Putzfrau bei den Beatles – Birgit Rabisch

AutorBirgit Rabisch
Verlagduotincta GbR
Datum14. März 2018
AusgabeBroschiert
Seiten168
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3946086307

„Alle vier nicken. 275 Jahre geballte Lebenserfahrung finden, dass die Jugend einen guten Vorschlag gemacht hat.“ (Zitat Seite 49)

Inhalt

Die „Yellow Submarine“ ist eine renovierte, prächtige Gründerzeitvilla in Hamburg Eimsbüttel und die Fassade ist tatsächlich leuchtend gelb. John, Paul, George und Ringo nennen sich die vier älteren Herren, die in dieser Villa leben. Nach wie vor kritisch und oft unterschiedlicher Meinung zum aktuellen Zeitgeschehen und ebenso oft in Erinnerungen an die 1968 zurückblickend, verbindet sie eine lange Freundschaft und die gemeinsame, ebenso zeitlos lange Liebe zur Musik, besonders zu den Songs der Beatles. Als Jana, vierundzwanzig Jahre alt, an einem Ampelmast einen Zettel entdeckt, dass eine zuverlässige Reinigungskraft gesucht wird und das in der engen Nachbarschaft, ist es der perfekte Job für sie, denn sie will Schriftstellerin werden und träumt davon, einen erfolgreichen Debütroman zu schreiben. Nun ist sie bereits seit sechs Monaten Putzfrau bei den Beatles, doch es fehlen ihr zündende Ideen für ihrem Roman – bis ein Junge vor der Tür steht. Leander ist zwölf Jahre alt, laut Oma Monis Tagebuch ist Paul sein Großvater und Leander will bei ihm wohnen.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um die Beatles, die 68er Bewegung und die Frage, wie die aktiven Jugendlichen von damals heute leben, zwischen Erinnerung und den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Es geht um lebenslange Freundschaften, das Zusammenleben von mehreren Generationen, die Konflikte, aber auch das voneinander Lernen. Gleich einem roten Faden zieht sich das Thema Schreiben und Schreibprozess durch die Geschichte.

Erzählform und Sprache

Die Sprache versteht es, sich den Ausdrucksformen der unterschiedlichen Figuren anzupassen und wirkt dadurch natürlich, die Sympathie des Lesers, der Leserin, für die einzelnen Charaktere verstärkend. Man kann sich sofort in jeden der Protagonisten hineinversetzen, in ihre Sicht der Dinge, denn im Zuge der Geschichte werden Ereignisse bekannt, die jede der Figuren tief geprägt haben. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, aus wechselnden Perspektiven, mal ist es Jana, die ihre Sicht der Dinge und ihr Leben in der Ich-Form schildert, mal steht Leander im personalen Mittelpunkt und so bildet diese Geschichte ein trotz der Vielfalt der Themen überzeugendes Ganzes.

Fazit

Eine originelle und abwechslungsreiche Geschichte mit aktuellen Fragen und Themen. Witzige Szenen und überraschende Wendungen machen diesen Roman zu einem Leseerlebnis, auch 2025, und somit inzwischen 57 Jahre 1968.

Tod der Autorin: Ein Leben in elf Romanen – Birgit Rabisch

AutorBirgit Rabisch
Verlag‎Verlag duotincta GbR
Datum16. Dezember 2024
AusgabeTaschenbuch
Seiten384
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3946086772

„Sie blättert in ihren Romanen, liest sich fest, reißt sich wieder los, macht sich Notizen zu ihren Romanfiguren, nimmt eine Figur in die Liste auf, streicht sie wieder, überlegt es sich, nimmt sie doch auf, streicht eine andere, bis die Gästeliste für ihr Dinner 70 endlich fertig ist.“ (Zitat Seite 19)

Inhalt

Zu ihrem siebzigsten Geburtstag hat die Autorin eine Idee, ein neues literarisches Projekt, ein festliches Dinner in einem eleganten, schönen Rahmen. Als Gäste lädt sie Figuren aus ihren elf Romanen ein, sechsundzwanzig Figuren, die sie gerne sehen will, ohne Unterscheidung in Hauptfigur oder Nebenfigur. Nicht nach Roman, sondern bunt gemischt platziert sie ihre Romanfiguren an sechs Tische, geht im Laufe des langen Dinners von Tisch zu Tisch. Sie diskutiert mit ihren Figuren, erinnert sich gleichzeitig an die Zeit in ihrem Leben, als sie zu der jeweiligen Geschichte inspiriert wurde, die sie in ihren Romanen und durch ihre Romanfiguren erzählen wollte.

Thema und Genre

Die Autorin erklärt selbst, keine Autobiografie schreiben zu wollen, sondern Autofiktion, genau genommen eine Autorinnenfiktion. „Selbst wenn ich um Wahrheit bemüht über mein Leben schreiben würde, wäre es nur die Fiktion, die sich in meinem Erinnerungsprozess verfestigt hat.“ (Zitat Seite 134) Im Mittelpunkt ihrer Geschichten stehen die Menschen, ihre Gefühle, Liebe, Freundschaft, Verlust, in Verbindung mit zeitlos wichtigen Fragen aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Gesellschaftspolitik. Gleichzeitig geht es um das Schreiben selbst von der Idee bis zur fertigen Geschichte, um Erzählformen und Erzählperspektiven.

