Erzählungen und Romane – Franz Kafka

AutorFranz Kafka
Verlag Anaconda Verlag
Erscheinungsdatum 5. Oktober 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten1504
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3730609255

„Als der sechzehnjährige Karl Rossmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht.“ (Zitat Seite 569, aus: Der Verschollene- Amerika)

Thema und Inhalt

Diese Ausgabe enthält alle Erzählungen von Franz Kafka, nicht nur die von ihm selbst veröffentlichten Bücher, sondern auch einzeln veröffentlichte Texte und die Erzählungen aus dem Nachlass, herausgegeben von Kafkas Freund May Brod, sowie die drei Romane.

Gestaltung

Diese in Leinen gebundene Ausgabe mit Lesebändchen und Schutzumschlag ist auf Dünndruckpapier gedruckt, daher ist sie vom Gewicht und von der Dicke her noch handlich und auch bei längeren Lesestunden angenehm zu halten. Die verwendete Schriftgröße ist sehr gut zu lesen und die Papierqualität der einzelnen Seiten überzeugt, da nichts durchscheint.

Besonders an dieser Ausgabe ist auch die inhaltliche Vollständigkeit, denn neben Franz Kafkas bekannten Romanen „Der Prozess“ und „Das Schloss“ ist in dieser Sammlung auch der wenig bekannte, unvollendete Roman „Amerika (Der Verschollene)“ inklusive der erhaltenen Fragmente zu finden, der in anderen Sammelausgaben fehlt. Der Beginn dieses Romans war 1913 von Franz Kafka bereits als die Erzählung „Der Heizer“ veröffentlicht worden und ist daher auch in dieser Ausgabe in beiden Varianten vorhanden.

Das Buch beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis. Daran schließen die Erzählungen an und umfassen die Seiten 13 bis 565. Die Romane bilden ab Seite 567 bis Seite 1501 den zweiten Teil dieser Ausgabe, gefolgt von einem kurzen Quellenverzeichnis.

Fazit

Diese Sammlung ist vermutlich kein Buch, das man von Seite 1 bis Seite 1501 liest, lädt aber dazu ein, es immer wieder zur Hand zu nehmen und entweder einen der Romane, oder einige der Erzählungen zu lesen und so auch neue Texte und Facetten des vielseitigen Schriftstellers Franz Kafka zu entdecken.

Lausanne – Sherzad Hassan

AutorSherzad Hassan
Verlag Klingenberg Verlag
Erscheinungsdatum 24. Juli 2023
FormatTaschenbuch
Seiten66
SpracheDeutsch
ÜbersetzerRawezh Salim
Raphael Urweider
ISBN-13978-3903284210

„Ich weiß, es ist seltsam, aber ich fühlte mich wie ein Land, das in unzählige Teile zerrissen war, genau wie Kurdistan.“ (Zitat Seite 13)

Thema und Inhalt

Die Erzählung Lausanne ist eine Metapher auf das Schicksal des kurdischen Volkes, als ihr Land Kurdistan durch den Vertrag von Lausanne am 24. Juli 1923 in vier Teile aufgeteilt wurde, die an vier unterschiedliche Länder gingen.

Der Kurde Kawa studiert an der Sorbonne und ist geprägt von dem Schmerz, der Melancholie und Trauer über die Spaltung seines Landes. So kann aus einer möglichen Liebesgeschichte mit der Schweizer Studentin Lausanne schon auf Grund ihres Namens nur etwas Bitteres, zutiefst Trauriges und Verstörendes werden.

Die Erzählung wird ergänzt durch ein Interview mit dem Sherzad Hassan, seinen Vortrag „Zu Sprache und Person eines Autors“ und einen Beitrag von Sherko Kirmanj über den Vertrag von Lausanne.

Umsetzung

Die  Erzählung umfasst 26 Seiten und wurde im Jahr 2000 geschrieben. Im daran anschließenden Interview mit dem Autor, welches im Juli 2023 von Raphael Urweiler, Laura Schuler und Paul Klingenberg geführt wurde, erklärt dieser den politischen, aber auch traumatisierenden psychologischen Hintergrund seiner Erzählung und die Bedeutung seiner Figuren.

Daran schließt ein Beitrag von Prof. Sherko Kirmanj „Der Vertrag von Lausanne und das Los der Kurden“ an. Hier erklärt Sherko Kirmanj die weitreichenden Auswirkungen des Vertrages von Lausanne auf die Kurden. Denn hier wurden die im alten Vertrag von Sèvres festgeschriebenen Artikel 62 – 64 gestrichen, welche die Bildung eines eigenständigen, unabhängigen Kurdistan vorsahen und anderen politischen Zielen, vor allem den Interessen Großbritanniens, geopfert.

Den Abschluss dieses Buches bildet ab Seite 45 die Niederschrift eines Vortrags von Sherzad Hassan, gehalten am 18. Juni 1997 auf einer PEN Literaturkonferenz zum Thema „Zu Sprache und Person eines Autors“.

Fazit

„Es geht nicht um Schwarzmalerei, aber ich gehe davon aus, dass uns im Mittleren Osten in politischer, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht das denkbar erbärmlichste Schicksal der nächsten Jahrhunderte ereilen wird.“ (Zitat Seite 48) Dieses Zitat stammt aus dem PEN-Vortrag von Sherzad Hassan vom 18. Juni 1997 und die zeitlos gültige Aktualität und neue erschütternde Brisanz seit 2023 sind mit ein Grund, diese ungewöhnliche Erzählung und auch die interessanten, in ihrer Vielseitigkeit das Thema mit weiterem Wissen vertiefenden Anhänge zu lesen.

Die Verwandlung – Graphic Novel nach Franz Kafka

AutorFranz Kafka
Szenarist: Eric Corbeyran
IllustratorHorne
Verlag Knesebeck Verlag
Erscheinungsdatum 24. August 2010
FormatGebundene Ausgabe
Seiten48
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3868732665

„Als Gregor Samsa eines Morgens erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ (Zitat Seite 5)

Thema und Inhalt

Gregor Samsa erhält durch seine Tätigkeit als reisender Tuchhändler seine Familie, das sind seine Eltern und seine Schwester. Nach einem unruhigen Traum erwacht er als riesiges Ungeziefer mit einem dicken Rückenpanzer und dünnen Beinchen, hält dies zunächst immer noch für einen Traum. Doch rasch stellt er fest, dass er sich tatsächlich verwandelt hat, es ist sein Bett und sein Zimmer. Wie soll er dies seiner Familie beibringen, auch sein Chef fragt schon ungeduldig nach ihm. Eine beklemmende, traurige Geschichte, die viele Deutungsmöglichkeiten zulässt.

Gestaltung

Eric Corbeyran bleibt bei seiner Umsetzung von Kafkas bekannter Erzählung als Graphic Novel nahe am Originaltext und fängt so auch die ursprüngliche Stimmung der Geschichte perfekt ein, welche durch Hornes Illustrationen beeindruckend umgesetzt und vertieft wird.

