Der perfekte Kreis – Benjamin Myers

AutorBenjamin Myers
Verlag DuMont Buchverlag
Erscheinungsdatum 17. September 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten224
SpracheDeutsch
ÜbersetzungUlrike Wasel
ÜbersetzungKlaus Timmermann
ISBN-13978-3832181581

„In diesen Momenten zerbröckelt die Moderne, und eine Art Zeitreise findet statt. Und heute Nacht, wie in allen vorangegangenen Nachten und jenen, die noch folgen werden, versetzt diese Reise die beiden Männer in die Lage, in nur wenigen schweißtreibenden Stunden etwas zu vollenden, das verblüffen, betören, provozieren und verwundern wird.“ (Zitat Pos. 667)

Inhalt

Seit etwa zehn Jahren kennen Redbone, Anarcho-Punk-Musiker, und der Falkland-Kriegsveteran Calvert einander und sind Freunde. Beide leben im Heute, doch beide sind immer noch dabei, die Erfahrungen ihrer Vergangenheit zu verarbeiten, auch wenn diese aus völlig unterschiedlichen Ereignissen entstanden sind. Es ist ihr dritter Sommer, in dem sie in langen Nächten diese besonderen, mythischen Gebilde schaffen, die Kornkreise, angetrieben durch Verrücktheit, Angst, Spaß, die Wertschätzung der Natur, die Suche nach uneingeschränkter Freiheit und dem Wunsch, den Menschen etwas Besonderes zu zeigen. In diesem Jahr 1989 arbeiten sie auf den Höhepunkt ihres Schaffens hin, ihr Opus Magnum, die Honigwabe-Doppelhelix, ein kompliziertes Muster von perfekter Schönheit, geplant für das Ende des Sommers.

Thema und Genre

Dieser poetische Roman spielt 1989 im ländlichen Südengland. Es geht es um die Achtung vor der Natur, Träume, den Umgang mit der eigenen Vergangenheit, Freundschaft und natürlich um die heimliche Schaffung von Kornkreisen.

Charaktere

„Nähre den Mythos und strebe nach Schönheit“ ist Redbones Lebensziel. Er tüftelt das Design der Kornkreise aus, ist fantasievoll, visionär, kreativ. Calvert ist ein sehr ruhiger Mensch, pragmatisch, diszipliniert, hat langjährige Kampferfahrung aus Auslandseinsätzen. Die wichtigsten Kriterien ihrer nächtlichen Tätigkeit sind für beide absolute Verschwiegenheit unter allen Umständen und die perfekte Schönheit der Kreise.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt im Sommer 1989 und wird chronologisch geschildert. Die Erzählform ist personal und Redbone und Calvert stehen im Mittelpunkt. In diesem Sommer entstehen zehn Kornkreise und jedes Kapitel trägt als Überschrift den Namen des jeweiligen Kornkreises, der in diesem Kapitel entsteht. Doch auch wenn sie versteckt arbeiten und darauf achten, auf keinen Fall entdeckt zu werden, sind sie nicht allein in der Nacht. Sie begegnen sonst kaum sichtbaren Tieren und beobachten nächtliche Partys, Zusammenkünfte, esoterische Gruppen, unterschiedliche Menschen auf ihren nächtlichen Wegen und Abenteuern.

Großartige Schilderungen der Natur und interessante Beschreibungen der einzelnen Kornkreis-Strukturen ergänzen die spannende Frage, ob ihnen dieser eine ganz besondere Kornkreis gelingen wird.

Fazit

Eine poetische, packend und einfühlsam erzählte Geschichte, ein überzeugendes Leseerlebnis.

Drei Kameradinnen – Shida Bazyar

AutorShida Bazyar
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungsdatum 15. April 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462052763

„Ihr werdet alles, was ich sage, ein wenig anzweifeln und euch vergewissern, dass ihr es besser wisst. Ihr habt vielleicht recht, genauso wie ich. Ich habe recht, und ich habe beim Schreiben manchmal gelogen, okay, aber ich habe trotzdem recht, denn lügen und recht haben, das schließt sich nicht aus, auch bei mir nicht.“ (Zitat Pos. 4193)

Inhalt

Kasih kennt Hani und Saya schon seit ihrer Kindheit und Jugend in einer hauptsächlich von Menschen mit Migrationshintergrund bewohnten Problemsiedlung am Stadtrand. Inzwischen haben sie studiert, Saya ist beruflich viel auf Reisen, doch ihre Freundschaft ist beständig. Nun treffen sie einander nach sechs Jahren wieder, Saya kommt für einige Tage zu Kasih auf Besuch, da eine gemeinsame Freundin heiratet. Dann kommt diese besondere Nacht, in der Kasih alles niederschreibt, wie es ist, als Deutsche mit den täglichen Diskriminierungen und Vorurteilen zu leben, die sich allein durch das Aussehen ergeben. Es sind Erinnerungen und aktuelle Ereignisse in einer Zeit, in welcher Ausländerhass und Rassismus stärker werden, statt zu verschwinden.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Kraft der Freundschaft, den Alltag von Frauen und Familien mit Migrationshintergrund, um Alltagsrassismus, Rechtsruck in der Politik, Vorurteile und Missverständnisse.

Charaktere

Kasih ist studierte Soziologin, arbeitslos, kritisch und dennoch der Ruhepol zwischen der pragmatischen Hani und der zornigen, aufbrausenden Saya, deren innere Wut und Solidarität dazu führen, dass sie keine Konfrontation auslässt. „Damit war die Diskussion beendet und erst Jahre später, wirklich viele Jahre später, sagen wir, in diesem Jahr, war Saya aufgefallen, dass sie in solchen Diskussionen nie eine Chance gehabt hatte, denn alle, auch sie selbst, sahen ihre Rolle lediglich darin, provozierende Dinge in die Runde zu werfen und allen inbrünstig zu widersprechen, aber ihre Rolle sah nicht vor, recht zu haben.“ (Zitat Pos. 702)

Handlung und Schreibstil

Dieser Roman besticht neben Inhalt und Handlung durch seine moderne Erzählform, in Verbindung mit einer modernen, aber gleichzeitig eindrücklichen Sprache. Wir Lesende sind „Ihr“, viele von uns sicher die „Weißen“, während die drei Frauen Kasih, Hani und Saya „wir“ sind. Es sind Episoden, Ereignisse, kurze Szenen, die hauptsächlich Kasih als Ich-Erzählerin schildert, Erinnerungen an die Kindheit und Jugend, an ihre Beziehungen als Erwachsene. Eingebettet sind diese Rückblicke, in die ebenfalls knapp und rasch aufeinanderfolgend skizzierten aktuellen Ereignisse innerhalb von wenigen Tagen. Wenn es sich um Situationen handelt, in denen Kasih nicht anwesend ist, wechselt die Autorin in eine personale Erzählperspektive. Diese Vielfalt, die raschen Gedankensprünge, die geballte, zornige Kraft der Aussagen und Inhalte der Ich-Erzählerin machen diesen Roman packend, intensiv, und gleichzeitig regt jede Seite zu neuem Nachdenken an, zu Änderungen der eigenen Erfahrungen und Sichtweisen. Auch ich musste ein persönliches Vorurteil revidieren, denn ich hätte dieses Buch längst lesen können, aber die für mich negative Wortwahl des Titels schreckte mich ab, bis ich durch die Longlist-Broschüre eine längere Leseprobe lesen konnte, zusammen mit mehr Informationen.

Fazit

Eine intensive Geschichte über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, bewusst, oder im Alltag unbewusst, über gegenseitige Vorurteile und Missverständnisse, die einen normalen, unverkrampften Umgang miteinander verhindern. Es geht um eine einfach Frage: Jobsuche, Wohnungsnot, Beziehungen – es sind Probleme, die wir alle kennen, egal, ob unsere Haut etwas heller oder dunkler ist. Warum aber macht das immer noch einen Unterschied?