Erzählform und Sprache

Schon die Idee, prägende Ereignisse durch die Erinnerung der Autorin an die jeweils daraus entstandenen Romane und Figuren nochmals erlebbar zu machen, ist ungewöhnlich, originell und es macht Freude, diese Geschichte in Form eines Dinners mit vielen unterschiedlichen Tischgesprächen zu lesen. Gekonnt gibt Birgit Rabisch gerade so viel aus den elf Romanen preis, wie für die Gespräche mit den Figuren wichtig ist, um die Handlung auch für Menschen nachvollziehbar zu machen, welche keinen der zugrundeliegenden Romane gelesen haben. Die Erinnerungen der Autorin ergänzen diese Details und bieten so einen hervorragenden Einblick in die Tätigkeit von Schriftstellern, in das Schreiben, in die Entstehung und Ausformung von Romanfiguren. Natürlich sind die Figuren an die jeweilige Geschichte, Themen und Konflikte angepasst, die sie für uns spätere Leser erlebbar machen sollen, doch so wie hier in diesem besonderen Roman wirkt nichts konstruiert, man hat das Gefühl, die Figuren können und dürfen sich mit der Handlung entfalten, die auch nicht auf eine bestimmte Erzählperspektive festgelegt ist. Der Titel ist wohl eine Abwandlung der literaturtheoretischen These vom Tod des Autors und der Geburt des Lesers, im Sinne der Bedeutung, die ein Text erst durch die Gedanken des Lesers erhält. Der vorliegende Roman hat viele Facetten und Themen, ist für mich auch einer der unterhaltsamsten Rundgänge durch wichtige Grundlagen der Erzähltheorien, Fachwissen für literaturinteressierte Laien, knapp, interessant und lesbar präsentiert.

Fazit

Es macht Freude, dieses Buch zu lesen, selbst wenn man keinen der elf Romane von Birgit Rabisch kennt. Auf eine sichere Nebenwirkung sei jedoch hingewiesen: man wird ganz sicher Lust bekommen, den einen oder anderen Roman zu lesen, nachdem man die Figuren bei anregenden Tischgesprächen kennengelernt hat.

Ein Espresso für den Commissario: Pellegrinis erster Fall – Dino Minardi

AutorDino Minardi
VerlagKampa Verlag
Datum13. Juni 2024
AusgabeTaschenbuch
Seiten240
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3311155409

„Richtig, er war Commissario der Polizia di Stato von Como, der ab und zu in der Bar seines Vaters die Espressomaschine bediente, und kein Barista. Es gab diese Tage, an denen er sich wünschte, es wäre anders, und heute schien ein solcher zu sein.“ (Zitat Seite 12)

Inhalt

Als Commissario Marco Pellegrini nach einer Auszeit von etwa vier Jahren wieder nach Brunate zurückgekehrt war, ein Ort über dem Comer See, wo seine Familie ein Albergo besitzt, hatte er sich auf eine ruhigere Zeit bei der Polizia di Stato gefreut. Auch an diesem Dienstagmorgen, es ist der 15. Mai, genießt der den wunderbaren Blick über den See bei einem perfekten caffè, natürlich selbst zubereitet, in der Bar della Funicolare, die ebenfalls der Familie gehört. Doch kaum betritt er etwas später die Questura, ist es mit der Ruhe vorbei. Ein Student wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden, im Bett erwürgt. Die ungewöhnlich hohe Anzahl an unterschiedlichen Fingerabdrücken, die sich in dieser Wohnung finden, ist bald geklärt, die Wohnung wurde immer wieder über Airbnb an Touristen untervermietet. Doch das Vermögen, über das dieser Student verfügt, lässt sich damit nicht erklären und das Ermittlerteam steht zunächst vor eine Reihe von unterschiedlichen Vermutungen und vielen Fragen.

Thema und Genre

Dieser Kriminalroman, der erste Band einer Serie, spielt am Comer See. Es geht um Verbrechen und Ermittlungen, Umwelt, Forschung, Investment, und viele Facetten von zwischenmenschlichen Beziehungen.

Erzählform und Sprache

Die straffe Handlung spielt zwischen dem 15. und 18. Mai und durch diesen knappen Zeitraum wirkt die Arbeit der Ermittler realistisch und nachvollziehbar. Pellegrinis enges Team besteht aus zwei Personen: Vice Ispettore Fabio Cunego und der jungen, ehrgeizigen Ispettrice Claudia Spagnoli. Die Spannungen zwischen diesen beiden Mitarbeitern machen die Ermittlungsarbeit für den Commissario nicht einfacher, andererseits ergibt sich daraus für den Autor die Möglichkeit, die Tage in viele unterschiedliche Ereignisse an teilweise unterschiedlichen Orten zu splitten, die gleichzeitig stattfinden, was die Spannung erhöht. Die Handlung wird ergänzt durch persönliche Erlebnisse und Probleme der unterschiedlichen Figuren, so ergibt sich zum Beispiel aus den Erinnerungen und Gedanken des Commissario eine eigene Geschichte und nach und nach die Erklärung für seine Auszeit. Bildintensiv und eindrücklich schildert die Sprache auch das italienische Lebensgefühl und die Schönheit der Landschaft.

Fazit

„Gleich einer hellen Ameisenspur blinkten am gegenüberliegenden Ufer die Lichter von Cernobbio und den kleineren Nachbarorten. Der See strahlte erhabene Ruhe aus, samtschwarzen Frieden.“ (Zitat Seite 90) Schilderungen wie diese machen diesen vielseitigen Kriminalroman zu einem überzeugenden Lesevergnügen, am besten mit mehreren Espressi zu genießen.

Über allen Bergen – Valentine Goby

AutorValentine Goby
VerlagList Hardcover
Datum28. November 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten352
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinMarlene Frucht
ISBN-13978-3471360699

„Ein Sonnenstrahl, die Sonne, die draußen auf den Schnee schien, der Schnee, der gleich von den Skiern zur Seite gedrückt werden würde, er musste die ganze Zeit daran denken.“ (Zitat Pos. 963)

Inhalt

Als Vadim verlässt er mit dem Zug Paris, als Vincent Dorselles trifft er in dem kleinen, abgelegenen Ort Vallorcine ein. Die klare, frische Luft der Natur zwischen den hohen, ihn tief beeindruckenden  Bergspitzen der Aiguilles Rouges lässt das Asthma des zwölfjährigen Jungen rasch verschwinden. Als er ankommt, ist das Bergdorf durch hohe Schneemassen von der Außenwelt getrennt. In der zehnjährigen Moinelle findet er bald eine Freundin, die ihn mit dem Alltag des einfachen Lebens in und mit der Natur vertraut macht. Bald fühlt er sich in der ruhigen Freundlichkeit seiner Gastfamilie zu Hause, das Weiß des Winters wird langsam zum Grün des Frühlings und zum Gelb des Sommers. Dann kommt der Herbst und die Realität erreicht auch diese kleine, abgeschiedene Gemeinde.