Fazit

Eine beklemmende, aber auch sehr berührende Version von Kafkas bekannter Erzählung von einem Menschen, der sich über Nacht in eine große Schabe verwandelt, eine großartige Ergänzung zu Franz Kafkas Werk.

Eins + eins = drei – Lutz Flörke & Vera Rosenbusch

AutorLutz Flörke
AutorinVera Rosenbusch
Verlag BoD
Erscheinungsdatum 27. Februar 2024
FormatTaschenbuch
Seiten152
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3758330704

„Die Buchen sterben ja nicht aus, nur die Bücher. Gerade als ich damals, vor ewigen Zeiten mit dem literarischen Schreiben beginnen wollte, erreichte mich die Nachricht, das Gutenbergzeitalter sei vorbei.“ (Zitat Seite 9, 10 – Kollektivtext)

Thema und Inhalt

Die Idee dieser besonderen Zusammenarbeit ergab sich bereits vor vielen Jahren im Literaturlabor, daraus entstanden neben eigenen Veröffentlichungen gemeinsame Projekte wie Bühnenprogramme, Literarische Salons, Literarische Spaziergänge durch Hamburg. Nun liegt dieser erste gemeinsame Erzählband vor. Die Texte ergeben sich aus individuellen Zugängen zum Schreiben und Erzählen, kurze Geschichten, Fragmente in Fragen und überraschenden Antworten, Gedanken und spontane literarische Schilderungen von im Grunde alltäglichen Ereignissen.

Umsetzung

In diesem Jahrbuch Nr. I schreiben sich Lutz Flörke und Vera Rosenbusch einzeln oder im Kollektiv in insgesamt fünfundzwanzig Geschichten durch alle Monate eines Jahres, beginnend im April, endend mit zwei Märzgeschichten. Flörke & Rosenbusch sind genaue Beobachter, die sich Gedanken machen, kritisch, spontan, oft mich überraschenden Ergebnissen und mit einem großen Augenzwinkern. In jedem Satz, jeder Geschichte spürt man die große Lust am Erzählen und am Ausloten der vielfältigen Möglichkeiten, welche sich durch wechselnde Perspektiven und ebenso facettenreiche Ausdrucksformen ergeben.

„Eine Postkarte ohne Bild fällt heraus. Segelt, ganz langsam, durch den Bücherduft, gleitet, schwebt.“ (Zitat Seite 53 – Flörke)

„Ich bin eine Dichterin und brauche eine eigene Welt. Die schreibt mir der gestreifte Füller.“ (Zitat Seite 134 – Rosenbusch)

Fazit

Aus alltäglichen Situationen im Jahreslauf entstehen ungewöhnliche Geschichten mit unvorhersehbaren, überraschenden Resultaten. Eins + Eins = Drei = Lesevergnügen!

All die schönen Winter – ausgewählt von Clara Paul

AutorDiverse
Verlag Insel Verlag
Erscheinungsdatum 11. September 2023
FormatTaschenbuch
Seiten190
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3458682998

„Der Maronibrater war ein Bild aus dem Märchenbuch der Großstadt. Zwei Kastanien kosteten einen Kreuzer. Das war ein so unverrückbarer Preis wie etwa der der Semmel.“ (Zitat Seite 53, aus: Der Maronibrater, von Alfred Polgar)

Inhalt und Thema

Dieser Sammelband enthält zweiunddreißig Geschichten, die an eine Winterzeit, wie es früher war, erinnern. Das Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt: Wundertage, Winterfreuden, Weihnachtszauber, Winterende

Gestaltung

Robert Walser eröffnet den Geschichtenbogen mit seiner Erzählung „Schnee“ und am Ende dieser Sammlung steht seine Geschichte „Winter“. Dazwischen finden wir alle bekannten deutschsprachigen Autoren und Autorinnen, von Thomas Bernhard über Max Frisch, Hermann Hesse, Peter Rosegger, Peter Handke, Elke Heidenreich, bis zu Robert Walser. Eine englische Autorin ist in dieser Sammlung auch vertreten, Katherine May.

Fazit

Es sind beschauliche Geschichten zum Wohlfühlen, Kindheitserinnerungen, die in eigene Erlebnisse zurückführen oder Geschichten, wir man früher schon gelesen hat, aber gerne wieder liest.

Weird Winter Tales: A Fifth Collection of Classic Ghost Stories for Christmas

AutorDiverse
Verlag Black Heath Editions
Erscheinungsdatum 13. Dezember 2018
FormatKindle Ausgabe
Seiten275 (Print-Ausgabe)
SpracheEnglish
ASINB07LCRD26J

„I have never until now given any account of the strange proceedings that occurred at Faildyke Hall on the evening of Christmas Eve in the year 1890.” (Zitat Pos. 77, aus: Tarnhelm by Hugh Walpole)

Inhalt, Thema und Genre

Dies ist bereits die fünfte Sammlung von klassischen englischen Grusel- und Geistergeschichten, die im Viktorianischen und Edwardianischen Zeitalter, also zwischen 1840 und 1914, entstanden sind. Teilweise waren diese Erzählungen bisher nicht wieder veröffentlicht worden. Es sind Geschichten, wie sie damals an den langen Abenden rund um die Weihnachtstage erzählt wurden. Im Mittelpunkt dieser dreiundzwanzig Geschichten stehen alte englische Herrenhäuser, man sitzt gemütlich vor dem Kamin versammelt, in dem ein wärmendes Feuer prasselt. Es ist meistens ein Erzähler, oder eine Erzählerin, die etwas selbst Erlebtes schildert, oder eine Geschichte, die damit in einem engen Zusammenhang steht. Denn eines haben alle diese Herrenhäuser gemeinsam, es gibt einen Geist, der in dieser besonderen Winterzeit in Erscheinung tritt.

Fazit

Auch dieser fünfte Band der Serie enthält die typisch englischen, klassischen Gothic Stories, wie wir sie gerade während der dunklen Wintertage mit Begeisterung lesen. Positiv ist, dass die Sprache nicht modernisiert wurde, sodass es ein wirklich authentisches Lesevergnügen ist, sich in abgelegenen, alten Herrenhäusern stilvoll zu gruseln.

Nach der Flut das Feuer: The Fire Next Time – James Baldwin

AutorJames Baldwin
Verlag dtv Verlagsgesellschaft
Erscheinungsdatum Januar 2019
FormatKindle Ausgabe
Seiten106 Seiten (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinMiriam Mandelkow
ASINB07KMC9K1B

„Du hast keine Veranlassung, so zu werden wie die Weißen, und es gibt nicht die geringste Grundlage für ihre unverfrorene Annahme, sie müssten Dich akzeptieren. Die schreckliche Wahrheit ist, mein Junge: Du musst sie akzeptieren.“ (Zitat Seite 38)

Thema und Inhalt

Diese Essaysammlung des US-amerikanischen Schriftstellers ist im Jahr 1962 unter dem englischen Titel „The Fire Next Time“ erschienen, der Tite der ersten Ausgabe in deutscher Sprache trug den Titel „Hundert Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung“, was eine der Kernaussagen von Baldwins Texten auf den Punkt brachte. Die vorliegende Neuauflage hält sich dagegen an den Originaltitel, ein Zitat aus dem Alten Testament. Dieses Buch umfasst zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt trägt die Überschrift Mein Kerker bebte und enthält einen Brief an seinen Neffen zum hundertsten Jahrestag der Sklavenbefreiung. Der zweite Abschnitt trägt den Titel Vor dem Kreuz, Brief aus einer Landschaft meines Geistes und verbindet seine Erinnerungen, seine persönliche Erfahrungen mit seiner Einschätzung der amerikanischen Gesellschaft.

