Das Wasserhaus – Reinhard Schultze

AutorReinhard Schultze
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 18. März 2021
FormatTaschenbuch
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894257705

„Wir sind alle Akteure in einem komplizierten Feld. Das Wasser hat es verdient, dass wir unsere persönlichen Möglichkeiten so weit es geht ausschöpfen.“ (Zitat Seite 13)

Inhalt

Ma, die erfolgreiche Unternehmerin, wird gerade zum ersten Mal Großmutter und will nun mehr für die Familie da sein, ihnen mehr hinterlassen, als nur die Familienvilla im Allgäu und den Familiensitz Burg Gauchstein, eine Ruine mit Wasserturm. Doch gerade dieser Wasserturm könnte die Familie entzweien, denn als die Wasser-Südwest ihr die Leitung eines innovativen Wasseraufbereitungsprojektes in Südafrika anbietet, kann sie nicht ablehnen. Doch es gibt Personenkreise in Südafrika, die völlig andere Interessen vertreten, es kommt zu Problemen und schließlich benötigt sie zusätzliche Finanzmittel. Die Bank verlangt den Wasserturm als Sicherheit.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Geschichte einer Familie und ihrer Mitglieder. Ein wichtiges Thema sind saure Grubenwässer, Politik, internationale Wirtschaftsbeziehungen und die Frage nach dem Umgang mit der wichtigen Ressource Wasser.

Charaktere

Im Mittelpunkt des Romans stehen die Mitglieder der Familie Holzrichter: der Vater, Physiker, Spitzname „Forscher“, „Ma“ die Mutter, eine erfolgreiche Developerin, und die vier bereits erwachsenen Kinder, Jeffrey, der Älteste, ein Adoptivkind, Anwalt für Gesellschaftsrecht, und die eigenen Kinder Mies, Senta und Flocke, von Jeffrey „Bundeskanzlerin“ genannt, seit sie in Berlin Politikwissenschaften studiert und sich für Menschenrechte einsetzt. Mies arbeitet im Marketingbereich eines international tätigen Lebensmittelkonzerns, Senta bringt eine eigene Zeitung heraus.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung, spielt in Deutschland und Südafrika und wird chronologisch erzählt. Rückblicke ergänzen mit weiteren Details, wobei die alte Familiengeschichte eine wichtige Rolle spielt. Besonders die historischen Ereignisse im Zusammenhang mit dem Stammsitz der Familie in Sachsen sind nach wie vor wichtige Themen am Mittagstisch der Familie, wo bei gemeinsamen Treffen alle Ereignisse besprochen werden. Generell ist dieser Roman auf die einzelnen Personen dieser Familie, ihre Problematiken und Konflikte aufgebaut, in vielen Kapiteln steht Ma im personalen Mittelpunkt der Ereignisse. Den sprachlichen Schwerpunkt bilden die zahlreichen Dialoge. Auch die technischen und wissenschaftlichen Erklärungen zum Kernthema, der innovativen, umweltfreundlichen und leistbaren Wasseraufbereitung finden in Dialogen statt. Das moderne Weglassen alle Satzzeichen, die im Zusammenhang mit der direkten Rede gesetzt werden und das Fehlen von Angaben, wer gerade spricht, macht das Lesen der oft rasch wechselnden Dialogsätze zeitweise etwas anstrengend.

Fazit

Eine interessante Geschichte, in deren Mittelpunkt die einzelnen, sehr unterschiedlichen Mitglieder einer Familie stehen, ihre enge Beziehung zueinander und jeweils das eigene Leben. Die Handlung fließt eher ruhig, wie das Wasser, das brisante Kernthema des Romans, in einem breiten Strom und wird hauptsächlich in Dialogen erzählt.

Jane – Aline Brosh McKenna

AutorAline Brosh McKenna
ZeichnungenRamón K. Perez
ErzählerinCharlotte Brontë
Verlag Panini Verlags GmbH
Erscheinungsdatum 24. September 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten228
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3741609909

„Du weißt nicht, warum du hier bist? Okay. Meine Mom ist tot und mein Dad fast immer weg. Du bist meine Nanny.“ (Zitat etwa Seite 31)

Inhalt

Da ihre Eltern, in der Hochseefischerei tätig, von einer Fahrt nicht zurückkommen, wächst Jane bei ihrer Tante auf. Sie arbeitet auf einem Fischerboot, bis sie genug Geld für ein Busticket nach New York gespart hat. Um für ihr Kunststudium ein Stipendium zu bekommen, muss sie einen Job haben – und sie hat nur eine Woche Zeit. Auch Adele hat ihre Mutter verloren und ihr Vater Edward Rochester ist ein vielbeschäftigter, erfolgreicher Geschäftsmann. Jane will sich um das einsame Mädchen kümmern und sie fühlt sich auch zu dem rätselhaften, manchmal schroffen Mr. Rochester hingezogen. Doch Rochester hat ein dunkles Geheimnis und gefährliche Feinde.

Thema und Genre

Diese Graphic Novel ist eine moderne Neuinterpretation des Klassikers Jane Eyre von Charlotte Brontë.

Umsetzung

Aline Brosh McKenna ist eine erfahrene Drehbuchautorin. Sie nimmt sich aus dem ursprünglichen Roman die für sie wichtigsten Details und transferiert diese in das heutige New York. Es gelingt ihr, auch die düstere Spannung des Originalromans beeindruckend umzusetzen. Mit Ramón K. Perez konnte sie einen bekannten Künstler für die Zeichnungen gewinnen und das Ergebnis, das man nun in Händen hält, überzeugt und macht Freude. Die Charaktere sind einprägsam gezeichnet, die Bildsprache der einzelnen Szenen zeigt lebhaft das Umfeld in der großartigen Stadt New York, nimmt sich Zeit für viele Details, die es zu entdecken gibt und wird dunkel-düster, wenn es um die gefährlichen Situationen der Geschichte geht. Dass Jane Eyre in dieser modernen Version selbst Kunststudentin ist, die schon als Kind alles, was sie sah, sofort zu Papier brachte, ergibt spannende Bild in Bild Situationen, in denen sie ihre Eindrücke zeichnet und so die Ereignisse nochmals selbst interpretiert.

Fazit

Eine packende, moderne Jane Eyre, das Romantikdrama als interessante, beeindruckende Graphic Novel im New York der Jetztzeit.

Standphotos: Gedichte 1962 – 1970 – Rolf Dieter Brinkmann

AutorRolf Dieter Brinkmann
Verlag Rowohlt Buchverlag
Erscheinungsdatum 2. Aufl. April 2012
FormatBroschiert
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3498004613

„Die Sätze / werden langsam wieder / schwerer. Es liegt / vielleicht an / der Luft, oder / daß ich nicht / fortgezogen bin / zur rechten Zeit?“ (Aus „Gedicht vor Anfang des Winters“, Seite 70)

Inhalt

Diese Sammlung enthält alle Gedichtbände, die zwischen 1962 und 1972 erschienen sind, und zwar: Ihr nennt es Sprache, Le Chant du Monde, Ohne Neger, &-Gedichte, Was fraglich ist wofür, Godzilla, Die Piloten, Standphotos, Gras. Dabei wurde auch die Reihenfolge der einzelnen Gedichte, wie sie in den jeweiligen Erstausgaben angeordnet sind, nicht geändert.

Themen und Sprache

„Dankbar bin ich dagegen den Gedichten Frank O’Haras, die mir gezeigt haben, daß schlechthin alles, was man sieht und womit man sich beschäftigt, wenn man es nur genau genug sieht und direkt genug wiedergibt, ein Gedicht werden kann, auch wenn es sich um ein Mittagessen handelt.“ (Zitat aus dem Vorwort zu „Die Piloten“, Köln, Frühjahr 1968, R.D.B., Seite 186, 187)

Besser als der Dichter selbst kann man die Vielseitigkeit und facettenreiche Themenvielfalt dieser Gedichte nicht beschreiben. Es gibt nichts, das er nicht in Worte fasst, jeden Augenblick einer Alltagssituation, er beobachtet, beschreibt, verbindet mit philosophischen Gedanken und spontanen Gefühlen, Erinnerungen, er teilt auf, ordnet und fügt neu zusammen, um plötzlich im letzten Satz in einer knappen Feststellung zu enden, bewusst provozierend. Die Themen reichen von Waschmaschinen und Waschmittel, gelb angestrichenen Schränken, Rosen, Natur, Politik, bis zu Beziehungen, Trennung, Frauen, Sex und immer sind es Momentaufnahmen der eigenen Befindlichkeit, Fragen und knappe Statements in einer kritischen Realität. Immer wieder geht es um die einfache, rhetorische Frage, ob das, war er gerade notiert hat, ein Gedicht ist, oder um die Feststellung, dass dies jetzt ein Gedicht ist. Auch die Länge der Gedichte reicht von wenigen, knappen Zeilen bis zu Notizen und Texten in Prosa-Länge.

