„Alles, was auf diesen heißen Augusttag folgte, waren in den ersten Jahren tägliche kleine Katastrophen, sie mündeten in einer einzigen großen Katastrophe und die Folgen davon ließen aus ihrem Leben ein Desaster werden.“ (Zitat Seite 23)
Inhalt
Magdalena Millet kehrt nach 28 Jahren zurück ins Haus ihrer Kindheit, wo sie bei ihrer Oma Clara gelebt hat, bis diese überraschend verstorben ist und Magdalena in ein Heim kam. Sie renoviert das Haus, um darin zu leben.
Jan ist 18 Jahre alt, als seine Adoptivmutter bei einem
Autounfall tödlich verunglückt. Er findet sie, ihr Auto ist an einen Baum
geprallt. Es ist ein großer, alter Davidsahorn, der auf Magdalenas Grundstück
steht. Dieser Baum ist der Schlüssel zu einem alten Familiengeheimnis.
Thema und Genre
In diesem Familien- und Generationenroman geht es um jene Momente, in denen eine Entscheidung getroffen wird, die unvorhersehbare Folgen für alle Beteiligten und auch das Umfeld hat. Es geht auch um Vorurteile, das Leben in kleinen Dorfgemeinschaften und um die Liebe.
Charaktere
Die Autorin entwickelt unglaublich lebensnahe Charaktere mit allen menschlichen Schwächen, die den Leser mit ihren Schicksalen sofort in den Bann ziehen und uns mitfühlen lassen. Hier geht es nicht so sehr um die Frage, ob man einzelne Entscheidungen vielleicht anders getroffen hätte, sondern vor allem darum, was dann die Zeit, man kann es auch Ironie des Schicksals nennen, daraus macht.
Handlung und Schreibstil
Die Handlung beginnt mit einem Ereignis in der Vergangenheit als Prolog und entwickelt sich in einzelnen Kapiteln zwischen Gegenwart und erklärender Vergangenheit weiter, bis sich der Bogen schließt. Die Geschichte ist in ihrer Komplexität spannend und schlüssig erzählt und bleibt auch nach der letzten Seite in den Gedanken des Lesers. Die poetische Sprache macht diesen Roman zu einem insgesamt beeindruckenden, großartigen Leseerlebnis.
Fazit
Eine facettenreiche Generationengeschichte in einer dichten, poetischen Sprache. Trotz der schwierigen Einzelschicksale ist es wunderbar positive Geschichte, die hier erzählt wird. Für mich persönlich eines meiner Lieblingsbücher 2018.
„Der Fingerabdruck eines Paares liegt in einer Sprache, die nur ein anderer Mensch auf der Welt wirklich vollkommen richtig entschlüsseln konnte.“ (Zitat Seite 196)
Inhalt
Paul Neulich schreibt seit zwölf Jahren als August Sternberg eine konservative Ratgeber Kolumne über gutes Benehmen. Als ihm die Redaktion mitteilt, dass er nicht mehr in die zukünftige, moderne Blattlinie passt, verbringt er gerade mit der Performance Künstlerin Sara Almeida eine Auszeit in Portugal. Zwölf Jahre lang war Paul mit der Paartherapeutin Dr. Sonja Wilms verheiratet, bevor er sie verlassen hat. Sara wiederum war zuvor mit dem mit introvertierten Informatiker Tin Hasenglock zusammen, der gemeinsam mit zwei Freunden eine sehr erfolgreiche Social-Media-Community entwickelt hatte, Harpf.com. Persönliche Erlebnisse am Beginn dieses Sommers leiten Veränderungen ein …
Thema und Genre
Dieser Roman ist eine Momentaufnahme im Leben der Protagonisten, gesellschaftskritisch und mit ironischer Betrachtung der Entwicklungen im Social Media Bereich und Journalismus. Er handelt aber auch von der Frage „wer war ich früher, wer will ich heute sein“, die sich wohl jeder irgendwann im Laufe des Lebens stellt.
Charaktere
Die Protagonisten haben eines gemeinsam, sie träumen sich die eigene Situation schön, spielen ihre Rollen, reagieren, statt zu agieren. Erst als der Autor sie mehr oder weniger wichtige Situationen erleben lässt, setzen Veränderungen ein. Doch selbst manche dieser Ereignisse sind im Grunde banal, nur in ihrem persönlichen Empfinden bedeutend. Dadurch bleibt man auch als Leser ein unbeteiligter Beobachter.
Handlung und Schreibstil
Der Zeitrahmen der Handlung beschränkt sich auf die ersten Sommerwochen, alle weiteren Details aus dem Leben der jeweiligen Person erfährt der Leser, indem der Autor ihn durch die personale Erzählform an den Gedanken und Erinnerungen seiner Figuren teilhaben lässt. Die einzelnen Kapitel betreffen abwechselnd Paul, Sara, Sonja, Tin; der jeweilige Name ist die Überschrift. Ein einziges Kapitel ist aus Sicht des Nachrichtenchefs des Magazins, für das Paul schreibt, erzählt.
Die fließende, leicht zu lesende Sprache zeigt einige
interessante Metapher, zum Beispiel beobachtet Paul ein Moskito in einem
Spinnennetz. Interessant ist es auch, die Gedanken und Überlegungen der
Protagonisten zu lesen, die oft im Gegensatz zum sichtbaren Verhalten und
Handeln stehen.
Fazit
In der Realität sind die Dinge, die den vier Personen passieren, zwar wichtig, aber nicht so außergewöhnlich, wie sie es für sich selbst empfinden. Der Autor macht sich nicht die Mühe, auf die Auswirkungen der Ereignisse einzugehen, er bleibt vage, bei einem „vielleicht, vielleicht auch nicht“. Der ironisch gemeinten Gesellschaftskritik fehlen leider Humor und Ironie, dadurch versickert alles in 240 schnell zu lesenden Seiten von enttäuschender Mittelmäßigkeit.
„Eine Idee kann ohne die Anerkennung durch andere nicht existieren, speist aber diese Anerkennung zugleich durch ihre Existenz.“ (Zitat Seite 105)
Inhalt
Der Maler arbeitet weiterhin am Porträt von Marie und gleichzeitig malt er ein Landschaftsbild, eine realistisch-fotografische Darstellung der Grube im Wald. Seine kreative, künstlerische Phase dauert an, er spürt, dass beide Gemälde von beeindruckender Qualität sind. Gleichzeitig beschäftigt ihn weiterhin das Bild „Die Ermordung des Commendatore“ und das Leben von Tomohiko Amada. Als er den alten Maler eines Nachts in seinem Atelier zu sehen glaubt, beschließt er, ihn zu besuchen. Da verschwindet Marie und für den Maler beginnt ein mystisches Abenteuer, das ihn in physisch und psychisch an seine Grenzen bringt …
Thema und Genre
Da es sich um einen Roman in zwei Teilen handelt, ohne zeitliche Abgrenzung, ändert sich die Thematik nicht. Ein Schwerpunkt sind weiterhin die Ereignisse in Kriegszeiten und ihre Auswirkung auf den einzelnen Menschen, der sie überlebt. Es geht um Verluste von nahestehende Menschen und die unterschiedlichen Arten, damit umzugehen.
Die mystische Komponente verstärkt sich im weiteren Verlauf
der Handlung, einzelne Szenen erinnern an das griechische Orpheus-Mythos,
welches sich jedoch auch in der japanischen Mythologie findet.
Charaktere
Der Hauptprotagonist erzählt seine Geschichte weiter. Die Gespräche mit Marie, vor allem aber sein gefährliches Abenteuer nach Maries Verschwinden verändern ihn. Er beginnt, sich von der Trauer um seine Schwester zu lösen und sieht auch seine Ehe realistischer. Seine künstlerische Kreativphase, die sich beim Malen des Porträts von Marie fortsetzt, gibt ihm ein neues Selbstbewusstsein, er kann Entscheidungen treffen.