Thema und Genre

Dieser Coming-of-Age Roman spielt während des Zweiten Weltkriegs in einem zwischen hohen Bergspitzen versteckten Dorf nahe der Schweizer Grenze. Themen sind Familie, Freundschaft, Flucht, Erinnerungen, Einsamkeit und Phantasie, Landleben und die Natur im Laufe der Jahreszeiten.

Erzählform und Sprache

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen der zwölfjährige Vincent und die Menschen in diesem abgelegenen, von hohen Gipfeln umgebenen Bergdorf. Chronologisch führt uns die Autorin durch die Wochen und Monate, indem Vadim-Vincent als Ich-Erzähler uns seine Erlebnisse und Eindrücke schildert. Er lässt uns an seiner Gedankenwelt teilhaben, an seiner Phantasie, die alle Eindrücke und Gefühle in Farbe umsetzt. Als stiller Beobachter denkt er über die Menschen in dieser kleinen Dorfgemeinschaft nach, vor allem jedoch ist er tief beeindruckt von den bizarren, hohen Gipfeln, die das kleine Tal zwischen den bewaldeten Hängen umgeben und die mit den klaren Frühlingstagen immer sichtbarer werden. Auch wenn das eigentliche Thema, der Krieg und die Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten, im Hintergrund immer präsent ist, prägt es diese Geschichte nicht. Hier geht es tatsächlich um die Eindrücke eines zwölfjährigen Jungen aus der Großstadt Paris, der heimlich und mit einer neuen Identität in ein entlegenes Dorf in den Bergen gebracht wird, um in Sicherheit zu sein. Die schnörkellos-klare Ausdrucksform der Sprache ist angenehm zu lesen und passt zum Alter des Ich-Erzählers.

Fazit

Es sind die einfühlsamen und eindrücklichen Beschreibungen der Menschen und die beeindruckenden, anschaulichen Stimmungsbilder der großartigen Natur dieser Bergwelt, die den besonderen Charme und Sog dieses Romans ausmachen.

Eins + eins = drei: Jahrbuch Nr. 2 – Lutz Flörke & Vera Rosenbusch

AutorLutz Flörke
AutorinVera Rosenbusch
Verlag BoD – Books on Demand
Erscheinungsdatum 15. September 2024
FormatTaschenbuch
Seiten152
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3759723550

„Buchstaben, Wörter, Sätze sind nicht nur optische Zeichen, sie haben auch eine akustische Dimension. Besonders in der Lyrik, wo schon das Wort an ein Musikinstrument erinnert, trägt der Klang zur Bedeutung bei, aber auch in der Prosa.“ (Zitat Seite 146, Kollektives Nachwort)

Thema und Inhalt

Dem am 27. Februar 2024 erschienenen Jahrbuch Nr. 1 folgt nun das Jahrbuch Nr. 2. des Dichter-Duos Vera Rosenbusch & Lutz Flörke. Manche Texte sind einzeln entstanden, andere kollektiv. Es sind unterschiedliche Texte, die sich aus alltäglichen Überlegungen, spontanen Einfällen und aktuellen Fragen unserer Zeit ergeben und die immer wieder mit ungewöhnlichen Formen des Erzählens spielen und auch das Schreiben selbst zum Thema machen.

Umsetzung

Die sechsundzwanzig Geschichten sind den Monaten eines Jahres zugeordnet, das im Oktober beginnt und im darauffolgenden September endet. Der erste Text ist ein Kollektivtext, in dem die beiden Jahrbücher sich direkt an die Leser wenden und darüber diskutieren, welches das bessere Buch ist, bis sie einen gemeinsamen Vorschlag finden. „Beide Bücher: Am besten Sie lesen uns selbst.“ (Zitat Seite 10) Mit diesem humorvollen Augenzwinkern beginnt eine abwechslungsreiche Reise durch Geschichten, die durch die Jahreszeiten führen, Alltagsereignisse, Erinnerungen, Begegnungen, Erlebnisse mit komischen, skurrilen und ernsten Momenten, und oft mit überraschenden Wendungen und Ergebnissen. Was alle Texte eint ist die Lust am Erzählen und das Spielen mit der Vielfalt der sprachlichen Ausdrucksformen. Das Buch schließt mit einem kollektiven Nachwort und Informationen über das Schaffen des Dichter-Duos.

Fazit

Ein literarischer Jahreskreis aus Texten von Oktober bis September, Geschichten die oft unvermutet den erwarteten Weg verlassen, die neugierig machen und die man mit großem Vergnügen, von ernst-nachdenklich bis belustigt schmunzelnd, liest.

Mission Arktis – James Rollins

AutorJames Rollins
VerlagUllstein Taschenbuch Verlag
Datum13. Februar 2006
AusgabeTaschenbuch
Seiten656
SpracheDeutsch
ÜbersetzungChristine Strüh
ISBN-13978-3548263441

„Auf der untersten Ebene der Station bewegte sich etwas und verschwand dann in den tieferen Regionen des Eisbergs jenseits der Reichweite des Sonars. Obwohl es nur einen Moment zu  sehen gewesen war, gab es keinen Zweifel.“ (Zitat Seite 27, 28)

Inhalt

Am 6. Februar ist das USS Forschungs-U-Boot Polar Sentinel, Teil des Arktis-Projekts Driftstation Omega, in der Dunkelheit des arktischen Winters im nördlichen Eismeer unterwegs. Da taucht unter Wasser ein gigantischer Eisberg auf. Als plötzlich eine riesige Eisklippe abbricht, sehen sie im Eis ein russisches U-Boot, eindeutig aus der Zeit des 2. Weltkriegs, und eine unterirdische Eisstation. Ihre Entdeckung, welche die Biologen begeistert und Techniker tief erschüttert, zwingt beide Großmächte, Amerika und Russland, zum sofortigen Handeln unter Einsatz aller Mittel. Denn was das amerikanische Forschungsteam hier findet, hätte für immer unter den dicken Eismassen ruhen sollen.