Fazit

Diese Gedichtsammlung hat wenig mit erbaulicher Lyrik und schönen Gedankenbildern zu tun, diese Texte fordern, sind wild, realistisch, unbequem, sie provozieren und es gibt kaum einen Gegenstand, sei er noch so einfach, keine Situation, die nicht von Rolf Dieter Brinkmann als einfache Tatsache unter Einbeziehung aller Sinne zu Papier gebracht wurde, oft mit einem knappen Statement, sein Resultat dieses Augenblicks. Man braucht Zeit für diese Texte, doch diese Zeit sollte man sich unbedingt nehmen.

Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen, Gedichte 2001-2008 – Silke Scheuermann

AutorSilke Scheuermann
Verlag Schöffling & Co.
Erscheinungsdatum 13. März 2013
FormatGebundene Ausgabe
Seiten216
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895613753

„Manchmal fragst du dich wie / es dazu kam Dass du in einem Leben voller Türen / fest gezimmert steckst wie ein Einbauschrank (Zitat aus „Tür zur Außenwelt, Seite 165)

Inhalt

Dieser Gedichtband umfasst den 2001 erschienen Lyrikband „Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen“, den 2004 erschienenen Gedichtband „Der zärtlichste Punkt im All“, die Sonette „Vogelflüge“ und die Gedichte „Tür zum Geisterwald, 2002 – 2008“

Themen und Sprache

Immer wiederkehrende Themen kommen aus der Mythologie des Altertums. Besonders spannend ist es, wenn diese bekannten Figuren aus der Mythologie plötzlich in eine Jetztzeit katapultiert werden. Andere Gedichte befassen sich mit der Natur und hier treffen wir auf das Thema Vögel und Fliegen, oder sie führen uns kritisch in Situationen des Alltags, eingebettet in die damit verbundenen Gefühle. Es sind immer Gedanken und Gefühle, die der Autorin durch den Kopf gehen und diese Gedichte wirken ähnlich unstrukturiert, schweifen ab in spontane Wortspiele. Es ist eine ungezähmte Lyrik voller Umbrüche, Gedankensprünge wechseln in immer neue, nie vorhersehbare oder zu erwartende Bilder, man muss diese Texte öfter lesen, will man versuchen, ihnen zu folgen. Wo auch immer die Ideen von Silke Scheuermann beginnen, sie führen immer in Gefühle und in eine kritisch beleuchtete Gegenwart.

Fazit

Fachlich befasst sich Dorothea von Törne in ihrem 2013 geschriebenen Nachwort mit Silke Scheuermanns Gedichten. Als Leserin war es für mich keine einfache Reise, nicht immer konnte die direkte, konkrete Sprache mit dem raschen Wechsel an Eindrücken auch Bilder in meine Gedanken malen. Ich fand Gedichte, die mich sofort ansprachen und andere, deren unterschiedliche Ebenen und offene Fragen mich herausfordern und die ich wohl noch öfter lesen werde, bis sie sich mir – vielleicht – doch erschließen.

Meteoriten – Éloise Cohen de Timary

AutorÉloise Cohen de Timary
Verlag Atlantik
Erscheinungsdatum 5. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMaja Ueberle-Pfaff
ISBN-13978-3455010848

„Sie waren allein auf der Welt. Nichts zählte außer der Gegenwart – ihrer Gegenwart. Sie waren bestrebt, sich möglichst nicht jeden Tag zu sehen. Um die Sehnsucht wachzuhalten, sie zu genießen wie ein Bonbon, das im Mund allzu schnell schmilzt.“ (Zitat Pos. 426)

Inhalt

Völlig überraschend erhält die junge Journalistin Marianne von Paul Wiazowski, ein bekannter, aber extrem schwieriger Schriftsteller, eine Zusage für ein Gespräch. Sie scheitert zwar dann an dem Versuch, ein ausführliches Interview zu erhalten, stattdessen lernt sie den Landschaftsarchitekten Virgile Lifar kennen. Diese hat sich erst kürzlich von seinem Freund getrennt, verliebt sich jedoch sofort in Marianne und sie sich in ihn. Gemeinsam entdecken sie Paris, fahren ans Meer, finden die perfekte gemeinsame Wohnung. Gerade als sie ihre weitere Zukunft planen, zu der auch Kinder gehören sollen, kommt der Tag, an dem sich alles ändert.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das französische Lebensgefühl, Musik, Lebensfreude, aber auch um Abschied, Trauer, prägende Entscheidungen, um Freundschaft und vor allem um die Liebe.

Charaktere

Virgile, Marianne, Florence, Olive und Kamel und ihre versteckte Bar, es sind authentische Figuren, die man beim Lesen sofort ins Herz schließt, die man gerne auch im realen Leben kennen möchte.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung wird im Zeitablauf nicht durchgehend linear erzählt, geht manchmal in die Zukunft, blickt zurück, was die Geschichte besonders lebhaft macht. Es gibt keine Kapitel, sondern Abschnitte, manchmal steht Marianne im personalen Mittelpunkt, manchmal Florence, in einigen Virgile. Der leichte, französische Lebensstil, die Liebe zur Natur, zum Meer und zum Leben prägen diese Geschichte, dazu die Musik von Patti Smith, Janis Choplin und vielen anderen aus dieser Zeit, Songs, die auch durch ihre lyrischen Texte das damalige Lebensgefühl geprägt haben und zeitlos geworden sind. Die Sprache passt perfekt zu dieser Geschichte einer großen Liebe, erzählt einfühlsam, wird aber niemals kitschig.

Fazit

Ein Roman über die Liebe, die Menschen, und die Freude am Leben. Durch dieses Buch schwingt Musik und die vielseitige, besondere Atmosphäre von Paris. Tiefgang erhält die Geschichte durch ein brisantes, aktuelles Thema, eine Problematik im Zusammenhang mit mehreren Entscheidungen, die zum weiteren Nachdenken anregt.

Mittwochs am Meer – Alexander Oetker

AutorAlexander Oetker
Verlag Atlantik
Erscheinungsdatum 5. Mai 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten176
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455010961

„Aber ja, sie waren wie ein Gedicht, sie schienen sich zu reimen, sie beide, sie passten wie zwei Puzzleteile, er hoffte in diesem Moment, dass sie ein langes Gedicht sein würden, er wollte das Ende nicht lesen, noch lange nicht.“ (Zitat Pos. 812)

Inhalt

Maurice van der Berge ist Anwalt in Paris, spezialisiert auf die Abwicklung von Insolvenzen. Einer seiner aktuellen Klienten ist eine Firma, die in dem kleinen bretonischen Hafenstädtchen Cancale Austernsäcke produziert und so fährt er jeden Mittwoch in die Bretagne. Obwohl er Ideen hat, die Fabrik zu retten, machen es ihm die sturen Arbeiter und einheimischen Fischer schwer, sie halten ihn für weltfremd und zu zögerlich. Im Hotel, in dem er zu übernachten pflegt, steht eines Mittwochs statt der ihm bekannten Rezeptionistin eine schöne Frau an der Rezeption, Dominique Vial. Plötzlich freut er sich auf seine wöchentlichen Reisen in die Bretagne.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um eine leidenschaftliche, intensive Liebesbeziehung am Meer in der großartigen Landschaft der Bretagne. Auch die Gedichte von Arthur Rimbaud spielen in dieser Geschichte eine Rolle.

