einem seiner Kurse die hochbegabte Camille, deren Schicksal ihn völlig aus der Bahn wirft, bis er den Mut findet, sich seinen Fragen zu stellen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in drei übergeordnete Abschnitte geteilt. Teil 1 erzählt das aktuelle Leben von Antoine in Paris, Teil 2 geht zurück nach Lyon, in die Zeit der Trennung von Louise und danach, Teil 3 beschreibt die Jugend und Studienzeit von Camille Perrotin, einer aufstrebenden jungen Malerin, die eine hohe künstlerische Begabung zeigt. Ein Epilog schließt die Geschichte ab.

Der Autor schreibt leise, eindrücklich und schildert vor allem die Probleme und damit verbundenen Gefühle, Empfindungen und Handlungen seiner Figuren. In den ersten beiden Teilen steht Antoine im Mittelpunkt, in Teil drei ist es Camille. Trotz der ernsten Problematik liegt über diesem Roman durchgehend eine positive Stimmung.  

Fazit

Eine leise, eindrückliche Geschichte über Trauer, Schuldgefühle, Verzweiflung und den Mut, sich offenen Fragen zu stellen, wie auch immer die Antwort ausfallen möge. Eine wichtige Rolle spielt auch das Museum, vor allem ein Bild von Modigliani, „Jeanne Hébuterne“, die Schönheit der Kunst als Gegenpol zur Hässlichkeit der realen Welt.  

Labskaus für Anfänger – Tina Wolf

AutorTina Wolf
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 13. April 2020
FormatTaschenbuch
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3453423893

„Diesen Mist, diesen ganzen großen Riesenmist habe ich hundertprozentig NICHT beim Universum bestellt!“

Inhalt

Tilda Wagner, eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin, hat gerade ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert und seither ist nichts mehr, wie es war. Der Vermieter kündigt mit Hinweis auf Eigenbedarf die Wohnung, ihr Freund verlässt sie nach drei Jahren und zufällig sieht sie, wie eine junge Nachfolgerin für ihre langjährige Sendung gecastet wird. Könnte dies nicht der richtige Zeitpunkt sein, über das versteckte, kleine Haus auf Amrum nachzudenken, das Tilda völlig unerwartet von ihrem Onkel geerbt hat und vor allem über die Bedingung, die an das Erbe geknüpft ist: sie müsste ein Jahr tatsächlich auf der kleinen Insel leben. Als der nach einer Krähe geworfene Eimer einen Architekten auf seinem Fahrrad trifft, kann sie sich mit dem Gedanken an eine Auszeit auf der Insel immer mehr anfreunden …

Thema und Genre

In diesem unterhaltsamen Sommerroman geht es um Entscheidungen, um neue Wege, wenn das alte Leben wegbricht, aber auch um Freundschaft, den Zusammenhalt auf einer kleinen Insel und um natürlich um Amrum.

Charaktere

Tilda hatte mit ihrem vierzigsten Geburtstag eigentlich keine Probleme, bis ihr berufliches Umfeld, genau gesagt ihr Chef, diesen Tag zu einem Problem macht, plötzlich ist sie für ihre Sendung zu alt. Gleichzeitig kommt noch mehr auf sie zu und sie läuft schon einige Male den Strand entlang und brüllt ihren Frust und Zorn in den Wind. Doch sie hat Humor, ihr fehlt dieses nervende Gejammer gänzlich, das man so oft bei den Hauptprotagonistinnen ähnlicher Romane antrifft. Dies und die Art, wie sie die Schönheit dieser Insel begreift und sich um die alte Trude kümmert, macht sie ungemein sympathisch.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung findet innerhalb einer kurzen Zeitspanne im Sommer statt. Rückblenden in Form von Tildas Erinnerungen ergänzen die aktuellen Ereignisse. Die Schilderungen eines Inselsommers auf dieser naturnahen nordfriesischen Insel malen sofort entspannte Bilder in die Gedanken. Witzige Szenen zeigen nicht nur den Humor der Autorin, sondern auch ihre Kreativität.