Todesschmerz: Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez 6 – Andreas Gruber

AutorAndreas Gruber
Verlag Goldmann Verlag
Erscheinungsdatum 13. September 2021
FormatTaschenbuch
Seiten592
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3442491094

„Weil es Dinge gibt, die wir wissen, und Dinge, die wir nicht wissen. Aber es könnte auch Dinge geben, von denen wir gar nicht wissen, dass wir sie nicht wissen. Diese Möglichkeit besteht immer.“ (Zitat Seite 33)

Inhalt

Seit einem Jahr scheint es ein Informationsleck an der Spitze des BKA zu geben und der BKA-Profiler Maarten S. Sneijder arbeitet heimlich und intensiv an den Ermittlungen. Denn es kann sich nur um einen Top-Insider handeln, der die Daten auf nicht-digitalem Weg aus dem BKA bringt. Doch gerade jetzt wird Sneijder mit seinem Team nach Oslo geschickt, die deutsche Botschafterin und ihr Sicherheitschef sind ermordet worden. Allerdings darf Sneijder die Ermittlungen der norwegischen Polizei nur begleitend beobachten, ihm wird Cora Petersen, eine Agentin des BND und Skandinavien-Expertin zur Seite gestellt. Durch einen Zufall kommen sie einem weiteren Mord auf die Spur, einem völlig anderen Fall und doch gibt es Details, die übereinstimmen. Wie hängt das alles zusammen, warum bringt der BND eine seiner Agentinnen nach Oslo und kann Sabine Nemez Maarten S. Sneijder von den für ihn üblichen Alleingängen bei den Ermittlungen abhalten?

Thema und Genre

In diesem Thriller, dem sechsten Band der Serie um den Kripopsychologen und Profiler Maarten S. Sneijder, geht es um Morde in Norwegen, um organisierte Kriminalität und um ein nicht verifizierbares Datenleck im BKA Wiesbaden.

Charaktere

Es sind eigenwillige Figuren, die durch ihre unterschiedlichen Eigenheiten und Vielschichtigkeit überzeugen.

Handlung und Schreibstil

Die aktuelle Handlung wird chronologisch erzählt. Sie beginnt am 23. Mai und dauert nur eine knappe Woche. Ein zweiter Erzählstrang schildert Ereignisse, die in Norwegen bereits ab dem 5. Mai stattfinden und so haben wir als Lesende wesentlich mehr unterschiedliche Informationen, als das Ermittlerteam. Der straffe Zeitrahmen macht die Geschichte rasant und packend, viele überraschende, gefährliche Wendungen sorgen für zusätzliche Spannung. Allerdings verlor dieser facettenreiche Fall durch dieses atemlose Aneinanderreihen, ein Ereignis jagt das nächste, ab einem gewissen Zeitpunkt für mich etwas an Glaubwürdigkeit und Logik. Eine Stärke des Autors sind die Figuren und deren Dialoge, dieser Sprach- und Wortwitz ist pures Lesevergnügen und unterbricht positiv den immer intensiven und sehr hohen Spannungsbogen.

Fazit

Ein brisanter, packender Einsatz bringt das Team von Maarten S. Sneijder diesmal nach Norwegen und führt sie und auch uns Lesende an ihre Grenzen.

Madame Exupéry und die Sterne des Himmels

AutorSophie Villard
Verlag Penguin Verlag
Erscheinungsdatum 13. September 2021
FormatBroschiert
Seiten480
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3328106869

„Als Consuelo, nur Consuelo, die Malerin, die Köchin, die Liebhaberin schöner Künste, die sinnliche Grenzgängerin zwischen den Welten, der alten und der neuen, hatte sie hier niemand wahrgenommen.“ (Zitat Seite 292)

Inhalt

Im September 1930 kehrt die Künstlerin Consuelo Suncin Sandoval de Gómez als junge Witwe in ihre Heimat zurück. Mehr als zehn Jahre hatte sie in Europa gelebt und besonders Paris vermisst sie schon jetzt. Bei einem Empfang in Buenos Aires lernt sie Antoine de Saint-Exupéry kennen, den Flugzeugpiloten und Schriftsteller. Am 22. April 1831 heiraten sie. Eine Verbindung wie eine Naturgewalt, denn trotz der Liebe ist diese Ehe nicht einfach. Consuelo arbeitet einerseits weiter an ihrer eigenen Karriere als Künstlerin, hat einen Freundes- und Bekanntenkreis in den finanziell gehobenen Pariser Gesellschafts- und Künstlerkreisen. Andererseits umsorgt sie Antoine, repräsentiert an seiner Seite als Ehefrau, richtet jede ihrer Wohnungen rasch zu einem behaglichen Heim für ihn ein in der Hoffnung, aus seiner Rast- und Ruhelosigkeit eine neue, glückliche Sesshaftigkeit zu machen. Sie unterstützt seine schriftstellerische Tätigkeit, dennoch nimmt er immer wieder Aufträge als Flugzeugpilot an, die ihn von ihr fort, in fremde Länder und Abenteuer führen. So auch zu diesem Einsatz für seine bedrohte Heimat Frankreich am 31. Juli 1944.

Thema und Genre

Der vorliegende Roman mit biografischem Hintergrund schildert das Leben an der Seite des exzentrischen und erfolgreichen Piloten und Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry aus der Sicht seiner Ehefrau Consuelo, Madame de Saint-Exupéry und basiert auf ihren persönlichen Erinnerungen „Mémoires de la rose“.

Charaktere

Die Ehe zwischen der temperamentvollen Künstlerin aus Mittelamerika und dem exzentrischen französischen Adeligen, dem freiheitsliebenden Piloten und Schriftsteller, verläuft turbulent. Sie umsorgt ihn, unterstützt ihn als Schriftsteller, doch immer wieder wird ihm diese Fürsorge zu eng, er übernimmt Einsätze als Pilot, sie trennen sich, kommen wieder zusammen. Consuelo ist mit den vielen Facetten ihres Charakters nach Meinung der Literaturexperten das Vorbild für viele Hauptfiguren des „Kleinen Prinzen“, nicht nur für die Rose.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte beginnt im gemieteten Sommerhaus „The Bevin House“ auf Long Island im Juli 1942. Die Autorin wählt die personale Erzählform, in deren Mittelpunkt Consuelo steht, welche diese gemeinsamen Tage und die Fertigstellung der Letztfassung und Illustrationen der märchenhaften Erzählung  „Der Kleine Prinz“ schildert. Diese aktuellen Tage sind gefüllt  mit Rückblicken und Erinnerungen an die turbulente, intensive Beziehung zwischen Consuelo und Antoine seit dem Tag ihres Kennenlernens. Kurze Textpassagen aus dem Kleinen Prinzen sind manchen Kapiteln vorangestellt, zu denen sie einen gedanklichen Bezug ergeben. Die Sprache schildert lebhaft und ist unterhaltsam zu lesen.

Fazit

Ein interessanter, angenehm zu lesender Roman mit biografischem, realem Hintergrund, in dessen Mittelpunkt Consuelo de Saint-Exupéry steht, die Ehefrau und Muse des Piloten und Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry.

Besichtigung eines Unglücks – Gert Loschütz

AutorGert Loschütz
Verlag Schöffling
Erscheinungsdatum 20. Juli 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3895611575

„Es ist die Liste, die am nächsten Tag in der Genthiner Zeitung abgedruckt wurde, die erste einer ganzen Reihe von Listen, die bereits den Namen enthielt, der mich lange beschäftigen würde, weil es der einzige ausländische war. Buonomo Giuseppe aus Neapel.“ (Zitat Pos. 600)

Inhalt

An diesem 22. Dezember 1939, um 0 Uhr 53, sind die Wetterverhältnisse extrem schlecht und knapp vor dem Bahnhof Genthin prallen zwei Züge aufeinander. Vier entscheidende Sekunden führen zu einem Trümmerfeld mit hunderten Toten und Verletzten und dennoch ist dieses schwere Zugunglück durch die deutsche Geschichte der darauffolgenden Jahre in Vergessenheit geraten. Der Journalist Thomas Vandersee hat seine Kindheit in Genthin verbracht. Als er von einem alten Herrn, der Lisa, die Mutter von Thomas, aus Schultagen vom Sehen kannte, einen Zeitungsartikel über dieses Zugunglück erhält, ist er zunächst nicht interessiert. Doch eine Bemerkung über eine der beiden Unglückslokomotiven, die unter einer geänderten Nummer wieder in Betrieb genommen wurde, ändert alles. Er beginnt zu recherchieren, doch während er versucht, anhand der Akten den Unglückshergang zu rekonstruieren, tauchen eine Reihe weiterer Fragen auf. Carla Finck war in diesem Zug, warum steht ihr Name auf keiner Opferliste? Immer tiefer taucht er in Einzelschicksale ein und gleichzeitig auch in die Vergangenheit der eigenen Familie, in die Geschichte seiner Mutter.

Thema und Genre

Was als Recherche zu einem tragischen Eisenbahnunglück beginnt, erweitert sich in diesem Roman rasch zu den Geschichten von irgendwie mit diesem Zugunglück in Verbindung stehenden Menschen mit ihren Beziehungen, Träumen, Geheimnissen. Es geht um Entscheidungen, Zufälle und den Faktor Zeit, denn es sind immer wenige Sekunden, die alles verändern.