Charaktere

Maurice van der Berge ist Anwalt, ein introvertierter, ernster Mann, den die Liebe zu Dominique völlig verändert. Die Beziehung beginnt mit einem Liebesbrief, den Dominique ihm schreibt, nachdem sie ihn an der Rezeption gesehen hat. „Wer war diese Frau, die so offen über ihre Gefühle schreiben konnte, ohne Angst vor einer Zurückweisung, ohne Angst vor Entdeckung?“ (Zitat Pos 353)  

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt einen Sommer lang in der Bretagne und ist in einzelne Abschnitte eingeteilt, die chronologisch jeweils als Überschrift das Datum des entsprechenden Mittwochs tragen und in Kapitel unterteilt sind. Rückblenden in Form von Erlebnissen, die Maurice und Dominique einander erzählen, ergänzen die eigentliche Handlung, von der ich mehr erwartet hatte. Denn diese wird durch die wiederholten Schilderungen der wöchentlichen Liebesszenen trotz der lebhaften Beschreibungen der großartigen, rauen Landschaft, der interessanten Sehenswürdigkeiten und der eigenwilligen Bewohner von Cancale etwas eintönig. Die Sprache erzählt flüssig und ist angenehm zu lesen.

Fazit

Eine leidenschaftliche, romantische Liebesgeschichte, die gerade in diesen Tagen die Gedanken sofort auf die Reise schickt, in die Bretagne, ans Meer und zur magischen Insel Mont-Saint-Michel.

Lichtjahre – Volker Weidermann

AutorVolker Weidermann
Verlag btb Verlag
Erscheinungsdatum 6. August 2007
FormatTaschenbuch
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13ISBN-13: 978-3442736423

„So ist ein Buch entstanden, das die Geschichte der letzten sechzig Jahre der deutschsprachigen Literatur in vielen einzelnen Porträts beschreibt, in Lebens- und in Werkporträts, die hoffentlich am Ende ein zusammenhängendes Bild ergeben.“ (Zitat Seite 10)

Thema und Inhalt

Der Untertitel dieses Sachbuches beschreibt bereits Thema und Inhalt: „Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute“ und beginnt, ergänzt durch entsprechende Rückblicke, im Mai 1945 und endet 2005. Die Auswahl der über 140 Schriftstellerinnen und Schriftsteller (teilweise nur mit einem kurzen Absatz erwähnt) hat der Autor selbst getroffen. Die Werke selbst nehmen einen eher kleinen Teil der jeweiligen Kapitel ein, den Hauptteil bilden geschichtliche Rückblicke und vor allem Anekdoten aus dem Leben der Autoren und Autorinnen.

Umsetzung

Mentor und großes Vorbild von Volker Weidermann war Marcel Reich-Ranicki und ähnlich wie dieser bekannte Literaturkritiker wertet auch Volker Weidermann in diesem Buch teilweise sehr subjektiv und ordnet auch gleich das literarische Schaffen der besprochenen Autoren und Autorinnen je nach politischer Gesinnung in gut und schlecht ein. Das erste Kapitel dieses Sachbuches beginnt mit der Frage „Wo waren sie am 8. Mai?“, nämlich im Mai 1945, und stellt sofort das Werk von Schriftstellern wie Thomas Mann, Hermann Hesse, Heinrich Böll und natürlich Heimito von Doderer ins künstlerische Abseits, lästert über Erich Fried, während er Seite um Seite mit Maxim Biller verbringt. Dass auch er Peter Handke ausschließlich nach „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morava und Drina“ be- und verurteilt, hat mich in diesem Wertungskontext nicht überrascht. Von „Scharfzüngig und humorvoll“ spricht der Verlag im Zusammenhang mit diesem Querschnitt durch 60 Jahre Literaturgeschichte, für mich lesen sich manche Abschnitte eher als abwertend, denn als scharfzüngig, kombiniert mit Volker Weidermanns leicht überheblichem, belehrenden Schreibstil. Abgesehen davon jedoch ist dieser Ausflug in die deutsche Literatur ein gelungener, anregender Querschnitt, der neugierig macht, bisher Unbekanntes zu entdecken und zu erlesen.

Fazit

Ein Querschnitt durch die deutsche Literaturszene zwischen 1945 bis 2005, wobei der Schwerpunkt weniger auf den Werken der besprochenen Autoren und Autorinnen liegt, sondern auf Gschichterln und Anekdoten aus dem Leben derselben.

Der Kryptologe – Elias Haller, Arne-Stiller-Thriller Band 1

AutorElias Haller
Verlag Edition M
Erscheinungsdatum 13. April 2021
FormatKindle
Seiten380 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB08KH6LGW7

„Der Täter hatte vier Zahlen hinterlassen. Zweifellos handelte es sich um eine Botschaft. Eine Botschaft als Kryptogramm.“ (Zitat Seite 50)

Inhalt

Annalena Winzer liegt tot in einem Abwasserkanal nahe der Dresdner Oper. Bekleidet ist sie mit einem schwarz-roten Rüschenkleid, das auf die aktuelle Inszenierung der Oper „Der feurige Engel“ hinweisen könnte, und in ihre Fußsohlen und Handflächen sind Zahlenkombinationen eingeritzt. Zuletzt besuchte sie mit ihrer achtjährigen Tochter Liliana  ein Einkaufszentrum und das Kind ist seither verschwunden. So hat der unangepasste Kriminaloberkommissar und Kryptologe Arne Stiller, gerade erst nach einer einjährigen Zwangspause in den Dienst zurückgekehrt, sofort einen brisanten Fall  zu lösen. Die Zeit drängt, will man das Kind noch lebend finden.

Thema und Genre

In diesem Thriller geht es um Kindheitstraumata, Psychologie, Gewalt, Rache, Dresden, die Oper und um die Kryptoanalyse.

Charaktere

Arne Stiller, Kryptologe, ist ein frustrierter, nicht teamfähiger Außenseiter. Er vertieft sich sofort intensiv und unbeirrbar in die Ermittlungen, für diplomatische Höflichkeiten hat er keine Zeit, wenn es um das Leben eines Kindes geht. Unterstützt wird er von seiner neuen Kollegin Inge Allhammer, sechzig Jahre alt, Alkoholproblem, ebenfalls eine schwierige Außenseiterin.

Handlung und Schreibstil

Die straffe Handlung wird in sehr kurzen Kapiteln und im genauen Zeitablauf erzählt. Es stehen jeweils entweder die Ermittler oder die Täterperson im Mittelpunkt eines Kapitels. Die Ereignisse beginnen am Sonntag um 12.45 Uhr und enden mit einem rasanten Showdown, der am Donnerstag der selben Woche um 21.05 Uhr beginnt, am Freitag Vormittag folgt dann die Schlussbesprechung der Ermittler, welche die Ergebnisse mit noch fehlenden Details ergänzen. Parallel zu den aktuellen Geschehnissen führen Rückblenden zu Ereignissen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Überraschende Wendungen sorgen für Rätsel und zusätzliche Spannung, doch manchmal verlieren die Fakten dadurch an logischer Glaubwürdigkeit. Der Autor ist bekannt für seine deutlich bis ins kleinste Detail geschilderten Tatszenarien, diesen Stil behält er auch in dieser neuen Serie bei.

Fazit

Dieser packende psychologische Thriller ist der Beginn einer neuen Serie, in deren Mittelpunkt der Kryptologe Arne Stiller steht.

Daheim – Judith Hermann

AutorJudith Hermann
Verlag S. FISCHER
Erscheinungsdatum 28. April 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3103970357

„Wir sind Trabanten, denke ich, wir kreisen um unsere Sonnen, jeder um seine eigene.“ (Zitat Pos. 1667)

Inhalt

Die Ich-Erzählerin ist siebenundvierzig Jahre alt, geschieden. Vor dreißig Jahren hätte sie als Mitglied einer Zaubergruppe auf einem Kreuzfahrtschiff nach Singapur reisen können, erzählt sie, hat es aber doch nicht getan. Plötzlich erinnert sie sich wieder an diese Geschichte. Seit beinahe einem Jahr wohnt sie jetzt schon in einem kleinen, baufälligen Haus in einem Dorf an der östlichen Nordseeküste. Ihrem Bruder gehört hier eine Kneipe am Hafen und sie arbeitet für ihn, fünf Tage pro Woche. Sie sehnt sich nach ihrer erwachsenen Tochter Ann, die rastlos durch die Welt zieht und auch ihrem Exmann Otis schreibt sie oft, erinnert sich an gemeinsame Erlebnisse, erzählt von der Natur im Wechsel der Jahreszeiten. Wird sie bleiben?