Fazit

Eine sehr gute Geschichte, eine sympathische Hauptfigur, liebenswerte Originale und eine wunderschöne Umgebung, Strand und Meer – zusammen ergibt das einen  unterhaltsamen, entspannten Urlaubsroman mit Inselfeeling.

Alles außer Lyrik: Gedichte – Christian Futscher

AutorChristian Futscher
Verlag Czernin
Erscheinungsdatum 29. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3707606478

„Manchmal gelingt mir / ein Gedicht / nach dem ich denke, / jetzt könnte ich sterben (Gedicht Glücksmomente, Seite 93)

Inhalt

Der Titel dieses neuen Gedichtbandes von Christian Futscher wird gleichsam zur Inhaltsangabe, wenn man die fehlenden zwei Worte dieser Aussage von Andreas Okopenko wenige Seiten später in der Widmung liest. Denn natürlich ist es Lyrik, die 153 Seiten dieses Buches füllt. Es sind Gedichte, über die man beim Lesen laut lacht und mehrmals noch nachkichert, so skurril sind die Schlussfolgerungen, die als letzter Satz die vorhergehenden Zeilen bestätigen, völlig umdrehen oder auf den ersten Blick einen Gedankenfetzen ohne Zusammenhang nachstellen. Dann kommt der zweite Blick und damit die Tiefe und das Nachdenken.

Themen und Sprache

Es gibt nichts im tägliche Leben, zu dem dieser Autor nicht einige Zeilen findet, große Probleme, wie die Lage Europas und kleine, wie eine Packung Tee, die aus dem Küchenkastel fällt, es geht um Liebe, Natur, die Alltagssorgen der Menschen. Zu einigen Themen gibt es mehrere Gedichte, die den vorhergehenden Gedanken aufnehmen, weiterführen, oder plötzlich ein völlig neues Bild schaffen. Manche Gedanken, wie die Liebe zum Bauchnabel und die Zitrone, die zuhört und so den Psychologen ersetzt, tauchen im Laufe des Buches immer wieder auf.

Die Sprache spielt mit uns, malt Bilder, schickt uns nach lachendem Kopfschütteln plötzlich in ernste, nachdenkliche Tiefe, um eine Seite weiter wieder fröhlich zu zwinkern und die nächsten Zeilen wie mit leichter Feder aufs Paper zu werfen.

Über Schwalben / will ich auch einmal / etwas Hübsches schreiben. / Aber nicht jetzt. (Gedicht Schwalben, Seite 112)

Fazit

Lyrik, die mich begeistert und die ich auch Leser*innen empfehle, die bei Lyrik an Schulgedichte, streng gereimt, denken und daher nie wieder welche lesen wollen. Diese hier lohnen sich, zum Reinlesen, nochmals Lesen, immer wieder neu Entdecken, versprochen.

Ein Winter in Venedig – Claudie Gallay

AutorClaudie Gallay
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 11. August 2014
FormatTaschenbuch
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442747467

„So sehe ich Sie das erste Mal. Als sitzenden Mann. Beim Lesen, während draußen die Bora bläst und alles mit sich zu reißen droht.“ (Zitat Seite 43)

Inhalt

Sie ist gerade vierzig Jahre alt geworden. Ihr Freund Trevor, mit dem sie über ein Jahr lang zusammen war, hat sie verlassen. Es ist Dezember, Weihnachten mag sie nicht.  Spontan reist sie nach Venedig. In der Pension im Palazzo Bragadin freundet sie sich mit dem alten russischen Fürsten Wladimir Pofkowitschin an, der ihr an den langen Abenden seine Lebensgeschichte erzählt, und mit der jungen Balletttänzerin Carla und deren Freund Valentino. Eines Tages entdeckt sie zufällig am Campo Bruno Corvato eine Buchhandlung und lernt einige Tage später auch Dino Manzoni, den Buchhändler, kennen. Sie beginnt, sich langsam in ihn zu verlieben, doch das Licht am Abend in der Wohnung über der Buchhandlung zeigt ihr, dass er erwartet wird.

Thema und Genre

Dieser Roman handelt vom Verlust, Erinnerungen, der Liebe, von Literatur und vor allem von der Stadt Venedig im Winter, wenn sie, abseits der sommerlichen Touristenströme, wieder den Venezianern gehört.