Umsetzung

James Baldwin schildert seine Jugend, seinen Weg in die Religion, von der er sich jedoch früh wieder abwendet, weil er die Verzweiflung und den Hass, den er dort vorfindet, nicht mit seinen Ansichten vereinbaren kann, dass es eine friedliche Lösung geben müsse, ein Annähern und gegenseitiges Verständnis, auch wenn er klar formuliert, dass dies ein sehr langer, mühevoller Weg für Amerika sein werde. Aus diesem Grund schließt er sich auch nicht der Black-Muslim-Bewegung an, fragt, ob Liebe nicht wichtiger sei, als die Hautfarbe und sieht die Zukunft Amerikas in einem Miteinander von Schwarz und Weiß. „Kurz gesagt brauchen wir, Schwarz und Weiß, einander dringend, wenn wir wirklich eine Nation werden wollen – um mit anderen Worten wirklich eine Identität zu erlangen, unsere Reife als Männer und Frauen.“ (Zitat Seite 117, 118) Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Jana Pareigis und endet mit einer Nachbemerkung der Übersetzerin in Bezug auf die moderne Wortwahl einiger Begriffe.

Fazit

Baldwins eindrückliche Beobachtungen und Überlegungen waren nicht nur einhundert Jahre nach der formellen Abschaffung der Sklaverei in Amerika aktuell und zutreffend, sondern haben auch heute, einhundertfünfzig Jahre später, nichts von ihrer Brisanz verloren und dies nicht nur in Amerika, sondern analog auch in Europa.

Helga Schubert über Anton Tschechow – Helga Schubert

AutorHelga Schubert
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Herausgegeben vonVolker Weidermann
Erscheinungsdatum 5. April 2023
FormatGebundene Ausgabe
Seiten112
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462003789

„Und Tschechow lesen: erst den letzten Satz und dann den ersten Satz, dann die letzte Seite, dann die erste, um diese wunderbare Brücke zu sehen. Die er auch für mich baute.“ (Zitat Pos. 859)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist der vierte Band der Serie „Bücher des Lebens“, herausgegeben von Volker Weidermann. Als Helga Schubert gefragt wird, ob sie ein kleines Buch für eine neue Buchreihe schreiben will, in der Schriftsteller über ihre Lieblingsschriftsteller nachdenken, fällt ihr sofort Tschechow ein. Kann sie so einen Text schreiben, während sie gleichzeitig an ihrem neuen Roman arbeitet? Sie kann, denn sie spürt in sich eine innere Brücke zu Anton Pawlowitsch Tschechow, zieht Parallelen zwischen seiner Tätigkeit als Arzt und Schriftsteller und ihrer als klinische Psychotherapeutin und Schriftstellerin. So wie sie über viele Jahre alle guten Erinnerungen gesammelt hat, Liebe, Wärme, Bilder und Musik, so pflegte Tschechow sich alles zu notieren, was er erlebte, Geschichten und Aussprüche, die er hörte, und wenn er etwas davon in einer Erzählung oder Theaterstück verwendet, streicht er es durch. Es ist eine sehr persönliche Reise durch ihr Leben als Schriftstellerin, auf die uns Helga Schubert mitnimmt, und gleichzeitig erschließt sie uns den Schriftsteller und das Werkt Tschechows in vielen Facetten.

Umsetzung

Einem kurzen Vorwort von Volker Weidermann folgt der eigentliche Text von Helga Schubert, der die Überschrift trägt: „Eine Brücke zu Anton Pawlowitsch Tschechow“. Helga Schubert beginnt mit jenem Buch von Tschechow, das sie schon viele Jahre lang begleitet. Es ist eine Kurzgeschichte aus diesem Buch, „Gram“, die sie als junge Studentin zum ersten Mal gelesen hat und die zur wichtigsten Erzählung im Leben der nun 83-jährigen Schriftstellerin wurde. Wir lesen hier die ganze Geschichte. Helga Schubert teilt sie in einzelne Abschnitte, erklärt und interpretiert diese mit ihren eigenen Sichtweisen und persönlichen Eindrücken beim Lesen. Den darum geht es Helga Schubert, sie will uns nahebringen, was sie von diesem Autor auch in Bezug auf Schreibtechniken und schriftstellerischer Disziplin gelernt hat. Gleichzeitig erzählt sie von ihren Reisen noch zu Zeiten der Sowjetunion auf Tschechows Spuren nach Moskau und zu seinem Haus in Jalta auf der Krim, heute Gedenkstätte und Museum, von ihrem Treffen mit einer Nichte Tschechows und von ihrer eigenen Tätigkeit als Schriftstellerin in der DDR. Ihr Text endet mit einem Nachsatz, es folgen Tschechows Lebensdaten und die Erklärungen der durchnummerierten Fußnoten. Den Abschluss bilden Kurzbiografien von Helga Schubert und Volker Weidermann.

Fazit

Dieses Buch zeigt Tschechow nicht nur als Schriftsteller, sondern auch seine vielleicht weniger bekannten Seiten als Familienmensch und macht sofort Laune darauf, seine Erzählungen (wieder) zu lesen, besonders die hier oft zitierte Erzählung „Gram“, über die Katherine Mansfield in ihr Tagebuch schrieb: „Sie ist eines der Meisterwerke der Welt.“ (Zitat Pos. 849)

Das Sommerbuch – Tove Jansson

AutorTove Jansson
Verlag Lübbe
Erscheinungsdatum 13. Juni 2014
FormatGebundene Ausgabe
Seiten208
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3785724989

„Es war ein früher, sehr warmer Morgen im Juli, in der Nacht hatte es geregnet. Von dem nackten Fels stieg Dampf auf, das Moos und die Felsspalten waren getränkt von Nässe, und alle Farben leuchteten tiefer.“ (Zitat Seite 23)

Inhalt

Mit den oben zitierten Worten beginnt die Geschichte eines Sommers im einfachen Ferienhaus der Familie auf einer finnischen Insel. Sophia ist sechs Jahre alt und verbringt viel Zeit mit ihrer Großmutter, da ihr Vater meistens beschäftigt ist. Sie erkunden die Natur, beobachten, und erzählen einander Geschichten. Nicht alle Fragen Sophias kann oder will die Großmutter beantworten und nicht immer sind die Antworten so, wie Sophia es sich vorstellt oder wünscht. Wenn die Nächte langsam dunkler und kälter werden, ist es Zeit, das Ferienhaus auf den Winter vorzubereiten und die Insel zu verlassen, bis zum nächsten Frühjahr.

