100 geniale Tricks für eine gesunde Ernährung – Matthias Riedl

AutorMatthias Riedl
Verlag GRÄFE UND UNZER Verlag
Erscheinungsdatum 5. März 2024
FormatGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13 978-3833892158

„Biohacks sind clevere Kniffe, die das Wohlbefinden von Körper und Geist optimieren. Solche Methoden lassen sich maßgeschneidert in Ihren Alltag integrieren, um ihn nachhaltig zu verbessern.“ (Zitat Seite 7, Vorwort)

Thema und Inhalt

In diesem Ratgeber geht es um Biohacking, also ganzheitliche Tricks oder Hacks, die in den Kernbereichen 1 Ernährung, 2 Bewegung, 3 Schlaf und geistige Fitness, das  körperliche und geistige Wohlbefinden steigern. Anders als die vielen Lifestyle-Tipps der unterschiedlichsten Foren im Netz wurde der vorliegende Ratgeber von einem Ernährungsmediziner verfasst und es sind einfach umsetzbare Veränderungen, ohne teure Geräte und aufwendige Technologien.

Gestaltung

Die insgesamt einhundert Tricks oder Hacks sind in drei Kernbereiche eingeteilt: Gesund essen – Mehr bewegen – Besser leben.

Jeder Hack ist ist gleich aufgebaut und beginnt mit dem Tipp selbst, gefolgt vom Benefit und dem Background als Abschluss. Der Benefit erklärt kurz den Nutzen der jeweiligen Maßnahme, im Background werden die medizinischen Zusammenhänge verständlich formuliert erklärt. Dieser einheitliche Aufbau macht dieses Buch alltagstauglich und sehr praktisch, denn man kann sich jene Tipps und Veränderungen heraussuchen, mit denen man beginnen möchte, oder man setzt sofort persönliche Schwerpunkte. Viele bunte Abbildungen, dazu Rezepte und Trainingsübungen ergänzen den Text.

Fazit

Es ist kaum möglich, den Überblick über die vielen Neuerscheinungen von Gesundheits- und Fitnessratgebern auf dem Buchmarkt zu behalten, doch diese „100 genialen Tricks“ haben mich sofort überzeugt. Natürlich kannte ich einige der Tipps in diesem Buch bereits, .aber für mich war viel Neues, Interessantes dabei und die schon bekannten Anregungen nehme ich als Bestätigung. Mich überzeugt diese Auswahl an in der Praxis wirklich einfach umzusetzenden Maßnahmen und natürlich sind die für mich wichtigsten Hacks bereits mit Papier-Postits versehen. Daher ist dieses Buch für mich ein Handbuch im ursprünglichen Sinn der Worte, denn ich nehme es immer wieder gerne zur Hand.

Wut und Liebe – Martin Suter

AutorMartin Suter
VerlagDiogenes Verlag
Datum23. April 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257073331

„Wie eine Buchhaltung. Da kann man auch nicht warten, bis sie stimmt. Man muss etwas tun.“ (Zitat Seite 30)

Inhalt

Noah Bach und Camilla da Silva sind seit fast drei Jahren ein Paar, als Camilla ihm plötzlich mitteilt, dass sie ihn verlässt, obwohl sie ihn liebt. Doch mit Anfang Dreißig hat sie noch andere Pläne, wie sie ihr Leben gestalten will, als mit ihrem Gehalt als Buchhalterin auch für den als Künstler bisher erfolglosen Noah zu sorgen. Noah ist am Boden zerstört und als Betty Hasler, eine fünfundsechzig Jahre alte Witwe, ihm ihr persönliches Problem und den größten Wunsch schildert, den sie in ihrem Leben noch hat, lässt ihn dies nicht mehr los. Denn Camilla will eine finanziell gesicherte Zukunft und die Vernissage in einer mittelmäßig erfolgreichen Galerie zeigt wieder, dass der Erfolg von Noah Bachs Bildern noch auf sich warten lässt. Doch da ist immer noch Betty Haslers Visitenkarte.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Beziehungen, Freundschaft und Hass, Künstlerleben, Wirtschaft und Finanzwelt.

Erzählform und Sprache

Die drei Teile der Geschichte schließen fortlaufend aneinander an, die Ereignisse werden chronologisch geschildert und finden innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne statt. Details aus der Vergangenheit fließen in Form von Erinnerungen und Gesprächen in die aktuelle Handlung ein und ergänzen diese. Im personalen Mittelpunkt der Geschichte stehen Noah und Camilla, teilweise gemeinsam, aber auch getrennt und abwechselnd. Freunde, Bekannte und weitere, für die Handlung wichtige Kernfiguren ergänzen den Personenkreis. Martin Suter versteht es, jede seiner Figuren pointiert so zu gestalten, dass ihre Probleme und Konflikte sie menschlich machen und man auch dort, wo sich ihre Entscheidungen irgendwo in einem Bereich zwischen Grau und sehr dunklem Grau abspielen, hofft, dass es für sie dennoch ein positives Ende gibt. Die Sprache unterstreicht das Lesevergnügen.

Fazit

Auch in diesem neuesten Roman zeigt sich Martin Suter als sprachgewandter, phantasievoller Autor, der manchmal ironisch-böse auf die Beweggründe und das Verhalten seiner Figuren schaut, aber immer auch mit Empathie. Eine unterhaltsame, packende Geschichte mit zunächst vielen losen Fäden, die sich langsam zu verbinden scheinen, allerdings mit einigen sehr überraschenden Wendungen.

Eismacher – Ernest van der Kwast

AutorErnest van der Kwast
Verlagbtb Verlag
Datum9. Mai 2016
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten384
SpracheDeutsch
ÜbersetzerAndreas Ecke
ISBN-13978-3442756803

„Carlo Gatti machte die gefrorene Köstlichkeit für das einfache Volk erschwinglich. Es war, als würde er das Tor zu einem Traum aufstoßen.“ (Zitat Seite 31)

Inhalt

Seit Generationen verwöhnt die Familie Talamini in ihrem Eiscafé in Rotterdam die Menschen mit köstlichem Speiseeis. Die Winter verbringen sie in ihrer Heimat, im norditalienischen Cadoretal. Dieses Pendeln und der damit verbundene Rhythmus bestimmt ihr Leben, wie das vieler anderer Eismacherfamilien. Schon in der Kindheit lernen die Söhne von ihren Vätern die Kunst, zartschmelzende, immer neue Eiskreationen herzustellen und es wird als selbstverständlich angesehen, dass sie diese Tradition fortführen. Als daher Giovanni Talamini neben der Liebe zur Eiscreme eine größere Liebe entdeckt, die Liebe zur Literatur, und sein jüngerer Bruder Luca das Familienunternehmen alleine übernehmen muss, führt das zum Bruch. Sowohl der Vater, als auch Luca sehen in Giovannis Entscheidung einen Verrat an der Familie. Bis Giovanni, der inzwischen als erfolgreicher Direktor des World Poetry Festivals die Welt bereist, für Luca zur einzigen Lösung eines sonst unlösbaren Problems wird.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Familie und Traditionen, die Geschichte der Herstellung von Speiseeis, um Konflikte und Gefühle, und um die Literatur.

Erzählform und Sprache

Es ist Giovanni Talamini, der uns von seiner Liebe zu Büchern und besonders zur Lyrik erzählt, die schon in der Kindheit begonnen hat. Gleichzeitig schildert er die Geschichte seiner Familie, das arbeitsintensive Leben der italienischen Eismacher zwischen Sommersaison und Winter in der Heimat und die durch die Tradition vorgeschriebenen Lebenswege. Viele interessante Details über die Erfindung von Eis als Genussmittel und die Legenden darum, wer, wann und wo tatsächlich die Idee hatte, mühsam geschlagene Eisblöcke nicht nur zu Kühlzwecken einzusetzen, fließen in diese Familiengeschichte ein. Die eindrücklichen Szenen mit Schilderungen der modernen Eisproduktion und der Entwicklung immer neuer Sorten machen sofort Lust auf den nächsten Besuch im Eissalon. Die poetische, leise Sprache ist angenehm zu lesen.