Die 13-jährige Marie Akikawa besucht den Maler öfter
heimlich, mit ihm spricht sie über ihre Probleme und ihr Leben, da sie ihm
vertraut und er andererseits ihre Beobachtungsgabe und kluge Sicht der Dinge
erkennt.
Wataru Menshiki freundet sich mit Maries Tante an, bleibt
jedoch bei seinem präzisen, ordentlichen Tagesablauf. Er unterstützt den Maler
weiterhin und man könnte durchaus von einer Art Freundschaft zwischen diesen
beiden unterschiedlichen Männern sprechen. Anders als der Hauptprotagonist will
er jedoch keine Antworten wissen, sondern ihm genügt die Möglichkeit.
Handlung und Schreibstil
Der Spannungsbogen des ersten Teiles steigt weiter an, um dann erzählend auszuklingen. Wobei der Autor nicht für alle Themen und Erzählstränge Lösungen anbietet, manche erklärt er, dann wieder überlässt er es dem Leser, sich mögliche Entwicklungen vorzustellen.
Gerade dies macht den Roman so ungewöhnlich, aber auch
packend. Für viele Ereignisse im Leben der Hauptfiguren bieten sich mehrere
Erklärungen an, alle sind möglich, aber der Autor legt sich auf keine fest.
Dieser zweite Band führt die Geschichte aus dem ersten Buch
mit Kapitel 33 nahtlos fort und endet mit dem Kapitel 64. Auch die
Erzählperspektive wechselt nicht.
Die Sprache ist weiterhin großartig zu lesen, der Autor
spielt mit Worten, Metaphern und Symbolik, teilweise werden Metapher sogar zu
Protagonisten.
Fazit
Es handelt sich hier nicht zum zwei in sich geschlossene Teile, sondern um einen Roman, der in zwei Bänden erschienen ist. Daher sollte man auch mit Band 1 zu lesen beginnen. Der zweite Teil führt die surrealen Ereignisse fort und das mystische Element steigert sich. Der Autor bietet nicht für alles Erklärungen und eindeutige Antwort an, damit muss man als Leser umgehen können. Dann wird man dieses neueste Werk von Haruki Murakami mit Begeisterung lesen und vielleicht, so wie ich, eines der Lieblingsbücher des Lesejahres 2018 gefunden haben.
„Die Zivilisation schreitet voran, während du wie Urashima im Drachenpalast auf dem Meeresgrund mit den Seebrassen dein Mittagsschläfchen hältst.“ (Zitat Seite 132)
Inhalt
Ein Künstler dessen Namen wir nicht kennen erzählt seine Geschichte, die inzwischen einige Jahre zurück liegt. Der erfolgreiche Porträtmaler ist 36 Jahre alt, als sich seine Frau scheiden lassen will. Einge Monate lang reist er durch Japan, bevor ihm ein Studienfreund das einsam auf einem Berg gelegene Haus seines Vaters, des berühmten Malers Tomohiko Amadas, zur alleinigen Nutzung überlässt. Eines Tages findet er auf dem Dachboden des Hauses ein Gemälde von beeindruckender Intensität: ›Die Ermordung des Commendatore‹, das ihn an eine Szene aus „Don Giovanni“ erinnert. Gleichzeitig kontaktiert ihn Wataru Menshiki, sein charismatischer Nachbar – er soll ihn porträtieren, wobei ihm künstlerisch keine Grenzen gesetzt sind. Der Erzähler will auf Grund seiner Schaffenskrise ablehnen, doch plötzlich kehrt die Inspiration zurück. Gleichzeitig ereignen sich einige erstaunliche Vorfälle …
Thema und Genre
Haruki Murakami hat hier wieder einen außergewöhnlichen Roman geschaffen. Angesiedelt in der Welt der Künstler, reicht der Inhalt jedoch weit darüber hinaus. Ein Erzählstrang, verbunden mit der Geschichte des Gemäldes, führt nach Wien, wo der alte Maler von 1933 bis 1939 studiert hatte. Auch zwischenmenschliche Beziehungen sind ein Thema. Eine mystische Spur von geheimnisvollen Ereignissen zieht sich durch die gesamte Handlung.
Charaktere
Der Hauptprotagonist, ein Portraitmaler, erzählt uns eine erstaunliche, teilweise unheimliche Geschichte, die er vor einigen Jahren erlebt hat. Damals befand er sich in einer Phase der künstlerischen Stagnation, da ihn mit seiner Frau auch die Inspiration verlassen hatte. Die Trennung von seiner Frau hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen, bis er sich überreden ließ, doch wieder ein Portrait zu malen.
Sein Auftraggeber und Mentor Wataru Menshiki ist ein älterer
Herr, sehr begütert, eine imposante Erscheinung, charismatisch, aber nicht zu
durchschauen. Er ist gewohnt, Menschen manipulieren zu können. Zur Zeit dieser
Geschichte lebt er in einer großen Villa im Sichtfeld des Erzählers auf der
anderen Seite des Tales.
Handlung und Schreibstil
Das Buch beginnt mit einem scheinbar zusammenhanglosen Prolog in der Jetztzeit, geht dann zurück in die Geschichte, die der namenlose Ich-Erzähler erzählen will und die inzwischen einige Jahre zurückliegt. Erklärungen und Hintergrundinformationen erhält der Leser vom Erzähler in Form von Gedanken, Überlegungen, Erinnerungen. So kommt es manchmal zu Überschneidungen, durch neue Details ergänzte Wiederholungen, wenn sich der Hauptprotagonist in seinen Gedanken nochmals mit denselben Vorgängen befasst. Insgesamt verschwimmen auch in diesem Roman Murakamis die Grenzen zwischen Realität und möglicher Einbildung, mystischen, kaum erklärbaren Vorgängen.
Die Geschichte umfasst einen Prolog und 32 Kapitel, wobei
die Überschrift jeweils einen Gedanken des jeweiligen Kapitels aufnimmt.
Kapitel 31 endet mit einem Cliffhanger, ein aufregender nächster Sonntag wird erwähnt,
während das kurze Kapitel 32 einen Verweis in die Vergangenheit enthält, der
für den Leser noch nicht zuordenbar ist. Der zweite Band ist bereits
erschienen.
Die Sprache ist pures Lesevergnügen, der Autor spielt mit
Worten und Beschreibungen, geht ins Detail, wo es ihm wichtig erscheint. Als
Leser taucht man sofort tief in die Geschichte ein.
Fazit
Die spannende, teilweise auch magische Handlung und die Personen begeistern von der ersten Seite an. Wenn man bereit ist, sich auf den Autor einzulassen und auch seine surrealen Einfälle auf sich einwirken lässt, ohne alles hinterfragen zu wollen, wird man das Buch kaum aus der Hand legen können.
„Mit großen Schritten geht er los, als ob dort, wohin er geht, jemand warten würde und es von höchster Dringlichkeit wäre, rechtzeitig hinzugelangen.“ (Zitat Seite 9)
Inhalt
Seit Herr Kato im Ruhestand ist, hat er plötzlich viel Zeit. Wie schon die Jahre zuvor, kontrolliert er penibel, wie seine Frau die anfallenden Arbeiten im Haushalt erledigt und er merkt genau, wie wenig sie sich im Grunde zu sagen haben. Da trifft er Mie, eine junge Frau, deren Agentur „Happy Family“ Personen als perfektes Double für fehlende Familienmitglieder vermittelt. Die Einsätze sind kurz, für die Dauer eines Besuches oder einer Feier, professionell, aber unverbindlich. In seinem ersten Auftrag spielt er Herrn Kato, den Großvater eines Jungen. Es folgen weitere Einsätze, die ihn langsam verändern.