Thema und Genre

In diesem Buch geht es um die Geschichten und Erlebnisse eines Sommers. Themen sind Familie, Kindheit, Jugend und Alter, die Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin, das einfache Leben auf einer kleinen Ferieninsel.

Charaktere

Sophia ist eine typische Sechsjährige, wissensdurstig, neugierig, voller Fragen. Gleichzeitig ist sie manchmal ängstlich und trotzig. Wir erfahren zwar, in welchem Jahr die Großmutter geboren wurde, kennen aber ihr genaues Alter nicht. Berechnet man das mögliche Alter einer Frau mit einer sechsjährigen Enkelin, so ist für mich diese Figur nicht authentisch, ihre Beschwerden schildern eine sehr alte Frau.  

Handlung und Schreibstil

Die einzelnen Kapitel sind in sich abgeschlossene Episoden eines Tages oder einer Nacht, daher spielt es keine Rolle, dass sie nicht immer chronologisch verlaufen. So atmet auch die Form der Erzählung die spontane Freiheit von Sommertagen. Die Sprache ist poetisch und schildert neben den alltäglichen Geschichten der beiden Hauptfiguren, Sophia und ihre Großmutter, auch das einfache Inselleben der damaligen Zeit. Die Beschreibung „… darüber flogen Schwalben mit schrillen Schreien, wie Messer fuhren sie durch die Luft.“ (Seite 180) bezieht sich eindeutig auf Mauersegler, doch das liegt wohl nicht an Tove Jansson, sondern sicher an der Übersetzerin.

Fazit

Auf Grund von sehr positiven Besprechungen und Empfehlungen in Literaturzeitschriften wurde ich auf dieses Buch aufmerksam. Obwohl ich die aus den Kindheitserinnerungen der Schriftstellerin entstandenen Geschichten über finnische Inselferien mit Interesse gelesen habe, blieb es für mich Lektüre, die mich nicht tiefer beeindruckt hat.

Am Anfang war der Beutel – Ursula K. Le Guin

AutorUrsula K. Le Guin
Verlag thinkOya
Erscheinungsdatum März 2020
FormatTaschenbuch
Seiten96
SpracheDeutsch
Übersetzung, VorwortMatthias Fersterer
ISBN-13978-3947296088

„Beim Lesen nehmen wir das auf, was wir aufnehmen können und möchten, nicht das, was mit überwältigender Geschwindigkeit, Unnachgiebigkeit und Lautstärke in uns hineingeschaufelt wird. Beim Lesen einer Geschichte wird mir vielleicht etwas erzählt, aber mir wird nichts angedreht.“ (Zitat aus „Die Gebrauchsanweisung“, Seite 27)

Thema und Inhalt

Diese Sammlung von Essays der bekannten Autorin Ursula K. Le Guin, deren utopische Romane inzwischen zeitlose Klassiker der Literatur sind, trägt den Untertitel „Warum uns Fortschritts-Utopien an den Rand des Abgrunds führten und wie Denken in Rundungen die Grundlage für gutes Leben schafft“. Themen sind Erzählformen des Romans, das Lesen, Gesellschaftskritik, utopische Literatur nicht als Hoffnung auf eine bessere Zukunft, sondern als Schaffung einer überzeugenden Alternativrealität, als Anregung für die Lesenden, über die Möglichkeiten von friedlichen Gesellschaftsstrukturen ohne Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten nachzudenken.

Gestaltung

Neben ihrer bekannten Tragetaschentheorie des Erzählens „The Carrier Bag of Fiction“, erstmals veröffentlicht 1989, finden sich hier noch folgende Essays: „Die Gebrauchsanweisung“, „Ein nicht-euklidischer Blick auf Kalifornien als kalten Tag in spe“, „Ein Kampf ohne Ende“ – eine Zusammenfassung von  Gedankennotizen  zu verschiedenen Themen, „Utopyin, Utopyang“, „Weiterhin verwandt“, und das Gedicht „Unumgrenzt“.

Für Ursula K. Le Guin liegt die positive Zukunft der Menschen nicht im Speer, Sinnbild für den Krieg, sondern im Tragebeutel, in den Gefäßen, mit denen die Nahrung gesammelt und gelagert werden kann, eine Theorie, entwickelt von der US-amerikanischen Journalistin und Autorin Elizabeth Fisher in ihrem Werk „Women’s Creation“. Diese Geschichte, verbunden mit dem Tragebeutel, entwickelt Ursula K. Le Guin weiter in eine Tragetaschentheorie des Erzählens. Ihre eigenen Erfahrungen beim Schreiben ihrer ersten Science-Fiction-Romane beschreibt sie als Sammeln und Herumtragen einer imaginären Tragetasche voller Ideenschnipsel, von kleinen Dingen bis zu Raumschiffen, voll von  den unterschiedlichsten Figuren, Anfängen, Wendungen. „Eingangs habe ich geschrieben, dass es schwierig sei, eine packende Geschichte davon zu erzählen, wie wilden Haferspelzen Haferkörner abgerungen werden – nicht dass es unmöglich sei. Wer hat behauptet, dass es einfach sei, einen Roman zu schreiben?“ (Zitat aus „Die Tragetaschentheorie des Erzählens“, Seite 20)   

So wie in ihren Romanen, finden sich auch in den hier zu lesenden Essays die Grundanliegen und Kernthemen der US-amerikanischen Autorin: friedliches Zusammenleben, Gerechtigkeit und Gleichheit ohne Ausgrenzung und ohne Unterdrückung. Es sind dies zeitlos gültige Aussagen und gerade in unserer Zeit aktuell und lesenswert.

Fazit

Statt einer Begründung, warum man diesen Essayband lesen sollte, ein Zitat aus diesem Buch: „Die Fähigkeit, zu lesen, ist deshalb so wichtig, weil die Literatur die Gebrauchsanweisung ist. Das beste Handbuch, das wir haben. Die hilfreichste Anleitung für das Land, das wir besuchen: das Leben.“ (Zitat aus „Die Gebrauchsanweisung“, Seite 28)

Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen – Torsten Sträter

AutorTorsten Sträter
Verlag Ullstein extra
Erscheinungsdatum 27. Oktober 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten288
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3864932274

„Denn geben Sie es ruhig zu: In den letzten Minuten, in denen Sie dies lasen, waren Sie nicht in der Lage, einen einzigen strukturierten Gedanken zu fassen – und das ist gut so. Es entspannt das Gehirn.“ (Zitat Seite 166)

Thema und Inhalt

Torsten Sträter ist  Autor, Satiriker und auf Grund seiner Vielseitigkeit auch noch vielen weiteren Genres zuordenbar, eine ungewöhnliche, facettenreiche Mischung, wie auch seine mit Preisen ausgezeichneten Bücher, Fernsehsendungen und Tourneen. Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von mehr als vierzig Geschichten des Autors, die in den letzten drei Jahren entstanden sind. Eine aktuelle Zeitreise vom Nibelungenlied über den Highlander bis zu Omikron, dazu im Januar 2022 die Anleitung für mehr Ruhe und Gelassenheit. „Nichts erwarten, viel bekommen. Weil man auch bei wenig bekommen viel bekommt, wenn man nix erwartet.“ (Zitat Seite 90)