Charaktere

Der Autor nimmt sich Zeit für seine Figuren, er schildert ihr Verhalten und Entscheidungen im Kontext mit der damaligen Zeit. Thomas Vandersee erkennt, dass es die Familiengeheimnisse seiner Kindheit und Jugend sind, die ihn prägen.

Handlung und Schreibstil

Der Roman umfasst fünf große Teile und Thomas Vandersee als Ich-Erzähler ergänzt die Geschichte noch mit seinen persönlichen Erinnerungen. Der erste Teil führt uns in die Gegenwart, in das Leben und den Alltag des Journalisten Thomas Vandersee als Ich-Erzähler, unterbrochen von minutiösen Schilderungen möglicher Hergänge des Zugunglücks, wie auch die Akten unterschiedliche Versionen zur Klärung der Schuldfrage darstellen. Im zweiten Teil geht es um das Leben von Carla Finck, im personalen Mittelpunkt des dritten Teils steht Lisa, die Mutter von Thomas, der vierte Teil trägt den Titel „Aus den Notizheften“, denn Thomas macht sich zu allen Alltagsereignissen Gedanken und füllt damit Notizhefte, die er alle aufbewahrt, weil sie seine Vergangenheit dokumentieren. Der letzte, fünfte Teil bringt nochmals ergänzende Details zu Carlas Leben, einige Fragen werden gelöst, andere bleiben offen und überlassen es uns, darüber nachzudenken. Die poetische, klare Sprache schildert und beschreibt eindrücklich.

Fazit

Dieser facettenreiche Roman ist nicht nur die Besichtigung eines Unglücks, sondern vielmehr eine vielschichtige, intensive Besichtigung von Lebenswegen und folgenreichen Entscheidungen, von Sekunden, die das Leben eines Menschen verändern können.

Schnittbild – Anna Felnhofer

AutorAnna Felnhofer
Verlag Luftschacht
Erscheinungsdatum 30. März 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3903081864

„Nun ja, jedes dieser Bilder trägt seine eigene Wahrheit, aber zugleich auch das Prinzip der anderen in sich und wirkt so auf zweifache Weise: Mit einer Wahrheit, die für sich stehen kann und mit einer, die über diese in sich geschlossene, segmentierte Wahrheit hinausweist.“ (Zitat Pos. 3995)

Inhalt

Fünfunddreißig Jahre trennt Fabjans Geschichte, der die Welt durch die Linse seiner Leica betrachtet und auch an diesem Silvester 2016 noch nicht darüber hinweggekommen ist, dass Lena ihn verlassen hat, und die Geschichte der jungen Rahel, die als selbstmordgefährdete Vierzehnjährige im Frühling 1981 in die Psychiatrie eingewiesen wird. Eriks Geschichte liegt dazwischen, seine Frau ist 1997 bei einem Familienurlaub an der Adria spurlos verschwunden und genau an diesem Tag, sieben Jahre später, ist er im Auftrag seiner Fakultät auf dem Weg zum Forum Alpbach 2004. Sie haben eine Gemeinsamkeit: die Therapeutin, die sie in der kritischen Zeit betreut.

Thema und Genre

In insgesamt vier Episoden erzählt dieser Roman vier unterschiedliche Schicksale, Probleme und Konflikte von vier Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. Immer wieder verschieben sich Bilder der Wirklichkeit, werden zur Iteration, zu unterschiedlichen, möglichen Versionen der jeweiligen Geschichte.

Charaktere

Die Autorin schreibt über Figuren in besonderen Konfliktsituationen, über die Gefahr von zu engen Beziehungen zwischen Patient und Therapeut, doch was mich irritiert, ist diese harte, analytische Sachlichkeit, mit denen sie ihre Figuren schildert, das Fehlen von Empathie mit der realen Ausweglosigkeit der Situation, in die sie ihre Figuren entlässt.

Handlung und Schreibstil

Die Autorin erzählt die Handlung in vier Episoden, die durch die Therapeutin miteinander verbunden sind. In der vierten Episode verschieben sich die Bilder zwischen möglicher Realität und möglicher Scheinwelt nochmals und es ergeben sich neue Sichtweisen, aber auch neue Fragen. Der Schreibstil ist analytisch, wissenschaftlich, klar und emotionslos, man erkennt darin die wissenschaftliche Qualifikation der Autorin, die selbst Psychologin ist und ihr Fachgebiet virtuelle Realitäten. Dies führt dazu, in Verbindung mit der intensiven Dichte der Problematik, der Themen und vor allem der an sich selbst scheiternden Therapeutin, dass die Handlung des Romans teilweise beklemmend, verstörend wirkt und in ihrer Vielschichtigkeit viele Fragen unbeantwortet lässt, unter anderem die Frage, was uns die Autorin mit diesem Roman sagen will, „traue keiner Therapeutin, keinem Therapeuten“?

Fazit

Die Grundidee der Autorin, bekannte literarische Vorbilder in psychologischen Ausnahmesituationen für die facettenreichen Konflikte ihrer Episoden heranzuziehen, aus dem ursprünglichen Zusammenhang in neue Bilder von unterschiedlichen Realitäten und scheinbaren Realitäten einzusetzen, ist genial. Die Umsetzung jedoch konnte mich nicht überzeugen.

Der versperrte Weg: Roman des Bruders – Georges-Arthur Goldschmidt

AutorGeorges-Arthur Goldschmidt
Verlag Wallstein
Erscheinungsdatum 28. Juni 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten111
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3835350618

„Es ist ein sonderbares Gefühl, so nahe aneinander gelebt zu haben und so wenig vom älteren Bruder zu wissen.“ (Zitat Pos. 166)

Inhalt

Erich Goldschmidt ist fast fünf Jahre alt ist, als am 2. Mai 1928 sein Bruder Jürgen-Arthur geboren wird und dieses schreiende Baby ist für Erich ein Eindringling. Dennoch fühlt er sich später für seinen Bruder verantwortlich. Besonders ab diesem 18. Mai 1938, an dem die Eltern sie beide zu Verwandten nach Italien schicken, um sie in Sicherheit zu bringen, denn plötzlich sind sie keine Deutschen mehr, sondern Juden. Da ist Erich vierzehn Jahre alt, Jürgen-Arthur zehn. Bald ist auch Italien nicht mehr sicher und am 17. März 1939 werden sie nach Frankreich geschickt, wo sie die nächsten Jahre im Internat einer Privatschule verbringen. Nach dem Abitur ist Erich für die Résistance tätig, um seine neue Heimat Frankreich im Kampf gegen die Nationalsozialisten zu unterstützen. Dennoch wird Erich immer das Gefühl haben, irgendwo zwischen Deutschland und Frankreich zu stehen, in Deutschland verfolgt, weil er Jude ist, in Frankreich nach Kriegsende verfolgt, weil er Deutscher ist.

Thema und Genre

Im Mittelpunkt dieses autobiografischen Romans steht diesmal der ältere Bruder des Autors. Es geht darum, wie sehr die Verfolgung, Lebensgefahr und Flucht aus Deutschland das Leben eines jungen Menschen, im konkreten Fall das Leben von Erich, nachhaltig prägen.

Charaktere

Erich ist Deutscher, protestantisch erzogen und als er plötzlich aus dem Freundeskreis des Gymnasiums ausgeschlossen wird, weil er Jude ist, bricht für ihn die Welt zusammen, er versteht das nicht. Dieser Verlust der Heimat prägt sein ganzes Leben, obwohl er sich rasch in Frankreich zu Hause fühlt, bleibt eine innere Zerrissenheit.

Handlung und Schreibstil

Der Autor erzählt die Geschichte seines Bruders chronologisch, wobei Kindheit und Jugend im Mittelpunkt stehen, vor allem die Ereignisse ab dem Jahr 1938. Immer wieder müssen sie fliehen, entkommen nur knapp, werden versteckt und im Jahr 1943 trennen sich ihre Wege. Während Jürgen-Arthur bei Bauern untertaucht, beginnt Erich, für die Résistance tätig zu sein. 1947 treffen sich die Brüder kurz, aber die hier erzählte Geschichte erfährt der Autor von seinem Bruder erst, als sie sich Ende der siebziger Jahre in Deutschland wiedersehen. In leiser, eindringlicher Sprache schildert der Autor das Leben eines Menschen, der von seiner persönlichen Vergangenheit geprägt ist und sich selbst damit den eigenen Lebensweg zu versperren scheint.