Thema und Genre

In diesem Wissenschaftsthriller, der in der Arktis spielt, geht es um Forschung um jeden Preis, geheime Experimente, Fortschritt und Forschungsethik, Geheimdienste und Militäreinsätze.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte beginnt mit einem Prolog Anfang Februar und geht dann Anfang April chronologisch weiter. Die Kapitel sind in Abschnitte unterteilt, wobei die Ereignisse teilweise zeitgleich an verschiedenen Punkten stattfinden. Durch die Angabe von Ort, Datum und Uhrzeit bleibt die rasante Handlung übersichtlich und klar, eine perfekte Gliederung, welche die Spannung noch erhöht. Die einzelnen Personen werden am Beginn des Buches kurz vorgestellt, sowie Lagepläne der Forschungsstation. Am Buchende erläutert der Autor in Anmerkungen Details und Fakten zu den Kernthemen, welche die Grundlage für diese fiktive Geschichte bilden. Die Sprache passt zum Gene und erweitert die Handlung mit bildintensiven Schilderungen der Arktis, der Lebensbedingungen in der eisigen Kälte. Auch Erklärungen der wissenschaftlichen Hintergründe werden gekonnt in die Ereignisse eingebaut, ohne jedoch den Spannungsbogen zu unterbrechen.

Fazit

Ein interessanter, actionreicher Wissenschaftsthriller mit brisanten Themen, der packendes Lesevergnügen garantiert.

Ein Wunschzettel voller Bücher – Aleksia Sidney

Autor20 Autoren, Autorinnen
HerausgeberinAleksia Sidney
Verlag OKTOPUS bei Kampa
Erscheinungsdatum 22. September 2022
FormatGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3311300366

„Nicht dass ein Buch jemals ein liebloses Geschenk sein könnte. Jedes Buch hat eine Seele, jedes hat einen Sinn, erklärt einen Sachverhalt oder erzählt eine Geschichte. Aber der Akt des Schenkens kann lieblos sein.“ (Zitat Seite 169, aus „Bücherseele“ von Diana Menschig)

Thema und Inhalt

Dieses Buch umfasst zwanzig Texte, von ebenso vielen modernen oder zeitlos aktuellen Autoren und Autorinnen, von Hans Fallada bis Carlos Ruiz Zafón. Was diese magischen, spannenden oder nachdenklichen Geschichten gemeinsam haben, sind drei Themen: Weihnachten, Bücher, und der Ort der Handlung ist immer auch eine Buchhandlung.

Umsetzung

Den Anfang macht ab Seite 9 Petra Hartlieb mit ihren „Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung, ein Gedicht von Joachim Ringelnatz „Über ein Buch hinweg …“ schließt diesen facettenreichen Textreigen. Das Buch endet mit einem Nachweis bzw. Quellenangabe zu allen Geschichten. Manche wurden extra für diese Anthologie geschrieben, andere stammen aus einem Roman, einer Erzählung, einer Sammlung, und schon finden sich neue Ideen für die eigene Bücher-Wunschliste.

Fazit

Weihnachtsgeschichten für alle, die das Lesen lieben, so lautet der Untertitel dieser Geschichtensammlung und besser kann man dieses Buch nicht beschreiben, ein Garant für wunderbare, entspannte Lesestunden.

Schneesturm und Mandelduft – Camilla Läckberg

AutorCamilla Läckberg
VerlagUllstein Verlag
Datum30. November 2012
AusgabeKindle-Ausgabe
Seiten160 (Print-Ausgabe)
SpracheDeutsch
ASINB009T3LGXY

„Der Duft von Mandeln. Von etwas, das es hier nicht geben durfte.“ (Zitat Pos. 229-240)

Inhalt

Kommissar Martin Molin, der junge Kollege von Patrik Hedström, wird von seiner neuen Freundin Lisette von Liljecrona eingeladen, sie auf die Weihnachtsfeier ihrer Familie zu begleiten. Lisettes Großvater, der Milliardär Ruben von Liljecrona, hatte alle auf die kleine, abgelegene Insel Valö eingeladen und sie alle lassen die Launen des despotischen Familienoberhauptes über sich ergehen, auf einen möglichst großen Teil des Erbes hoffend. Doch der alte Patriarch hat andere Pläne, er teilt den geschockten Familienmitgliedern mit, er werde sein Erbe an wohltätige Organisationen spenden. Kurz darauf bricht er während des Essens tot zusammen, ermordet. Gleichzeitig ist die Insel durch einen Schneesturm von der Umwelt abgeschnitten und Kommissar Molin muss alleine ermitteln, denn die Tat kann nur von einer der anwesenden Personen begangen worden sein.  

Thema und Genre

Diese weihnachtliche Geschichte ist ein typischer Whodunit-Kriminalroman. Die Tat, ein Kreis von möglichen Tatpersonen, ein Ermittler. Es geht um mehrere Generationen einer Familie, Zwistigkeiten, und um ein großes Erbe.

Erzählform und Sprache

Auch die Erzählform ist klassisch, eine chronologisch fortlaufende Handlung, Details über die einzelnen Personen ergeben sich aus den Gesprächen. Starker Schnellfall, Kälte und Eis verstärken die Stimmung von winterlicher Abgeschiedenheit.

Fazit

Ein unterhaltsamer weihnachtlicher Kriminalroman.