Umsetzung

Das Buch ist in neun große Abschnitte und übergeordnete Themen unterteilt, darin die jeweils passenden Geschichten. Beginnend von Stories, über die Pandemie-Papiere, von sinnlosen Redewendungen, über Sträters Ansprachen ans Volk bis zu seinen speziellen Filmempfehlungen in Teil neun. Diese Sammlung von kurzen Texten ist kein Buch, das man unbedingt von der ersten bis zur letzten Seite lesen muss, man kann, muss aber nicht. Man kann es immer wieder zur Hand nehmen, einzelne Texte, oder Kapitel lesen. Denn eines funktioniert immer: man hat sofort das Bild von Sträters Fernsehauftritten und Live-Programm im Kopf, mit einem Unterschied, während man bei diesen Auftritten vor Lachen wohl immer mal die nachfolgenden Sätze verpasst, kann man beim Lesen in Ruhe lachen, noch mehr lachen und dann, ebenfalls in Ruhe, die Stelle nachlesen. Das alles kann man beliebig oft wiederholen, oder weiterlesen, perfekt.

Fazit

Diese Geschichten sind unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse während der letzten drei Jahre entstanden und zu einer speziellen Situation oder einem besonderen Thema, um mit vielen Schleifen und Umwegen dann bei einem oder auch mehreren völlig anderen Themen zu landen. Das alles zwischen sehr witzig, ziemlich schräg und satirisch-böse, aber immer auch sehr menschlich.

Die Taube – Patrick Süskind

AutorPatrick Süskind
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 24. April 1990
FormatTaschenbuch
Seiten112
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3257218466

„Er sei zu Tode erschrocken gewesen – so hätte er den Moment wohl im nachhinein beschrieben, aber es wäre nicht richtig gewesen, denn der Schreck kam erst später. Er war viel eher zu Tode erstaunt.“ (Zitat Seite 15)

Inhalt

Jonathan Noel ist über fünfzig Jahre alt. Er arbeitet als Wachmann in einer Bank in Paris. Seit vielen Jahren wohnt er zufrieden und zurückgezogen in einem kleinen Einzimmerappartement im sechsten Stock eines Hauses in der Nähe seines Arbeitsplatzes. Doch an diesem Freitag im August des Jahres 1984 wird die ruhige Routine seines Tagesablaufs empfindlich gestört. Eine Taube sitzt im Flur, nicht weit von seiner Türschwelle entfernt, und scheint ihn anzustarren. Dies versetzt ihn in Panik und seine geordnete Welt gerät völlig aus den Fugen.

Thema und Genre

In dieser Novelle geht es um einen Mann, dessen genau festgelegter Tagesablauf durch das zufällige Auftauchen einer Taube gestört wird.

Charaktere

Jonathan Noel verabscheut Überraschungen, denn es gab gravierende Ereignisse in seinem Leben, die er am liebsten vergessen möchte, die sich dennoch immer wieder in seine Erinnerung drängen. Pflichtbewusst, genügsam, manchmal in den Gedanken leicht überheblich gegenüber seinen Mitmenschen, ist Jonathan keine besonders sympathische Hauptfigur, dennoch empfindet man Mitleid mit ihm.

Handlung und Schreibstil

Die Geschichte spielt an einem einzigen Tag. Es ist ein heißer Freitag im August, der mit einem unvorhergesehenen Ereignis beginnt. Diese Taube im Hausflur versetzt Jonathan Noel in einen Schockzustand, mit spontanen Entscheidungen, die ihn im Laufe des Tages ins Chaos stürzen. Es sind nicht nur seine Erlebnisse, sondern vor allem seine Gedanken und Gefühle zwischen Panik und Pflichtbewusstsein, seine verzweifelten Versuche, an seinem korrekten, in seinen Augen untadeligen Verhalten festzuhalten, während seine Gedankenphantasien sich von genau diesen Zwängen zu lösen scheinen.

Fazit

Eine moderne Novelle, beklemmend und psychologisch vielseitig interpretierbar.

Das Salzfass – Simon Sailer

AutorSimon Sailer
IllustratorJorghi Poll
Verlag Edition Atelier
Erscheinungsdatum 22. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten128
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3990650462

„Nur dieses Salzfass war hier. Mitten im Lager stand es. Nicht einmal versteckt, ganz so, als hätte er es noch mitnehmen wollen.“ (Zitat Seite 9)

Inhalt

Als die Antiquitätenhändlerin das Geschäft übernimmt, ist es vollkommen leer, sowohl der Geschäftsraum, als auch das Lager. Nicht ganz, im Lager steht ein einziger Gegenstand, ein altes Salzfass aus englischem Silber und Kobaltglas. Sie beobachtet den Mann, der ihr Geschäft betreten hat, schon seit einer Weile und spürt deutlich sein Interesse an dem Salzfass, also erzählt sie ihm die Geschichte dieses Gegenstandes. Schon sein Vater war Antiquitätenhändler gewesen und nach seinem Tod hat sein Sohn Maurice Demel das Geschäft übernommen. Eines Tages wird ihm ein Nachlass angeboten, das hübsche kleine Salzfass gehört dazu. Doch bald bemerkt Maurice, dass dieser Gegenstand geheimnisvolle Kräfte zu haben scheint, es ist nicht nur ein weißes Geflecht, das er zunächst für Salzreste hielt, das aber die Größe verändern kann und immer mehr auch in seine Gedanken zu dringen scheint und bald sein Leben bestimmt. Er will es verkaufen, notfalls auch verschenken, doch so einfach ist das nicht.

Thema und Genre

Diese Erzählung spielt im modernen Wien von heute und ist eine eigenwillige Version eines klassischen, phantastischen Schauerromans mit Ereignissen, für die es keine logische Erklärung gibt.

Charaktere

Maurice Demel ist ein erfolgreicher Antiquitätenhändler, bis sich dieses Salzfass in sein Leben drängt. Seine Hilflosigkeit diesem Phänomen gegenüber erzeugt auch beim Lesenden Beklemmung und gespannt folgen wir seinen Versuchen, sich irgendwie mit dem Ding zu arrangieren und es so rasch als möglich loszuwerden.

Handlung und Schreibstil

In der Rahmenhandlung begegnen wir einer gesprächigen, engagierten Antiquitätenhändlerin in ihrem ersten eigenen Geschäft in der Wiener Innenstadt. Sie ist überzeugt, sofort zu erkennen, ob ein Kunde kaufen will, oder sich nur umsieht. Als sich ein Kunde für das Salzfass zu interessieren scheint, beginnt sie, ihm die Geschichte ihres Vorgängers Maurice Demel zu erzählen, wobei nicht sicher ist, was sie darüber tatsächlich weiß und was sie erfindet, um das Objekt für den möglichen Kunden spannend zu machen. Diese Geschichte von Maurice, in deren Mittelpunkt das Salzfass steht, ist die Haupthandlung. Der Autor beginnt leise, mit einer Schilderung eines durchaus üblichen Geschäftsvorganges im Antiquitätenhandel. Stetig und rasch steigt dann die Spannung und sorgt für unvorhersehbare Situationen und eine völlig überraschende Wendung. Zahlreiche schwarz-weiße Illustrationen, passend zum Genre, ergänzen die Geschichte.