Fazit

„Warum bin ich gerade der, der ich bin?“ (Zitat Pos. 812). Diese autobiografische Geschichte erzählt von einer Generation, die in Deutschland aufwuchs, um über Nacht plötzlich als Jude verfolgt, bedroht zu werden und gerade noch durch Flucht aus dem Land entkommt, das für sie bisher Heimat war.

Was Frauen schreiben – Ruth Klüger

AutorRuth Klüger
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum 1. April 2012
FormatTaschenbuch
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3423140454

„Für die Kolumne in der Literarischen Welt konnte ich mir aussuchen, welches Buch ich unter die Lupe nehmen wollte, ich musste nur rezensieren, was ich guten Gewissens den Leserinnen empfehlen konnte. Solang es von einer Frau geschrieben war.“ (Zitat Seite 8)

Thema und Inhalt

In diesem Buch finden werden insgesamt einundsechzig Werke vorgestellt, sechzig davon wurden von Frauen geschrieben. Die einzige Ausnahme ist das Buch eines bekannten skandinavischen Autors und in ihrer Besprechung begründet Ruth Klüger auch, warum.

Umsetzung

Die in diesem Buch zusammengestellten Besprechungen sind in den Jahren 1994 bis 2010 erschienen, die meisten davon in der monatlichen Kolumne „Bücher von Frauen“ in der Literarischen Welt. Das erstmalige Erscheinungsdatum des jeweiligen Textes gibt auch die Reihenfolge vor, in welcher die einzelnen Bücher vorgestellt werden. Jede Besprechung endet mit den Angaben zum Buch: Autorin, Titel, Verlag, Erscheinungsdatum und Ort, Seitenzahl.

Es ist eine bunte, internationale Auswahl, darunter drei deutschsprachige Länder und der Bekanntheitsgrad der Autorinnen bewegt sich zwischen Nobelpreisträgerinnen und beinahe vergessenen Autorinnen. Auch Biografien berühmter Frauen finden sich unter den rezensierten Titeln, und überrascht stoßen wir zwei Mal auf Harry Potter.  

Fazit

Eine breit gefächerte Sammlung von lebhaften, großartigen Essays, in denen insgesamt einundsechzig sehr unterschiedliche Bücher vorgestellt werden. Es sind sicher Bücher darunter, die wir bereits gelesen haben, Bücher, von denen wir gehört haben, auf die wir aber erst jetzt durch die Besprechung im vorliegenden Buch neugierig geworden sind und kaum bekannte Autorinnen und ihre Werke. Doch das Lesevergnügen beginnt schon hier, mit diesem Buch.

Oskar Werner. Genie und Fetzenschädl – Robert Dachs

AutorRobert Dachs
Verlag Der Apfel
Erscheinungsdatum 1. Januar1994
FormatTaschenbuch
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3854500278

„Er war ein Verrückter, aber auf eine grandiose Art. Er war eine Art Genie und kannte die Schwerkraft, die für uns übirge Menschen gilt, nicht.“ (Simone Signoret, Zitat Seite 24, 25)

Thema und Inhalt

Robert Dachs lernte den Schauspieler Oskar Werner zwar erst in den 1980er Jahren kennen, die beiden werden aber rasch enge Freunde. Robert Dachs schrieb drei biografische Bücher über Oskar Werner. Das vorliegende Buch, 1994 erschienen, ist das mittlere aus dieser Reihe.  

Gestaltung

Das Buch umfasst sieben Kapitel, die chronologisch wichtige Stationen im Leben von Oskar Werner schildern. Im ersten Kapitel geht es um die Kindheit Oskar Werners, um Episoden, die sein späteres Leben geprägt haben. Das zweite Kapitel handelt von den Frauen an seiner Seite, das dritte hat seine künstlerische Laufbahn zum Inhalt. Kapitel vier trägt den Titel „Nie wieder Krieg“ und zeigt seinen unermüdlichen Einsatz als überzeugter Gegner des Nationalsozialismus. Kapitel fünf beschäftigt sich mit der nicht immer einfachen Beziehung des Wieners Oskar Werner zu seiner Heimatstadt. Kapitel sechs zeigt sein zurückgezogenes Leben zwischen seiner Wohnung in Wien und seinem Haus in Triesen in Liechtenstein, umgeben von seinen Büchern und Lieblingsautoren. Das letzte Kapitel berichtet über sein Alkoholproblem, aus dem er nie ein Geheimnis gemacht hat. Die letzten Lebensjahre von Oskar Werner, der noch viele Pläne hatte, als er am 23. Oktober 1984 völlig überraschend an einem Herzinfarkt verstarb, wenige Wochen vor seinem 62. Geburtstag, waren gezeichnet von Missverständnissen. Es wurden ihm Filmrollen als Killer oder SS-Offiziere angeboten, oder Darstellungen von Persönlichkeiten wie Franz Schubert, aber in kitschigen Filmen. Rollen, die er ablehnte und so den Ruf bekam, alle Angebote abzulehnen, was dazu führte, dass ihm keine Rollen mehr angeboten würden, darunter sicher Rollen, die er sehr wohl angenommen hätte, so wie seine letzte Filmrolle 1976, wo er den Arzt Egon Kreisler im Film „Die Reise der Verdammten“ verkörperte. Zitate, Erzählungen von Erlebnissen und Aussagen von Menschen, die ihn kannten, Abbildungen von persönlichen Notizen und viele Fotografien ergänzen den Text. Das Buch schließt mit einem umfassenden Abbildungsverzeichnis.

Anmerkung

Dieses Buch ist nur mehr in gebrauchtem Zustand erhältlich, oder man hat Glück, denn ich habe ein neues Exemplar unter den vor einer Buchhandlung in der Wiener Wollzeile präsentierten verbilligten Restexemplaren zwischen Kriminalromanen und Kochbüchern entdeckt.

Fazit

Ein einfühlsames, sehr persönliches Portrait des vielseitigen Künstlers Oskar Werner. Von Menschen, die mit seiner unbedingten, manchmal schroffen Geradlinigkeit nicht umgehen konnten oft als „schwierig“ bezeichnet, zeigt diese Biografie nicht nur den raschen Aufstieg eines hochbegabten Künstlers, sondern einen großzügigen, herzlichen Menschen, der sich und seinen Idealen immer treu geblieben ist.

Sternflüstern: Die Geschichte eines Neuanfangs – Paula Carlin

AutorPaula Carlin
Verlag Diederichs
Erscheinungsdatum 30. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3424351163

„Sternflüstern! In diesem Moment vernahm ich es wieder. Dieses Knistern voller Wunder und Versprechen und Möglichkeiten, das sich für einen Augenblick auf alles um mich herum und in die neuen Tage legte.“ (Zitat Seite 132)

Inhalt

Es ist ein altes, baufälliges Haus, doch seine Ausstrahlung ist nicht unglücklich, es wirkt eher verlassen, denn es steht schon längere Zeit leer. Nach dem Tod des vorigen Besitzers soll es verkauft werden, doch der Zustand und die Größe schrecken mögliche Interessenten ab. Die sechsundfünfzigjährige Irith Falterberg, die das Haus zufällig entdeckt, erliegt sofort dem Charme dieses Hauses mit dem breit auslandenden Dach, aber sie weiß, dass dies weit außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten liegt. Warum hört sie ausgerechnet in diesem etwas verwahrlosten Garten, plötzlich die Stimme ihre Freundes Lunis, dessen Tod sie noch nicht verwunden hat? Warum treten gerade jetzt die junge Künstlerin Sophie und die soeben pensionierte Alix, Dozentin für Forstwirtschaft, in ihr Leben, ahnte Lunis, was passieren würde, wenn er diese drei Frauen zusammenbringt?

Thema und Genre

In diesem klugen, einfühlsamen Roman geht es um Verlust, Trauer, künstlerische Kreativität, Hoffnung, den Mut zum Neubeginn, Freundschaft und Liebe. Kernaussage ist die Freude am Leben und die immer neuen Überraschungen, die es bietet, wenn wir uns darauf einlassen.