Das Echo der Träume – María Dueñas

AutorMaría Dueñas
VerlagBlanvalet Taschenbuch Verlag
Datum18. Februar 2013
AusgabeTaschenbuch
Seiten736
SpracheDeutsch
ÜbersetzungBarbara Reitz
Maria Zybak
ISBN-13978-3442380398

„Die Normalität war nur das, was mein eigener Wille, mein Engagement, mein Wort als normal akzeptierten, und von daher war sie auch immer bei mir. Sie an einem anderen Ort suchen oder sie aus dem Gestern zurückgewinnen zu wollen, hatte keinen Sinn.“ (Zitat Seite 581, 582)

Inhalt

Sira Quiroga Martín, geboren am 25. Juni 1911 in Madrid, beginnt mit zwölf Jahren eine Lehre in dem Modeatelier, in dem auch ihre Mutter arbeitet. Sie ist eine junge Frau, die ihre Hochzeit plant, als eine Schreibmaschine alles verändert. „Eine Schreibmaschine stellte mein Leben auf den Kopf. Es war eine Hispano-Olivetti und von ihr trennte mich über Wochen eine Schaufensterscheibe.“ (Zitat Seite 9) Denn in diesem Geschäft trifft sie auf Ramiro Arribas und verliebt sich leidenschaftlich. Ende März 1936 verlassen die beiden Madrid, um mit dem Geld, das Sira von ihrem Vater erhalten hat, in Marokko ein neues Leben aufzubauen. Als Ramiro mit ihrem Geld und wertvollem Familienschmuck spurlos verschwindet und sie mit hohen Schulden sitzen lässt, besinnt sie sich ihres Berufs und ihrer Begabung und eröffnet einen Schneidersalon, in dem sich bald die Damen der Gesellschaft einfinden, Deutsche, Spanierinnen und Engländerinnen. Als man an sie herantritt, nach Madrid zurückzukehren und dort neben einem eleganten Atelier, das für sie eingerichtet wird, auch besondere, allerdings sehr gefährliche Aufgaben zu übernehmen, sagt sie zögernd zu und damit nimmt ihr Leben nochmals eine unvorhersehbare Wende.

Thema und Genre

Dieser Roman mit historischem Hintergrund gibt interessante Einblicke in Gesellschaft und Politik in Marokko, während Europa bereits am Rande des zweiten Weltkriegs steht. Vor allem jedoch geht es um die politische Lage Spaniens zur Zeit der Bürgerkriege, Francos Weg an die Macht und die Zeit des Franco-Regimes. Es geht um die Haltung Spaniens gegenüber den deutschen Nationalsozialisten, um die Interessen Englands und den Widerstand. Gleichzeitig geht es um Frauenfreundschaft und Zusammenhalt.

Erzählform und Sprache

Es ist Sira selbst, die rückblickend ihre Geschichte erzählt und auch die Lebensumstände in dieser ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschreibt, die gesellschaftliche Schere zwischen Armut und Reichtum. Im Mittelpunkt steht neben ihren persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen die Rolle, die sie während dieser gefährlichen Jahre des politischen Franco-Regimes in Madrid spielt, über Intrigen, Vertrauensbrüche und wie sie selbst sogar ungewöhnliche Situationen spontan meistert. Durch Sira lernen wir ihre Kundinnen kennen und die Faszination besonderer Stoffe und exquisiter Entwürfe. Die Sprache schildert packend und macht diese Geschichte zu einem Page-Turner.
 

Fazit

Die spannende Geschichte einer Frau in einer geschichtlich brisanten Zeit.

Die Totgesagten – Camilla Läckberg

AutorCamilla Läckberg
VerlagList Taschenbuch
Datum10. März 2010
AusgabeTaschenbuch
Seiten416
SpracheDeutsch
ÜbersetzerinKatrin Frey
ISBN-13978-3548609614

„Wenn ihr – ich nehme an, Molin wird dich unterstützen – einen Hinweis findet, das wirklich etwas nicht stimmt, macht weiter. Falls ihr allerdings nichts Berauschendes findet, verschwendet ihr keine weitere Zeit damit.“ (Zitat Seite 72)

Inhalt

Der Termin der Hochzeit von Erica Falck und Patrik Hedström rückt rasch näher, zum Glück wird Erica von ihrer Schwester Anna tatkräftig unterstützt, denn Patrik und sein Team sind intensiv mit den Ermittlungen zu zwei völlig unterschiedlichen Fällen beschäftigt. Da ist der tödliche Autounfall von Marit Kasperson, Inhaberin eines kleinen Ladens. Warum hatte die Frau, die keinen Tropfen Alkohol angerührt hat, einen extrem hohen Alkoholspiegel im Blut? Patrik erinnert sich an einen ähnlichen Fall, der inzwischen drei Jahre her ist, ein angeblicher Selbstmord eines Mannes, der nie Alkohol getrunken hat, jedoch stark alkoholisiert war. Genaue Untersuchungen zeigen Details, die eindeutig auf Mord hinweisen, dennoch gibt es offenbar keine Verbindung zwischen den beiden Fällen, außer einer Seite aus einem Märchenbuch.  Gerade wird in Tanum die beliebte Reality-Soap ‚Raus aus Tanum‘ gedreht und nach einem heftigen Streit unter den Teilnehmern wird die Leiche eines jungen Mädchens, eine Teilnehmerin, in einer Mülltonne gefunden. Die Ermittler vermuten, dass eine der teilnehmenden Personen diesen Mord begangen hat, doch wer?

Thema und Genre

In diesem schwedischen Kriminalroman geht es um Mordermittlungen, Kindheitserinnerungen, Familienbeziehungen, Traumata, Reality-Fernsehshows, aber auch das Alltagsleben in einer überschaubaren Gemeinde.