Thema und Genre
Dieser Roman skizziert einen kurzen Zeitraum im Leben des Protagonisten, ergänzt durch Rückblenden in Form seiner Gedankengänge. Es ist ein kritisches Gesellschaftsbild, das uns die Autorin hier schildert, als unpassend empfundene oder abwesende Familienmitglieder werden durch perfekt agierende Doubles ersetzt. Kernthema ist der Ruhestand und die Auswirkungen auf das Umfeld am Beispiel eines langjährigen Ehepaares in Japan. Im traditionellen Rollenbild war der Mann der in seinem Beruf aufgehende Erwerbstätige, während die Aufgabe der Frau daraus bestand, den Mann zu Hause perfekt zu umsorgen. Plötzlich war der Ehemann im Ruhestand rund um die Uhr zu Hause, eine neue Situation, die zu Problemen führen konnte.
Charaktere
Herr Kato – seinen richtigen Namen erfährt der Leser nicht – war gewohnt, dass sich die Familie immer nach seinen Wünschen richtete. Diese Haltung verstärkt sich im Ruhestand, seine Gedanken drehen sich hauptsächlich um die eigenen Befindlichkeiten und kritisch kontrolliert er jeden Handgriff seiner Frau im Haushalt. Erst als er durch seine Stand-In-Auftritte gezwungen ist, sich mit Problemen fremder Menschen zu beschäftigen, beginnt er, auch sein eigenes Leben zu überdenken. Dennoch kein besonders sympathischer Charakter. Die anderen Personen kommen ins Bild, wenn sie für eine Episode und als Vergleich dienen, um dann die Handlung wieder zu verlassen. Interessant ist es, wie die Ehefrau zeitgleich mit dem Ruhestand des Ehemannes langsam beginnt, eigene Wege zu gehen.
Handlung und Schreibstil
Die personale Erzählperspektive schildert dem Leser die Ereignisse aus Sicht von Herrn Kato. Auf insgesamt 164 Seiten fügt die Autorin kurze Episoden und bruchstückhafte Einblicke in Ereignisse im Leben von Herrn Kato aneinander, ergänzt durch zahlreiche Rückblenden in Form von langen gedanklichen Selbstgesprächen des Hauptprotagonisten. Auch viele der Dialoge finden nur im Kopf von Herrn Kato statt, während in der Realität geschwiegen wird.
Herausragend ist die Sprache dieses Romans, intensive
Schilderungen der einzelnen Stimmungen und Gedanken des Herrn Kato wechseln zu
beinahe stichwortartigen Halbsätzen, sobald es um wirkliche Gespräche
geht.
Der
Aufbau der Handlung entspricht der in kleinen Schritten wahrnehmbaren positiven
Veränderung des Hauptprotagonisten, er muss „lernen mit dem ganzen Körper zu
lächeln“.
Fazit
Sprachlich ein Lesevergnügen, ist dieser Roman auch thematisch interessant. Allerdings wirkt die hier beschriebene Problematik des Eintritts in den Ruhestand in der heutigen Zeit der ebenfalls berufstätigen Frauen auf mich etwas veraltet. Dies mag daran liegen, dass der Roman in Japan spielt, wo das Arbeitsleben tatsächlich einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Trotz einiger skurriler Szenen überwiegt für mich der negative Grundtenor und die Handlung und ihre Personen konnten mich nicht vollkommen überzeugen. Ein Buch für Leser mit Interesse an neuer deutscher Literatur.
„Jede neue Freundschaft, vor allem wenn eine gewissen Anziehungskraft besteht, bedeutet eine Reise in eine unbekannte Dimension oder zumindest in Parzellen der Wirklichkeit, mit denen wir nicht vertraut sind.“ (Zitat Seite 139)
Inhalt
Aufgewachsen in Kuba, lebt Claudio nun in New York. Er arbeitet als Lektor und Übersetzer in einem Verlag und auch als Lektor. Er ist mit der Designerin Ruth befreundet, lebt jedoch allein. Sein Tagesablauf folgt einem festen Ritual, was ihm Sicherheit gibt.
Cecilia hat Mexiko verlassen, um in Paris
Literaturwissenschaften zu studieren und schreibt an ihrer Magisterarbeit. Sie
lebt sehr zurückgezogen in einer Wohnung mit Blick auf einen Friedhof. Nur zwei
Menschen können sie immer wieder aus ihrer Isolation holen, ihre Freundin
Haydée und ihr Wohnungsnachbar Tom.
Claudio kennt Haydée schon seit der gemeinsamen Jugend in
Kuba und als er für einige Tage nach Paris kommt, trifft er sie. Haydée bringt
Cecilia zu diesem Treffen mit und Claudio und Cecilia verlieben sich auf den
ersten Blick. Weihnachten verbringen die beiden in Paris, dann fliegt Cecilia
zu Claudio nach New York. Doch es gibt immer noch Ruth und Tom …
Thema und Genre
Dieser Roman handelt von Problemen, die nicht aufgearbeitet wurden und daher das Verhalten der Protagonisten auch Jahre später noch beeinflussen. Ein weiteres Thema sind Depressionen und die Art der Menschen, damit umzugehen. Es geht aber auch um Migration und die damit verbundene Einsamkeit in einer Großstadt, was sowohl bei Claudio in New York, als auch bei Cecilia in Paris zu einer Isolation führt, die jedoch in beiden Fällen gewollt ist. Gerade dieses bewusste Leben als zurückgezogene Einzelgänger stellt beide vor völlig neue emotionelle Herausforderungen, als sie im anderen eine verwandte Seele finden und sich verlieben.
Charaktere
Claudio verlässt Kuba nach einem traumatischen Erlebnis, das er mit den Jahren verdrängen kann, das aber dennoch seine Persönlichkeit prägt. Daher verlaufen seine Beziehungen zu Frauen, bevor er Cecilia trifft, auf Distanz. Mit Ruth, die fünfzehn Jahre älter ist, trifft er sich daher niemals in seiner eigenen Wohnung, schafft es aber auch nicht, sich definitiv von ihr zu trennen. Er ist kein Protagonist, den man als Leser ins Herz schließen möchte, obwohl man sein Verhalten im Kontext nachvollziehen kann.
Cecilias Mutter verlässt die Familie, als Cecilia ein
kleines Kind ist. Dieses Erlebnis prägt sie und sie beginnt früh, sich für
Friedhöfe zu begeistern. Mit fünfzehn gehört sie zur Literatur- und
Gothic-Szene und auch als erwachsene Frau in Paris hält sie sich gerne auf
Friedhöfen auf. Sie hat Phasen in ihrem Leben, in denen sie sich völlig von der
Außenwelt abschottet. Sie braucht eine wichtige Aufgabe, um aus ihrer Isolation
aufzutauchen.
Handlung und Schreibstil
Die Autorin erzählt die Geschichte in der Ich-Form, wobei es zwei Ich-Erzähler gibt, Claudio und Cecilia. Als zusätzliches Stilmittel lässt sie jene Passagen des Romans, welche die Beziehung zwischen Claudio und Cecilia betreffen, doppelt erzählen, dieselbe Situation jeweils aus der Sicht von Claudio, dann, wie Cecilia es sieht. Durch dieses betonte Schildern erhält der Leser einen tieferen Einblick in die unterschiedlichen Denkweisen der beiden, wodurch sich das jeweilige Verhalten nachvollziehen lässt.
Rückblenden in Form von Kindheits- und Jugenderinnerungen
erklären Probleme, die in der Vergangenheit liegen, aber auch in der Gegenwart
Auswirklungen auf die Persönlichkeit der Charaktere haben.
Die Spannung ergibt sich nicht so sehr aus den
Geschehnissen, sondern aus den unterschiedlichen, möglichen Entscheidungen der
Hauptprotagonisten, als Leser überlegt man zuvor, wie es weitergehen wird und danach,
wie man selbst vielleicht entschieden hätte. In erster Linie ist es jedoch eine
Erzählung, die uns über eine bestimmte Zeitspanne am Leben von Claudio und
Cecilia teilhaben lässt.
Die anspruchsvolle Sprache liest sich flüssig, sie
beschreibt, verdichtet dort, wo es um die jeweiligen Gedankengänge geht,
verzichtet jedoch auf Metapher.