Charaktere

Irith hat den Tod von Lunis noch nicht verwunden, doch sie ist bereit für Neues. Die Arbeit an ihren Mosaiken hat in den letzten Jahren ihren Blick für Details und Ideen intensiviert. Sophie kann sehr hartnäckig sein, wenn es sich um „etwas Unbedingtes“ handelt. Alix ist gerade pensioniert worden und überlegt, womit sie nun ihre Zeit verbringen will. Zwischen den drei Frauen entwickelt sich eine lebendige, kreative Eigendynamik und plötzlich scheint alles möglich zu sein.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in der Jetztzeit. Es ist Sommer, doch der nahende Herbst kündigt sich schon an. Die Ereignisse werden von Irith als Ich-Erzählerin geschildert. Parallel dazu tauchen wir in ihre Erinnerungen und damit in die Vergangenheit ein. Durch die Gespräche mit den beiden anderen Hauptfiguren Sophie und Alix erfahren wir auch Details aus deren Leben. Dies macht die Geschichte stimmig und nachvollziehbar. Lebhafte Schilderungen der Natur, besonders des verträumten, magischen Gartens, des alten Hauses und der Entstehung unterschiedlicher Kunstobjekte ergänzen die Handlung. Diese eindrückliche Sprache ist eine Stärke der Autorin Patricia Koelle, die wir bereits aus ihren Serien kennen, die an der Nordsee oder Ostsee spielen. Für diesen Roman wählte sie das Pseudonym Paula Carlin, macht jedoch kein Geheimnis daraus.

Fazit

Ein nachdenklicher, positiver Wohlfühlroman, der vom Leben in allen Facetten erzählt und von den Möglichkeiten und Überraschungen, die es bietet, wenn man bereit ist, sich auf Neues einzulassen.

Österreichischer Buchpreis – Longlist 2021 und Shortlist Debüt 2021

HerausgeberHauptverband des Österreichischen Buchhandels, Wien
Erscheinungsdatum 2. September 2021
FormatTaschenbuch
SpracheDeutsch

Shortlist Debüt 2021

„Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels und die Arbeiterkammer Wien richten 2021 gemeinsam den jährlich zu vergebenden Österreichischen Buchpreis aus.

Ziel des Wettbewerbs ist es, die Qualität und Eigenständigkeit der österreichischen Literatur zu würdigen und ihr im gesamten deutschsprachigen Raum die gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen.“ (Originalzitat https://oesterreichischer-buchpreis.at/der-buchpreis/Österreichischer Buchpreis, Ausschreibung 2021)

Inhalt

Das Lesebuch „Österreichischer Buchpreis und Debütpreis 2021“ stellt die zehn nominierten Titel der Longlist 2021 und die drei Titel der Shortlist Debüt 2021 vor. Heuer waren 122 Bücher von 57 Verlagen eingereicht worden.

In österreichischen Buchhandlungen erhält man die Broschüre in gedruckter Form kostenlos, sie ist jedoch rasch vergriffen. NetGalley Deutschland stellt diese in elektronischer Form ebenfalls kostenlos zum Download bereit.

Dieses Lesebuch beginnt mit einer Auflistung der nominierten Bücher in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Autorinnen und Autoren. Es folgen ausführliche Leseproben. Anschließend werden die Autorinnen und Autoren vorgestellt, wieder in alphabetischer Reihenfolge, mit Foto, kurzem Lebenslauf und zusätzlichen Informationen zur schriftstellerischen Tätigkeit. Eine Liste der nominierten Bücher mit Coverfoto, Titel, Verlag, Seitenzahl und Preis schließt die Präsentation der österreichischen Longlist und Shortlist Debut 2021 ab.

Fazit

Eine perfekte Alternative zur gedruckten Broschüre. Ein interessanter Überblick über die nominierten Romane mit ausführlichen Leseproben. Auf die Angaben zum Inhalt der einzelnen Romane, von denen einige ohnedies schon aus den Medien und Verlagspublikationen bekannt sind und auch auf der deutschen Longlist 2021 stehen, wurde verzichtet, doch diese findet man auf der Homepage des Österreichischen Buchpreises und natürlich auf den Seiten der Verlage. Mich machte besonders ein Titel der Shortlist Debütpreis neugierig: „Schnittbild“ von Anna Felnhofer.

Deutscher Buchpreis 2021: Die Nominierten – Herausgeber: Fachmagazin Börsenblatt / MVB

AutorDeutscher Buchpreis 2021
HerausgeberFachmagazin Börsenblatt
Erscheinungsdatum 24. August 2021
FormatTaschenbuch
SpracheDeutsch

Jurysprecher Knut Cordsen, Kulturredakteur beim Bayerischen Rundfunk: „Als Jury hatten wir in diesem Jahr so viele Titel zur Auswahl wie bisher nie beim Deutschen Buchpreis. Ein Viertel davon waren belletristische Debüts, ein breites Bouquet neuer literarischer Stimmen. Die Jury freut sich, mit der Longlist eine Auswahl getroffen zu haben, die das erzählerische Experiment ebenso würdigt wie den realistischen Roman, das Komische wie das Surreale. Diese 20 Bücher nehmen Herkunft und Geschichte ebenso in den Blick wie zentrale Fragen der Gegenwart.“ (Originalzitat Pressemitteilung 24. August 2021)

Inhalt

Das Lesebuch „Deutscher Buchpreis 2021: Die Nominierten“ stellt die zwanzig für den Deutschen Buchpreis 2021 nominierten Romane vor. In vielen Buchhandlungen erhält man die Broschüre in gedruckter Form kostenlos.

Die zwanzig Autorinnen und Autoren werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt, mit zusätzlichen Informationen wie Foto, Lebenslauf und künstlerischer Werdegang. Daran schließt eine Beschreibung des Themas des jeweiligen Romans an, gefolgt von einer ausführlichen Leseprobe. Ein Bild der Titelseite mit den Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum, Seitenzahl und Preis schließt die jeweilige Präsentation ab.

Fazit

NetGalley Deutschland stellt die Broschüre in elektronische Form, herausgegeben vom „Börsenblatt“, kostenlos zum Download bereit, in dieser Form habe ich sie gelesen. Eine perfekte Alternative zum gedruckten Lesebuch, das nicht in allen Buchhandlungen erhältlich und auch dort rasch vergriffen ist. Ein interessanter Überblick über die nominierten Romane mit ausführlichen Leseproben. Auf dieser Longlist 2021 finden sich mehrheitlich bekannte Bücher, die man bereits seit dem Erscheinen aus Werbung und diversen Besprechungen in den Medien kennt, das Hauptthema scheint weiterhin die Aufarbeitung in Romanform der eigenen Familiengeschichte der Autorinnen und Autoren zu sein, entspricht somit dem allgemeinen Trend. Mich haben die ausführlichen Leseproben nun auf einige Titel neugierig gemacht, die ich bisher nicht auf meiner „Will-ich-lesen-Liste“ hatte.

Die Nominierten – Longlist 2021

Dünenzorn: Ein Kanaren-Krimi – Edith Kneifl

AutorEdith Kneifl
Verlag Haymon Verlag
Erscheinungsdatum 17. August 2021
FormatTaschenbuch
Seiten352
SpracheDeutsch
ISBN-139783709979259

„Laura hatte ihren Vater nie anders erlebt als impulsiv, ungeduldig und umtriebig. Und ich bin ihm ähnlich, dachte sie leicht verärgert.“ (Zitat Seite 28)

Inhalt

Laura Mars, vierundvierzig Jahre alt, hat ihren Vater Michael „Mischa“ Mars seit sechs Jahren nicht gesehen. Michael Mars war Journalist, ist seit zehn Jahren in Pension und mit seiner zweiten Frau Ramona nach La Gomera ausgewandert. Nun ist Ramona spurlos verschwunden und Laura Mars kommt nach La Gomera, um ihren Vater bei den Recherchen zu unterstützen. Denn dieser vermutet, dass seine Ehefrau entführt worden ist – er schreibt gerade an einem ausführlichen Artikel über die Drogenmafia auf den Kanaren. Neben dem Familienanwalt Juan María de Alvarez beauftragt Mischa auch den Privatdetektiv Alfredo Díaz mit den Nachforschungen, doch Laura hat den Verdacht, dass Alfredo vor allem auf sie aufpassen soll, worüber sie nicht begeistert ist. Auf keinen Fall will ihr Vater die Polizei einschalten, denn er traut den Beamten nicht. Da trifft eine Lösegeldforderung ein und gleichzeitig geschieht ein Mord.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman mit Regionalbezug spielt auf den Kanarischen Inseln. Es geht um Entführung, Mord, die Drogenmafia, aber auch um brisante gesellschaftspolitische und sozialkritische Themen.