Erzählform und Sprache

Auch dieser Band 4 der Falck-Hedström-Serie spielt in der Gemeinde Tanum, in Fjällbacka und in Tanumshede, wo sich das Polizeikommissariat befindet. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, immer wieder unterbrochen von Abschnitten mit den Erinnerungen und Gedanken der unbekannten Tatperson. Sehr gut gelingt der Autorin der Wechsel zwischen den Schilderungen der brutalen Morde und dem Familienleben von Erica und Patrik mit den Hochzeitsvorbereitungen, sowie dem Leben in der Gemeinde mit den vielen unterschiedlichen Charakteren und Schicksalen. Lebhaft und anschaulich sind auch die Schilderungen des Umfeldes und der medienwirksamen Dreharbeiten von Reality-Soaps. Auch wenn man als Leser eigene Vermutungen anstellt, sobald sich durch die Informationen der Ermittlungsarbeit Puzzleteil um Puzzleteil zusammenfügt, sorgen überraschende Wendungen für eine durchgehend packende Geschichte, die glaubwürdig und nachvollziehbar ist.

Fazit

Auch dieser Teil der Serie um den sympathischen Ermittler Patrik Hedström und seine Frau, die Autorin Erica Falck, garantiert spannende Unterhaltung, deren Vielschichtigkeit für ein abwechslungsreiches Leseerlebnis sorgt.

The Light in the Ruins – Chris Bohjalian

AutorChris Bohjalian
VerlagVintage Contemporaries
Datum9. Juli 2013
AusgabeKindle Ausgabe
Seiten322
SpracheEnglish
ASINB00B3GMIBY

„She might even take two days and visit the Rosati villa in Monte Volta. Maybe she would learn something from its ghosts.” (Zitat Seite 86)

Inhalt

Das alte Landgut der adeligen Familie Rosati, die Villa Chimera, liegt versteckt zwischen Weinbergen etwas außerhalb des toskanischen Ortes Monte Volta und damit auch abseits des direkten Kriegsgeschehens im zweiten Weltkrieg. Bis im September 1943 die Nationalsozialisten weite Teile Italiens besetzen und erfahren, dass sich nahe der Villa eine antike etruskische Grabstätte befindet. Zunächst interessiert den deutschen Oberst Erhard Decker, immer auf der Suche nach Kunstschätzen für Berlin, vor allem das Grabgewölbe, doch rasch auch für die große Villa selbst.

1955 findet Cristina Rosati den toten Körper ihre Schwägerin Francesca Rosati, das Herz wurde aus der Brust geschnitten und wirkungsvoll in einem Aschenbecher vor dem Frisierspiegel präsentiert. Rasch zeigt sich, dass es jemand offenbar auf die noch lebenden Mitglieder der Familie Rosati abgesehen hat. 1943 kämpfte Serafina Bettini trotz ihrer Jugend aktiv auf der Seite der Partisanen. Heute ist sie die erste Frau in der Mordkommission von Florenz. Sie ist überzeugt, dass der Tathintergrund in der Vergangenheit zu suchen ist, obwohl sie und ihr Chef Paolo Ficino sich fragen, warum erst jetzt, nach elf Jahren.

Thema und Genre

In diesem Roman mit geschichtlichem Hintergrund geht es um Italien im zweiten Weltkrieg zwischen Nationalsozialisten, Angriffen der Alliierten und Widerstand, Familiengeheimnisse, Verlust, Liebe und Rache. Die Geschichte zeigt viele Facetten zwischen Kriminalroman, Familiengeschichte und Generationenroman.

Erzählform und Sprache

Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen und auf zwei tatsächlichen Zeitebenen erzählt, die einander abwechseln und in sich chronologisch verlaufen. Die aktuellen Ereignisse schildern die Mordfälle, die Ermittlungsarbeit und Recherchen im Jahr 1955, ergänzt durch Erinnerungen. Das Geschehen in der Vergangenheit spielt während der Kriegsjahre 1943 und 1944. Wirklich spannend und interessant wird die Geschichte jedoch durch einen dritten Erzählstrang, den Gedankenströmen der Tatperson. Damit beginnt das Buch und die Schilderungen der Ermittlungen und Befragungen im Jahr 1955 werden wiederholt durch die Gedanken, Überlegungen und Planungen der nächsten Schritte dieser unbekannten Person ergänzt, wodurch wir aus einer anderen Perspektive auf das Geschehen blicken. Der Roman in englischer Sprache wurde nie übersetzt, doch die elegante, klare Erzählsprache, eindrucksvoll und lebhaft in den Schilderungen, ist sehr gut zu lesen.

Fazit

Ein packender Roman mit zeitlos gültigen Themen und Fragestellungen und einer Vielfalt an Charakteren, menschlichem Verhalten und Gefühlen. Spannende Unterhaltung und Lesevergnügen.

Kafkas Sohn – Szilárd Borbély

AutorSzilárd Borbély
VerlagSuhrkamp Verlag
Datum26. März 2017
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten200
SpracheDeutsch
ÜbersetzungHeike Flemming
Laszlo Kornitzer
ISBN-13978-3518425909

„Alle Gestalten, denen ich während des Schreibens begegnet bin, alle Figuren meiner Schriften irrten durch das Nichts, und ich versuchte sie aus ihm herauszuführen.“ (Zitat Seite 138, Kafkas vierzigster Geburtstag)

Inhalt

In diesem Romanfragment aus einzelnen Prosatexten nähert sich ein junger, osteuropäischer Schriftsteller seinem berühmten Vorbild Franz Kafka an, nicht nur dem Schriftsteller, sondern vor allem dem Menschen, dessen Gefühle und Erfahrungen er auch in sich spürt und teilt. So spaziert er immer wieder an Kafkas Seite durch dessen Prag, schafft eine imaginäre Gegenwart, in der sich Kafkas Schilderungen und Erfahrungen mit den eigenen verbinden.  Er beschreibt Kindheitserinnerungen, die geprägt sind durch eine problematische Vater-Sohn-Beziehung, und die stete Suche von eigenen Ausdrucksformen als Schriftsteller.