Charaktere

Wir wissen wenig über die Hauptfigur, eine namenlose Frau. Wir kennen ihr Alter, aber nicht ihren Beruf, doch sie ist erstaunlich ungebildet, aber interessiert. Wir wissen jedoch, dass sie bisher über die Trennung von Trevor nicht hinweggekommen ist. Sie spricht wenig, hört aber umso besser zu.

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman beschreibt Venedig im Winter, die Stimmungen dieser einmaligen Stadt, die in diesen Wochen im Dezember zur Ruhe kommt. Es ist eine leise, fließende Handlung, getragen durch die Gedanken der Ich-Erzählerin und den Ablauf ihrer Tage, in denen sie durch Venedig streift. An den Abenden teilt der alte Fürst, von Beruf Lehrer, seine Erinnerungen und sein Wissen mit ihr. Durch ihn und den Buchhändler beginnt sie zu lesen, besucht Museen und entdeckt die verborgene Schönheit Venedigs.

Fazit

Eine leise Geschichte von einer zarten, ähnlich brüchigen Schönheit, wie die Stadt Venedig im Winter. Die Ich-Erzählerin erlebt Tage, die ruhig fließen, während sie sich in den Gassen der Stadt neu findet.

Damenopfer: Katharina Klein in den Schlagzeilen – Helmut Barz

AutorHelmut Barz
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 19. März 2018
FormatKindle-Ausgabe
Seiten466 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07BKMPSZV

„Sie weigert sich, sich unterzuordnen, ignoriert Dienstvorschriften und direkte Weisungen ihrer Vorgesetzten, integriert sich nur schwer ins Team und überschreitet bei ihrer Arbeit auch schon einmal die Grenzen der Legalität.“ (Zitat aus der Personalakte von Katharina Klein, Seite 74)

Inhalt

Der Sitz der neuen Sonderermittlungseinheit und das Institut für okkulte Pathologie und kryptoforensische Medizin in der Karl-Kreutzer-Villa sind dank vieler Sponsoren mit modernster Technik eingerichtet. Der Tag der feierlichen Eröffnung ist gekommen. Jan-Ole Vogel, Justizminister des Landes Hessen, ein brillanter Schachspieler und unbequemer, tatkräftiger Politiker, spricht in seiner Rede vom Schwarzen Schwarm des Todes, wendet sich an Katharina Klein, erklärt, er übergebe ihr hiermit ihren ersten Fall und erschießt sich. Katharina Klein und Andreas Amendt machen sich auf sie Suche nach den Hintergründen und finden plötzlich eine brisante Verbindung zu einem bekannten Pharmaunternehmen …

Thema und Genre

In diesem neuen Fall für Katharina Klein geht es um Forschung, die Pharmaindustrie, Verantwortung, Wirtschaft und Politik.

Charaktere

Katharina Klein, erst dreiunddreißig Jahre alt, ist Kriminaldirektorin und Leiterin ihrer eigenen Einheit. Sie hat ein hochqualifiziertes, buntes Team zusammengestellt. Dr. Andreas Amendt leitet das rechtsmedizinische Institut. Als mit allen Mitteln und massivem Druck bis ins Privatleben versucht wird, ihre Recherchen zu verhindern, wissen sie, dass sie auf der richtigen Spur sind und ermitteln umso intensiver weiter.

Handlung und Schreibstil

Die aktuellen Ereignisse finden zwischen 6. und 16. April 2008 statt, doch die Ermittlungen führen tief in die Vergangenheit. Die Handlung ist rasant, spannend und die Themen sind zeitlos aktuell. Fachliche Details zeigen die intensive Recherchearbeit des Autors. Die Überschriften und Zitate am Beginn der einzelnen Kapitel stammen diesmal nicht aus dem Jazz, sondern vom Chess, wie auch der Titel des Buches.

Die Sprache ist wieder sehr flüssig und mit Vergnügen zu lesen, das ironische Augenzwinkern und die witzigen Dialoge fehlen auch in diesem neuen Band der Serie nicht. Man spürt, dass der Autor selbst viel Spaß beim Entwickeln der Figuren, der Geschichte und beim Schreiben hatte.