Charaktere

Laura ist seit ihrem persönlichen Drama auf Samos immer noch teilweise traumatisiert. Obwohl sie sich mit Ramona nicht besonders gut versteht, folgt sie sofort engagiert allen sich ergebenden Spuren. Alfredo Díaz wirkt optisch wie ein gutmütiger Bär im Rocker-Outfit. Er ist absolut loyal, hartnäckig, clever, einfühlsam und mutig. Die Autorin bemüht sich um möglichst authentische Figuren, doch manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie selbst keine ihrer Figuren wirklich mag, immer wieder werden die jeweiligen menschlichen Schwächen und optischen Mängel betont. Vielleicht aber habe ich einfach nicht den richtigen Humor.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt in der Jetztzeit, im personalen Erzählstrang steht Laura im Mittelpunkt. Ein zweiter Erzählstrang schildert die Erlebnisse und Gefühle einer „Ich“-Person, verläuft parallel und gleichzeitig zum ersten Erzählstrang und ergänzt die Ereignisse für uns Lesende mit weiteren Details und Fakten, ohne jedoch zu viel zu verraten, sondern gerade genug für weitere eigene Überlegungen über das Wer und Warum. Leserinnen und Leser, die auch bei Kriminalromanen mit Regionalbezug Wert auf einen durchgehend hohen Spannungsbogen legen, werden zeitweise vielleicht etwas enttäuscht sein. Denn diese Autorin legt ihre Geschichte sehr vielschichtig an, es ist das Gesamtpaket, das überzeugt. Zunächst ein undurchsichtiger Kriminalfall mit wechselnden Verdächtigen, unterschiedlichen möglichen Motiven und Überraschungen. Dazu aktuelle Themen, sozialkritisch und gesellschaftspolitisch. Auch für die Vielfalt der drei Kanarischen Inseln La Gomera, Teneriffa, Gran Canaria, die in diesem Fall Schauplätze sind, nimmt sich die Autorin Zeit, zeigt bekannte und verborgene Naturschauplätze, Sehenswürdigkeiten und Örtlichkeiten zwischen wunderschön und dem genauen Gegenteil, beides Realität.

Fazit

Dunkle Geheimnisse, Mord und zwielichtige Geschäfte von ebensolchen Figuren, dazu Inselfeeling mit Sonne, Meer und der interessanten, abwechslungsreichen Schönheit der Kanarischen Inseln.

schrift für blinde riesen: Gedichte – Lutz Seiler

AutorLutz Seiler
Verlag Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum 16. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten112
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518430002

„ein leben, das heißt  einhunderttausend träume (circa) & zwanzig / millionen wimpernschläge.“ (aus „drüben stehen die robinien“, Seite 36)

Inhalt

Zu Beginn dieses Gedichtbandes stellt der Autor fest: „daumen & zeigefinger / kommen zusammen, die / schreibhand entsteht. zehntausend jahre / vor dem aufrechten gang.“ (aus „morgenrot & knochenaufgänge“, Seite 7). Es folgen dreiundsechzig Gedichte in sieben übergeordneten Kapiteln.

Themen und Sprache

Der Autor führt uns in seinen Gedichten zurück in die Kindheit, in vergangene Tage und die damit verbundenen Erinnerungen und Gefühle, die in Verlust und Abschied münden und sich mit der Gegenwart verbinden. Oft geht es auch um die Natur, als Begleitung und Ergänzung der Szene zu einem einprägsamen Bild. Doch gerade, wenn man sich lesend zwischen den Kiefern der Wälder und an der Küste des Meeres gedanklich niederlassen will, durchbricht er die gerade entstehende Wohlfühlzone und rüttelt aus auf, mit Umbrüchen, völlig neuen Bildern, lässt uns an seiner Suche und Gedanken teilhaben, gibt aber immer auch Raum für unsere eigenen Überlegungen, für das Nachdenken und Innehalten.

Ich habe Lutz Seiler durch seinen Roman „Kruso“ entdeckt, wo er mich auch sprachlich sofort beeindruckt und begeistert hat. Da gibt es eine Stelle, wo ein Satz über dreizehn Buchzeilen reicht und dieser ist weder geschachtelt, noch wirkt er konstruiert, erzählend verliert er in keinem einzigen Wort die Aussage oder den Sinn. Diese Sprache begeistert auch in den vorliegenden Gedichten, prägnant verdichtet, präzise und einprägsam in der Sprachmelodie, manchmal hart und trotzdem immer leise und poetisch zeichnet sie auch in der lyrischen Kürze Bilder und ganze Geschichten in unsere Gedanken.

Fazit

Im inneren Klappentext schreibt Lutz Seiler über Gedichte: „Jedes gute Gedicht kann der gestische Kern eines Romans sein und die Verbindung herstellen zum Ursprung des Genres: zum Epos und seinem Gesang.“  Besser kann man die hier vorliegenden Gedichte gar nicht beschreiben. Es lohnt sich, beim Gedanken an Lyrik nicht innerlich die Nase zu rümpfen oder den Kopf zu schütteln, man sollte neugierig bleiben, sich die Zeit nehmen und sich auf dieses besondere Leseerlebnis einlassen.

Seht ihr es nicht? – Georg Haderer

AutorGeorg Haderer
Verlag Haymon Verlag
Erscheinungsdatum 24. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3709981252

„Herumzutapsen, durch einen treibenden Fluss an Informationen zu waten, einen Datenhaufen verstehen zu wollen, den ein gutes Dutzend an Ermittlern laufend vergrößerte. Gab es eigentlich irgendjemanden unter ihnen, der sich die laufend aktualisierten Berichte komplett durchlas?“ (Zitat Pos. 3363-3369)

Inhalt

In Unterlengbach werden in der Nacht vom 23. auf den 24. August 2019 vier Mitglieder einer Familie ermordet, Helena Sartori, ihr Sohn und ihre Eltern. Nur die Tochter Karina, elf Jahre alt, kann entkommen, doch sie ist seither verschwunden und niemand weiß, ob sie noch am Leben ist. Philomena „Philli“ Schimmer, vormals Polizistin, nun Mitglied des KAP „Kompetenzzentrum für abgängige Personen“, eine Sondereinheit des BKA, soll Michael Muster, Kriminalpolizist beim LKA Niederösterreich und auch ihr Exfreund, in diesem schwierigen Fall unterstützen. Bis vor zwei Jahren war Helena Sartori als Molekularphysikerin in der Nanobots-Forschung sehr erfolgreich tätig, nun lebte sie zurückgezogen auf dem Land. Hängen die Morde mit ihrer Forschungstätigkeit zusammen, oder ist Franz Morell, ihr Exmann, der Täter?

Thema und Genre

In diesem vielschichtigen Kriminalroman geht es um moderne Technologien, Psychologie, Familie und alle Facetten von zwischenmenschlichen Beziehungen.

Charaktere

Philli Schimmer, die mittlere von drei Schwestern, ist eine hartnäckige, eigenwillige Ermittlerin, erkennt kleinste Details und scheut sich nicht, auch ungewöhnlichen Vermutungen nachzugehen. Als Mensch ist sie sehr speziell und unangepasst. An ihre besonderen Besucher, die unvermutet auftauchen und die nur sie sehen kann, hat sie sich auch schon beinahe gewöhnt. Alle Charaktere dieses Kriminalromans sind mit Einfühlungsvermögen für menschliche Schwächen und viel Humor entwickelt und sie sind großartig.

Handlung und Schreibstil

Die Handlung, in deren Mittelpunkt meistens die Ermittlerin Philli Schimmer steht, wechselt durchaus unvermutet die Erzählperspektive. Dies führt zu Überraschungen und neuen Vermutungen beim Lesen, bis sich auch diese Überlegungen durch weitere Wendungen als falsch erweisen. Der Fall bleibt ungewöhnlich und spannend bis zum Schluss. Rückblenden ergänzen die aktuelle Handlung. Dadurch lernen wir Philli besser kennen, vor allem, als sich Parallelen zu einem ihrer alten Fälle ergeben, Erinnerungen, die sie auch heute noch beeinflussen. Die Sprache ist lebhaft, in vielen Facetten zwischen sachlich und locker, und humorvoll.

Fazit

Ein Kriminalroman mit aktuellen Themen, überraschend, vielschichtig und herrlich schräg. Spannendes Lesevergnügen mit der speziellen Ermittlerin Philomena „Philli“ Schimmer, die wir hoffentlich in Zukunft bei weiteren packenden Fällen begleiten dürfen.

Der Panzer des Hummers – Caroline Albertine Minor

AutorCaroline Albertine Minor
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 25. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinUrsel Allenstein
ISBN-13‎978-3257071788

„In letzter Zeit hat Ea zunehmend Angst davor, die falschen Entscheidungen zu treffen. Sie läuft mit dem bedrückenden Gefühl umher, die Jahre wären wie ein Trichter angeordnet, und der weiteste, offene Teil des Lebens läge schon hinter ihr.“ (Zitat Pos. 558)

Inhalt

Aufgewachsen sind die Geschwister Ea, Sidsel und Niels Gabel mit einem Vater, der meistens irgendwo auf der Erde unterwegs und daher abwesend war, während sich ihre Mutter Charlotte „Lotta“ bis zu ihrer Krankheit und frühem Tod um alles gekümmert hat. Heute lebt Ea in den USA, Sidsel in Kopenhagen und Niels, der jüngste der drei Geschwister, lebt heute überall und nirgends, zurzeit jedoch in der Nähe von Kopenhagen. Die Lebenswege der Geschwister sind unterschiedlich verlaufen und immer noch sind sie, unabhängig voneinander, auf der Suche nach dem Platz im eigenen Leben.