Fazit

Die moderne, facettenreiche Version eines klassischen Schauerroman, packend und beklemmend.

Winterschwimmer – Alexander Osang

AutorAlexander Osang
Verlag Aufbau Taschenbuch
Erscheinungsdatum 14. September 2018
FormatTaschenbuch
Seiten239
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3746634913

„In einer kleinen Lichtung entdeckte er im Mondlicht einen unwirklich schönen Baum. Schwarz wie ein Scherenschnittweihnachtsbaum aus einem Kinderbuch.“ (Zitat aus „Weissenseer Wölfe“, Seite 36)

Inhalt

Der Autor schreibt seit 1995 jedes Jahr eine Weihnachtsgeschichte. Dieses Buch enthält vierzehn von diesen Erzählungen, darunter auch die Geschichte „Winterschwimmer“, die dieser Sammlung den Namen gab.

Thema und Genre

Alle Geschichten spielen in und um Berlin in den Tagen rund um Weihnachten und es geht um die an diesen Feiertagen immer präsenten Themen wie Familie, Ehe und Beziehungen in allen Facetten, doch auch Ost-West und damit verbundene Erinnerungen tauchen auf. Hier geht es um mehr, als die  bekannten Schilderungen von fröhlichen, romantischen, üppigen Weihnachtsfeiern.

Handlung und Schreibstil

Es sind Momentaufnahmen von alltäglichen Ausgangssituationen und den folgenden Erlebnissen, vom Aussuchen des perfekten Baumes bis zu den Familienfeiern und Traditionen, die jedes Jahr Menschen zusammenführen, die einander kaum mehr etwas zu sagen haben. Es sind keine besonders fröhlichen, glücklichen Tage, wir erleben Protagonisten in Momenten des Scheiterns, manchmal der Resignation, Verzweiflung, aber auch des Umdenkens. Oft ist es ein unvorhersehbarer, kleiner erster Schritt, der eine mögliche Veränderung andeutet. Ob es den Figuren gelingt und wie es weitergeht, das überlässt der Autor unserer eigenen Phantasie. Es sind Geschichten in einer klaren, personalen Erzählsprache, mit jeweils einer Hauptfigur im Mittelpunkt. Der Autor ist ein präziser Beobachter der kleinen und weniger kleinen menschlichen Schwächen und Eitelkeiten und findet seine Geschichten mitten im täglichen, realen Leben.

Fazit

Eine Sammlung von vierzehn Erzählungen, die in der Weihnachtszeit spielen und deren  facettenreiche Themen, Protagonisten und Ereignisse aus dem Alltag gegriffen sind, wir haben die jeweilige Situation sofort bildhaft vor Augen und in unseren Gedanken. Geschichten für entspannte Lesestunden, zum Nachdenken, perfekt für diese besondere Zeit des Jahres.

Wintergeschichten – Anton Čechov

AutorAnton Čechov
Verlag Diogenes Verlag
Erscheinungsdatum 18. Oktober 2019
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ÜbersetzungPeter Urban
ISBN-13978-3257070767

„Von unseren Füßen bis hinab zur Erde erstreckt sich eine abschüssige Fläche, in der sich die Sonne betrachtet wie in einem Spiegel. An unserer Seite ein kleiner Schlitten, mit hellrotem Stoff ausgeschlagen.“ (Zitat Seite 17)

Inhalt

Dieses Buch enthält fünfundzwanzig Erzählungen von Anton Čechov. Es sind Geschichten, die in der Winterzeit spielen. Von der Entstehung her finden wir in dieser Sammlung frühe Erzählungen, entstanden zwischen 1880 und 1887, und Texte aus den späten Schaffensjahren von 1889 bis 1903.

Thema und Handlung

In diesen Geschichten, geschrieben in einer klaren Erzählsprache, erleben wir Schlittenfährten durch den tiefen Schnee und die Kälte des russischen Winters, aber auch fröhliche, üppige Feste zwischen gesellschaftlichen Pflichten und diversen Wirrnissen und persönlichen Eitelkeiten. Auch die tiefe Kluft zwischen Armut und Reichtum ist ein Thema dieser Geschichten, die eines gemeinsam haben: sie alle spielen in der einsamen, winterlichen Landschaft, in abgelegenen Dörfern und Kleinstädten der russischen Provinz. Es ist eine interessante Vielfalt von Charakteren und ihren Erlebnissen, von Alltagssituationen, Verhalten und Gefühlen, die Čechov aufzeigt, in einer Bandbreite zwischen komisch, traurig und hoffnungsvoll, aber immer knapp und realistisch. Oft ist es nur eine Episode, das Ende ist offen. Ausgewählt wurden die Erzählungen von Christine Stemmermann, wobei mir auch die Reihenfolge besonders gut gefällt, es beginnt mit Schlittenfahrten zu Winterbeginn, führt zu den besonderen Tagen vor Weihnachten, zum Fest selbst und schließt mit dem Jahreswechsel, den ersten Tagen des neuen Jahres. Der letzte Text, „“Die Dame mit dem Hündchen“, spielt zu Beginn im Sommer und ist eine seiner bekanntesten Geschichten. Alle Geschichten wurden von Peter Urban neu übersetzt und sind überzeugend angenehm zu lesen.

Fazit

Eine interessante, stimmungsvolle Sammlung von fünfundzwanzig Erzählungen von Anton Čechov, die uns in kalte, schneereiche russische Winter Ende des 19. Jahrhunderts entführen.

Mein Helgoland (Meine Insel) – Isabel Bogdan

AutorIsabel Bogdan
Verlag Mare Verlag
Erscheinungsdatum 27. Juli 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten112
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3866486546

„Ich werde wiederkommen müssen. Immer wieder. Und schreiben werde ich auch wieder.“ (Zitat Pos. 1239)

Thema

Dieses Buch von Isabel Bogdan ist eine interessante, sehr persönliche Mischung aus unterhaltsamen Schilderungen ihrer Tage auf Helgoland, der besonderen Eigenheiten dieser Insel und des Schreibprozesses, der Arbeit an ihrem Roman. Zitate aus dem Gesprächen zwischen Boy und seinem Urgroßvater, dem besten Geschichtenerzähler der Welt, aus dem zeitlosen Buch „Mein Urgroßvater und ich“ von James Krüss, ergänzen den Text.