Thema und Genre

Kafkas Sohn sind Prosatexte, in deren Mittelpunkt der Schriftsteller Franz Kafka steht. Es ist ein unvollendeter Roman aus dem Nachlass von Szilárd Borbély, auch dies eine Parallele zu Franz Kafkas Romanen. Kernthemen sind Reisen und Wege, schriftstellerische Ausdrucks- und Erzählformen, Väter und Söhne, Glaube, Religion und die intensive Suche nach sich selbst, wenn man sich im eigenen Leben immer wieder verliert.

Erzählform und Sprache

Die einzelnen Geschichten sind in sich abgeschlossene Episoden, denen teilweise Kafkas Erzählungen zugrunde liegen, seine Briefe und seine Tagebuchaufzeichnungen. Die Reihenfolge ist keiner Chronologie unterordnet, manche Episoden wiederholen sich, aber aus neuen Gesichtspunkten, abgewandelt, verfremdet. Auch in dieser Erzählform in Fragmenten spiegelt sich Franz Kafkas Art zu schreiben wider. Schon der Titel lässt verschiedene Deutungen zu, Szilárd Borbély sieht Franz Kafka als prägendes schriftstellerisches Vorbild und sieht sich gedanklich manchmal als Kafkas Bruder, aber auch als Kafkas Sohn. Doch auch Franz ist Kafkas Sohn, Sohn von Hermann Kafka, der seinem Sohn Franz, den er nie verstanden hat, streng und kritisch, beinahe ablehnend, gegenüberstand, eine Beziehung, die das schriftstellerische Schaffen von Franz Kafka entscheidend geprägt hat.

Bewusst wurde in der vorliegenden Übersetzung auf alle Interpretationsmöglichkeiten verzichtet, die Übersetzung richtet sich nach dem Manuskript in Originalsprache, Kafka Fia, und unvollendete Sätze und Texte blieben unvollendet, scheinbare Unstimmigkeiten wurden ebenfalls nicht verändert. Dies geht aus den Kommentaren von Heike Flemming und Laszlo Kornitzer im Anhang hervor.

Fazit

Dieses Buch ist eine ungewöhnliche, intensive Auseinandersetzung mit Franz Kafka, seinem Leben und Werk, in einer interessanten, auch sprachlich spannenden Erzählform.

Der Roman des Jahres 2005 – 2024 – Deutscher Buchpreis

HerausgeberDeutscher Buchpreis
Börsenblatt MVB GmbH
Erscheinungsdatum 5. November 2024
FormatTaschenbuch
Seitenca. 135
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3-7657-3441-0

„Welche sind in besonderer Erinnerung geblieben? Welches möchten Sie vielleicht noch einmal lesen und für welches, das Sie noch nicht kennen, ist genau jetzt der richtige Moment?“ (Zitat Pos. 31-35, Einleitung)

Thema und Inhalt

Der Deutsche Buchpreis wurde in diesem Jahr 2024 zum zwanzigsten Mal vergeben. Die vorliegende Jubiläumsausgabe stellt nochmals alle mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichneten Romane von 2005 bis 2024 vor.

Gestaltung

Auf die Titelseite folgen Seiten mit Collagen aller Buchcover und ein Inhaltsverzeichnis mit Autor, Buchtitel, Seitenangabe. Nach dem Vorwort werden die zwanzig Romane einzeln vorgestellt. Die Reihung erfolgt chronologisch nach dem Jahr der Auszeichnung, beginnend mit dem Roman des Jahres 2005, Arno Geiger: Es geht uns gut, und endend mit dem Roman des Jahres 2024, Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir?. Jede Präsentation beginnt mit einem Foto des Autors oder der Autorin bei der Preisverleihung. Daran schließt die ausführliche Leseprobe an, gefolgt von der Inhaltsbeschreibung des Verlages, einer kurzen Biografie, dem Buchcover, und den Informatonen wie Verlag, ISBN, Seitenzahl und Preis.

Fazit

Auch diese Jubiläumsbroschüre liegt in vielen Buchhandlungen auf und ist kostenlos. Es ist ein spannender Rückblick, eine Erinnerung für alle Lesebegeisterten, die tatsächlich die jährlichen Nominierungen und Preisträger bereits seit 2005 verfolgen. Es ist aber auch eine  interessante Möglichkeit, alle Titel kennenzulernen und durch die ausführlichen Auszüge das eine oder andere Buch zu finden, das man bisher nicht beachtet hatte.

Mondlabyrinth – André Schinkel

AutorAndré Schinkel
Verlag Mitteldeutscher Verlag
Erscheinungsdatum 9. September 2024
FormatTaschenbuch
Seiten160
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3963116865

„Ein Stift huscht über die Fasern. Wir aber/ Sitzen, schauen, schweigen, denken und sehn/ In den Bäumen: So einfach könnte es sein.“ (Aus: Südpark, Seite 62)

Inhalt

Diese Gedichtsammlung, Teil drei einer Tetralogie, besteht aus vier voneinander unabhängigen Abschnitten: Versunkener Kontinent, Mondbucht, Stille Bewegung, Das Porphyrne Land. Diese Abschnitte umfassen jeweils zwischen sechzehn und zweiunddreißig Gedichte und Texte, die großteils in den Jahren 2014 bis 2024 entstanden sind.

Themen und Sprache

Es ist immer wieder die Natur, beobachtende Augenblicke, Stimmungen, welche die Gedanken zwischen Mitteldeutschen Hängen, Flüssen und Orten einfangen und loslassen, auf Reisen schicken zwischen Tag und Nacht, Erde und Mond. Eine weite Gefühlswelt mit allen Höhen und Tiefen, Liebe, glückliche Momente und Erinnerungen, fragende Zweifel, Träume, Sehnsucht und immer wieder der Wunsch nach Innehalten in der Stille. „Es ist diese wundersame Stille im Gesang / Der Gestirne und Vögel, unten am Fluß.“ (Aus. Gedicht bei den Bäumen am Fluss, Seite 107). So vielfältig wie die Themen sind auch die Texte selbst, von Gedichten in unterschiedlicher Dichte und Länge bis zu kurzen Prosatexten. Die Sprache nützt viele Ausdrucksmöglichkeiten, Wörter, Sätze, immer wieder Brüche, manchmal rastlos, manchmal in getragener Tiefe, und  drängt sich so in unsere Gedanken.