Thema und Genre

In diesem modernen Familienroman geht es um unterschiedliche Lebensformen, den Verlust vertrauter Strukturen, Patchwork-Familien und die Frage, wie wir im heutigen Gesellschaftsgefüge unser Leben gestalten wollen. Auch spirituelle und philosophische Elemente spielen eine Rolle.

Charaktere

Die einzelnen Figuren des Romans werden am Beginn der Geschichte vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Mitglieder der Familie Gabel und der Familie Wallens, wobei sich die Wege einzelner Personen der beiden Familien zufällig kurz kreuzen. Es sind schwierige Charaktere, die Frauen unsicher zwischen ihrer Rolle als Mütter und der eigenen Lebensplanung. Niels ist ein moderner Job- und Wohnungsnomade.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt innerhalb von fünf Tagen im April, die Ereignisse sind Momentaufnahmen, Rückblenden zeigen ergänzende Details der persönlichen Entwicklung der einzelnen Figuren als mögliche Erklärung für die jeweilige aktuelle Situation. Die Chancen auf Veränderungen und Neubeginn klingen im Hintergrund an, bleiben jedoch offen. Der gesamte Handlung wirkt beim Lesen wie ursprünglich unabhängig voneinander geschriebene Erzählungen, die für dieses Buch nachträglich in kurze Kapitel unterteilt und neu zusammengefügt wurden, abwechselnd, mit jeweils einer der Hauptfiguren im Fokus, und ergänzt durch verbindende Elemente. Vorbild der Autorin war, wie in einem Interview bestätigt, die „Carrier Bag Theory of Fiction“ („Tragbeutel-Theorie“) von Ursula K. Le Guin, wonach es im Roman nicht nur einen Helden und einen Konflikt geben soll, sondern viele verschiedene Teile, deren Verhältnis zueinander ebenfalls unterschiedlich, aber möglichst gleich gewichtet sein sollte. Leider nimmt diese bewusste Konstruktion, dieses Schreiben nach Anleitung,  der vorliegenden Geschichte die lebensnahe Lebendigkeit.

Fazit

Ein moderner Familienroman über die Vielfältigkeit der Strukturen abseits der traditionellen Familiengefüge, mit Figuren in existenziellen und emotionalen Krisensituationen.

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García – Moritz Rinke

AutorMoritz Rinke
Verlag ‎Kiepenheuer&Witsch
Erscheinungsdatum 19. August 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13‎978-3462054521

„So wie ich das sehe, sitzen hier drei Männer. Der eine ohne Sohn, völlig am Ende. Der andere ohne Job, ohne Fische, ohne das Meer, nur mit einem Joint. Und der dritte ohne Papiere, nur mit irgendwelchen Gedichten.“ (Zitat Seite 312)

Inhalt

Sein Großvater hat die kleine Poststelle in Yaiza eröffnet, inzwischen führt Pedro Fernández García, vierzig Jahre alt, diese weiter. Er muss kreativ sein, denn im Zeitalter des modernen Internets schreibt niemand mehr Briefe und er muss seine Auslastung belegen, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Kreativ ist auch sein bester Freund, der Fischer Tenaro, zur Zeit ein arbeitsloser Fischer mit viel Fantasie und immer neuen Ideen. Als Pedros große Liebe Carlota ihn überraschend verlässt und mit dem Sohn Miguel nach Barcelona zieht, verliert er die Lebensfreude, plötzlich entdeckte Familiengeheimnisse belasten ihn zusätzlich. Sein Leben wird grau, bis Amado, Dozent für spanische Literaturen in Afrika, zur Zeit Flüchtling ohne Papiere, mit seinen bunten T-Shirts und seiner Geschichte in sein Leben tritt. Auch er braucht Hilfe auf seinem umgekehrten Fluchtweg, zurück in die Heimat. Tenaro hat eine Idee – sind sie gemeinsam kreativ und stark genug, um diese umzusetzen?

Thema und Genre

Diese Geschichte ist eine weit gefächerte Mischung aus Poesie, Magie, Schicksal, vielfältig wie das Leben. Es geht um Freundschaft, Beziehungen, Vater und Söhne, Familiengeheimnisse, aber auch um sozialkritische, brisante Themen.

Charaktere

Jede der Figuren ist etwas Besonderes mit ihren Gefühlen und persönlichen Eigenheiten, und man folgt gespannt ihren Wegen und Erlebnissen. „Zwei Freunde sind wie zwei Geschichten, die sich zu einer verbinden.“ (Zitat Seite 400)

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt auf der Insel Lanzarote, während der Jahre 2009 und 2010. Die aktuelle Handlung wird ergänzt durch Erinnerungen an vergangene Ereignisse und Kindheitserinnerungen. Einzelne Tage mit ihren jeweils besonderen Erlebnissen, von denen sich manche nicht erklären lassen, aber trotzdem stattfinden, fügen sich zu einem vielschichtigen, eindrucksvollen Ganzen, in dem sich die einzelnen Fäden zusammenfinden. Es sind bewegte Wochen, die Pedro, Tenaro und Amado zusammenführen und für eine Zeitspanne die Schicksale des Postmannes, des arbeitslosen Fischers mit den phantasievollen Geschäftsideen und des Literaturdozenten, derzeit illegaler Flüchtling, verbinden, vereint durch Literatur und Fußballbegeisterung. Die Sprache erzählt einfühlsam, intensiv und begeistert durch die wunderbaren Schilderungen der dem Tourismus verborgenen Schönheit der Insel Lanzarote.

Fazit

Eine großartige Mischung aus Geschichten, Menschen, Alltag und Gefühlen. Liebenswerte Charaktere und humorvoll-skurrile Szenen vereinen sich mit der Nachdenklichkeit der brisanten Themen unserer Zeit und werden erzählerisch eingebettet in eindrücklichen Schilderungen der Schönheit und des Lebens auf der besonderen Insel Lanzarote.

Träume und Kulissen – Alida Bremer

AutorAlida Bremer
Verlag Jung und Jung
Erscheinungsdatum 16. Juli 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990272589

„Ein kažin war auch die Politik, die in Split seit dem Beginn des Jahrhunderts fortlaufend Brüderschaften, Parteien, Verbände und Organisationen entstehen ließ, die sich für die verschiedensten Ideen so stürmisch einsetzten, dass es andauernd irgendwo krachte.“ (Zitat Seite 54)

Inhalt

Nach einer durchfeierten Nacht entdeckt der Apotheker Antonio Petrinelli im Hafen von Split einen Riesenfisch, der auf einem Berg von Fischernetzen liegt. Nur, dass es kein Fisch ist, sondern ein Toter. Es handelt sich um einen jungen Mann, Darco Barić, und er ist eindeutig ermordet worden. Kriminalkommissar Mario Bulat beginnt zu ermitteln, doch rasch erkennt er, wie schwierig es ist, zwischen Gerüchten und Wahrheit zu unterscheiden. In diesem Sommer 1936 ist Split, die nach einer wechselvollen Geschichte nun zum Königreich Jugoslawien gehörende Hafenstadt, die lebhaften Kulisse für Träume und deutsche Filmteams, ein buntes Sammelbecken für unterschiedliche Gruppierungen mit sehr unterschiedlichen politischen Interessen, Spione und die von ihnen beobachteten Flüchtlinge und Fluchthelfer. Gerüchte gibt es viele, über reale und vermutete Ereignisse und Hintergründe, nur zu diesem Mord scheint es nur wenige ernsthafte Hinweise zu geben.

Thema und Genre

Dieser Roman mit geschichtlichem Hintergrund ist ein facettenreiches Gesellschaftsbild Europas in diesem Jahr der Umbrüche, am Beispiel der adriatischen Hafenstadt Split. Es geht um das politische Geschehen und die Macht der aufstrebenden nationalen Parteien, um Schicksale, eingebettet in traumhafte Sommertage in dieser pulsierenden Hafenstadt an der Adria.