Fazit

Eine Geschichte über Literatur, Eisgenuss und das Leben selbst, die durch Konfliktsituationen, Probleme und die Entscheidungen einzelner Figuren Tiefgang erhält und zum Nachdenken anregt.

Ketzer – Leonardo Padura

AutorLeonardo Padura
VerlagUnionsverlag
Datum15. Juni 2015
AusgabeTaschenbuch
Seiten656
SpracheDeutsch
ÜbersetzerHans-Joachim Hartstein
ISBN-13978-3293206960

„Die Häufung von Zufällen, Ungereimtheiten und überraschenden oder erzwungenen Wendungen in dieser Geschichte überstiegen sein Fassungsvermögen.“ (Zitat Seite 163)

Inhalt

In diesem heißen September 2007 in Havanna wird Mario Conde von dem New Yorker Künstler Elias Kaminsky kontaktiert. Dieser erzählt ihm die abenteuerliche Geschichte seiner Familie, die seine Vorfahren von Polen nach Kuba und dann in die USA geführt hat und von einem Originalbild von Rembrandt, eine Vorstudie zu den Pilgern von Emmaus, das sich seit 1648 im Besitz seiner Familie befand. 1939 hatten die Großeltern von Elias es auf ihrer Flucht mit nach Kuba gebracht, doch ihnen wurde die Einreise verweigert und das Bild ist seither verschwunden. Nun ist das Bild plötzlich bei einer Auktion aufgetaucht. Elias Kaminsky konnte die Auktion mit Berufung auf Raubkunst stoppen, doch El Conde soll in seinem Auftrag die Wahrheit darüber herausfinden, was ist damals geschehen und warum.

Thema und Genre

Dieser Gesellschafts-, Familien-, Künstlerroman, historischer Roman und auch Kriminalroman und Kubaroman erzählt drei große Geschichten. Familie, Freundschaft, Grundsatzfragen der Religion spielen eine wichtige Rolle, der zeitlose Traum von Freiheit und wie immer das Leben in Havanna.

Erzählform und Sprache

Der Roman ist in drei große Abschnitte, der Autor betitelt sie als Bücher, gegliedert und einen kurzen vierten Teil, in dem sich alle Teile der Geschichte verbinden und bisher offene Lücken schließen. Die unterschiedlichen Handlungsstränge spielen zum Teil um 1647 in Amsterdam und es geht um Rembrandt, seine Kunst und seinen Schüler Elias, der zweite Handlungsstrang ist die Geschichte der Familie Kaminsky, die tief in der Vergangenheit beginnt und von Polen über Kuba in die USA führt. Die dritte Erzählebene spielt in der aktuellen Zeit zwischen 2007 und 2009 in Havanna und schildert El Condes Recherchen im Zusammenhang mit dem Bild von Rembrandt und seine Ermittlungen in einer besonderen Gruppierung innerhalb der Jugendszene von Havanna, von der Suche nach einem verschwundenen Mädchen, bei der er auf die Hilfe von Mayor Manuel Palacios „Manolo“ hofft, sein ehemaliger Kollege, der immer noch bei der Kriminalpolizei ist. El Conde soll sich aus den Ermittlungen heraushalten, was er jedoch nicht tun wird, denn irgendwie zeigen sich erste Zusammenhänge. „Er war nun überzeugt davon, das sich am Ende dieser Geschichte mehrere Wege kreuzen würden.“ (Seite 135)

Fazit

Eine packende, interessante, lebhaft pulsierende und überaus klug und stimmig aufgebaute Geschichte, ein poetischer, in vielen Facetten schillernder Roman, der gekonnt reale Ereignisse und geschichtliche Fakten zu einem fiktiven, spannenden und glaubhaften Leseerlebnis verbindet, das begeistert.

Twist – Colum McCann

AutorColum McCann
VerlagRowohlt Buchverlag
Datum11. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzerThomas Überhoff
ISBN-13978-3498003852

„Das erste Rätsel jeder Reise ist nicht so sehr, wo sie enden wird, sondern wie du überhaupt an den Ausgangspunkt gekommen bist.“ (Zitat Seite 120)

Inhalt

Anthony Fennell, ist ein Schriftsteller aus Dublin, der als Journalist für Online-Magazine arbeitet. Er ist auf der Suche nach einer neuen Geschichte zu den Themen Verbindung und Reparatur, als ihm seine Redakteurin anbietet, eine Reportage über die Tiefseekabel auf dem Meeresgrund, Kabelbrüche und deren Reparaturen zu schreiben. Anfang Januar 2019, am Wochenende seines achtundvierzigsten Geburtstags, geht er in Kapstadt an Bord der Georges Lecointe, die erste Station der Reise ist ein gebrochenes Kabel vor der Küste der Republik Kongo. Nicht nur die extrem schwierigen Einsätze interessieren Fennell, sondern vor allem der Einsatzleiter John Conway, geheimnisvoll, entschlossen und gleichzeitig irgendwie orientierungslos.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um Brüche, lose Enden und Reparaturen der wichtigen Datenkabel auf dem Grund der Ozeane weltweit. Dieses Kernthema zieht sich metaphorisch auch durch das Leben der beiden Hauptfiguren Conway und Fennell. Im Leben beider Männer gibt es Brüche, fehlende Kommunikation, lose Fragmente und mühsame Versuche, die Enden wieder zusammenzufügen. Auch aktuelle Probleme wie Gesellschaftspolitik und die Zerstörung der Umwelt spielen eine Rolle.

Erzählform und Sprache

Der Verlauf der Handlung wird vom Ich-Erzähler Fennell nicht immer chronologisch geschildert, denn er schreibt die Geschichte erst nach allen Ereignissen fertig, rückblickend, auf Basis seiner Notizen, Erinnerungen und weiteren Recherchen auf. Daher greift er manchmal vor, erklärt Details, Hintergründe, und seine Gedanken aus der aktuellen Sicht und auf Grund dessen, was er inzwischen weiß. Auch wichtige Details aus seiner eigenen Vergangenheit bindet der Ich-Erzähler ein, so lernen wir seine persönlichen Hintergründe und Konflikte kennen. Die Spannung ergibt sich aus den einzelnen Charakteren, ihren Problematiken, Verhalten, Entscheidungen, und natürlich aus der Realität der Einsätze selbst. Interessante, wissenswerte Fakten ergänzen die Geschichte. Auch die Sprache begeistert, einerseits in den Schilderungen des Innen und Außen, andererseits durch die Gedanken über den Schreibprozess selbst, das Entstehen einer Geschichte, deren einzelne Teile beginnen, sich zusammenzufügen.

Fazit

Conway und Fennell sind eine interessante Mischung aus traditionellen Charakteren aus klassischen Abenteuerromanen, gleichzeitig aber ungeheuer verletzliche Männer, mit vielen losen Enden in ihren Leben, auf der Suche nach einer möglichen Heilung. „Alles wird geflickt, und wir alle bleiben gebrochen.“

Eine interessante, beeindruckende Leseerfahrung mit unvorhersehbare Twists, geschrieben in einer großartigen Sprache mit nachdenkenswerten Formulierungen. Einige lose Kabelstränge bleiben am Ende dieser Geschichte, doch das stört nicht, da bleibt Platz für eigene Überlegungen. „Zwischen Fakt und Fiktion gedeihen Erinnerung und Phantasie. In Erinnerung und Phantasie gedeiht unser Wunsch, zumindest eine Essenz der bestenfalls vertrackten Wahrheit zu gewinnen.“ (Zitat Seite 209)

Ein Raum zum Schreiben – Kristin Valla

AutorKristin Valla
Verlagmareverlag
Datum21. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinGabriele Haefs
ISBN-13978-3866487376

„Das Haus war nicht nur ein Ort, wo ich schrieb, sondern ein Ort, wo ich mich in Gedanken vertiefen, mich in meinen eigenen Kopf einklinken, Klarheit daran erlangen konnte, was ich wollte und was in mir wohnte. (Zitat Pos. 2826)