Fazit

Dieser Kriminalroman ist ein packender, rasanter Politthriller, den man auf Grund der kurzen Rückblicke und Erklärungen auch lesen kann, ohne die vorhergehenden drei Bücher zu kennen. Perfekt für Leser*innen, die eigenwillige Ermittlerfiguren schätzen, deren Ecken und Kanten sie speziell, sympathisch und nachdrücklich erinnerbar machen. Dazu eine komplexe, sehr gut aufgebaute, realistische Geschichte, spannend und charmant erzählt.

Menschliche Dinge – Karine Tuil

AutorKarine Tuil
Verlag Claassen
Erscheinungsdatum 3. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3546100021

„Das war vielleicht die einzige Lektion, die er aus den schweren Zeiten mitgenommen hatte: Alles, ausnahmslos alles im Leben konnte von einem Moment auf den anderen aus den Fugen geraten.“ (Zitat Pos. 713)

Inhalt

Alexander Farel, einundzwanzig Jahre alt, ist hochbegabt, smart, ehrgeizig und durch seine ebenfalls erfolgreichen Eltern auf Karriere eingestellt. Dass er gleichzeitig sensibel und wegen des permanent hohen Leistungsdrucks etwas unsicher ist, kann er verbergen. Sein Vater Jean Farel ist ein bekannter Journalist, seit Jahren hat er eine eigene Politshow. Seine Mutter Claire, siebenundzwanzig Jahre jünger als ihr Ehemann, ist eine bekannte Fachautorin. Am Abend des Tages, an dem Jean Farel vom Präsidenten den Orden der Ehrenlegion erhält, ist Alexander zu einer Party bei Studienfreunden eingeladen. Die Stimmung steigt und einer der Freunde schlägt eine Challenge vor …

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Erfolg, Öffentlichkeit, Medienpräsenz und die Brüchigkeit von Beziehungen zwischen Mann und Frau, besonders in Zeiten von #MeToo. Das Kernthema ist die Frage nach Schuld oder Unschuld in einer juristischen Grauzone.

Charaktere

Die Protagonist*innen sind Menschen unserer modernen Gesellschaft. Jean ist mit siebzig Jahren in einem Alter, wo der Sender ihn und seine Sendung durch jüngere Moderatoren und Formate ersetzen will, doch er ist nicht bereit, sich zurückzuziehen. Der Schutz seiner Familie ist ihm wichtig, und er trifft für alle die Entscheidungen, bedingungslos und konsequent, obwohl seine Ehe mit Claire längst gescheitert ist. Alexander studiert mit hervorragenden Leistungen und ist auf dem Weg zur eigenen Karriere, als ein Ereignis ihn völlig aus der Bahn wirft. Mila ist eine introvertierte junge Frau mit psychischen Problemen. Es ist nicht klar, ob sie wirklich nur Gerechtigkeit will, oder unbewusst zum Rachewerkzeug ihrer Mutter wird.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt Ende 2015 und Anfang 2016, sowie zwei Jahre später. Sie umfasst drei Hauptteile. Der erste Teil zeigt die Ausgangssituation, das Leben der einzelnen Charaktere, ergänzt durch Erinnerungen und Gedanken. Teil zwei beschreibt die Zeit der Ermittlungen und Teil drei den entsprechenden Gerichtsprozess. Die gesamte Handlung ist eine kritische Darstellung der Umgangsformen zwischen Mann und Frau, der aktuell geltenden Gesellschaftsnormen, ihrer Ursachen und Auswirkungen.  Die flüssig zu lesende, sachliche Sprache ist berichtet multiperspektivisch.

Fazit

Obwohl im Laufe der Handlung mehrmals von einer juristischen Grauzone und zwei Wahrheiten die Rede ist, bewegt sich dieser Roman sehr nahe am Schwarz-Weiß-Denken. Mögliche Hintergründe für eine alles entscheidende Anzeige werden kurz erwähnt, aber nicht weiter verfolgt und die Geschichte bleibt für mich zu einseitig auf den Opferstatus orientiert. Andererseits regt gerade diese Vielschichtigkeit des Themas und der Sichtweisen zum Nachdenken an und macht den Roman lesenswert.