Inhalt

Wenn die Schriftstellerin und Übersetzerin Isabel Bogdan an ihrem eigenen Buch schreibt, zieht sie sich auf die Nordseeinsel Helgoland zurück, denn nirgendwo sonst kann sie so kreativ über das Schreiben und die Unterschiede zwischen dem Übersetzen eines bereits bestehenden Romans und dem Schreiben eines eigenen Buches nachdenken. In ihren Gedanken diskutiert sie ihre Überlegungen, wie man eine Geschichte am besten erzählt, mit dem berühmten Helgoländer Schriftsteller James Krüss. Gleichzeitig wandert sie auf ihr seit Jahren vertrauten Wegen über die Insel und entdeckt trotzdem immer wieder Neues, lernt neue Menschen kennen. Wir erfahren viel über die Probleme des Insellebens, die vielfältige Vogelwelt und Natur dieser Insel, was es mit der einzigen Ampel Helgolands auf sich hatte und wissen nun auch, was „Sturmwichteln“ ist. Bei dieser Schilderung hatte ich sofort Bilder vor Augen und musste laut lachen, denn die Autorin erzählt lebendig und humorvoll.

Natürlich besucht sie bei jedem Aufenthalt auch die der Hauptinsel vorgelagerte kleine Insel Düne mit den Seehunden und Kegelrobben. Doch es gibt noch viel mehr zu erkunden, für den nächsten, den übernächsten Besuch, für irgendwann. „Man ist nämlich doch nicht so schnell fertig mit dieser Insel, wie man meint, wenn man zum ersten Mal sieht, wie klein sie ist.“ (Zitat Pos. 1226)

Fazit

Eine wunderbare, unterhaltsame Mischung aus Inselfeeling auf der manchmal rauen Nordseeinsel Helgoland und persönlichen Einblicken in den kreativen Schreibprozess der Schriftstellerin. Ein Buch für Lesebegeisterte, Reiselustige, Naturbegeisterte, Inselfans, Neugierige und Träumer.

Leuchtfeuer im Kupfer der Dämmerung: Gedichte und Erzähltes aus vier Jahrzehnten – Jim Palmenstein

AutorJim Palmenstein
Verlag Klingenberg
Erscheinungsdatum 2. August 2018
FormatGebundene Ausgabe
Seiten448
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3200055025

„und die Dunkelheit beugt sich/über das wispernde blaue Wasser/die Leuchttürme funkeln grell ins Kupfer der Dämmerung/der Wasser im Westen“ (aus „Der Leuchtturmwärter“, Seite 423)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist eine Sammlung von Gedichten und Erzählungen des Autors Jim Palmenstein, die im Laufe von vierzig Jahren, zwischen 1978 und 2018, entstanden sind. Schon die Herstellung, Material und Gestaltung, ich spreche von traditioneller Buchbindekunst des Klingenberg Verlages, ziehen Augen und Hände an und machen immer wieder Freude. Dieses besondere Kleinod umfasst zwischen Cover und Buchrücken eine bunte Vielfalt von  Geschichten, die uns der Autor in Gedichtform, als Prosa und allen sprachlichen Möglichkeiten dazwischen, erzählt und mit eigenen Schwarz-Weiß-Fotografien ergänzt. Wir finden alle Themen des Lebens, Gefühle, Erinnerungen, Sehnsucht, philosophische Gedanken, magische Momente ebenso wie Alltagserlebnisse.

Gestaltung

Die meisten der zwölf Kapitel beginnen jeweils mit einem aktuellen Prosatext, während die poetischen Texte, Gedichte in epischer Länge, in unterschiedlichen Formen einer besonderen Erzählsprache geschrieben sind. Frei von Reimzwängen und starren Versformen widersetzen sie sich dem Versuch einer sprachlichen Zuordnung, frei wie die Gedanken bringen sie diese zu Papier und damit auch zu uns. Groß- und Kleinschreibung setzt der Autor nach eigenem Empfinden ein, Lesende, die das stört, ermuntert er mit einem Augenzwinkern, „einen Pencil zu nehmen und ein bißchen zu korrigieren“ (Seite 97).

Im Kapitel IX, „Traumreisen“, finden wir die auch als eigenes Buch erschienene Erzählung „Der fliegende Teppich“, die fantastische Geschichte einer Reise, eine Mischung aus Fantasie und Magie, ein eindrücklich überzeichnetes Bild unserer Gesellschaft.

Genial zu lesen sind einige Erzähltexte, welche Momentaufnahmen aus dem Alltag seines zweiten Erzähl-Ichs Graufeder schildern und zu einer gedanklichen Zwiesprache führen, die der schreibende Autor, ebenfalls Graufeder, mit seiner Graufeder-Figur hält.

Fazit

„Es war die Nacht mit ihren vielen tausend Bildern, die mir immer unsichtbar   im Erwachen   täglich entschwindet   und mich mit mir selbst allein   zurückläßt.“ (aus „Die Nacht“, Seite 142) Ein auch handwerklich mit Liebe und Überzeugung zum Produkt Buch gestaltetes Lesebuch, ein magisches Füllhorn der Phantasie, dessen poetische, philosophische, nachdenkliche, skurrile, alltägliche Texte, Gedichte und Erzählungen dazu einladen, es immer wieder mit großem Vergnügen zur Hand zu nehmen.

Betrachtungen einer Barbarin – Asal Dardan

AutorAsal Dardan
Verlag HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH
Erscheinungsdatum 2. Februar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten192
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3455010992

 „Man gewöhnt sich daran, dass das Leben wie ein Netz ist, etwas bleibt ja doch darin hängen. Nach dem Rest darf man nicht greifen, sonst reißen die Maschen, und dann ist alles weg.“ (Zitat Pos. 35)

Inhalt

Ihre Eltern fliehen aus dem Iran, als Asal Dardan ein Jahr alt ist. Sie können nur das Allernotwendigste mitnehmen und so wächst Asal in Köln und Bonn ohne die üblichen Familienfotos und Erinnerungsstücke auf. Ihre Eltern sprechen selten über den Iran, nur die Musik, die sie nach wie vor hören, besonders die Texte, werden für die heranwachsende Asal zu einem symbolischen Zugang zu der alten Welt ihrer Eltern. Als sie später die Realität einholt, stellt sie fest, nicht, wie man erwarten würde, zwei Heimaten zu haben, sondern keine. Die Autorin ist neunzehn Jahre alt, als sie die in Deutschland eingebürgert wird. Nach dem Abitur führt ein Praktikumsaufenthalt sie nach Atlanta, es folgt eine Zeit in Berlin, Sardinien und dann in Lund und auf der Insel Öland in Schweden, jetzt wieder Berlin. Dieses Buch, nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2021, ist eine Sammlung von autobiografischen Essays.

Thema und Umsetzung

Die Autorin setzt sich mit ihren eigenen Erfahrungen auseinander, bringt diese in einen gesellschaftspolitischen Kontext zu brisanten aktuellen Themen. Flucht, Exil, Veränderung, die Suche nach dem Gemeinsamen, Empathie, und die Frage, warum es zwischen Menschen immer das Trennende ist, das zuerst bemerkt und betont wird, sind wichtige Aspekte ihrer Beobachtungen, Studien und Texte. Es ist ein breites Spektrum an Themen. Die Autorin schildert ihre persönlichen Erfahrungen in Atlanta. Auf ihren Spaziergängen durch die Gassen der Grünen Stadt in Berlin beschäftigt sie sich mit den Schicksalen der von den Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpfer*innen, leitet über zu den aktuellen Gewaltverbrechen der letzten Jahre gegen internationale Aktivistinnen. Wir erfahren aber auch viel über ihr eigenes Leben, ihre Erlebnisse in der Schul- und Studienzeit, ihr Leben als Mutter zweier Kinder. Diese Essays sind eine eindringliche Aufforderung, nicht mehr in den alten Klischees über Länder, Nationen und Mentalitäten zu denken, aufzuhören, die alten Ängste zu schüren, sondern einfach auf den Menschen als Einzelindividuum zuzugehen.