Inhalt

Die norwegische Schriftstellerin und freiberufliche Journalistin ist einundvierzig Jahre alt, als sie ein kleines Haus in Roquebrun kauft, ein Dorf in Südfrankreich. Ein Rückzugsort von ihrer Familie in Oslo, um endlich wieder zu schreiben, denn die Veröffentlichung ihrer Romane liegt mehr als zehn Jahre zurück. Während sie zwischen Hoffnung und Verzweiflung versucht, das stark renovierungsbedürftige Haus mit ihren begrenzten finanziellen Mitteln bewohnbar und zu ihrem Eigenen zu machen, liest sie sich, ausgehend von ihrem Vorbild Virginia Woolf und deren Essay „Ein Zimmer für sich allein“ durch Biografien, Texte und Aufzeichnungen von Generationen von Schriftstellerinnen. Für sie alle waren Häuser als persönliche Rückzugsorte ebenfalls ein wichtiges Thema, sei es, um schreiben zu können, sei es umgekehrt, sie schrieben, um diese Häuser erhalten zu können. Sie selbst pendelt zwischen Oslo und Roquebrun, auf der Suche nicht nur nach Handwerkern, sondern auch nach ihren persönlichen Antworten. „Das Haus hatte mir geholfen, wieder eine Schriftstellerin zu werden, auf eine Weise, die ich noch nicht richtig verstanden hatte.“ (Zitat Pos. 2167)

Thema und Genre

In diesem Buch geht es neben den alltäglichen Problemen und Zweifeln bei der Instandsetzung eines alten Hauses vor allem um die Frage, wie es Schriftstellerinnen zu allen Zeiten und trotz aller gesellschaftlichen Probleme gelungen ist, sich einen eigenen Rückzugsort zum Schreiben zu schaffen. Der Bogen spannt sich vom Mittelalter bis in die heutige Zeit, von Christine de Pizan bis zu Chimanda Ngozi Adichie und Leila Slimani.

Erzählform und Sprache

Das Buch ist in acht große Kapitel gegliedert, wobei der jeweilige Text nur mehr in viele kurze Abschnitte unterteilt ist. Die Schilderung des Hauses in Roquebrun, die Erlebnisse während der Umbauzeit und der ersten Aufenthalte, Szenen aus dem Familienalltag in Oslo, eigene Gedankengänge und Überlegungen zum Schreiben, wechseln sich mit Abschnitten aus dem Leben der berühmten Schriftstellerinnen und ihrer Häuser ab. Dabei variiert die Erzählform natürlich ebenso, zwischen Ich-Erzählung und personaler Form. Zahlreiche Zitate und Textausschnitte aus dem Leben der jeweiligen Schriftstellerin gestalten dieses Buch abwechslungsreich. Am Buchende findet sich eine ausführliche Quellenangabe, dem jeweiligen Kapitel zugeordnet und auch in der entsprechenden Reihenfolge im Text. Diese Anordnung ist sehr übersichtlich und regt dazu an, das eine oder andere zitierte Werk selbst zu lesen.

Fazit

Ein ungewöhnliches Buch, vielseitig und mit vielen interessanten Informationen über das Leben von bekannten Schriftstellerinnen, lesenswert.

Atom – Steffen Kopetzky

AutorSteffen Kopetzky
VerlagRowohlt Berlin
Datum11. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten416
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3737101523

 „Er sammelt die Schätze ein, versteckt sie und verschwindet. Dann übergibt er stückweise wichtige Forschung, Ergebnisse, Pläne oder eben Spezialisten – aber er selbst ist nie vor Ort und hat immer noch wesentliches Material in der Hinterhand.“ (Zitat Pos. 4119)

Inhalt

Commander Scully Hamilton, MI6, vermittelt in diesem Sommer 1926 dem begabten Rugby-Spieler, vor allem jedoch in Physik hochbegabten Simon Batley, Student an der Universität Bristol, ein Auslandsstipendium an der Uni Berlin. Neben der Verschwiegenheitsvereinbarung, die er für den britischen Geheimdienst unterschreiben musste, berichtet er auch über die Aktivitäten seines Studienfreundes Sascha, mit dramatischen Folgen. 1939 unterrichtet Simon, inzwischen Dr. Batley und nach England zurückgekehrt, Physik an einem englischen Gymnasium. Er hat sich vom Geheimdienst zurückgezogen und will seine Ruhe. Doch dann tritt Scully wieder in Simons Leben, mit dem Oslo-Report, in dem ein „Wohlgesinnter“ den Briten auf sieben Seiten von den aktuellen Forschungen und Waffen der Deutschen berichtet. Auf einer Liste von deutschen Wissenschaftlern in der Raketenforschung findet Simon den Namen seiner großen Liebe Hedi, Dr.rer.nat. Hedwig von Treyden, die er nach dem Desaster in Berlin ohne Abschied verlassen musste. „Scientific Intelligence“ heißt die neue Spezialabteilung des Geheimdienstes in London, und Simon ist von Anfang an dabei. Berichte über neue deutsche Forschungsprojekte, Waffen von enormer Reichweite und mit unvorstellbarer Zerstörungskraft, führen ihn schließlich zu dem Namen Hans Kammler, General der Waffen-SS und Chefplaner von geheimen, großräumigen, unterirdischen Forschungsstätten. Ein Wettlauf beginnt, denn auch die Amerikaner und die Russen sind an Kammlers Forschungserfolgen interessiert. Parallel zu seinen gefährlichen Einsätzen verliert Agent Batley jedoch nie sein persönliches Ziel aus den Augen, Hedi zu finden und endlich zu erfahren, was damals in Berlin wirklich geschehen ist.

Thema und Genre

In diesem historischen Polit- und Wissenschaftsthriller geht es um die Atomforschung und die Entwicklung der Atombombe im zweiten Weltkrieg, um Spionage, Vertrauen und Verrat. Die Hauptfiguren sind fiktiv, jedoch im Rahmen der geschichtlichen Fakten mit tatsächlichen Ereignissen und realen Namen verbunden.

Erzählform und Sprache

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Wissenschaftler und Geheimagent Simon Batley,

überzeugt von der Notwendigkeit seiner Einsätze, aber nie skrupellos, was ihn menschlich und sympathisch macht. Die Ereignisse verlaufen chronologisch, Zeitsprünge werden durch Datumsangaben im Text und erklärt. Die Spannung steigt stetig, bis zu einem gleichbleibend hohen, jedoch immer rasanteren Spannungsbogen.  Die Handlung wird durch wissenswerte Informationen und Fakten aus diesem wichtigen Kapitel von Wissenschaft und Forschung ergänzt, was diesem Roman eine brisante Aktualität verleiht. Die Sprache ergänzt die Ereignisse durch Beschreibungen der Charaktere, der Örtlichkeiten in den verschiedenen Ländern, ruht kurz in Stimmungsbildern der Natur, bindet auch bekannte Werke der Literatur in die Dialoge ein und rundet so das Lesevergnügen ab.

Fazit

Eine überaus interessante, packende Geschichte, ein rasanter Polit-, Wissenschafts-und Spionagethriller über die Atomforschung und die Entwicklung von Atomwaffen während des zweiten Weltkriegs.

Im Traum suche ich immer das Weite – Hilmar Klute

AutorHilmar Klute
VerlagGaliani-Berlin
Datum13. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten304
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3869712963

„Ich war einfach unterwegs. Wer reiste, hatte nichts als seine Gegenwart, weil es nur diese eine Welt zum Anfassen und Anschauen gab und keine Kopie davon in irgendeinem digitalen Paralleluniversum.“ (Zitat Pos. 1657)

Inhalt

Volker Winterberg, einundzwanzig Jahre alt, hat im Frühjahr 1987 seinen Zivildienst beendet, seine Freundin Katja und Berlin verlassen und ist in seine Heimatstadt Bochum zurückgekehrt. Dort beginnt er sein Studium an der Universität für Literaturwissenschaften und Philosophie, macht ein Praktikum am Theater, doch ihm ist klar, dass er Schriftsteller werden will. Weniger klar ist ihm, wie und wo sein weiteres Leben stattfinden soll. Er sieht sich und seinen besten Freund, den Objektkünstler Leo, als verlorene Kinder Bochums und sich selbst generell als Verlorenen, verloren in seinem ereignislosten Leben. Daran ändert auch eine gemeinsame Reise mit seinem Freund Leo nach Venedig und dann weiter bis nach Ungarn wenig. Bis er zu einem Literaturtreffen in München eingeladen wird.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Suche nach dem Platz im eigenen Leben, um das Schreiben, um die Welt des Theaters und natürlich um Schriftsteller und die Literatur.