Und dann noch die Liebe – Alexander Oetker

AutorAlexander Oetker
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG
Erscheinungsdatum 5. August 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455009286

„Ich habe dieses Gefühl, dieses verdammte Gefühl der Einsamkeit, als hätte ich das Wichtigste meines Lebens verloren, ohne dass ich es mir hätte richtig nahekommen lassen.“ (Zitat Pos. 1828)

Inhalt

François ist Deutsch-Franzose und Journalist aus Überzeugung. Er lebt in Berlin und Paris und arbeitet als Freelancer für zwei Nachrichtensender. Sofort zum Aufbruch bereit, ist er in ganz Europa zu Hause, immer möglichst nahe am aktuellen Geschehen. 2015 ist es Brüssel und die griechische Finanzkrise. Zuerst sieht er sie auf Tinder, dann bei einer Pressekonferenz, Agápi ist Griechin und sie gehört zum Presseteam des griechischen Finanzministers. Ihre Wege trennen sich wieder, bis zum Ministertreffen in Paris. Es geht um das neue Hilfspaket für Griechenland. Liveschaltung in die Morgensendung, sein Redaktionsleiter drängt, der Sender braucht Einschaltquoten, François zögert kurz, er kennt brisante neue Fakten und er berichtet. Die Informationen gehen sofort um die Welt – nur, sie waren streng vertraulich.  

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Investigativjournalismus, den Wettstreit der Medien um immer neue Fakten, um das besondere Schicksalsjahr 2015 für die Europäische Union. Ein Kernthema sind flüchtende Menschen, damals und zeitlos aktuell siebzig Jahre später. Wichtige Punkte sind auch Familie, Vertrauen und die Suche nach der Liebe.

Charaktere

François ist überzeugter Europäer, unabhängig, gewandt, kritisch und als Reporter unermüdlich im Einsatz. Nur für die langen Gespräche mit seiner Großmutter Ilse in Schönwalde nimmt er sich Zeit und eines Tages erzählt sie ihm eine Episode aus ihrem Leben, aus dem Jahr 1945.

Handlung und Schreibstil

Die kurze Einleitung beginnt im Heute, dann gliedert sich die Handlung in zwei Erzählstränge, François erzählt seiner Großmutter die Ereignisse 2015 und 2016, von seinen Reportagen, die ihn durch ganz Europa geführt haben und von Agápi. Abwechselnd dazu schildert seine Großmutter Ilse ihre Flucht vor den Russen im April und Mai 1945, wobei dieser Teil des Romans nicht fiktiv ist. Beide Erzählstränge sind in der Ich-Form geschrieben, dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Rückblenden, Erinnerungen und eigene Gedanken einzuflechten. Sprachlich gelingt dem Autor das perfekte Gleichgewicht aus journalistischer Schnörkellosigkeit und Empathie. Die griechische Lebensfreude wird ebenso in Gedanken lebendig, wie die Weltstadt Paris und die Ereignisse dieser besonderen Jahre 2015 und 1945. Die Schilderungen der Flüchtlingsschicksale und der Menschen, die helfen, sind realistisch und achtsam.

Fazit

Man sollte sich durch das trivial-romantische Buchcover nicht abschrecken lassen. Dies ist ein intensives, beeindruckendes und ehrliches Buch, mit einer Vielzahl an aktuellen Themen, das zu Lesen ein positiv-nachdenkliches Vergnügen ist. Definitiv kein Roman, den man zur Seite legt und bald wieder vergessen hat.

Jazz-Trilogie: Westend Blues, African Boogie & Dolphin Dance – Helmut Barz

AutorHelmut Barz
Verlag epubli
Erscheinungsdatum 1. Juli 2019
FormatKindle-Ausgabe
Seiten1375 Seiten (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB07TXDXCGK

„Wir bringen das jetzt zu Ende! Sie und ich! Ein für alle Mal!“ (Pos. 15899)

Inhalt

„Ich verliere gerade zwei gute Beamte statt einem. Und das nur, weil sie Rambo spielen müssen und danach mit der Frankfurter Unterwelt zocken.“ (Zitat Pos. 242)