Thema und Genre

Themen dieses Romans sind die Suche nach dem Platz im eigenen Leben, Beziehungen, Veränderungen, Aufbruch, Ankommen, Neubeginn. Es geht auch um Erinnerungen, reale und falsche.

Charaktere

Nicht grundlos erinnert sich die erzählende Hauptfigur beim Anblick einer Marderfalle an die Geschichte mit dem Zaubertrick und Singapur, sie scheint auch in ihrem Leben irgendwo zwischen Vergangenheit und Neubeginn gefangen, wie auch alle sie umgebenden Figuren irgendwie festzuhängen scheinen, der Bruder, ein Lebenskünstler, der die Arbeit in der Kneipe lieber der Schwester überlässt und in einer Beziehung zu einer Frau gefangen ist, die jünger ist, als seine Nichte. Der Landwirt, der nie wo anders leben könnte, als in diesem Dorf, und sich deshalb um den Hof seiner Eltern kümmert, samt Feldern und Schweinen in Massentierhaltung. Nur Mimi, die Bildhauerin und Malerin ist freiwillig zurückgekommen, sie ist hier aufgewachsen. Obwohl wir viel über das Leben und die Gedanken und Wünsche der einzelnen Figuren erfahren, bleiben sie auf Distanz.

Handlung und Schreibstil

Die Hauptfigur erzählt von ihrem Aufbruch aus dem alten Leben und dem Neubeginn in diesem kleinen Dorf an Meer. Die Handlung spielt während eines Jahres, im Wechsel der Jahreszeiten und der Natur, und wird rückblickend am Ende dieses ersten Jahres erzählt. Es geht um die kleinen Ereignisse, entspannte Stunden der Hauptfigur mit der neugierigen, aufgeschlossenen Mimi, die wie ein nicht aufzuhaltendes Ereignis als Freundin in das Leben der Ich-Erzählerin stürmt und ein Lichtblick in dieser insgesamt trostlosen, deprimierenden Geschichte ist. Die Sprache der Autorin ist klar und knapp, einprägsam in ihren symbolhaften Bildern, wie zum Beispiel die Marderfalle: „Du fängst selten das, was du fangen willst. Du fängst mitunter was ganz anderes. Dann musst du sehen, was du damit machst.“ (Zitat Pos. 1802).

Fazit

Eine deprimierende Geschichte und wenig sympathische Figuren. Gegen Ende wirft die Autorin plötzlich noch ein Gewaltverbrechen in die Handlung, ohne jedoch weiter darauf einzugehen, eine von vielen offenen Fragen, mit denen mich dieser Roman etwas ratlos zurücklässt.

Lichtverschmutzungen – Felix Ditting

AutorFelix Ditting
Verlag BoD – Books on Demand
Erscheinungsdatum 26. Februar 2021
FormatTaschenbuch
Seiten90
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3753425795

„Manchmal streife ich / durch Gedanken / wie andere vorbei / an Flüssen und unter / Walnussbäumen“ (Zitat aus „Nußknacker“, Seite 67)

Inhalt

Dieser Gedichtband enthält 63 Gedichte und ist in drei Themengruppen unterteilt. Wie der Titel schon andeutet, sind es nachdenkliche, sehnsuchtsvolle und kritische Texte. Es sind Gedichte, die jetzt, in diesem schwierigen Monaten, entstanden sind. und alle bewegen sich  durch Erlebnisse, Gefühle, Gedanken in einem Graubereich. Licht, das eingetrübt ist, und dennoch ist es Licht, denn selbst dort, wo die Texte traurig und ernst sind, ist die Stimmung, die sie beim Lesen erzeugen, niemals depressiv oder deprimierend.

Thema und Schreibstil

Im ersten Themenkreis geht es um Liebe, um sehnsuchtsvolle, schmerzhafte Gefühle nach dem Verlust der Zweisamkeit. Es sind Texte über Menschen, die einander verloren und verlassen haben, gescheitert sind. „Und ich fand / weder mich / noch dich / noch unsere Insel jemals wieder.“ (Zitat aus „Strandgut“, Seite 18)

Der zweite Themenkreis beschäftigt sich mit der Realität, der aktuellen Situation unserer Gesellschaft, und der weit gespannte Bogen reicht von der Natur, über den Neunten November, Fremdenheim, Hunger, Selbsterkenntnis, bis zu einem Streitgespräch über eine Brücke. Auch reale Alltagssituationen erhalten durch die Bilder, die mit der Sprache geschaffen werden, interessante unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten. „Sehr spät habe ich sie entdeckt / wie sie mich fragend beobachtete / drüben im Bücherregel.“ (Zitat aus „Versteckte Freiheit“, Seite 53)

Der dritte Themenkreis entführt uns in Traumwelten, hier spielt der Autor mir Worten, variiert Deutungsmöglichkeiten und der bewusste Bruch der Sprache ergibt nachdenkliche, manchmal beklemmende oder skurrile Szenarien, wie sie uns in Träumen begegnen. „Oft besinnen wir uns wahrer Worte / oder bewahren den wörtlichen Sinn / wenn wir doch eigentlich versuchen / sinnvolle Worte zu bewahren“ (Zitat aus „Wortketten“, Seite 63).

Fazit

Ein Lyrikband, den man immer wieder zur Hand nehmen wird, Gedichte nochmals lesen, neu erlesen, denn der Autor malt mit seinen Texten sofort Bilder und Gefühle in unsere Gedanken, die wir mit unseren eigenen Erfahrungen deuten und erleben. Eines meiner Lieblingsgedichte in diesem Buch ist „Sternstunden der Zukunft“, das zum dritten Themenkreis, den Traumwelten, gehört. „Abends saßen wir dann / und schauten hinunter / ganz zuversichtlich / in unsere Vergangenheit.“ (Zitat Seite 68).

Die letzte Prophezeiung des Isaac Newton – Darius Quinn

AutorDarius Quinn
Verlag Independently published
Erscheinungsdatum 27. März 2021
FormatTaschenbuch
Seiten538
SpracheDeutsch
ISBN-13979-8728862574

„Er wird Apophis genannt und ist so groß wie das Empire State Building, hat eine Masse von rund 500 Millionen Tonnen und rast mit 25.000 Kilometern pro Stunde auf die Erde zu.“ (Zitat Seite 172)

Inhalt

2022, drei Jahre nach den Ereignissen um die letzte Prophezeiung des Nostradamus, ist Frank Fischer nach München gezogen und wieder mit Lena Gerber zusammen. Eines Tages wird sein gemütliches Frühstück durch zwei Kripobeamte gestört, die ihm eine Kopie eines sehr alten Schriftstücks zeigen, eng beschrieben, altenglisch – Isaac Newton sagt für 2029 das Ende der Welt voraus. Als Frank zu recherchieren beginnt, entgeht er knapp einem Anschlag. Agent Jack Cooper ist klar, dass es irgend einen Zusammenhang mit den vergangenen Ereignissen und der Guardia geben muss. Als Cooper dann die geheime Information erhält, dass CAIQOS, ein System modernster Quantencomputer, eigenmächtig die eigene Programmierung von vier Stunden auf sieben Jahre geändert hat und für das Jahr 2029 eine Weltkatastrophe voraussagt, wissen sie: es gibt wieder eine Prophezeiung, eine reale Bedrohung der Menschheit und einen mächtigen Gegner, der skrupellos die eigenen Interessen verfolgt.

Thema und Genre

Dieser Technothriller spielt in der nahen Zukunft ab 2022 und ist der zweite Band einer Serie. Themen sind wieder KI, modernste Forschung und neue Technologien, Raumfahrt und natürlich die Hinweise aus der Vergangenheit.

Charaktere

Frank tritt gerade eine neue Stelle im Deutschen Museum München an, während Jack Cooper noch immer nach dem erschwundenen Alberto sucht, Oberhaupt des mächtigen Geheimordens Guardia. Lena arbeitet als Laborleiterin in einem neuen Unternehmen, doch scheint sie das Abenteuer zu vermissen. Der neue Einsatz bringt rasch mehr Action, als Lena sich vorstellen konnte, und verlangt den sympathischen Hauptfiguren nicht nur großen  Mut ab, sondern sie müssen Entscheidungen treffen, die ihr gesamtes Leben nachhaltig verändern.