Erzählform und Sprache

Es ist der Student und angehende Schriftsteller Volker selbst, der von dieser Zeitspanne in seinem Leben erzählt. Daher überwiegen die Schilderungen seiner inneren Suche, seine Erinnerungen an den geliebten Großvater, der sein ganzes Leben als Bergmann gearbeitet hat und die vielen Geschichten, die dieser seinem Enkel erzählt hat. Als Ich-Erzähler teilt Volker mit uns seine Gedankenströme, in deren Mittelpunkt seine eigenen Schreibversuche, das Studium, die Literatur und die Schriftsteller stehen, die ihn beeindruckt haben. Lebhaft beschreibt  Hilmar Klute das Leben Ende der Achtzigerjahre in Bochum, seine Hauptfigur umgeben von Theaterleuten und Literaturschaffenden, bekannte, reale Namen. Die Sprache fließt ruhig, unterbrochen durch skurril-schräge Szenen. Sprachlich großartige Episoden, wie Volkers Streifzug durch München, versöhnen mich mit manchen etwas langatmigen Gedankenkreiseln.

Fazit

Diese Geschichte ist ein moderner Entwicklungsroman, eine Suche nach Selbstverwirklichung als Schriftsteller, verknüpft mit der Sehnsucht, aus dem eigenen Leben zu reisen und irgendwo anzukommen.

Sehr geehrte Frau Ministerin – Ursula Krechel

AutorUrsula Krechel
VerlagKlett-Cotta
Datum11. Januar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3608966534

„Letztendlich war ich die Zeugin meines eigenen Lebens. Dass es einem enteignet werden könnte, hätte ich mir bis jetzt nicht vorstellen können.“ (Zitat Pos. 1311)

Inhalt

Eva Patarak arbeitet in dem Kräuterladen, als die Frau mit der roten Mütze zum ersten Mal in diesen Laden kommt. Noch weiß sie nicht, dass sie eine Figur in dem Roman ist, den Silke Aschauer, die Frau mit der roten Mütze, Studienrätin für Latein, schreibt. Silke Aschauer, über deren Unterricht sich ausgerechnet die Eltern ihrer Lieblingsschülerin bei der Direktorin beschweren, weil sie im Unterricht Texte von Tacitus übersetzen lässt, Texte über Kriege, Gewalt und mächtige Herrscherfamilien, sowie das Frauanbild im antiken Rom. Dabei geht es Silke um die besonderen Beziehungen zwischen Müttern und Söhnen, etwas, das ihr selbst von ihrem Körper verwehrt wird. Auch Eva beschwert sich, zuerst bei Silke selbst, dann bei der Justizministerin, denn Eva will auf keinen Fall als Figur in Silkes Roman beschrieben werden. Auch die Justizministerin soll in Silke Aschauers Roman vorkommen, doch in diesem Fall fragt Silke zuvor höflich an.

Thema und Genre

Themen dieses Romans sind die Definitionen von Frau und Mutter, Beziehungen zwischen Müttern und Söhnen, Gesellschaftspolitik und das Frauenbild in der Gesellschaft von der Antike bis heute, wobei die Grenzen immer fließend verlaufen. Gleichzeitig geht es um die Vielfalt der Erzählformen in der Literatur.

Erzählform und Sprache

Im ersten Abschnitt schildert Eva Patarak ihr Leben, ihr Verhältnis zu ihrem Sohn Philipp und ihre Arbeit in einem Kräuterladen in Essen. Im zweiten Abschnitt spielt der Kräuterladen nochmals eine Rolle, doch aus einer anderen Sicht, denn nun erzählt Silke Aschauer aus ihrem Leben als klassische Philologin, von ihrer Liebe zur lateinischen Sprache, aber auch von ihren aktuellen Problemen, die konstant in ihren Gedanken kreisen und die ihr Frausein betreffen. „Ich könnte auch sagen: Von der dritten Person bin ich in die erste Person gerutscht, getaumelt.“ (Zitat Pos. 1347). Parallel dazu wird anhand von Tacitus-Texten Rom unter der Herrschaft von Nero und seiner Mutter Agrippina geschildert und Roms Eroberungszüge gegen die Germanen. Im personalen Mittelpunkt des dritten Abschnitts steht die Justizministerin, ihr politischer Werdegang, ihre Ideen zum Urheberrecht, ihr Familienleben, auch sie hat Kinder, eine Tochter und einen kleinen Sohn. Plötzlich treffen sie zusammen, Eva, ihr Sohn Philipp, die Ministerin und ihr kleiner Sohn. Es ist unglaublich spannend, wie Ursula Krechel mit den unterschiedlichen Erzählformen spielt, ihre Figuren verschiebt, das Kernthema Mütter und Söhne in vielen Facetten darstellt. Auch die berühmte Marienstatue, die Goldene Madonna im Dom zu Essen, führt zu umfassende Betrachtungen, zu weiteren Gedankenströmen, wie sie sich durch den gesamten Roman ziehen, um die vielen unterschiedlichen Aspekte einzubinden. Die Entstehung dieses Romans selbst ist ein Thema, geschrieben zwischen 1. April 2022 und 29. Februar 2024.

Fazit

Dieser Roman in seiner Themenvielfalt ist definitiv keine einfache Lektüre, aber beeindruckend und interessant, einerseits durch die Auswahl besonderer Mutter-Sohn-Konstellationen von der Antike bis heute, andererseits durch die vielen sprachlichen Facetten und Wendungen des Erzählens, die überraschen und begeistern. „Sie hatte uns stehen gelassen in der Landschaft, stehen gelassen im Erzählen, im Erzähltwerden. Erzählt, nicht auserzählt und nicht abgeholt.“ (Zitat Pos. 2116). Dieser Roman verlangt Zeit, es ist eine intensive, spannende Lesezeit, die sich lohnt.

Heimweh im Paradies – Martin Mittelmeier

AutorMartin Mittelmeier
VerlagDuMont Buchverlag
Datum11. März 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3755800330

„Wenn das gewährleistet ist, dann ist es eigentlich wie überall: Tisch, Sessel, Lampe, Bücherreihe, Thomas Mann. Zuhause ist, wo er schreiben kann.“ (Zitat Pos. 44)

Inhalt

Schon mehrmals hatten Thomas und Katia Mann die USA besucht, wo Thomas Mann als prominenter Schriftsteller geschätzt wird. 1938 fällt dann die endgültige Entscheidung und am 21. Februar 1938 treffen sie in New York ein. Im Februar 1942 beziehen sie das nach ihren Wünschen gebaute Haus in Los Angeles, eine Villa mit Blick auf den Ozean, umgeben von einem großzügigen Anwesen  im noblen Stadtteil Pacific Palisades, Sehnsuchtsort für vieler Künstler im Exil. Dort arbeitet Thomas Mann an seinem Roman Doktor Faustus, engagiert sich politisch in Texten, Vorträgen und verfasst Radioansprachen, die über die BBC auch in Deutschland ausgestrahlt werden. Die deutschsprachigen Exilanten sind eine bunte Gruppe mit einem lebhaften Gesellschaftsleben. Was sie eint, ist die Kunst, was sie verbindet, trotz unterschiedlicher Meinungen, ist der sorgenvolle Blick auf die Vorgänge in der alten Heimat, die Haltung Amerikas und die Frage, wie die Zukunft Deutschlands aussehen könnte.

Thema und Genre

„Thomas Mann in Kalifornien“ lautet der Untertitel dieses biografischen Romans und darum geht es, um das Leben der Familie Mann und anderer bekannter deutschsprachiger Künstler im kalifornischen Exil. Themen sind Literatur und Musik, Philosophie, Verlust der Heimat, internationale Politik und natürlich der Krieg.