Fazit
Trotz des Textes auf der Buchrückseite „ … ein berührender Roman über die heilende Kraft der Liebe“ sollt man bei dem vorliegenden Buch keinen romantischen Wohlfühlroman erwarten, denn dann wird man enttäuscht. Es ist eine sehr realistische Schilderung von Menschen, die in der Anonymität der Großstadt untertauchen, geprägt von Kindheits- und Jugenderlebnissen und wie sie mit den Herausforderungen einer Beziehung umgehen. Interessant ist dabei, dass die wichtigsten Entscheidungen nicht von ihnen selbst getroffen werden, sondern sie durch nahestehende Dritte gleichsam in die Entscheidung gedrängt werden. Die Autorin überlässt es dem Leser, über andere Varianten, das bekannte „was wäre, wenn“ nachzudenken.
Ein Roman, auf den man sich einlassen muss, doch wenn man
dies tut, legt man ihn erst aus der Hand, wenn die letzte Seite umgeblättert
ist.
„Ich glaubte an die Zukunft, an die Kreativwirtschaft und an die Kraft des Kapitalismus, mit den eigenen Widersprüchen klarzukommen, einschließlich der Apokalypsen.“ (Zitat Seite 106)
Inhalt
Ende der 90er Jahre in Brasilien eroberten sie die digitale Welt mit ihrem kontroversiellen Online-Magazin „Orangotango“. Vier Freunde – Aurora, Emiliano, Antero und Andrei Dukelsky, genannt „Duke“. Ihr Leben war wild, immer bereit, die bekannten Strukturen aufzubrechen, kulturelles Neuland zu betreten. Ihre Wege trennten sich. Emiliano war weiterhin als Journalist tätig, während Antero eine sehr erfolgreiche Werbefirma aufgebaut hat. Aurora hat sich für ein Biologiestudium entschieden und arbeitet an ihrer Dissertation über den Biorhythmus von Zuckerrohr. Duke wurde ein erfolgreicher Schriftsteller mit einer großen Fangemeinde – doch 2014 wird er bei einem Raubüberfall ermordet. Bei seinem Begräbnis beginnen sich die drei Freunde zu fragen, was aus ihnen und ihren Träumen geworden ist und vor allem, wer war Duke wirklich und was bedeutet sein Vermächtnis?
Thema und Genre
Der Autor legt uns hier einen Generationenroman vor, das Dilemma einer mit allen Möglichkeiten der neuen digitalen Welt aufgewachsenen, intellektuellen Jugend, die sich selbst jedoch mit den Jahren irgendwie verloren hat, in der Realität verunsichert, vereinsamt, aber sich gleichzeitig den intensiven Lebenshunger erhalten hat. Er siedelt seine Geschichte mitten in den chaotischen Zuständen der Proteste und Streiks 2014 an, in den Städten Porto Alegre und Sao Paulo. Thema dieses Romans ist natürlich auch die wirtschaftliche Situation in Brasilien, die Demonstrationen der unzufriedenen Bevölkerung, doch das Kernthema sind die vernetzte Konsumwelt und die schillernde Welt der sozialen Medien, der sich niemand entziehen kann. Selbst die sexuellen schnellen Bedürfnisse lassen sich einfacher in der virtuellen Welt ausleben, als in persönlichen Begegnungen.
Handlung, Charaktere und Schreibstil
Der sprachgewaltige Roman ist in der Ich-Form geschrieben, jedoch mehrmals zwischen den Personen Aurora, Emiliano, Antero wechselnd. Duke als Hauptprotagonist tritt, da der Roman mit der Nachricht von seinem Tod beginnt, nur in den Rückblicken und Erinnerungen seiner Freunde und Partnerin gleichsam aus dem Schatten in den Vordergrund. Ein nach wie vor kreativer, erfolgreicher Schriftsteller, gibt er in seinen Büchern und in den sozialen Medien immer ein perfektes Bild ab, wer er wirklich ist, weiß niemand. Er bringt das Dilemma der Generation Internet am besten auf den Punkt, indem er sich selbst plötzlich vollkommen zurückzieht und schon in jungen Jahren Vorkehrungen für sein virtuelles Erbe trifft.
Antero dagegen, das erwachsen gewordene Enfant terrible,
nützt sein Können und Wissen von der Wirkung der global vernetzten
Marketingstrategien gekonnt aus, obwohl er genau diese Mechanismen im Grunde
verachtet.
Aurora dagegen hat sich für die Wissenschaft entschieden,
sich macht sich Sorgen um die ökologische Zukunft der Menschen und der Erde,
forscht akribisch, um sich in einer Männer dominierten Welt der Wissenschaft
durchzusetzen. Natürlich will sie in ihrem Fachgebiet auch erfolgreich sein.
Nur Emiliano ist Journalist geblieben, er schreibt unabhängig
und kritisch und als er mit der Biografie von Duke beauftragt wird, weigert er
sich zunächst, sagt aber dann doch zu und beginnt zu recherchieren. Er will vor
allem den Menschen Duke zeigen.
In diesem modernen Roman zeigt Daniel Galera Probleme auf,
die im Grunde zeitlos sind. Wie viele ehemals stürmische, unangepasste 68er
sehen sich irgendwann um und müssen feststellen, dass sie bequem und zutiefst
bürgerlich geworden sind, in genau jenem Establishment, gegen das sie in ihrer
Jugend demonstriert haben. So ähnlich geht es nun der ebenfalls rebellierenden
Jugend der späten 90er, die sich der vielfältigen Möglichkeiten moderner
Informationstechnologien für eine völlig neue Art der Kultur einer globalen
Vernetzung ihrer gesellschaftskritischen Anliegen bediente und nun, erwachsen
im Alltag einer Karriere-orientierten Gesellschaft angekommen, resignierend
fragt, ob es das ist, wofür man mit jugendlichem Idealismus gekämpft hat. Es
sind Themen, über die wohl jeder Leser schon nachgedacht hat, die durch diesen
Roman vielleicht neue Sichtweisen bekommen und die sich sicher nicht mit der
letzten Seite dieses Buches abschließen lassen.
Fazit
Wer sich auf diesen Autor, seine Themen und seine Sprache einlässt, muss sich Zeit nehmen. Ein erster Test ist der allererste Satz dieses Romans, der über dreizehn gedruckte Zeilen geht und den man in einer Buchhandlung oder in einer Leseprobe lesen sollte. Man sollte auch bereit sein für eine manchmal harte, beinahe brutale Ausdruckweise und entsprechende Gedankenbilder. Dennoch ist der Autor nie wirklich destruktiv und er entlässt seine Protagonisten und Leser mit einem Ausblick in eine positive Zukunft, ein leises Bild, neue Erkenntnisse, neue Energien.
„Vielleicht bin ich ja nur der erfundene Freund eines verrückten Kindes, dachte er.“ (Zitat Seite 74)
Inhalt
Der junge, aufstrebende Vakuumkünstler Karl Sund, eigentlich Stiegenhauer, ist der Sohn des berühmten Künstlerpaares August und Ada Stiegenhauer. Zusammen mit seiner Freundin Mara lebt er in Berlin. Als bei Karls Mutter ein Gehirntumor festgestellt wird, nimmt sich sein Vater das Leben. Nach sieben Jahren Abwesenheit muss Karl daher nach Leinsee fahren, in die Villa seiner Kindheit. Die Situation, zusammen mit seinen Erinnerungen an Eltern, in deren Leben er nie wirklich gepasst hat, überfordert ihn. Eines Tages sitzt ein Mädchen auf dem Kirschbaum in seinem Garten und dieses Kind, Tanja, lehrt ihn die Freude und Spaß an den kleinen Dingen des Alltags. In Berlin findet seine bisher größte Ausstellung ohne ihn statt und Mara stellt ihm ein Ultimatum. Doch ist Karl bereit, wieder in sein altes Leben zurück zu kehren? …
Thema und Genre
Leinsee ist ein überaus vielschichtiger Roman, der eine Reihe von Themen und Problematiken verknüpft. Es ist einerseits eine Familiengeschichte, Eltern, in deren Zweisamkeit und Künstlerleben ein Kind wenig Platz hat, die Karl viel zu früh in die Selbstständigkeit entlassen. Daraus ergibt sich Karls im Grunde nie erfüllte Sehnsucht nach Mutterliebe. Andererseits ist diese Geschichte auch ein Ausflug in die Kunstszene zwischen Kreativität und Kommerz. Es fnden sich aber durchaus auch Anklänge an den traditionellen Entwicklungsroman, da Karl erst durch seine Beziehung zu der phantasievollen, direkten und ehrlichen Tanja langsam zu sich selbst und in sein eigenen Leben findet.