Handlung und Schreibstil

Die spannende Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen erzählt, die an unterschiedlichen Orten spielen und teilweise bereits 2017 stattfinden. Zusammenhänge und Erklärungen können beim Lesen zunächst nur vermutet werden, bis sich die Ereignisse nach überraschenden Wendungen in die aktuellen Geschehnisse einfügen. Die Handlungsorte sind München, London, Jerusalem, Athen, die USA und noch weiter entfernt. Man merkt auch bei dieser zweiten Prophezeiung die genaue, ausführliche Recherchearbeit und wenn der Autor dann gekonnt Fakten, Daten und Fiktion zu einer komplexen Geschichte verknüpft, bleibt diese durchwegs logisch nachvollziehbar und glaubwürdig.

Fazit

Dieser packende Technothriller mit Science-Fiction-Elementen ist eine interessante Mischung aus historischen und aktuellen Fakten und wissenschaftlich theoretisch möglichen, aber fiktiven Zukunftsszenarien.

Der Schwur – Sunil Mann

AutorSunil Mann
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 24. Februar 2020
FormatTaschenbuch
Seiten320
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894256760

„Die Madames zahlen ihren Schützlingen die Reise aus einem afrikanischen Land und schlagen großzügig Provision drauf. Hier werden sie dann mit der Realität konfrontiert.“ (Zitat Seite 162)

Inhalt

Als die Flugbegleiterin Marisa Greco durch Zufall Bashir Berisha kennenlernt, Türsteher in einem Klub und Privatdetektiv, erkennt sie das Potenzial, um mehr aus seiner Detektei zu machen. So entsteht die gemeinsame „Agentur für unliebsame Angelegenheiten“. Rasch haben sie erste, wenn auch sehr unterschiedliche, Aufträge. Dann kommt die Nigerianerin Joy zu ihnen. Ihre jüngere Schwester Faith ist auf dem Weg nach Europa und Joy will mit allen Mitteln verhindern, dass Faith hier ihr Schicksal teilt. Bashir muss Joys Koffer aus einer Wohnung holen, denn ihr Reisepass war ihr vor Jahren abgenommen worden und befindet sich, zusammen mit ihren alten Sachen, in diesem Koffer. Bashir bekommt den Schlüssel und muss pünktlich, auf die Minute genau, vor Ort sein. Alles geht glatt, doch als Bashir den beschriebenen Schrank öffnet, in dem Koffer auf Koffer gestapelt sind, sieht er zwei rosa Koffer. Bashir hört Schritte, die Zeit drängt, er nimmt einfach beide Koffer mit und löst damit eine Reihe von lebensgefährlichen Ereignissen aus.

Thema und Genre

In diesem politischen Kriminalroman geht es um aktuelle Themen wie die internationale Flüchtlingspolitik, Menschenhandel, Unterdrückung und Gewalt an Frauen, Politik und politischen Populismus, und die Szene der Verbrecherorganisationen in Zürich.

Charaktere

„Er eher wortkarg und ernst – manchmal zu wortkarg und ernst, wie Marisa findet -, sie lebenslustig und redselig – manchmal zu redselig, wie Bashir findet -, sie hat Fantasie, er analytisches Denkvermögen, sie hat den guten Geschmack, er verfügt über technisches Geschick.“ (Zitat Seite 48) Besser als der Autor selbst kann man die beiden Hauptfiguren nicht beschreiben. Seine unterschiedlichen Figuren werden beim Lesen sofort lebendig, sehr treffend beobachtet und realistisch ist zum Beispiel auch Andrea Graf beschrieben, die ehrgeizige Politikerin.

Handlung und Schreibstil

Der Zeitrahmen ist straff und knapp, die Abläufe nachvollziehbar. Die packende Handlung zeigt die intensive und extrem genaue Recherche, das Fachwissen, nicht nur die Situation in der Schweiz betreffend, sondern auch im Hinblick auf die internationalen Vorgänge. Die Geschichte wird in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen erzählt, im ersten wird der Weg von Faith geschildert, einem Mädchen aus Nigeria auf dem beschwerlichen, von Schleppern organisierten Weg nach Europa, die versprochene Arbeit als Friseurin gibt Hoffnung. Diese Ereignisse beginnen bereits Monate vor der zweiten Geschichte, in der es um das aktuelle Geschehen in Zürich geht, wo einerseits das Detektivteam Marisa und Bashir, sowie Joy im Mittelpunkt stehen, andererseits, davon getrennt, eine weitere Geschichte, in deren Mittelpunkt Andrea Graf steht, die nach einer Pause politisch wieder durchstarten will. Die einzelnen Handlungsstränge werden abwechselnd erzählt und ergeben, in Verbindung mit erklärenden Fakten und privaten Episoden der beiden Ermittler, eine komplexe, sehr spannend zu lesende Geschichte.

Fazit

Ein packender, komplexer politischer Kriminalroman mit brisanten aktuellen Themen und kompetent recherchierten Hintergründen.

Die Erfindung der Welt – Thomas Sautner

AutorThomas Sautner
Verlag Picus Verlag
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten400
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3711721037

„Für gewöhnlich fügen sich Romanfiguren zumindest im Groben der Idee des Buches, diesmal aber entwickeln sie nicht nur, wie man gerne sagt, ein Eigenleben, diesmal boykottieren sie mich regelrecht. Sie pfeifen auf mich.“ (Zitat Seite 359)

Inhalt

Aliza Berg, eine erfolgreiche Schriftstellerin, erhält von einem unbekannten Auftraggeber das schriftliche Angebot, einen Roman zu schreiben. „G.“, so nennt sich die Person, überweist sofort eine großzügige Anzahlung, die sie auf jeden Fall behalten kann. Eine einzige Bedingung ist an den Auftrag geknüpft, es muss ein Roman über das Leben selbst sein, am Beispiel einer genau vorgegebenen Region und aller Bewohner. Die im Auftrag markierte Gegend liegt außerhalb einer Ortschaft und zeigt hauptsächlich Wald, Wiesen und einige Teiche. Es scheint nur ein Haus und eine Burg oder Schloss zu geben. Dass es sich tatsächlich um beides handelt, ein neues Schloss und eine mittelalterliche Burg, sieht Aliza, als sie nach Litstein reist und sie wohnt sogar in diesem Schloss, als Gast von Gräfin Elli und Graf Leopold Hohensinn. Zu ihrem Ärger war ihr Kommen von G. groß angekündigt worden und sie will sofort umkehren, zurück fahren, aber es kommt anders.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um das Leben und seine besonderen Überraschungen, um den Lauf des Jahres und die vielfältige Schönheit der Natur, auch in den kleinsten Dingen, um Literatur, das Schreiben, Freundschaft und die Liebe.

Charaktere

Es sind schrullige und in ihren manchmal schroffen Eigenheiten liebenswerte Figuren, denen die Schriftstellerin begegnet. Spontan beschließt sie, sich nicht um die Vorgaben von G. zu kümmern, sie allein entscheidet, welche Menschen sie als Figuren in ihren Roman aufnimmt. Aliza lernt alle ihre Figuren erst kennen, ich habe mit großem Vergnügen auch Bekannte aus Großmutters Haus wiedergetroffen.

Handlung und Schreibstil

„An jenem Abend war ich seit etwa zwei Wochen in der Gegend. Seit zwei Wochen auf Recherche für einen Roman, von dem ich noch nicht wusste, ob ich ihn schreiben würde.“ (Zitat Seite 10). Das Gespräch an jenem Abend führt, ebenso wie Elli Hohensinn, mit dazu, dass sie bleibt. Beinahe ein Jahr lang recherchiert Aliza Berg, beobachtet ihre Figuren, lernt ihre Geheimnisse kennen und die ihr bisher unbekannten Seiten der Natur, weil sie sich Zeit nimmt, alles zu beobachten. Es sind lustige Begebenheiten, sehr skurrile Erlebnisse und sehr traurige. Der Autor spielt mit unterschiedlichen Erzählperspektiven, stellt nicht nur abwechselnd eine seiner Figuren in den Mittelpunkt, sondern es kann auch plötzlich ein Teil der Natur sein, oder Aliza als Ich-Erzählerin. Mit einem humorvollen Augenzwinkern beobachtet er seine Schriftstellerin bei ihren Recherchen, führt sie immer wieder in überraschende Situationen. Verbunden mit der poetischen, leichten und gleichzeitig eindrücklichen Sprache, den wunderbar detaillierten Schilderungen der Natur und der Menschen, ergänzt durch eingestreute philosophische Betrachtungen, führt dies zu seinem Roman, in den man versinkt und plötzlich mit Bedauern bemerkt, schon an der letzten Seite angekommen zu sein.