Erzählform und Sprache

Martin Mittelmeier schildert die Jahre der Familie Mann in Amerika chronologisch von 1938 bis zum Jahr 1952, als die Stimmung in Amerika kippt und die Manns von einem Aufenthalt in der Schweiz nicht mehr nach Amerika zurückkehren. Basierend auf intensive Recherche, Tagebuchberichte, Erinnerungen und das schriftstellerische Werk von Thomas Mann, geht der Inhalt doch weit über eine Biografie hinaus und überzeugt durch eine Vielfalt an Themen, Eindrücken, Schilderungen und eine leichte, angenehm zu lesende Erzählsprache.

Fazit

Ein interessantes, facettenreiches Lesevergnügen, nicht nur im Thomas Mann Jubiläumsjahr 2025.

Kuckuckskinder – Camilla Läckberg

AutorCamilla Läckberg
VerlagUllstein Taschenbuch
Datum30. November 2023
AusgabeTaschenbuch
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinKatrin Frey
ISBN-13978-3548068725

„Hier gab es eine Geschichte, die es zu entdecken galt. Alle ihre Bücher hatten so angefangen. Mit einem menschlichen Schicksal und ihrer Lust, der Geschichte dahinter auf den Grund zu gehen.“ (Zitat Seite 83)

Inhalt

Erica Falck und Patrik Hedström sind zu einem festlichen Event eingeladen. Henning Bauer, einer der angesehensten Schriftsteller Schwedens und seine Frau Elisabeth, eine erfolgreiche Verlegerin, feiern ihren fünfzigsten Hochzeitstag im Kreise der Familie und Freunde. Nur Rolf Stenklo, der berühmte Fotograf, sagt ab, da er in der nahegelegenen Galerie seine Ausstellung vorbereitet, die in zwei Tagen stattfinden wird. Seine Frau Vivian jedoch geht auf die Feier und erwähnt gegenüber Erica einen bis heute ungeklärten Mordfall, der 1980 in Stockholm stattgefunden hat. Lola und ihre kleine Tochter hatten damals ebenfalls zu dem engen Freundeskreis um Henning und Rolf gehört. Erica weiß sofort, dass sie den Stoff für ihren nächsten Roman gefunden hat. Als Rolf Stenklo am nächsten Morgen tot in der Galerie aufgefunden wird, ahnt Kommissar Patrik Hedström zunächst nicht, dass Ericas Recherchen sie direkt in die Gegenwart und mitten in seinen aktuellen Fall führen werden, eine Mordserie und ein Durcheinander von möglichen Zusammenhängen, die Patrik und sein Team an ihre Grenzen bringen.

Thema und Genre

In diesem schwedischen Kriminalroman geht es um Schriftsteller, Künstlerkreise, Beziehungen, Konflikte und alte Familiengeheimnisse, die plötzlich aus der Vergangenheit in die Gegenwart führen.

Erzählform und Sprache

Die aktuelle Handlung findet in einem knappen Zeitrahmen statt, was für zusätzliche Spannung sorgt. Die zweite, abwechselnd erzählte Handlung spielt im Jahr 1980 in der Stockholmer Künstlerszene und auch hier geht es um einen kurzen Zeitraum. Camilla Läckberg nimmt sich Zeit, wichtige gesellschaftspolitische und zwischenmenschliche Themen in die Geschichte einzubinden und sie einerseits in die Ermittlungen einzufügen, oder als Ereignisse innerhalb des privaten Umfelds der einzelnen Ermittler. Alle Figuren sind sehr interessant und ihr Verhalten und Handlungen entsprechen ihrem Charakterbild. Die Sprache ist angenehm zu lesen.

Fazit

Dieser elfte und vorerst letzte Band der Falck-Hedström-Serie überzeugt durch eine packende, facettenreiche Handlung und vielseitige Figuren.

„Die Eishexe“ – Camilla Läckberg

AutorCamilla Läckberg
VerlagUllstein Taschenbuch
Datum9. November 2018
AusgabeTaschenbuch
Seiten752
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinKatrin Frey
ISBN-13978-3548290669

„Stift und Papier hatte sie immer griffbereit. Gedanken und Ideen, die ihr in den Sinn kamen, schrieb sie rasch auf, und sie führte ständig Listen der Dinge, die getan werden mussten, damit sie mit dem buch vorankam.“ (Zitat Seite 86)

Inhalt

Die kleine Stella Strand wurde nur vier Jahre alt. Die Freundinnen Helen und Marie, dreizehn Jahre alt, hatten auf sie aufgepasst und den Mord gestanden, dann jedoch das Geständnis widerrufen. Dies ist nun dreißig Jahre her und die Schriftstellerin Erica Falck ist mitten in ihren eigenen Recherchen zu diesem Fall, denn sie schreibt an einem Buch über Stella. Helen lebt weiterhin in Fjällbacka, Marie ist heute ein Hollywoodstar und kommt für einen Filmdreh zurück. Als die vierjährige Linnea „Nea“ verschwindet, ist der Ort sofort in Aufregung, der Fall Stella ist immer noch in den Erinnerungen der Menschen präsent und das Verschwinden der kleinen Nea wird sofort mit Maries Auftauchen in Verbindung gebracht. Oder finden sich die Täter im nahe gelegenen Flüchtlingsheim? Kann es sein, dass ein alter Fluch aus dem Jahr 1672 mächtig genug ist, um bis in die heutige Zeit zu reichen? Das Team um Patrik Hedström muss vielen Spuren folgen und alle sind eine Mischung aus Fakten, Gerüchten, Vertuschung und Unwahrheiten.

Thema und Genre

In diesem zehnten Band der Serie geht es um Gewalt an Frauen, zeitlos und in vielen Facetten. Familienkonflikte, prägende Erfahrungen und seelische Belastungen, sowie Vorurteile gegenüber Flüchtlingen sind weitere Kernthemen. Die Summe davon führt zu katastrophalen Folgen.

Erzählform und Sprache

Dieser Kriminalroman umfasst drei unterschiedliche Handlungen, die in sich chronologisch geschildert werden, wobei sich die Recherchen zum aktuellen Fall Linnea sich rasch mit dem alten Fall Stella verknüpfen, wobei auch Ericas eigene Recherchen eine wichtige Rolle spielen. Die dritte Geschichte hat sich in den Jahren 1671 und 1672 zugetragen und erzählt die Geschichte von Elin Jonsdotter aus Fjällbacka. Die sehr realistisch und detailliert geschilderten Ereignisse bilden diesmal einen starken Kontrast zum fröhlich-lebhaften Familienleben rund um Erica und Patrik.

Fazit

Ein weiterer Kriminalroman dieser Serie aus Fjällbacka, der diesmal einige sehr drastische Szenen schildert. Man versteht Camilla Läckbergs Anliegen, viele brisante, aber unterschiedliche Themen einzubringen, doch dies geht auf Kosten der Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit.

Vor dem großen Meer – Lorraine Fouchet

AutorLorraine Fouchet
VerlagThiele & Brandstätter Verlag
Datum27. Februar 2025
Ausgabe Gebundene Ausgabe
Seiten 240 Seiten
SpracheDeutsch
ÜbersetzungRenée Legrand
ISBN-13978-3851795592

„Ein Buch ist wie eine Insel. Ich gehe auf ihr spazieren, stelle meine Tasche ab, treffe die Einwohner und höre ihnen beim Reden zu.“ (Zitat Pos. 1641)

Inhalt

Merlin Zannino ist seit drei Jahren Witwer. Mit seiner vierzehnjährigen Tochter Coline und dem Kater Newton lebt er seit drei Monaten in einer neuen Wohnung in Rouen. Kater Newton erkundet die neue Umgebung und es gefällt ihm in der benachbarten Wohnung der geschiedenen Fleur eindeutig besser, als in Merlins Wohnung. So bringen der Kater Newton und ein Roman der Schriftstellerin Prune Baud die beiden zusammen. Prune schildert in ihrem Buch die Île de Groix so lebhaft und beeindruckend, dass Merlin Fleur mit einer Reise auf diese bretonische Insel überrascht. Natürlich wird die Hochzeit der beiden auf der Île de Groix stattfinden und auch die Schriftstellerin ist eingeladen. Prune will absagen, denn sie hat die Insel vor achtzehn Jahren für immer verlassen, zu schmerzlich sind die Erinnerungen. Doch dann entscheidet sie sich, an der Hochzeit teilzunehmen. „Die Antwort ist unterwegs. Sie kann im Augenblick noch nicht ahnen, dass sie gerade ihr Leben verändert hat.“ (Zitat Pos. 376)

Thema und Genre

In diesem Roman geht es nicht um Patchwork-Familien, sondern sogar um Patchwork-Generationen in teilweise eigenwilligen Zusammenstellungen. Es geht um Beziehungen, Eltern und Kinder, Familienkonflikte, Verlust und Trauer, aber auch um Lebensfreude und Neubeginn. Wichtige Themen sind die Liebe und die romantische bretonische Insel.