Charaktere
Der Hauptprotagonist Karl hat sich schon mit 26 Jahren einen Namen als Künstler gemacht, doch in seinem Leben fehlt noch immer etwas, er ist ein Suchender mit einigen Rückschlägen. Als in der Kunstszene durch die Ereignisse seine wahre Identität bekannt wird, macht ihn dies zwar noch erfolgreicher, aber er steht plötzlich wieder im Schatten seiner berühmten Eltern, genau das wollte er nicht. Er muss lernen, sich selbst und seinen eigenen Weg zu definieren. Mara ist eine erfolgreiche Regisseurin, die gewohnt ist, zielorientiert zu denken und zu agieren und erwartet von Karl, dass er ebenso handelt. Zwei weitere Protagonisten kommen aus der Kunstszene. Torben Behning, ebenfalls 26 Jahre alt, war zuletzt der Sekretär seiner Eltern und möchte unbedingt die Kunstsammlung auch weiterhin verwalten. Max Raiken, Galeriebesitzer ist Karls Manager und ehrlicher Freund. Mit diesen beiden Charakteren skizziert die Autorin völlig unterschiedliche Akteure in der Kunstszene, denen wir im realen Leben immer wieder begegnen. Die zweite Hauptprotagonistin Tanja – ist einfach Tanja und zieht den Leser sofort in ihren Bann.
Handlung und Schreibstil
Der Roman ist in einzelne Kapitel gegliedert, deren Überschrift jeweils eine genau definierte Farbe ist, nicht Blau, sondern Kornblumenblau, nicht Violett, sondern Kirschviolett, wobei jede Farbe auf den Inhalt des Kapitels Bezug nimmt. Die Erzählform stellt Karl in den Mittelpunkt, mit Ausnahme von einigen Rückblenden, seine Eltern betreffend.
Die Sprache spielt mit Beschreibungen, Metaphern und kommt
dann wieder mit ein-Wort-Sätzen aus. Sie
führt den Leser mit Leichtigkeit und Zartheit durch die Geschichte, trotz der
durchaus ernsten Themen und Ereignisse. Trauer ist tief und ehrlich, aber nie
larmoyant. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, manche Szenen sind so skurril
und genial geschildert, dass man als Leser laut auflacht. Die Liebesgeschichte
entwickelt sich sanft und leise, kommt manchmal mit nur wenigen Worten aus.
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass uns Anne Reinecke und der Diogenes Verlag hier ein Romandebüt vorlegen, welches wir in absehbarer Zeit auf den Shortlists für diverse Literaturpreise finden werden. Ein auch sprachlich beeindruckendes Buch, das man lesen und genießen sollte.
„Jetzt weiß ich, dass richtig und falsch erst existieren, nachdem man sich entschieden hat.“ (Zitat Seite 324)
Inhalt
Richard und Britta sind mit Knut und Janina seit Jahren eng befreundet, trotz der unterschiedlichen Lebensperspektiven. Während Janina sich auf das alte Haus im Grünen freut, das sie kaufen wollen, hat Britta sich bewusst für ein modernes Haus in Braunschweig entschieden. Britta Söldner ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Zusammen mit dem IT Spezialisten Babak Hamwi führt sie die „Brücke“, eine Heilpraxis im Bereich Psychotherapie und Tiefenpsychologie. Kern ihres Unternehmens ist der von Babak entwickelte Algorithmus, „Lassie“. Sie selbst sehen sich als Dienstleister, spezialisiert auf Menschen mit Selbstmordabsichten.
Plötzlich taucht gefährliche Konkurrenz auf, die nicht nur
ihr Geschäftsmodell stehlen will und dadurch ihre Existenz bedroht, sondern
auch ihr Leben und das ihrer neuesten Kundin Julietta …
Thema und Genre
Them
Charaktere
Mein Lieblingscharakter in diesem Roman ist Juliette, eine junge Frau, die genau weiß, was sie will und was sie nicht will. Verletzlich und dennoch selbstbewusst. Durch sie beginnt Britta, ihr Leben und ihre Handlungen zu hinterfragen.
Handlung und Schreibstil
Der Roman spielt in der nahen Zukunft, die BBB „Besorgte Bürger Bewegung“ hat die Regierung Merkel abgelöst. Den Menschen sind die Ideale abhanden gekommen, sie nehmen die Situation als gegeben und versuchen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen. Wichtige Themen sind Demokratie und Demokratieverständnis und die Frage, ob und wie lange man ein Leben im „Wegschauen“ führen kann. Speziell ist natürlich auch die Geschäftsidee der „Brücke“, definiert als Terrordienstleister.
Beispielhaft für den Zeitgeist, rund um den die Autorin ihre
Geschichte entwickelt, steht die Lebenssituation der beiden Ehepaare
Knut-Janina mit Tochter Cora, 7 Jahre alt, und Richard-Britta mit Tochter Vera,
7 Jahre alt. Erstere wollen ein altes, weit abgelegenes Haus auf dem Land
kaufen, während Britta bewusst eine gute Lage in einer mittelgroßen Stadt
gesucht hat und so auf Braunschweig gekommen ist. Britta verdient mit ihrer
Firma viel Geld, dies und der Erfolg sind für sie das Wichtigste im Leben –
ihre Ziele verfolgt sie skrupellos. Für ihre Familie bleibt da wenig Zeit. Von
ihrem Geschäftspartner Babak erwartet sie, dass er ihre Ideen ausführt und sich
ihren Zielen unterordnet.
Man könnte den Roman, geschrieben in der neutralen
Erzählform, als gesellschaftskritisches Zeitbild beschreiben, eingepackt in
einen fesselnden Thriller. Die Handlung ist spannend und enthält zahlreiche
Andeutungen und Wendungen, die den Leser lange über die wahren Gegner und
Hintergründe im Unklaren lassen.
Fazit
Die Autorin zeigt in ihrem Roman eine mögliche Zukunft Deutschlands mit Menschen, denen Träume und Wertvorstellungen weitgehend abhanden gekommen sind. Sie zeichnet ein ziemlich düsteres, aber nicht hoffnungsloses Bild.
Mich erinnert dieses Buch an die früheren
psychologisch-spannenden Romane von Juli Zeh und hat mich, im Gegensatz zu
Unterleuten, wieder völlig überzeugt. Ein Thema mit Tiefgang, großartig
umgesetzt.
„Wir haben Experten für alles, sagte Hidekuti. Wir können Regen machen, und wir können das so machen, dass die Kommission im Regen steht.“ (Zitat Seite 330)
Inhalt
Fenia „Xeno“ Xenopoulou hat Wirtschaft studiert, doch der erhoffte Aufstieg innerhalb der Europäischen Kommission beförderte sie ausgerechnet ins Kultur Ressort, als Leiterin der Direktion C, Kommunikation. Dies möchte sie rasch ändern und zumindest wieder ins Ressort Handel zurück. Gleichzeitig sucht Grace Atkinson, die neue Generaldirektorin des Kommunikationsdienstes nach einer zündenden Idee, das Image der Europäischen Kommission bei den EU Bürgern zu verbessern, das 50 Jahre-Jubiläum in zwei Jahren scheint ihr der perfekte Anlass. Fenia Xenopoulou wiederum sieht eine Chance, sich zu profilieren und erklärt das Big Jubilee Project zu einer Sache des Ressorts Kultur. Ihr Mitarbeiter Dr. Martin Susman kommt von einem Besuch in Auschwitz zurück und mit der hat eine Idee für das Jubiläumsprojekt. Die Überlebenden von Auschwitz, die der Wunsch nach einem Leben in Würde und Freiheit einte. Doch wo findet man diese Überlebenden?