Fazit

Der Autor lässt in diesem Roman die Schriftstellerin llse Hofstätter während einer Vorlesung über Literatur sagen: „Alles, was sie zu wissen glaube, sei, Literatur solle mutig, ja übermutig sein, solle Kopf- und Herztöne zusammenführen, durcheinanderwirbeln und spielerisch wieder auffangen. Dann sei in ihr alles enthalten, selbst das, was ungesagt geblieben ist.“ (Zitat Seite 394) Besser kann man diesen Roman nicht beschreiben.

Andromeda – Michael Crichton

AutorMichael Crichton
Verlag Heyne Verlag
Erscheinungsdatum 13. April 2021
FormatTaschenbuch
Seiten320
SpracheDeutsch
ÜbersetzungNorbert Wölfl
ISBN-13978-3453424760

„Aber jetzt, wo sie es mit einem echten Erreger zu tun hatten, der ebenso echte wie absonderliche Todesfälle verursachte, fragte er sich, ob sich ihre Pläne tatsächlich als so wirksam und lückenlos erweisen würden, wie sie damals angenommen hatten.“ (Zitat Seite 139)

Inhalt

Der neueste Scoop-Satellit ist bei seiner Rückkehr auf die Erde mitten im Zentrum von Piedmont, eine Kleinstadt in Arizona, gelandet, was eine deutliche Abweichung von dem voraussichtlichen Landepunkt bedeutet. Lieutenant Shawn und sein Assistent Crane haben die Aufgabe, die Raumkapsel zu bergen. Über dem Ort ist es still, viele Bewohner liegen auf der Straße, friedlich und tot. Damit wird das 1966 in Flatrock, Nevada errichtete Wildfire Labor aktiviert und ein vorab bestimmtes Team von hochqualifizierten Wissenschaftlern zusammengerufen, denn das Projekt Scoop sammelt in einer Erdumlaufbahn unbekannte Organismen ein. Es sind vier Männer, die unter enormen Zeitdruck den tödlichen Organismus in der Kapsel finden und ein Gegenmittel entwickeln müssen, um eine weltweite Pandemie zu verhindern.

Thema und Genre

Bei diesem Roman handelt es sich um eine aktuelle Neuübersetzung des bekannten Romans von Michael Crichton. Das Original ist 1969 erschienen und damit entstand ein damals völlig neues Genre, der Wissenschaftsthriller. Themen sind moderne Forschung, Biologie, Evolution, die Suche nach neuen Substanzen für die Entwicklung von biologischen und chemischen Waffen.

Charaktere

Die Figuren handeln nachvollziehbar und stimmig, sehr gut beschrieben sind die unterschiedlichen Charaktere und Verhaltensweisen der einzelnen Wissenschaftler.

Handlung und Schreibstil

Die packende Handlung findet innerhalb von fünf Tagen statt. Dieser Zeitrahmen ist durch das Projekt Wildfire vorgegeben, andererseits drängt die Zeit, denn das extrem gefährliche, tödliche Virus droht eine weltweite Pandemie auszulösen. Obwohl dieser Roman fünfzig Jahre alt ist, hat er nichts an Aktualität verloren. Die modernen technischen Möglichkeiten haben sich seither natürlich extrem verändert, dennoch wirken die Abläufe im Labor und in der Technik in keinem Bereich veraltet. Die Mischung aus wissenschaftlichen Fakten, möglichen Fakten und Fiktion und der Wechsel zwischen technischen Schilderungen und Action überzeugt ebenfalls.

Fazit

Ein zeitlos aktueller, sehr spannender, realistischer Wissenschaftsthriller.

Betrachtungen einer Barbarin – Asal Dardan

AutorAsal Dardan
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
Erscheinungsdatum 2. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455010992

 „Man gewöhnt sich daran, dass das Leben wie ein Netz ist, etwas bleibt ja doch darin hängen. Nach dem Rest darf man nicht greifen, sonst reißen die Maschen, und dann ist alles weg.“ (Zitat Pos. 35)

Inhalt

Ihre Eltern fliehen aus dem Iran, als Asal Dardan ein Jahr alt ist. Sie können nur das Allernotwendigste mitnehmen und so wächst Asal in Köln und Bonn ohne die üblichen Familienfotos und Erinnerungsstücke auf. Ihre Eltern sprechen selten über den Iran, nur die Musik, die sie nach wie vor hören, besonders die Texte, werden für die heranwachsende Asal zu einem symbolischen Zugang zu der alten Welt ihrer Eltern. Als sie später die Realität einholt, stellt sie fest, nicht, wie man erwarten würde, zwei Heimaten zu haben, sondern keine. Die Autorin ist neunzehn Jahre alt, als sie die in Deutschland eingebürgert wird. Nach dem Abitur führt ein Praktikumsaufenthalt sie nach Atlanta, es folgt eine Zeit in Berlin, Sardinien und dann in Lund und auf der Insel Öland in Schweden, jetzt wieder Berlin. Dieses Buch, nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2021, ist eine Sammlung von autobiografischen Essays.

Thema und Umsetzung

Die Autorin setzt sich mit ihren eigenen Erfahrungen auseinander, bringt diese in einen gesellschaftspolitischen Kontext zu brisanten aktuellen Themen. Flucht, Exil, Veränderung, die Suche nach dem Gemeinsamen, Empathie, und die Frage, warum es zwischen Menschen immer das Trennende ist, das zuerst bemerkt und betont wird, sind wichtige Aspekte ihrer Beobachtungen, Studien und Texte. Es ist ein breites Spektrum an Themen. Die Autorin schildert ihre persönlichen Erfahrungen in Atlanta. Auf ihren Spaziergängen durch die Gassen der Grünen Stadt in Berlin beschäftigt sie sich mit den Schicksalen der von den Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfer*innen, leitet über zu den aktuellen Gewaltverbrechen der letzten Jahre gegen internationale Aktivistinnen. Wir erfahren aber auch viel über ihr eigenes Leben, ihre Erlebnisse in der Schul- und Studienzeit, ihr Leben als Mutter zweier Kinder. Diese Essays sind eine eindringliche Aufforderung, nicht mehr in den alten Klischees über Länder, Nationen und Mentalitäten zu denken, aufzuhören, die alten Ängste zu schüren, sondern einfach auf den Menschen als Einzelindividuum zuzugehen.

Fazit

Eine Sammlung von Essays zwischen persönlichen Jugenderinnerungen, Anekdoten, humorvoll geschilderten Erlebnissen und brisanten gesellschaftspolitischen Erfahrungen.  Es sind einfühlsame, trotz des zwischendurch manchmal etwas moralisierend erhobenen Zeigefingers poetische, leise, sprachlich elegante Texte, die zum Mit- und Nachdenken anregen.

Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern – Nuala O’Connor

AutorNuala O’Connor
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 18. April 2021
FormatBroschiert
Seiten461
SpracheDeutsch
ÜbersetzungEike Schönfeld
ISBN-13978-3458681427

„Vielleicht bin ich ihm als Frau zu einfach, zu sehr Galway, zu wenig Bildung, zu arm. Vielleicht stehe ich ihm im Weg und er will jetzt seine Freiheit, vielleicht schreibt er mir deshalb Dinge, damit ich mich gräme und weine, allein in unserem Bett.“ (Zitat Seite 189)

Inhalt

Die Irin Nora Barnacle arbeitet als Zimmermädchen in einem Hotel in Dublin. Sie ist zwanzig Jahre alt, als sie 1904 James Joyce kennenlernt. Gemeinsam verlassen sie heimlich Irland und leben in wilder Ehe zusammen. Ihr Weg führt sie nach Zürich, Triest, Paris. Beide können nicht mit Geld umgehen und so leben sie viele Jahre mit ihren zwei Kindern auf engstem Raum und in großer Armut, unterstützt von seinem Bruder  Stanislaus Joyce und Freunden, bevor der Erfolg seiner Bücher sie finanziell absichert. Für Nora, Vorbild der Frauenfiguren in seinen Romanen, ist der alkoholsüchtige, schwierige Künstler, ihr Jim, der Mittelpunkt ihres Lebens und sie glaubt an seinen Erfolg als Schriftsteller.