Erzählform und Sprache

Lorraine Fouchet lässt abwechselnd Merlin und Fleur in der Ich-Form die Geschichte selbst erzählen, beide stellen sich zu Beginn der Handlung durch kurze Schilderungen ihres bisherigen Lebens und prägender Ereignisse vor. Im Gegensatz dazu steht Prune im personalen Mittelpunkt der dritten Geschichte, die in parallelen und zeitgleichen Abschnitten mit der Handlung verknüpft wird. Diese Erzählvarianten, in Verbindung mit bildintensiven Schilderungen der Île de Groix und ihrer beeindruckenden Natur, ergeben die Leichtigkeit der Handlung. Interessante Familienstrukturen der geladenen Gäste, nachvollziehbare Charaktere, teilweise sehr speziell und skurril und dennoch auf ihre Art liebenswert, sorgen mit ihren ernsten Konflikten, Problemen und Themen dafür, dass die Geschichte niemals oberflächlich wird.

Fazit

Dieser Roman garantiert unterhaltsames Lesevergnügen mit Charme und Tiefgang bis zur letzten Seite.

Meerjungfrau – Camilla Läckberg

AutorCamilla Läckberg
VerlagList Taschenbuch
Datum5. Oktober 2012
AusgabeTaschenbuch
Seiten480
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinKatrin Frey
ISBN-13978-3548611266

„Er hatte es gewusst, früher oder später würde alles ans Licht kommen. So etwas ließ sich nicht verbergen.“ (Zitat Seite 7)

Inhalt

Am 3. November verlässt Magnus Kjellner wie jeden Morgen das Haus und trifft nie an seinem Arbeitsplatz ein. Dies geschah vor drei Monaten. Wie kann es sein, dass ein glücklich verheirateter Mann, Vater von zwei Teenagern, beliebt und unbescholten, plötzlich spurlos verschwindet? Gerade hat Christian Thydell, Bibliothekar in Fjällbacka, erfolgreich seinen ersten Roman „Meerjungfrau“ veröffentlicht. Sie sind seit Jahren befreundet, Magnus, Christian, Erik und Kenneth, und seit einiger Zeit erhalten sie Drohbriefe, sie hätten ihr Glück nicht verdient. Auch als die Leiche von Magnus endlich gefunden wird, verläuft die Spurensuche des Ermittlerteams um Kommissar Patrik Hedström zunächst ergebnislos, obwohl sie überzeugt sind, dass alle Ereignisse zusammenhängen. Erst als Erica Falck Christians Roman in einer schlaflosen Nacht nochmals genau liest, erkennt sie die Wahrheit.

Thema und Genre

Ein schwedischer Kriminalroman und ein neuer Fall für die Schriftstellerin Erica Falck und ihren Ehemann, Kommissar Patrik Hedström. Es geht um psychologische Themen wie Kindheitstraumata, Schuld, Rache, Familienkonflikte, aber auch um Familienglück und das Alltagsleben in Fjällbacka.

Erzählform und Sprache

Die Schilderung der Ereignisse entspricht den straffen Abläufen der Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Kriminalfällen. Sehr kreativ      und meistens nicht zur Freude ihres Ehemannes Patrik recherchiert Erica parallel dazu selbst, folgt teilweise anderen Spuren und das, obwohl sie Zwillinge erwartet. Diese Abläufe in der Gegenwart werden durch Abschnitte mit den Gedankenströmen einer bestimmten Person unterbrochen, welche die Vergangenheit betreffen, aber ebenfalls chronologisch, langsam bis in die Gegenwart führen. Die Sprache erzählt anschaulich, ist angenehm flüssig zu lesen und passt zum Genre.

Fazit

Dieser sechste Band der Serie überzeugt durch eine spannende Handlung mit einer Themenvielfalt im psychologischen Bereich, kommt ohne betont blutige Morddetails aus, sondern schildert leise und dadurch mit packender Intensität. Lesevergnügen mit Tiefgang, besonders, aber nicht nur, für Fans nordischer Kriminalromane.

Ginsterburg – Arno Frank

AutorArno Frank
VerlagKlett-Cotta Verlag
Datum15. Februar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3608966480

„Im Spätsommer 1940 wartete Ginsterburg im hügeligen Herzen des Reiches geduldig auf das Ende eines Krieges, der anderswo wütete, in den fernen Peripherien des Kontinents.“ (Zitat Seite 257, 258)

Inhalt

In Ginsterburg, einer deutschen Provinzstadt, scheint das Leben auch unter der neuen nationalsozialistischen Ordnung weiterzufließen, Familienbande werden gefestigt oder getrennt, und auch die Liebe bewegt die Menschen wie zu allen Zeiten. Während der Blumenhändler Otto Gürckel, nun auch Bürgermeister und Kreisleiter, seine beiden langjährigen Freunde, den Redakteur Eugen von Wieland und den Unternehmer Clemens Jungheinrich weiterhin von „der Sache“ zu überzeugen versucht, und sei es nur durch neue Profitmöglichkeiten und Aufstiegschancen, beginnt für die Buchhändlerin Merle eine Zeit erhöhter Vorsicht. Doch sie kann und will nicht verhindern, dass ihr Sohn Lothar der HJ beitritt, denn nur so kann er seinen Traum vom Fliegen umsetzen. Durch seine außerordentliche Begabung ist er nach erfolgreicher Ausbildung 1940 bereits aktiv im Einsatz. 1935 hatte er es beim Angeln nicht über sich gebracht, den Fisch zu töten, doch diese zehn Jahre zwischen 1935 und 1945 verändern nicht nur ihn.

Thema und Genre

Dieser Roman verfolgt den Weg eines kleinen Personenkreises in der beschaulichen deutschen Stadt Ginsterburg, symbolisch für ganz Deutschland. Es geht um persönliche Schicksale, Familienkonflikte, Freundschaft, Liebe, vor allem jedoch um das Leben und die Einstellung der Menschen im Nationalsozialismus zwischen innerem Widerstand, Anpassung und Überzeugung.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte von Ginsterburg und seinen Bewohnern wird chronologisch geschildert, in übergeordneten Kapiteln werden die Jahre 1935, 1940, 1945 beleuchtet, ergänzt durch Rückblicke in Gesprächen und Gedanken. Parallel dazu lesen wir die Geschichte von Alfred „Alfie“ Wellbeck aus Wales, dessen Flugzeug getroffen wurde und der langsam im Fallschirm auf Ginsterburg herabschwebt, während er über sein bisheriges Leben nachdenkt. Weiter kurze Texte beleuchten die Entwicklung der deutschen Luftwaffe. Es ist die besondere Erzählsprache von Arno Frank, die sofort beeindruckt, poetisch in den Schilderungen, mit gekonnt eingesetzten und dosierten Metaphern, und genau bis in die feinsten Nuancen bei der Charakterisierung der einzelnen Figuren.

Fazit

Ein Roman, der einfach sprachlos macht, leise und doch so ungemein intensiv erzählt Frank die Geschichte von Ginsterburg und seiner Einwohner, eine Stadt wie viele andere, mit Menschen wie viele andere in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Wir lernen eine Gruppe von Hauptfiguren sehr gut kennen, folgen ihrem Verhalten, ihren Konflikten, Wünschen und Träumen. Sympathisch oder unsympathisch, das macht schließlich keinen Unterschied. Ein Roman mit vielen Facetten und Themen, der bewegt und überzeugt.