Neue Visionen zur Zukunft der EU „New Pact for Europe“ sind
auch das Thema eines Think-Tank aus internationalen Fachleuten, dem auch der
österreichische Professor DDr. Alois Erhart. Er schlägt dem Gremium die
Errichtung einer neuen Hauptstadt vor …
Für weitere Verwirrung sorgt ein Schwein, das durch Brüssel
irrt und ein Mord im Hotel Atlas, den Kommissar Brunfaut untersuchen will, aber
nicht darf.
Thema und Genre
Robert Menasse beschreibt in diesem Roman das Gefüge der Europäischen Union, Abläufe in der Bürokratie von Brüssel, und dies alles so realistisch, dass es genau so passiert sein könnte, teilweise auch ist. Ähnliche Personen wie die Hauptakteure seiner Geschichte kennen wir alle. Kritisch werden Verträge hinterfragt, die internen Querelen nachvollzogen, aber Kernstück ist die Frage nach der Eigenständigkeit der Nationen unter der Idee einer supranationalen Zukunft – und der nach wie vor aktuelle Umgang mit der Vergangenheit.
Charaktere
In seinem Europa-Roman stellt der Autor die Hauptpersonen, um die er seine Geschichte entwickelt, dem Leser vor, indem er sie durch eine Gemeinsamkeit eint: alle sehen ein Schwein, dass durch Brüssel läuft und einen keineswegs friedlichen Eindruck macht.
Dies sind die ehrgeizige Fenia „Xeno“ Xenopoulou, gegen ihre
Wünsche ins Kultur Ressort befördert und Kai-Uwe Frigge, Kabinettchef
Generaldirektion Handel, mit dem sie eine lockere Beziehung hat;
Dr. Martin Susman, Mitarbeiter in ihrem Team, Kind
österreichischer Bauern, dessen Bruder Florian den elterlichen
Schweinemastbetrieb erfolgreich weiterführt;
Ryszard „Mateusz“ Oswiecki, der einen Auftrag ausgeführt hat
und untertaucht;
David de Vriend, der in Brüssel lebt, Auschwitz überlebt hat
und gerade in ein Altersheim übersiedelt ist;
Prof. DDr. Alois Erhart, auch im Alter noch damit
beschäftigt ist, seine Kindheit zu verarbeiten und endlich seine eigenen
Visionen findet;
Kommissar Emile Brunfaut der einen Mordfall vergessen soll, statt
ihn aufzuklären.
Jede dieser Hauptpersonen hat ihre eigene Geschichte, die
Menasse erzählt, teilweise durch Rückblenden, vor allem aber, indem er uns an
ihren Gedanken teilhaben lässt. Dadurch erklären sich Verhaltensweisen und
Handlungen. Manche der Personen kennen einander, andere begegnen sich, verharren
jedoch in der Anonymität der Großstadt und als Leser möchte ihnen zurufen, doch
miteinander zu reden, weil es wichtig wäre. Die Sprachenvielfalt in Brüssel
macht die Kommunikation nicht einfacher.
Handlung und Schreibstil
Die parallel laufenden Einzelschicksale machen die Geschichte spannend, dazu kommt die gekonnte sprachliche Qualität, die Lesevergnügen garantiert. Besonders die genialen philosophischen Betrachtungen über Dinge wie Senf und Insekten, die der Autor Dr. Martin Susman anstellen lässt, sind skurril, geistreich und witzig.
Leider lässt die Spannung in der zweiten Hälfte des Buches etwas
nach, der Autor will uns hier meiner Meinung nach einfach zu viel über Abläufe
in der EU und in den Kommissionen mitteilen und auch die langatmigen inneren Selbstdialoge
von Prof. Erhart haben dazu geführt, dass mich der Autor kurzzeitig verloren
hat, die Geschichte schien mir irgendwie in Nebensächlichkeiten auszufransen.
Dann jedoch führt der Autor die Personen im Finale nochmals zusammen und lässt
das Schicksal einen gewaltigen Schlusspunkt setzen.
Fazit
Beim Erscheinen dieses Romans war ich natürlich gespannt, aber die Leseprobe hat mich eher ratlos gemacht. Als Österreicherin kannte ich Menasse bisher nur als Essayist und dieser Roman schien für mich in Richtung Essay, zum Ganzen zusammengefügt, zu gehen. Doch trotz kleiner Einschränkungen hat mich dieser Roman überzeugt und ich habe ihn mit Vergnügen gelesen. Ich empfehle ihn für Leser, die am Thema Europa uinteressiert sind und mögliche Lösungswege für eine gemeinsame Zukunft, und an mit ihren Eigenheiten nur allzu menschlichen Personen. Wenn sie zu wissen glauben, dass EPP für European People’s Party, Europäische Volkspartei, steht, dann sollten sie lesen, was Menasse dazu eingefallen ist.
„All das hier wird weiter existieren, mal wird das Meer einen Eisrand haben, mal wird es glatt und gleißend im Sonnenlicht liegen, mal werden Herbststürme seine Oberfläche aufpeitschen, und ich werde nicht dabei sein.“ (Zitat Seite 183)
Inhalt
Katharina, Anfang 40, seit 17 Jahren verheiratet, zwei Kinder, 17 und 11, lebt auf dem Land an der Ostsee, nahe Lübeck. Ihr Ehemann Costa ist Architekt und arbeitet seit etwas mehr als einem Jahr in Berlin, sie führen daher eine Wochenendehe. Katharina selbst hat Musikwissenschaften studiert und hält im Kindergarten Kurse für frühkindliche Musikerziehung ab. Als sie zufällig „das Etwas“ an ihrer Brust entdeckt, ignoriert sie es zunächst und versucht, ihren Alltag wie bisher zu leben. Dann kommt wieder ein Freitag und sie beschließt, das soll das letzte normale Wochenende sein, am Montag danach wird sie einen Arzt suchen und vor allem, darüber reden. Gerade an diesem Wochenende jedoch hat ihr Mann einen wichtigen Geschäftstermin und muss in Berlin bleiben. So ist Katharina mit ihrem Wissen um das „Etwas“ und dem turbulenten Familienalltag allein und zudem hat ein langjähriger, sehr guter Freund aus Studienzeiten seinen Besuch angekündigt. Chaos ist vorprogrammiert…
Handlung, Thema und Schreibstil
Die komplexe Geschichte spielt an einem einzigen Wochenende, in Ich-Form aus Sicht der Hauptprotagonistin Katharina. Ihr bisheriges Leben wird durch ihre Erinnerungen, Rückblenden, erklärt. So erscheint der Zeitraum für den Leser weitaus länger, auch auf Grund der Dichte der Ereignisse – und es passiert eine Menge an diesem Wochenende. Tochter Hella, mit 11 Jahren irgendwo am Beginn der Pubertät und durch ADHS ohnedies schwierig und jederzeit für Überraschungen gut, ist daran nicht unbeteiligt. Dadurch hält die Autorin den Leser im Bann, bis zum Finale furioso steigt der Spannungsbogen langsam aber stetig und ohne Längen an.
Katharina fühlt sich durch ihren Mann in Berlin allein
gelassen, während sie in ländlicher Umgebung mit den Tücken des Alltags kämpfen muss. Durch ihren ausgeprägten
Beschützerinstinkt ist ziemlich chaotisch, obwohl sie ihr Leben in einzelne
Listen zu vielen Themen ordnet. Haushalt ist definitiv nicht ihr Lebensinhalt.