Thema und Genre

Dieser Roman mit biografischem Hintergrund schildert das Leben von Nora Joyce an der Seite des irischen Schriftstellers James Joyce als fiktive Autobiografie der Ich-Erzählerin Nora.

Charaktere

Im zeitgenössischen Freundes- und Bekanntenkreis wird Nora als sehr gewöhnliche, ungebildete Frau geschildert. Obwohl Brenda Maddox in ihrer Biografie dieses wohl einseitige Bild ändern konnte, zeigt der vorliegende Roman wieder das Bild einer Nora, die zwar die Gedichte ihres Jim liebte, doch seine Bücher nie gelesen hat, weil sie einfachste Heftromane bevorzugte. In den schwierigen Zeiten vor seinem Erfolg bleibt sie nur bei ihm, weil sie befürchtet, alleine nicht für ihre beiden Kinder sorgen zu können. Die Gutmütigkeit von Stanislaus, James‘ Bruder, nützt sie aus, immer wieder bittet sie ihn mit Selbstverständlichkeit um Geld. So macht dieser Roman aus Nora eine nicht sehr sympathische Frau.

Handlung und Schreibstil

Nora Barnacle-Joyce schildert ihre Geschichte selbst, der Roman ist als Ich-Erzählung in Tagebuchform gestaltet. Er beginnt mit dem ersten Date mit James „Jim“ am 16. Juni 1904. Es folgt eine kurze Schilderung ihrer Kindheit bis zu diesem Tag. Die Handlung endet 1951 in Zürich. Um Nora authentisch wirken zu lassen, ist dieser Roman in einer einfachen Umganssprache geschrieben und konnte mich streckenweise nicht überzeugen und packen. Vielleicht liegt dies teilweise auch an der Übersetzung, oftmals „grunzt“ Jim, oder Nora, oder ein Freund, bevor sie bzw. er etwas sagen und hier hätte es, wie so oft in der englischen Sprache, mehrere Übersetzungsmöglichkeiten geben. Während der Bahnfahrt nach Zürich: „Jim grunzt. ‚Bald geht’s durch den Arlbergtunnel, Nora.‘“ (Zitat Seite 260)

Fazit

Ein Roman in autobiografischer Form, dessen deutscher Untertitel „und die Liebe zu den Büchern“, der im englischen Original fehlt, dazu führte, dass ich eine etwas andere Schilderung des Lebens von Nora Joyce erwartet hatte. Hier wird zwar auch erzählt, wie James Jocye an seinen Romanen schreibt, aber generell geht es nicht um Literatur, sondern um Noras Alltag, ihre Befindlichkeiten, ihre Suche nach Freundinnen in fremden Städten, ihre sexuellen Phantasien. Dennoch ist es eine interessante Frauengeschichte über das Leben an der Seite eines schwierigen Künstlers, die sicher begeisterte Leserinnen finden wird.

Fahrtwind – Klaus Modick

AutorKlaus Modick
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungsdatum 15. April 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten208
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462001303

„Ich sah die Villa in ihrer selbstbewussten Schlichtheit, den lässig halb verwilderten Garten, den türkisfarbenen Spiegel des Sees, und kam mir vor wie ein alter Römer, der, einen breiten Strohhut auf dem Kopf, das süße Leben auf seinem Landgut genoss und fünf gerade sein ließ – procul negotiis.“ (Zitat Pos. 1265)

Inhalt

Vor etwa fünfzig Jahren hatte der Autor anlässlich einer Vorlesung über Eichendorffs Taugenichts die Idee, wie es wohl wäre, diesen ungebundenen, abenteuerlustigen und manchmal verträumten Freigeist in den turbulenten 1970er Jahren nach Süden ziehen zu lassen. Statt der Geige nimmt sein Protagonist die Gitarre mit und auf den Spuren des Taugenichts schreibt er eigene Texte und Songs. Sein Weg führt ihn in ein nobles Hotel in der Nähe von Wien, dann weiter auf ein Landgut in der Toskana, die Villa Maria Ioana, umgeben von einem auf romantische Art etwas verwilderten Garten, Olivenhainen und einem verschwiegenen Beet mit sattgrün wuchernden Pflanzen. Weiter geht die Reise nach Rom und über den Gardasee zurück nach Wien.  Mit den beiden Künstlern Wyatt und Billy, eigentlich Leo und Guido, kommt das perfekte Easy Rider Feeling in sein Leben und auch einige Abenteuer und überraschende Wendungen.

Thema und Genre

Dieser Roman, die moderne Version der bekannten romantischen Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, handelt von Freiheit, Musik, italienischer Lebensfreude und von der Liebe. Es geht um die zeitlose Sehnsucht nach der Verwirklichung der Lebensträume und Romantik, im 19. Jahrhundert wie auch im Umbruch der Siebziger Jahre.

Charaktere

Der sympathische Hauptprotagonist weiß nicht, was er will, nur eines weiß er genau, er will auf keinen Fall als „& Sohn“ in das väterliche erfolgreiche Sanitärunternehmen Johann Müller eintreten. Er ist offen für Abenteuer, fasst seine Gefühle in Texte und Melodien und genießt das freie Leben als Musikus.

Handlung und Schreibstil

Die Hauptfigur, von den Menschen, denen er begegnet, Musikus genannt, schildert die Geschichte seiner Reise als Ich-Erzähler. Er lässt uns poetisch an seinen Gedanken, Gefühlen und Träumen teilhaben und ergänzt seine mit Witz geschilderten Erlebnisse und Abenteuer durch lebhafte Beschreibungen der Menschen, die ihm begegnen. Musik als Ausdruck seiner Lebenseinstellung zieht sich durch den Text, vermischt sich mit den genussvollen Eindrücken des italienischen Dolce Vita in der sonnigen Wärme der Toskana und in der lebhaften Metropole Rom.

Fazit

Eine in die Siebzigerjahre versetzte, moderne, wunderbar leicht, poetisch und mit einem humorvollen Augenzwinkern erzählte Version der bekannten Novelle von Joseph von Eichendorff. Perfekt für angenehme Lesestunden, die uns sofort in die Aufbruchstimmung dieser Zeit und in das unvergleichliche Gefühl italienischer Lebensart versetzen. Umgeben von Musik und Songtexten, nickt im Hintergrund die Blaue Blume der Romantik begeistert im Takt.

Das Gebot – Sunil Mann

AutorSunil Mann
Verlag GRAFIT
Erscheinungsdatum 23. März 2021
FormatTaschenbuch
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3894257743

„Sie müssen ihn aufhalten, unbedingt! Der Mann ist eine tickende Zeitbombe, eine Gefahr für das ganze Land!“ (Zitat Seite 128)

Inhalt

Die Agentur für unliebsame Angelegenheiten der Geschäftspartner Marisa Greco und Bashir Berisha hat nach dem coronabedingten Lockdown kaum Aufträge. Beide Privatermittler nützen diese Zeit, in der die Agentur ruht, für persönliche Recherchen. Bis Marisa einen Anruf von Bashir erhält, sie haben einen neuen Auftrag. Das vermögende Ehepaar Bodmer hat zuletzt vor drei Jahren und vier Monaten etwas von ihrem Sohn Erich gehört, einige Monate zuvor war er auf eine Weltreise aufgebrochen. Nun hat er in Zürich Geld abgehoben. Marisa und Bashir sollen Erich finden. Rasch ergeben erste Ermittlungen in Erichs Freundeskreis, dass Erich sich plötzlich intensiv und verbissen mit dem Islam beschäftigt hat, neue Freunde gefunden, und seither in Syrien für den IS kämpft. Jetzt ist er zurück, untergetaucht, und je näher die beiden Privatermittler seinen Spuren kommen und Schritt für Schritt die Zusammenhänge aufdecken, desto gefährlicher und realer wird die Bedrohung für sie, und nicht nur für sie.

Thema und Genre

In diesem politischen Kriminalroman geht es um die Radikalisierung junger Menschen und um die Hintergründe, die dazu führen, dass diese zu fanatischen Kämpfern für den Islam werden. Auch Politik und Waffenlieferungen sind Themen.