Charaktere

Die einzelnen Personen sind teilweise real, in diesem Roman jedoch sind ihre Handlungen und Schicksale fiktiv. Jede der Figuren ist einfühlsam, stimmig und ihr Verhalten nachvollziehbar geschildert.

Handlung und Schreibstil

Die vier übergeordneten Teile sind in relativ kurze einzelne Kapitel unterteilt. Die Handlung spielt im Sommer 1936 in der Hafenstadt Split, wird chronologisch geschildert und Details werden durch Informationen in Form von Zeitungsmeldungen ergänzt. Innerhalb der Kapitel wird die Geschichte in kurzen Abschnitten erzählt, in denen jeweils eine der vielen unterschiedlichen Personen im Mittelpunkt steht. Dies macht die Handlung interessant, abwechslungsreich, packend und rasant. Gleichzeitig nimmt sich die Autorin Zeit und beschreibt  ihre ehemalige Heimatstadt Split mit viel Wissen und sehr viel Liebe zu den Details, sodass sich ein ungemein buntes, vielschichtiges Gesamtbild ergibt.

Fazit

Ein lebhaftes, facettenreiches Gesellschaftsbild während der Sommertage 1936 in der pulsierenden Hafenstadt Split, mit dem bunten Leben der Menschen aus vielen Nationen, mit ebenso vielen Ideen und Träumen, persönlichen und wirtschaftlichen Interessen und politischen Zielen. Poetisch und eindrücklich erzählt, ein interessantes, packendes, intensives Leseerlebnis.

Revolution der Träume – Andreas Izquierdo

AutorAndreas Izquierdo
SerieWege-der-Zeit-Reihe 2
Verlag DUMONT Buchverlag
Erscheinungsdatum 13. August 2021
FormatBroschiert
Seiten512
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3832171162

„Hier ist alles neu, alles dreht sich rasend schnell! Bleib stehen, und du wirst herausgeschleudert. Du musst nicht alles gut finden, Carl, aber finden musst du dich!“ (Zitat Seite 186)

Inhalt

Die Menschen, von Krieg, Hunger und Trauer gezeichnet, wollen endlich Frieden. Am 9. November 1918 wird der Kaiser gestürzt, doch damit beginnt nicht die erhoffte Freiheit, sondern eine Zeit der Bürgerkriege. Am 6. Dezember 1918 kommt der Fotograf Carl Friedländer nach Berlin, auf der Suche nach seinen Freunden Isi und Artur. Er gerät in einen Straßenkampf und ausgerechnet hier trifft er Isi, die sich politisch links engagiert und, einfallsreich wie immer, ihre Geschäfte abwickelt. Kurz darauf findet Artur die beiden. Er investiert erfolgreich in diverse Unternehmen und bewegt sich gekonnt zwischen Unterwelt, Recht und Gesellschaft. Carl erhält eine Chance als Kamera-Assistent beim Film. Isi verliebt sich in den Adeligen Aldo von Torstayn. Während das Land, Spielball der unterschiedlichen politischen Gruppierungen, hungert, die Gewalt auf den Straßen andauert, suchen die drei Freunde nach ihrer persönlichen Zukunft.

Thema und Genre

In diesem Roman mit geschichtlichem Hintergrund geht es um das Leben der Menschen nach dem Ende des ersten Weltkrieges, um die politische Situation und um Einzelschicksale. Ort der Handlung ist Berlin, Themen sind Hoffnung, Träume, Freundschaft, Liebe, aber auch Gewalt, Verrat, Rache.

Charaktere

Carl Friedländer, dreiundzwanzig Jahre alt, orientiert sich an Artur und Isi, weiß aber, dass er selbst nie so leben könnte, wie die beiden. Isi macht nach wie vor keine halben Sachen, ihr Leben muss aufregend sein. Artur legt sich mit der organisierten Kriminalität an, plant seine Schachzüge mit kreativer Genialität und Mut, doch er ist auch in der Vergangenheit verhaftet und will Falk Boysen vernichten. Alle Figuren dieser Geschichte sind überlegt und vielschichtig gestaltet. Das macht sie glaubhaft und interessant.

Handlung und Schreibstil

Carl schildert die Ereignisse als Ich-Erzähler und rückblickend. Oft lässt er daher eine Episode mit einem Hinweis auf nachfolgende Entwicklungen enden, deutet an, dass alles dann ganz anders kommen würde. Solche Hinweise (hints) werden gerne als Stilmittel verwendet, um den Spannungsbogen hoch zu halten, doch in dieser packenden Geschichte sind sie absolut entbehrlich, denn der Autor ist ein großartiger Erzähler und sowohl die realen, geschichtsbekannten Ereignisse, als auch die Erlebnisse seiner Figuren sorgen dafür, dass es diesen Seiten nie an Spannung und interessanten, überraschenden Wendungen fehlt.

Fazit

Eine spannende Geschichte zwischen wissenswerten historischen Fakten und Fiktion, stimmig, gut durchdacht, unterhaltsam und interessant. Diese Fortsetzung des ersten Bandes der »Wege der Zeit«-Reihe überzeugt und man liest sie mit Vergnügen.

Die Schwarze Rosa – Birgit Rabisch

AutorBirgit Rabisch
Verlag duotincta GbR
Erscheinungsdatum 31. Juli 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten264
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3946086505

„Sie begann sich für die verwickelten politischen Fragen zu interessieren, las die national ausgerichteten Zeitungen, die Paul ihr empfahl, und verstand immer besser, worüber er redete.“ (Zitat Seite 117)

Inhalt

Die Enkelin studiert schon in Hamburg, als ihre Großmutter 1975 stirbt. Doch erst zwölf Jahre später, nach dem Tod des Großvaters, findet sie im Familienstammbuch überraschende Daten und einen Zeitungsartikel über den Prozess gegen Paul Schulz. Sie erfährt, dass ihre geliebte Großmutter, bei der sie aufgewachsen ist, vor vielen Jahren mit Paul Schulz verlobt war und sie beginnt zu recherchieren. Die historischen Quellen werden die Grundlage für diesen fiktiven Roman. Es ist die Geschichte von Röschen, geboren 1899 als viertes Kind einer armen Weberfamilie in einem kleinen Dorf im Selketal. Als Deutsche gesucht werden, die bereit sind, in die deutsche Ostprovinz zu ziehen, übersiedelt die Familie 1910 nach Posen, wo der Vater Landwirt wird und aus Röschen, nun elf Jahre alt, Rosa. Doch 1920 gehört Posen zu Polen, sie werden vertrieben und in Rosa beginnt der Hass auf die Polen zu wachsen. Am 19. April 1921, an ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag, lernt sie den Oberleutnant Paul Schulz kennen und lieben. So beginnt sie, sich für Politik zu interessieren. Paul Schulz ist der Organisator der Schwarzen Reichswehr und Rosa unterstützt ihn. Für den Herbst 1923 wird ein Putsch vorbereitet, der bewaffnete Marsch auf Berlin soll am 1. Oktober 1923 erfolgen.

Thema und Genre

In diesem Roman mit realem geschichtlichem Hintergrund geht es um die wirtschaftlich katastrophale Lage in Deutschland in diesen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, die Situation der Menschen in der Weimarer Republik am Beispiel der Familie Klapproth, die unterschiedlichen politischen Ziele, die Hintergründe für das Erstarken des Rechtsnationalen Lagers.

Charaktere

Die einzelnen Personen sind einfühlsam geschildert und der geschichtliche Kontext bleibt der Realität entsprechend gewahrt, während die privaten Beziehungen, die persönlichen Erlebnisse und ergänzenden Geschichten frei erfunden sind.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte wird chronologisch erzählt, sie beginnt mit Rosas Geburt und endet mit der Reichstagswahl 1930. Im Mittelpunkt steht Rosa Krause, geb. Klapproth, eine intelligente, wissbegierige Frau, die durch die Erlebnisse ihrer Kindheit und Jugend geprägt wird. Damit verbunden sind die Geschicke der Familie Klapproth, im Besonderen das Leben ihres Bruders Erich und die Taten und Fememorde der Schwarzen Reichswehr unter dem Kommando von Paul Schulz.

Fazit

Dieser Roman ist eine einfühlsame, packende Geschichte, die am Beispiel eines Frauenlebens und der Geschichte einer Familie die politische Lage in der Weimarer Republik schildert. Die genau recherchierten Fakten über das Leben der Menschen in dieser Zeit, die politischen Hintergründe und die Schwarze Reichswehr zeigen auf, wie auf dieser Basis die Nationalsozialisten so rasch erstarken konnten. Ein vielschichtiger, sehr interessanter, wichtiger Roman.

1 18 19 20 21 22 44