Der Leuchtturmwärter – Camilla Läckberg

AutorCamilla Läckberg
VerlagUllstein Taschenbuch
Datum11. November 2013
AusgabeTaschenbuch
Seiten496
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinKatrin Frey
ISBN-13978-3548285863

„Patrik spürte, dass seine Geduld mit griesgrämigen alten Männern und miesepetrigen Anarchisten zur Neige ging.“ (Zitat Seite 268)

Inhalt

Während sich Fjällbacka auf die Eröffnung des neuen Wellnesshotels Badis vorbereitet, wird Mats Sverin, der für die Finanzen des neuen Unternehmens zuständig ist, ermordet. Bald scheint es, als ob dies eher mit seinem früheren Arbeitsplatz zu tun haben könnte und Patrik Hedström und sein Team müssen in mehreren Fällen gleichzeitig ermitteln. Annie Wester kehrt mit ihrem kleinen Sohn Sam auf die Insel Gråskär zurück, die „Geisterinsel“, auf der es nur ein kleines Haus gibt und einen weißen Leuchtturm, der längst nicht mehr in Betrieb ist – und angeblich die Geister von Verstorbenen. Gut, dass Oma Kristin auf Maja und die vor kurzem geborenen Zwillinge von Patrik und Erica aufpassen kann, denn Erica kümmert sich nicht nur um ihre Schwester Anna, sondern auch um ihre Kindheitsfreundin Annie. Sie beginnt, selbst zu recherchieren, und nicht nur in der Geschichte der Geisterinsel.

Thema und Genre

In diesem Kriminalroman aus Schweden, Band 7 der Falck-Hedström-Serie, geht es um Mord, Gewalt in der Familie, Verlust und Trauer, und die Ermittlungsarbeit des Teams der Polizeidienststelle Tanum.

Erzählform und Sprache

Dieser Kriminalroman berichtet über mehrere Verbrechen an unterschiedlichen Handlungsorten und obwohl Patrik das Gefühl hat, dass alle Vorfälle irgendwie zusammenhängen, finden sich keine derartigen Spuren, im Gegenteil, es entstehen immer neue Fragen. Die Handlung verläuft chronologisch, wobei die Recherchen und Gespräche weitere Informationen aus der Vergangenheit ergänzen. Unterbrochen wird die aktuelle Handlung mehrmals durch eine Geschichte, die in den Jahren ab 1870 spielt. Auch diesmal nimmt sich Camilla Läckberg Zeit, in die Familien zu schauen, in Glück und Krisen, und den Alltag in Fjällbacka mit glaubwürdigen, originellen Figuren zu schildern. Die Geisterinsel sorgt für mystische Momente.

Fazit

Ein packender Kriminalroman, der sich durch die Vielfalt der Themen auszeichnet und für spannende Lesestunden sorgt.

Das narrative Gehirn: Was unsere Neuronen erzählen – Fritz Breithaupt

AutorFritz Breithaupt
Verlag Suhrkamp Verlag
Erscheinungsdatum 19. Juni 2022
FormatGebundene Ausgab e
Seiten368
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3518587782

„Narratives Denken ist so wichtig für uns, weil es Anfang und Ende von Sequenzen erkennen lässt und uns mit der Emotion am Ende ein Signal gibt, dass nun etwas geschafft und vollendet ist.“ (Zitat Seite 25)

Thema und Inhalt

Dieses Sachbuch verbindet die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften mit der Frage, warum das Menschsein seit jeher immer auch mit gegenseitiger Kommunikation und Information verbunden ist, mit der Freude am Erzählen von Geschichten. Die Ergebnisse von interessanten Forschungsreihen, die an das schon Kindern bekannte Stille-Post-Spiel angelehnt sind und untersuchen, was genau bei der Wiedergabe und Weitergabe einer Geschichte wirklich im Gedächtnis bleibt und transportiert wird, führen Fritz Breithaupt zu der Wichtigkeit der mit Narrationen verbundenen Emotionen. Er stellt verschiedene Denkformen gegenüber und erklärt die Vielschichtigkeit und die Multiversionalität des narrativen Denkens als möglichen Weg in eine spannende Zukunft des Denkens.

Umsetzung

Die Einleitung stellt kurz die Thesen vor, die als Ausgangsbasis für dieses Buch dienen, und die Fragestellungen dazu: 1. Was sind Narrationen, 2. Warum beschäftigen wir uns mit Narrationen und 3. Wie lassen Narrationen unser Bewusstsein in andere Welten eintauchen. Diese Einleitung endet mit einem Überblick der Grundbegriffe, die kurz erklärt werden. Daran schließen acht Kapitel zu unterschiedlichen Themenkreisen an, die wiederum in Abschnitte mit entsprechenden Fragestellungen, Denkansätzen und Forschungsberichten unterteilt sind, und mit einer Zusammenfassung des Inhalts des jeweiligen Kapitels enden. Das Buch schließt mit einem Ausblick unter dem Titel „Ausblick. Auszug aus der narrativen Unmündigkeit“ ab. Es folgen umfassende Anmerkungen, dem jeweiligen Kapitel zugeordnet, und eine ebenso ausführliche Bibliographie.

Fazit

Dieses Sachbuch wurde als Wissenschaftsbuch des Jahres 2023 ausgezeichnet, doch das sollte interessierte Laien nicht abschrecken, das Buch zu lesen, denn die spannenden Themen sind gut verständlich erklärt und erschließen durch die literaturwissenschaftlichen Ansätze breit gefächertes neues Wissen für Lesebegeisterte wie mich. Gerade in diesen Tagen einer intensiven Wahlkampfphase in Deutschland, wo Politiker und Politikerinnen aller Parteien wiederholt feststellen, dass ‚neue Narrative gefunden werden müssen‘, ohne diese Forderung jedoch weiter zu begründen, regt an, sich selbst mit dem Thema Narrationen zu beschäftigen, denn „Narration ist Erleben im Plural“ (Zitat Sete 258).

Die vier Liebeszeiten – Birgit Rabisch

AutorBirgit Rabisch
VerlagVerlag duotincta GbR
Datum28. September 2018
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten252
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3946086420

„Liebe ist möglich ist zum geflügelten Wort zwischen ihnen geworden, das immer einer von ihnen irgendwann zitiert, wenn die Liebe unter Alltagssorgen und kleinlichen  Streitereien begraben zu werden droht. Bisher haben sie sie immer wieder ausgebuddelt.“ (Zitat Seite 165)

Inhalt

Als Rena im Frühling 1970 Hauke trifft, den fünfundzwanzigjährigen Cousin ihrer Freundin Monika, ist sie erst siebzehn Jahre alt. Mit einer anschließenden Fahrradtour entlang der Elbe beginnt für Rena und Hauke der Weg durch das gemeinsame Leben. Es ist Sommer, zehn Jahre später, Hauke ist Schriftsteller und Rena schreibt an ihrer Doktorarbeit, Physik, und immer noch ist es die Elbe, die ihr gemeinsames Leben begleitet, das gerade dabei ist, sie vom Paar zur Familie zu machen. Dann ist Hauke, plötzlich, wie er es empfindet, sechzig Jahre alt und während Renas Gedanken in den unendlichen Weiten ihres Forschungsgebietes Exoplaneten kreisen, überlegt Hauke, wie die gemeinsamen Jahre im Alter wohl weitergehen werden.

Thema und Genre

Dieser Roman endet nicht mit dem unbeschwerten, glücklichen Liebesfrühling, sondern folgt dem Paar Rena und Hauke weiter in den Alltag, begleitet diese Liebe durch den langen gemeinsamen Lebensweg. Weitere Themen sind Familie und die immer neue Faszination der Natur an der Elbe und im Wattenmeer.