Inhalt Band 1 Westend Blues

Vor sechzehn Jahren hat Katharina Klein ihre Eltern und ihre ältere Schwester Susanne durch einen Mordanschlag verloren. Damals war sie gerade siebzehn Jahre alt geworden. Heute ist sie Kriminalhauptkommissarin beim K11 Frankfurt, mit umfassender Spezialausbildung, überqualifiziert, zornig, mit einer Ausklärungsquote von 100%. Sie ist gerade suspendiert, da sie zwei Geiselnehmer erschossen hat, als ihre Nachbarin ermordet wird. Dr. Andreas Amendt, Neurologe, als Rechtsmediziner ebenfalls suspendiert, unterstützt sie bei der Suche nach dem Mörder.  

„Alte Rechnungen begleichen? Ja. Genau das würde ich machen. Alle. Endgültig und für immer.“ (Zitat Pos. 13390)

Inhalt Band 2 African Boogie

Katharina Klein wurde soeben zur Kriminaldirektorin der neuen Sonderermittlungseinhalt SEE I FFM befördert. Doch zunächst muss sie untertauchen, denn der südamerikanische Drogenboss, dessen Sohn einer der beiden Geiselnehmer war, die sie vor vierzehn Tagen in Notwehr erschossen hatte, hat einen hochspezialisierten Killer auf sie angesetzt. Zeit für ein paar Wochen Urlaub in einem Luxusressort auf Mafia Island, Tansania. Dort taucht auch Dr. Andreas Amendt auf, auf dessen Gegenwart sie absolut keinen Wert legt, seit sie weiß, dass sie eine gemeinsame Geschichte haben. Da ereignen sich mehrere eigenartige Unfälle im Ressort.

„In Ihrer Gegenwart ist es immer gut, eine medizinische Grundausstattung dabeizuhaben, Frau Klein.“ (Zitat Pos. 16766)

Inhalt Band 3 Dolphin Dance

Zurück in Frankfurt und mit einem wichtigen neuen Hinweis zum nach wie vor unaufgeklärten Mord an ihrer Familie, beginnt Katharina Klein, unterstützt von Andreas Amendt, mit einer neuen, intensiven Suche nach Fakten und Hintergründen in der Vergangenheit und Gegenwart.

„Wir bringen das jetzt zu Ende! Sie und ich! Ein für alle Mal!“ (Pos. 15899)

Thema und Genre

In diesem Sammelband von drei Kriminalromanen geht es um die ersten drei Fälle der Frankfurter Ermittlerin Katharina Klein, um Polizeiarbeit, Verbrechen, internationale Konzerne, Frankfurt und die Szene, um Inselfeeling, Familie, Freundschaft, Liebe, Trauer, Traumata, Verrat, Schuld und Rache.

Charaktere

Katharina Klein ist eine facettenreiche Ermittlerin, eigenwillig, unangepasst, hartnäckig. Eine kampferprobte Einzelgängerin, die im Grunde Gewalt verabscheut, Dienstvorschriften und Weisungen ignoriert und die legalen Grenzen sehr großzügig auslegt.

Dr. Andreas Amendt ist ein hervorragender Neurologe, doch noch mehr als die Lebenden interessiert ihn, was die Toten ihm zu sagen haben und daher arbeitet er als Rechtsmediziner. Durch eine wichtige Gedächtnislücke traumatisiert, ist auch er immer noch auf der Suche nach Antworten.

Handlung und Schreibstil

Jeder der drei Fälle und Ermittlungen findet innerhalb von wenigen Tagen statt, dadurch ist die Handlung straff und packend. Erdig und überraschend wie die vielschichtigen Klangfarben des Jazz sind auch die Ereignisse, ihre verschlungenen Hintergründe, überraschenden Wendungen und die Charaktere. Auch sprachlich überzeugend, gekonnt formuliert, nachvollziehbar und mit charmanten, sehr witzigen Dialogen und Szenen

Fazit

Drei dicht aufeinander folgende Kriminalfälle und eine unangepasste, schräge, kämpferische und gleichzeitig einfühlsame Ermittlerin. Das Resultat ist eine gelungene Mischung aus Spannung und Lesevergnügen, drei Pageturner mit Garantie für nächtliche Lesestunden.

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