Fazit

Eine Sammlung von Essays zwischen persönlichen Jugenderinnerungen, Anekdoten, humorvoll geschilderten Erlebnissen und brisanten gesellschaftspolitischen Erfahrungen.  Es sind einfühlsame, trotz des zwischendurch manchmal etwas moralisierend erhobenen Zeigefingers poetische, leise, sprachlich elegante Texte, die zum Mit- und Nachdenken anregen.

Fast hell – Alexander Osang

AutorAlexander Osang
Verlag Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum 18. Januar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten237
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3351038588

„Fast hell“ von Alexander Osang, Aufbau Verlag, 18. Januar 2021, Gebundene Ausgabe: 237 Seiten, Sprache: Deutsch, ISBN-13: 978-3351038588

Inhalt

Anfang der 2000er Jahre trifft Alexander Osang den in New York lebenden Kosmopoliten Uwe zum ersten Mal. Wie der Autor stammt auch Uwe ursprünglich aus Ostberlin und in der Folge treffen sie einander immer wieder. Als Alexander Osang 2019 für den SPIEGEL ein Porträt über Ostdeutsche schreiben soll, denkt er sofort an Uwe und dieser ist bereit, seine Geschichte zu veröffentlichen. Zusammen mit Uwes Mutter unternehmen sie eine Schiffsreise von Helsinki nach St. Petersburg. In den langen gemeinsamen Gesprächen verbinden sich Uwes lebhafte Geschichten mit Alexander Osangs eigenen Erinnerungen.

Thema und Genre

Dieses Buch handelt vom Aufwachsen in der DDR und der Situation der Ostdeutschen nach der Wende, Vergangenheit, Umbrüche, Aufbruch, Reisen und Leben zwischen Berlin, New York, Tel Aviv. Vor allem geht es um die Frage, wie sehr sich Dinge, die wir erlebt haben, in unseren Erinnerungen verändern und welche Geschichte wir dann tatsächlich als unsere Lebensgeschichte erzählen.

Charaktere

Uwe ist ein schillernder Weltenbürger und eine schwer zu fassende Figur. Seine Erlebnisse und die Menschen darin sind bunt, vielfältig und manchmal skurril, doch sind sie auch wahr? Der Journalist Alexander Osang, der als Ich-Erzähler von seinen Begegnungen und Gesprächen mit Uwe berichtet, begibt sich auf eine intensive Reise in die eigene Vergangenheit.

Handlung und Schreibstil

Der Hauptteil der Geschichte spielt zwischen Juli und September 2019. Er beginnt der Schiffsreise im Juli, mit der Fähre von Helsinki nach St. Petersburg, drei Tage in St. Petersburg. Darin eingeschlossen die Erinnerungen, zurück in die Familiengeschichte, die Zeit in der DDR, durch die dreißig Jahre zwischen dem Mauerfall und diesem Sommer 2019. Die Sprache erzählt poetisch, lebhaft, mit feinem Humor und viel Einfühlungsvermögen, beschreibt auch sehr gut die eigenen Zweifel, die Suche nach sich selbst.

Fazit

Einfühlsam umgesetzte, interessant zu lesende Einblicke in die Zeit nach dem Mauerfall und die gedankliche Teilung zwischen Ost- und Westdeutschland, die auch nach dreißig Jahren noch nicht abgeschlossen ist. Eine Reise in die Vergangenheit, das Leben, eingeschlossen in Erinnerungen. Großartig erzählt, bewegt sich die Geschichte zwischen poetischer Leichtigkeit und eindrücklicher Nachdenklichkeit. „Eine Erzählung dann eben, dachte ich, eine absurde, aber wahre Novelle.“ (Zitat im Epilog, Pos. 2482)

Kindheit – Tove Ditlevsen

AutorTove Ditlevsen
Verlag Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum 18. Januar 2021
FormatGebundene Ausgabe
Seiten112
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinUrsel Allenstein
SerieDie Kopenhagen-Trilogie, Band 1
ISBN-13978-3351038687

„Irgendwann möchte ich all die Wörter aufschreiben, die mich durchströmen. Irgendwann werden andere Menschen sie in einem Buch lesen und sich darüber wundern, dass ein Mädchen doch Dichter werden konnte.“ (Zitat Pos. 287)

Inhalt

In diesem ersten Teil der Kopenhagen-Trilogie schildert die Autorin Tove Ditlevsen ihre Kindheit in Vesterbro, einem Vorstadtviertel von Kopenhagen. Tove wächst in einer kleinen Wohnung in einem Hinterhaus in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Der Vater wird arbeitslos und verfällt in Schweigen, doch er vermittelt Tove schon früh die Liebe zu Büchern. Die Mutter zieht den älteren Bruder Edvin vor und hat kein Verständnis für Tove, die unbedingt Schriftstellerin werden will.

Thema und Genre

In ihren autobiografischen Erinnerungen schildert die dänischen Autorin ihre Kindheit, das Aufwachsen in einer Arbeiterfamilie im Kopenhagen der 1920er Jahre, ihr Anders-sein, ihre Ängste, aber auch die unterschiedlichsten Bewohner in dem Umfeld der Istedgade.

Charaktere

Die nachdenkliche Tove ist eine Außenseiterin. Schon vor der Einschulung kann sie lesen, schreibt bald erste Gedichte und auch alltägliche Eindrücke formen sich in ihren Gedanken sofort zu einer Fülle von Wörtern. Ihre Freundin Ruth dagegen ist aufgeweckt, frech und zeigt Tove die Stadt der Erwachsenen. 

Handlung und Schreibstil

Ehrlich und offen schreibt die Autorin über das problematische Verhältnis zu ihrer Mutter, die den Bruder Edvin der verträumten, unsicheren Tove vorzieht, die ärmlichen Verhältnisse im Arbeitermilieu der 1920er Jahre. Tove ist eine genaue Beobachterin und versucht, die Welt der Erwachsenen zu verstehen. Daraus ergibt sich eine berührende Mischung zwischen den Ängsten und Konflikten des Heranwachsens und humorvollen Erlebnissen und Eindrücken. Ihre Liebe zu Büchern teilt sie mit ihrem Vater, doch ihre Träume, Schriftstellerin zu werden, behält sie für sich, nachdem auch ihr Vater ihr erklärt hat, dass ein Mädchen kein Dichter werden kann.

Fazit

In ihrer präzisen, klaren Sprache führt uns die Autorin in die Stadt Kopenhagen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und schildert beeindruckend das Leben von Frauen und Kindern der Arbeiterklasse.

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