Erzählform und Sprache

Die personale Hauptfigur ist Rena und ihre vielen Erinnerungen ergänzen die chronologisch verlaufende Haupthandlung, wir kennen ihre Gedanken und sie teilt ihre Beobachtungen mit uns. Hauke dagegen erzählt Details und Ereignisse aus seinem Leben in seinen Gesprächen. Rena ist es auch, die ihre Liebe in Gedanken mit den Jahreszeiten vergleicht. Birgit Rabisch schreibt in einer lebhaften Erzählsprache und ihre eindrücklichen Schilderungen des Wattenmeers und der Flusslandschaft der Elbe wecken Sehnsüchte, diese Landschaft auch selbst zu erleben.

Fazit

Ein vielseitiger Roman, in dem die Liebe einen wichtigen Platz hat, der jedoch wesentlich mehr ist, es ist die Geschichte einer Zeit der Umbrüche und darüber, was folgt, und des Lebens von der Jugend bis ins Alter, humorvoll, witzig in den Details, einfühlsam, aber niemals kitschig. Ein Buch für entspannte, genüssliche Lesestunden.

Von hier aus weiter – Susann Pásztor

AutorSusann Pásztor
VerlagKiepenheuer & Witsch GmbH
Datum13. Februar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten256
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462005684

„Auf jeden Fall würde sie mit etwas beginnen, das irgendwann irgendwohin führte, vielleicht sogar schon bald.“ (Zitat Pos. 211)

Inhalt

Die pensionierte Grundschullehrerin Marlene Hansen braucht dringend einen Klempner, der die Dusche in ihrem Haus repariert. Als Jack Habermann vor ihr steht, erkennt dieser seine ehemalige Lehrerin sofort. Er sieht jedoch noch mehr, er sieht eine Frau, die sich in ihrer wütenden, zornigen Trauer um ihren kürzlich verstorbenen Ehemann Rolf völlig aus dem Leben zurückgezogen hat, niemanden an sich heranlässt und sich antriebslos mühsam durch die Tage quält. „Und morgen würde sie dann weitersehen. Das machte sie schließlich seit Wochen so.“ (Zitat Seite 455). Zuerst räumt Jack ihre Küche auf und zieht, da er ohnedies eine Wohnung braucht, in das Gästezimmer des großen Hauses. Als Marlene beginnt, sich wieder um Anrufe und ihre Post zu kümmern, findet sie einen Brief ihrer ehemals besten Freundin Valerie „Wally“, die in Wien lebt. Vor ihrem Tod hat der bereits unheilbar kranke Rolf einen Brief an Wally geschickt, mit genauen Weisungen, diesen Brief Marlene nur persönlich und in Wien zu übergeben. Zuerst lehnt sie ab, doch dann beschließt sie, mit dem Auto nach Wien zu fahren. Natürlich lässt Jack sie nicht alleine fahren und auch ihre Hausärztin Ida, die vor Jahren Rolfs Praxis übernommen hat, kommt mit.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um eine Frau, die aus Wut über den Tod ihres Mannes völlig aus der Bahn geworfen wird und keinen Grund mehr in ihrem Leben sieht. Themen sind Verlust, Trauer, Familiengefüge, Freundschaft und Veränderungen.

Erzählform und Sprache

Im personalen Mittelpunkt der Geschichte steht Marlene, seit wenigen Wochen Witwe. Die Handlung wird chronologisch erzählt, ergänzt durch Erinnerungen. So ergibt sich langsam ein Bild und wir erfahren, warum Marlene so wütend auf ihren verstorbenen Mann Rolf ist. Es sind die sympathischen, mit ihren Stärken, Schwächen, Problemen überzeugenden Figuren, welche die Handlung tragen. Vor allem Marlene bleibt trotz des Stillstands in ihrem Leben in ihrer wütenden Trauer aktiv, sie zieht sich bewusst zurück, verweigert sich, aber ohne Selbstmitleid. Dies macht die Handlung spannend, man ist neugierig auf mögliche Überraschungen und Wendungen. Auch kleine, magische Momente und Begegnungen fehlen nicht, nicht alles ist erklärbar, aber durchaus möglich.

Fazit

Eine Geschichte über Verlust, Trauer und Veränderungen im Leben, einfühlsam und mit leisem Humor erzählt, aber niemals kitschig. Es macht Freude, diesen Roman zu lesen. 

Die Kolonie – Audrey Magee

AutorAudrey Magee
VerlagNagel & Kimche
Datum28. Januar 2025
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten400
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinNicole Seifert
ISBN-13978-3312012893

„Hier geht es um Irland, sagte Masson. Um die irische Sprache. Und haben die Iren mitzureden, fragte Lloyd, bei ihrem großen Plan, die Sprache zu retten?“ (Zitat Seite 104)

Inhalt

Es ist das vierte Jahr, dass JP Masson, ein französischer Linguist, auf diese kleine irische Insel kommt, auf der zweiundneunzig Menschen in zwölf Familien leben. Bei einer dieser Familien verbringt JP den Sommer als zahlender Feriengast. Er schreibt an seiner Doktorarbeit über die Veränderungen der alten Irischen Sprache, verbissen in seinem Anliegen, diese Sprache unbedingt zu erhalten. In diesem Jahr jedoch hat die Familie einen zweiten Feriengast aufgenommen. Auch der Maler Mr. Lloyd wird hier die drei Sommermonate verbringen, um in der Einsamkeit zu malen. Er ist Engländer, aus London, und natürlich spricht er nur Englisch. Vom ersten Moment an ist er für JP ein weiterer Gefährder der ursprünglichen irischen Sprache, während sich Mr. Lloyd durch JP in seiner Sehnsucht nach Ruhe und Stille gestört fühlt. Beide sind Fremde auf der Insel und beide versuchen auf ihre Art, die Menschen für ihre Zwecke einzusetzen, bewusst oder unbewusst, machen Versprechungen und wecken Hoffnungen.

Thema und Genre

Dieser Roman ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Folgen des Kolonialismus für die Sprache und Kultur, für die Identität der Menschen, am Beispiel einer kleinen irish-gälischen Insel. Themen sind das raue und gefährliche Leben der Fischer, traditionelle Familiengefüge und die Situation der Frauen. Es geht um Kunst, Künstler und die wilde Schönheit der Natur, und natürlich auch um den Nordirlandkonflikt.

Erzählform und Sprache

Die Ereignisse dieses Sommers 1979 werden chronologisch von Tag zu Tag erzählt, Nachrichtenmeldungen geben das Datum an und bringen gleichzeitig das Wissen über die beinahe täglichen Anschläge auch zu den Menschen auf dieser entlegenen Insel. Der Kreis der handelnden Figuren ist bewusst klein gehalten, was dem Roman zusätzliche Tiefe gibt.

Die Autorin lotet alle Möglichkeiten aus, welche die Sprache bietet, um eine Geschichte zu schreiben. Oft setzt sie Dialoge ein, um Sachverhalte und Konflike zu präzisieren. Schilderungen von alltäglichen Verrichtungen und  innere Monologe  fließen ohne Punkt und Innehalten über mehr als eine Seite. Letztere sind für die Autorin eine Möglichkeit, viele zusätzliche Themen und Details zu erzählen, seien es Einblicke in die Vergangenheit einzelner Figuren, Erlebnisse, die sie geprägt haben, persönliche Hoffnungen und Träume für die Zukunft, aber auch ein ausführlicher Rückblick auf die Geschichte Irlands. Dazwischen entstehen überraschend knappe lyrische Wortsequenzen. Die neunundachtzigjährige Bean Uí Fhloinn erzählt JP ihre Geschichten und so wird auch die tief verwurzelte irische Tradition des Geschichtenerzählens eingebunden. Der Maler Lloyd dagegen erfasst jede Situation, jedes Naturschauspiel, detailgenaue Beschreibungen seines Umfeldes in Gedanken sofort als Bild und gibt allen Bildern auch entsprechende Titel. Trotz meiner Begeisterung für die Ausdruckskraft der Sprache verfing ich mich beim Lesen manchmal in den langen Gedankenströmen der Figuren, wenn sie gleich Mäander sich drehten und wendeten, sich wiederholten, vielleicht wäre weniger in manchen Abschnitten mehr gewesen.

Fazit

Ein facettenreicher Irland-Roman, ein mit Worten gemaltes Bild in vielen Nuancen, Schattierungen und Tönen zwischen kraftvoll-bunt und nebelgrau.

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