Insgesamt macht sie gerade das unfreiwillige Chaos, in das sie immer wieder
schlittert, sehr liebenswert und lebensnah.
Es geht in diesem Roman nicht darum, wie eine Frau Krebs
bewältigt, die Protagonisten müsste ja zunächst einen Arzt aufsuchen, um
Gewissheit zu haben. Genau dieser Phase der Vermutungen, Unsicherheit, aber
auch, was ist wenn, lässt die Autorin die Geschichte spielen.
Die Thematik reicht jedoch weit über das vordergründige
Problem „Frau entdeckt ein Etwas an ihrer Brust“ hinaus. Die Hauptprotagonistin
hatte sich ihren Berufsweg völlig anders vorgestellt, wollte ihre Dissertation
in Musikwissenschaften beenden und eine interessante Lehrstelle in diesem
Bereich suchen, als der Frauen gut bekannte Unterbruch durch die
Familiengründung entstand. So stellt sich auch Katharina zwischendurch die
Frage „was wäre gewesen, wenn“, besonders, da ihre drei Jahre jüngere Schwester
Sissi ebenfalls an der Musikhochschuhe studiert hat und Cellistin geworden ist.
Buch ist trotz der ernsten Themen in einer humorvollen,
wunderbar fließenden Sprache geschrieben, jede Seite birgt Sätze, die man am
liebsten alle würde zitieren wollen. In keiner Phase der Geschichte gleitet die
Hauptprotagonistin in jene wehleidige Larmoyanz ab, die sich in manchen Büchern
zu ähnlichen Themen wie Alltagsleben, Probleme mit dem Partner, Verlust der
Träume durch die banale Realität, findet, wo sich dann erwachsene Frauen wie
Teenager gebärden und die mich als Leserin überlegen lassen, das betreffende
Buch ärgerlich zur Seite zu legen. Hier ist es völlig anders, die Umsicht,
Humor und Sprachqualität, mit der diese Autorin an das Thema herangeht ist
beeindruckend und überzeugt. Vor allem gelingt es ihr, in der gesamten
Geschichte einen positiven Unterton mitschwingen zu lassen.
Fazit
Es ist das erste Buch von Mareike Krügel, das ich gelesen habe, aber es wird keinesfalls das einzige bleiben. So sollte ein moderner Frauenroman geschrieben sein, keine Trivia, sondern Themen, die uns alle betreffen, überzeugend und sprachlich großartig umgesetzt.
„Als ich meine Zimmertür von außen zuzog, war dick gelb umrandet ein Throw-up draufgesprayt: Romeo oder Julia: peng, peng.“ (Zitat Seite 162)
Inhalt
Kurt Prinzhorn ist ein Schriftsteller in einer Phase zurückgezogener, ländlicher Abgeschiedenheit, die er nur unterbricht, um zu wichtigen Literaturtreffen zu reisen, wo er als Vortragender eingeladen ist – so stehen nun Innsbruck, Moskau, Madrid auf dem Programm. Als er in Innsbruck ins Hotelzimmer zurückkehrt, steht er vor einer zwischenzeitlich benützen Badewanne, wo lange, schwarze Haare hinterlassen wurden. Sein Schlüsselbund fehlt und nach einem nächsten Einbruch auch die Tasche mit allen Notizbüchern, in denen er seine Vorträge vorbereitet hat. Weitere Zwischenfälle folgen in Moskau und Madrid – jemand verfolgt ihn, aber warum?
Thema und Genre
Der Roman wird aus Sicht des Schriftstellers Kurt in der ersten Person erzählt. Dies ermöglicht es dem Autor, teilweise humorvoll überzeichnete, teilweise sarkastische Bemerkungen zur Literaturszene, Kritik an der heutigen Hochglanz-Gesellschaft, literarische Anspielungen gekonnt in die Handlung einzufügen. Seine Liebe zur Sprache zeigt der Autor aber auch in den bildhaften Beschreibungen der Hotels, Städte, Landschaften. In den Personen rund um den Schriftsteller finden sich Charaktere, wie sie heute im Kunst- und Kulturbetrieb überall anzutreffen sind.
Charaktere
Der Hauptprotagonist Kurt scheint sich in einer Schaffenskrise zu befinden, ist aber auf Grund seiner bestehenden Werke bekannt und anerkannt. Der Leser fühlt mit ihm, besonders am Beginn der Vorkommnisse, da nicht nur er selbst zeitweise, sondern auch sein Bekanntenkreis nicht sicher ist, ob sich der Schriftsteller nicht alles nur einbildet.
Handlung und Schreibstil
Handlung und Schreibstil TextBeschreibungen
von langen Hotelfluchten, Vorhängen, die „tosen“, dunklen Gassen und das
Geheimnisvolle, Unerklärliche der Vorfälle lehnt der Autor an Elemente des
Schauerromans des 19. Jhd. an. Wie auch dort, erfolgt die Aufklärung erst mit
dem Schluss der Geschichte.
Der Roman
ist in vier Teile gegliedert: Innsbruck, Moskau, Madrid und Endstation Berlin, welche
dann in bezifferte Kapitel unterteilt sind. Eine besondere Bewandtnis gibt der
Autor allen 13. Kapiteln, die jeweils den Abschluss der Teile Innsbruck, Moskau
und Madrid bilden, denn hier erhält der Leser Hinweise auf mögliche Erklärungen
für die Vorfälle. Sehr speziell ist das Kapitel 13 Moskau, denn hier führen die
sprachgewaltigen Phantasien des Autors, scheinbar völlig zusammenhanglos, uns
in vergangene Jahrhunderte zurück. Im Kapitel 13 Madrid erfährt Kurt und damit
auch der Leser schließlich die tatsächlichen Hintergründe und Auflösung.
Fazit
Ein Roman für Leser zeitgenössischer Literatur, die bereit sind, auch die Sprache an sich wirken zu lassen, teilweise lange Satzgebilde, die sich nicht einfach mal so zwischendurch lesen lassen. Dennoch empfehle ich diesen Roman auch Lesern, die einen Gegenpol zu Trivia und Fantasy suchen, einfach Lust haben, sprachliches Neuland zu erlesen.
„Du kannst aus dem, was dir gegeben ist, nicht das Beste machen, wenn du es nicht annimmst.“ (Originalzitat)
Inhalt
Olga Rinke wächst bei der Großmutter in ärmlichen Verhältnissen auf, da ihre Eltern früh ums Leben kamen. Für ihren Traum von einer Ausbildung hat die Großmutter wenig Verständnis. Doch Olga schafft durch Fleiß und ihren starken Willen die Aufnahmeprüfung auf das staatliche Lehrerinnenseminar, beendet die Ausbildung zwei Jahre später mit Erfolg und erhält ihre erste Anstellung als Lehrerin.
Herbert Schröder stammt aus einer sehr begüterten Familie, die
Eltern besitzen ein Landgut, eine Zuckerfabrik und eine Brauerei. Seine
Ausbildung ist vorgegeben: Abitur, dann Einritt ins Garderegiment.
Olga und Herbert kennen einander, seit sie Kinder sind und
als sie älter werden, wird Liebe daraus. An eine Heirat ist jedoch nicht zu
denken, da Herberts Eltern eine reiche Erbin ausgesucht haben. Doch Herbert
zieht es ohnedies in der Ferne, zuerst Deutsch Südwest, dann Argentinien,
Karelien, Brasilien, Sibirien. Doch zwischen diesen Reisen kehrt er immer
wieder zu Olga zurück und sie verbringen gemeinsame Zeit. Dann beginnt er, sein
größtes Vorhaben zu planen, die Nordostpassage und die Arktis für Deutschland
zu erforschen. Ende Juli 1913 bricht die Expedition von Tromsö aus auf und scheitert.
Herbert gilt als verschollen und Olga muss ihr eigenes Leben weiterleben.