Charaktere

Die verwitwete Marisa sorgt alleine für ihren Sohn Luca. Der Unfalltod ihres Mannes vor mehr als zwei Jahren hat sie mit einigen offenen Fragen zurückgelassen. Bashir war fünfzehn Jahre alt, als er von seinem gewalttätigen Vater aus der elterlichen Wohnung geworfen wurde und heute noch versucht er, seine Mutter vor diesem Mann zu schützen, auch gegen ihren Willen. Die beiden sind ein sympathisches Team und sind, ebenso wie alle weiteren Figuren dieser Geschichte, authentisch und realistisch, ihre Handlungen nachvollziehbar. Man spürt beim Lesen, dass sich der Autor einfühlsam und intensiv mit menschlichen Verhaltensweisen auseinandersetzt.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung spielt in der Zeit zwischen Ende März und der zweiten Aprilhälfte in Zürich und wird durch einen parallel verlaufenden Erzählstrang ergänzt, der Episoden in Syrien schildert. Auch die aktuellen Ereignisse betreffen zunächst unterschiedliche Themenkreise, einerseits die Vorbereitungen des IS-Rückkehrers, die Ermittlungsarbeit des Agentur-Teams, und andererseits die Tätigkeit der Politikerin Andrea Graf, die heuer Ehrengast beim Zürcher Sechseläuten ist und in einer anderen Sache ebenfalls die Agentur mit Nachforschungen beauftragt hat. Der knappe Zeitrahmen und die in Details einfließenden, immer neuen Informationen, bis sich schließlich die Handlungsstränge schließen, ergeben eine packende, brisante, sehr genau recherchierte Geschichte. Ausführliche Dialoge, in denen der Autor auf die Problematik seiner Themen aufmerksam macht, und die interessanten Erklärungen zum Sechseläuten, dem traditionellen Frühlingsfest in Zürich, ergänzen die straffe Handlung.

Fazit

Ein vielschichtiger, interessanter gesellschaftspolitischer Kriminalroman mit aktuellen Themen und einem authentischen, sympathischen Ermittlerteam, packend erzählt.

Das Ilona-Projekt – Lutz Flörke

AutorLutz Flörke
Verlag duotincta GbR
Erscheinungsdatum 5. September 2018
FormatBroschiert
Seiten262
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3946086321

„Wie so oft fragt sich HP, in welcher Geschichte er sich befindet, ob es die eigene ist oder eine, die ihm andere aufzuwingen, seine Schwester, Reinhardt, das Leben im Allgemeinen.“ (Zitat Seite 27)

Inhalt

Seine Schwester schenkt HP aus Hamburg zum Geburtstag eine Studienreise nach Sizilien. Nun sitzt HP Proust-lesend in Taormina, als ihn Reinhardt, Beruf Erbe, ebenfalls Proust-Leser, anspricht. Er hat spontan eine Frau, Ilona, nach Taormina eingeladen, doch nun muss er geschäftlich dringend nach Samos reisen. HP soll Ilona am Treffpunkt abholen und mit ihr Reinhardt auf die Insel Samos nachreisen. Damit beginnt das Ilona-Projekt und HP taucht ein in ein skurriles, chaotisches Abenteuer. Auf der Suche nach seiner eigenen Geschichte findet er sich jedoch wieder nur als Nebenfigur in den Geschichten der anderen wieder, tröstet, hört zu. Erst wenn er jemanden findet, der ihm zuhört, dem er die ganze Geschichte erzählen kann, wird es seine eigene Geschichte sein.

Thema und Genre

In diesem vielschichtigen Roman geht um die Such nach der eigenen Identität und um den Platz im eigenen Leben. Weitere Themen sind Beziehungsformen, Liebe, Literatur, sowie die vielen Erzählformen und unterschiedlichen Erzählperspektiven, die Fülle an literarischen Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen.  

Charaktere

Die Hauptperson, kurz HP, ist eher ruhig und zurückhaltend, in seinen Gedanken jedoch läuft pausenlos eine Vielzahl von Geschichten ab, Träume, die reale Situationen spontan verändern, Literaturfragmente aus Büchern von bekannten Schriftstellern, eigene Erinnerungen. Manchmal verirrt er sich in diesen Geschichten, während er sich verzweifelt bemüht, authentisch zu wirken. Mit einem großen Augenzwinkern lässt der Autor seine Figuren mit den typischen menschlichen Verhaltensweisen und Schwächen agieren.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in Italien, Griechenland und zusätzlich in mehreren Variationen in den Gedanken von HP. Ereignisse und Szenen, die ruhig, gelassen beginnen, werden durch unvorhersehbare Wendungen und wechselnde Erzählperspektiven plötzlich chaotisch. Skurrile Gespräche über das Schreiben, das Leben und Biografien, Beschreibungen von antiken Sehenswürdigkeiten fließen als Textauszüge und Zitate in die Handlung ein. Auch in diesem Urlaub weitab von seinem alltäglichen Umfeld, führen Situationen dazu, dass sich HP in die Biografien der Personen, die ihn umgeben, einfügt, dabei sehnt er sich nach einer eigenen Biografie, mit ihm selbst als Hauptperson. Er hat die Wahl zu gehen, überlegt, sich zurückzuziehen, sich eine andere, eigene Geschichte zu suchen. Aber er bleibt, weil er neugierig ist, weil es ihn interessiert, was daraus wird und auch wir Lesende sind gespannt. Selbst als HP endlich jemandem seine Geschichte erzählen konnte, sie damit zu seiner eigenen Geschichte gemacht hat, unterbricht der Erzähler diese ruhige Nacht am Meer mit einer skurril-komischen Pointe und fügt für HP ein weiteres Kapitel an.

Fazit

Ein Roman wie eine abenteuerliche Achterbahnfahrt: ernst, chaotisch, skurril, witzig. Ein ungewöhnliches, interessantes und unterhaltsames Lesevergnügen.

Der Wal und das Ende der Welt – John Ironmonger

AutorJohn Ironmonger
Verlag FISCHER Taschenbuch
Erscheinungsdatum 25. März 2020
FormatTaschenbuch
Seiten480
SpracheDeutsch
ÜbersetzungMaria Poets, Tobias Schnettler
ISBN-13978-3596704194

„Die Zeit lief hier in einem anderen Tempo ab. Ein Mann konnte mit einem Glas Cider dasitzen und aufs Meer hinausblicken, und die Zeiger der Uhr drehten ihre Runden, und niemand rief seinen Namen.“  (Zitat Seite 96)

Inhalt

In dem kleinen Küstendorf St. Piran in Cornwall wird zuerst ein nackter Mann an den Strand gespült und später ein Wal, der in einer gemeinsamen Aktion gerettet wird. Joe Haak, der junge Mann, ist ein Banker aus London. Er hatte fünf Jahre lang an einem Datensystem gearbeitet, das nun in der Lage ist, weit genauer und umfassender als alle bisher bekannten Programme, anhand von unzähligen, auch kleinsten Details, die es laufend sammelt, bearbeitet und vernetzt, zukünftige Entwicklungen präzise vorauszusagen. Hier, in St. Piran, weiß niemand, wer er ist. Zu seinem Programm hat er immer noch Zugriff und eines Tages sieht er Hinweise auf höchst alarmierende Ereignisse. Kurz entschlossen kauft er große Mengen an Lebensmitteln und lagert diese. Kann ein Computersystem, bei aller Perfektion, auch die Komponente des menschlichen Verhaltens vorhersagen?

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Wirtschaftsdaten, Börsensysteme, eine Pandemie und den Zusammenhalt und das Miteinander der Menschen einer Dorfgemeinschaft.

Charaktere

Ein Fischerdorf in Cornwall mit schrulligen, liebenswerten Menschen, die auch in ihren Handlungen authentisch wirken. Joe Haak, Banker, Investment- und Computerspezialist, fühlt sich rasch als Teil dieser Dorfgemeinschaft und handelt sofort, als er die Zeichen einer weltweiten Krise erkennt.

Handlung und Schreibstil

Der Roman ist in einer leisen, poetischen Sprache geschrieben und es ist eine märchenhafte Geschichte, an welche sich alle Bewohner von St. Piran noch heute, Jahre später, erinnern und rückblickend schildern. Eine interessante Aktualität erhält dieser bereits im Februar 2015 erschienene Roman durch die Vorwegnahme einer Pandemie, wie wir sie in diesen Monaten tatsächlich erleben.

Fazit

Eine poetische, beinahe märchenhafte Geschichte von Menschlichkeit, Zusammenhalt und Hoffnung, die in einem kleinen Dorf an der Küste Cornwalls spielt.

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