Thema, Handlung und Schreibstil
Der Autor gliedert den Roman in drei Teile. Im ersten Teil wird von einem beobachtenden Erzähler die Kindheit von Olga und Herbert geschildert und Olgas Leben während der zwei Weltkriege, Flucht aus Schlesien bis in die frühen 50er Jahre. Dann wechselt die Erzählform in die Ich-Form, erzählt von Ferdinand, für dessen Mutter, Frau eines Pfarrers, sie als Näherin tätig war. Damals ist Ferdinand ein Kind und Olga nimmt sich Zeit für ihn. In diesem zweiten Teil schildert Ferdinand sein Leben, aber immer auch mit Bezug auf Olga, denn sie bleiben in Verbindung. Der dritte Teil wird anhand der Briefe, die Olga ab 1913 nach Tromsö, postlagernd, an Herbert geschrieben hat und die Ferdinand viele Jahre später in dieser Stadt entdeckt. Diese Briefe schließen noch offene Lücken in Olgas Leben.
Diese ungewöhnliche Erzählform ist großartig umgesetzt, da der
Autor durch diese Form eine wichtige Periode der deutschen Geschichte am
Beispiel eines einzelnen, langen Menschenlebens in die Handlung schlüssig
einfügt. Dadurch und durch wechselnde weitere Protagonisten ergibt sich ein
Gesellschaftsbild des 20. Jahrhunderts. Dennoch sorgen die flüssige Sprache und
der Handlungsstrang dafür, dass die Lektüre spannend bleibt, überraschende
Wendungen eingeschlossen.
Herbert ist zwar einer der Hauptcharaktere, da auch seine
Geschichte jedoch aus der Sicht Olgas geschildert wird, dominierten hier seine
Suche nach Ferne, Weite und der Wunsch, etwas Besonders zu tun. Auch wenn er
immer wieder zu Olga zurückkehrt, hält er es nicht an einem Ort aus.
Olga dagegen zeigt sich uns als starke Frau, die ihren Weg
geht, weil sie es will. Sie ist von großer Herzenswärme, besonders Kindern
gegenüber. Als Lehrerin fördert sie die Ausbildung von begabten Kindern, setzt
sich für Stipendien ein. Sie erkennt klar Ferdinands Einsamkeit und fördert
ihn, wie zuvor schon Eik. Sie steht Kriegen und vor allem der Entwicklung
Deutschlands immer sehr kritisch gegenüber.
Ferdinand studiert und arbeitet sein ganzes Leben in einem
Ministerium. Er ist, im Gegensatz zum ruhelosen Herbert, ruhig und beständig.
Fazit
Bernhard Schlink enttäuscht auch mit seinem neuen Roman seine Leser nicht und ich empfehle diese Lektüre allen, die eine Erzählung mit zeitgeschichtlichem Hintergrund schätzen, in literarischer Qualität, aber ohne je bemüht zu wirken.
Das »Polackenkind« ist die fünfjährige Vera auf dem Hof im Alten Land, wohin sie 1945 aus Ostpreußen mit ihrer Mutter geflohen ist. Ihr Leben lang fühlt sie sich fremd in dem großen, kalten Bauernhaus und kann trotzdem nicht davon lassen. Bis sechzig Jahre später plötzlich ihre Nichte Anne vor der Tür steht. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn aus Hamburg-Ottensen geflüchtet, wo ehrgeizige Vollwert-Eltern ihre Kinder wie Preispokale durch die Straßen tragen – und wo Annes Mann eine andere liebt.
Handlung und Schreibstil
Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein altes Bauernhaus, das Vera von Kamcke als Flüchtlingskind zum ersten Mal betreten und nie wieder verlassen hat. Inzwischen gehört es ihr, sie hat es geerbt. Es geht um Fremdsein, Ankommen, manchmal Freundschaft und vor allem geht es um Familie, die wir trotz aller Verstrickungen, Verletzungen, vielleicht falscher Entscheidungen nicht einfach ignorieren können.
Dörte Hansens Schreibstil ist oft
bildhaft-verschwenderische, da darf sich ein Satz schon mal über 7 Zeilen
ausdehnen. Über den Frühling schreibt
die Autorin: „Die Felder sahen verheult aus, die Bäume tropften, zitterten,
aber an ihren kahlen Zweigen schwollen schon die Knospen.“ (Zitat, Seite 159). )
Dann wieder kommen, wo es um Sachverhalte geht, kurze, prägnante Sätze. Dies
macht es dem Leser einfach, diese Wortentspannungen zwischendurch. Dazu kommt
noch ihr Sprachwitz, trotz der insgesamt ernsten Thematik.
Fazit
Warum ich dieses Buch nach der letzten Seite mit Bedauern geschlossen habe, liegt einerseits an den beiden starken Protagonistinnen Vera und Anna und andererseits daran, dass hier das Landleben völlig entromantisiert beschrieben wird, die Jugend, die in die Städte zieht, während die Väter bleiben. Doch anders als in dem zur Zeit viel beworbenen Roman „Niemand ist bei den Kälbern“ von Alina Herbig (ich fand ihn furchtbar und die Handlungen der Protagonistin nicht nachvollziehbar), bleiben Dörte Hansen’s Figuren trotz oder wegen ihrer Unzulänglichkeiten nachvollziehbar und sympathisch.
Ein lesenswertes Buch für Freunde von zeitgenössischer
deutscher Literatur mit ernsten Themen, wie in diesem Fall das so gar nicht
romantische Leben auf dem Lande.
„Schnell, sagte sie. Schnell, geht weg.“ (Zitat Seite 32)
Inhalt
Es ist der zweite Dezember und die junge Familie freut sich auf ein paar ruhige Urlaubstage in dem gemieteten Haus in den Bergen. Der Mann, Drehbuchautor, schreibt unter Termindruck an einem neuen Drehbuch. Seine Frau Susanna ist Schauspielerin und die gemeinsame Tochter Esther ist gerade vier Jahre alt geworden. In der Abgeschiedenheit zeigen sich deutlich die Spannungen zwischen dem Ehepaar, immer wieder führen Dialoge zum Streit. Gleichzeitig scheint sich jedoch für den Autor immer wieder die Gegenwart unerklärlich in andere Dimensionen zu verschieben. Im Dorf warnt man ihn: Geht weg! und auch Susanna und Esther wollen den Urlaub abbrechen. Sie packen …
Charaktere
Erzähler dieser Geschichte ist der Drehbuchautor, die Ich-Form wechselt nur dort, wo er über seine Drehbuchfiguren Jana, Ella und Martin schreibt. Die Geschehnisse entwickeln sich um den kleinen Personenkreis der Familie. Hauptprotagonist ist jedoch der erzählende Drehbuchautor, man hofft mit ihm, dass dieser Urlaub, seine Ehe und auch sein Drehbuch ein positives Ende nehmen.
Handlung und Schreibstil
Daniel Kehlmann kommt mit nicht mal 100 Seiten und fünf Tagen aus, um eine phantastische Schauergeschichte von packender Dichte zu entwickeln. Vorrangig geht es zu Beginn um die bekannten Fragen vieler Paare, warum man kaum bemerkt hat, wie der Alltag immer mehr Risse in die Beziehung gebracht hat. Doch bald erfährt man, dass es wohl größere Probleme gibt, denn seine Wahrnehmungen des Hauses und später auch der Umgebung verändern sich, überlagern sich und was sich anfangs mit Träumen und Sinnestäuschungen erklären lässt, entzieht sich langsam jeder Logik. Irgendwie ist alles einerseits überdeutlich, andererseits vage – auch manche der niedergeschriebenen Gedanken verschwinden irgendwie, indem die Sätze in der Mitte einfach aufhören.
Fazit
Kehlmann spielt mit Elementen aus der Mystik und dem absolut Unerklärbaren. Er braucht keine Todesfälle, um diese verhältnismäßig kurze Erzählung spannend und unangenehm bedrohlich zu gestalten. Schnell zu lesen, klingt diese Geschichte noch lange in den Gedanken des Lesers nach.
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