Fazit

Diese Gedichtsammlung ist, wie schon das Wort ‚Labyrinth‘ im Titel besagt, kein Buch für eine schnelle Lesestunde, rasch mal ein Gedicht zwischendurch, sondern es ist Lyrik, angesiedelt im Raum zwischen Erde und Mond, die in ihrer Vielfalt und Dichte der Beobachtungen und Gefühle unsere Aufmerksamkeit fordert, manchmal öfter gelesen werden will, um erfasst zu werden. Eine Herausforderung und gleichzeitig eine faszinierende Leseerfahrung, da sich in den Sprachbildern immer neue Gedankenspiele entdecken lassen.

Erzählungen und Romane – Franz Kafka

AutorFranz Kafka
Verlag Anaconda Verlag
Erscheinungsdatum 5. Oktober 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten1504
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3730609255

„Als der sechzehnjährige Karl Rossmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht.“ (Zitat Seite 569, aus: Der Verschollene- Amerika)

Thema und Inhalt

Diese Ausgabe enthält alle Erzählungen von Franz Kafka, nicht nur die von ihm selbst veröffentlichten Bücher, sondern auch einzeln veröffentlichte Texte und die Erzählungen aus dem Nachlass, herausgegeben von Kafkas Freund May Brod, sowie die drei Romane.

Gestaltung

Diese in Leinen gebundene Ausgabe mit Lesebändchen und Schutzumschlag ist auf Dünndruckpapier gedruckt, daher ist sie vom Gewicht und von der Dicke her noch handlich und auch bei längeren Lesestunden angenehm zu halten. Die verwendete Schriftgröße ist sehr gut zu lesen und die Papierqualität der einzelnen Seiten überzeugt, da nichts durchscheint.

Besonders an dieser Ausgabe ist auch die inhaltliche Vollständigkeit, denn neben Franz Kafkas bekannten Romanen „Der Prozess“ und „Das Schloss“ ist in dieser Sammlung auch der wenig bekannte, unvollendete Roman „Amerika (Der Verschollene)“ inklusive der erhaltenen Fragmente zu finden, der in anderen Sammelausgaben fehlt. Der Beginn dieses Romans war 1913 von Franz Kafka bereits als die Erzählung „Der Heizer“ veröffentlicht worden und ist daher auch in dieser Ausgabe in beiden Varianten vorhanden.

Das Buch beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis. Daran schließen die Erzählungen an und umfassen die Seiten 13 bis 565. Die Romane bilden ab Seite 567 bis Seite 1501 den zweiten Teil dieser Ausgabe, gefolgt von einem kurzen Quellenverzeichnis.

Fazit

Diese Sammlung ist vermutlich kein Buch, das man von Seite 1 bis Seite 1501 liest, lädt aber dazu ein, es immer wieder zur Hand zu nehmen und entweder einen der Romane, oder einige der Erzählungen zu lesen und so auch neue Texte und Facetten des vielseitigen Schriftstellers Franz Kafka zu entdecken.

Über nichts schreiben, als was meine Augen sehen – Aurelia Wyleżyńska

AutorAurelia Wyleżyńska
Verlag Ch. Links Verlag
HerausgeberBernhard Hartmann
Erscheinungsdatum 15. Oktober 2024
FormatGebundene Ausgabe
Seiten336
ÜbersetzerBernhard Hartmann
SpracheDeutsch
ISBN-13 978-3962892258

„Erst schien es mir meine Aufgabe zu sein, Material zu sammeln, um ein Zeugnis der Zeit, der traurigen Wahrheit zu schaffen, dann suchte ich im Schreiben Halt, inzwischen ist es mir zur Gewohnheit geworden.“ (Zitat Pos. 1160)

Thema und Inhalt

Die polnische Schriftstellerin und Journalistin fühlt sich verpflichtet, diese Tagebuch-Aufzeichnungen als Chronistin des Besetzungsalltags in Warschau zu führen.

Als die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939  Polen überfällt, macht Aurelia Wyleżyńska gerade Urlaub in der malerischen Landschaft am Fluss Dnister, nahe der rumänischen Grenze, weit weg von der Hauptstadt. Doch während die Menschen aus dem besetzten Warschau fliehen, entscheidet sie sich für das Gegenteil. Sie kehrt am 3. September 1939 bewusst in ihre Warschauer Wohnung zurück und beginnt, Tagebuch über ihre täglichen Eindrücke in der besetzten Stadt zu führen. Wiederholt besucht sie nun auch wieder das Landgut der Familie in Wielgolas, genießt die Ruhe, um zu schreiben, sich zu erholen. Die Aufzeichnungen in der vorliegenden deutschsprachigen Ausgabe beginnen am 10. August 1939 und enden mit einem letzten Eintrag am 29. Juni 1944. Aurelia Wyleżyńska erlebt die Vorbereitungen zum Warschauer Aufstand noch mit und stirbt am 3. August 1944 an einer Schussverletzung.

Umsetzung

Aurelia Wyleżyńska berichtet von ihren täglichen Spaziergängen und Streifzügen durch Warschau, erlebt die Entstehung des Warschauer Ghettos mit, die Verfolgung und Deportationen. Sie hilft, furchtlos, unermüdlich und wo sie kann, bleibt Anlaufstelle für alle, die Hilfe benötigen, stellt aber die wachsende Angst im Bekanntenkreis fest, wenn es darum geht, zu helfen und Menschen zu verstecken. Sie schreibt über ihre Erfahrungen und Eindrücke, beobachtet auch, wie sich die nicht-jüdische polnische Bevölkerung mit den Monaten verändert, den polnischen Antisemitismus, Denunziantentum und die gegenseitige Hetze. Immer wieder fragt sie sich, wie dieses Polen aussehen wird, wenn der Krieg zu Ende ist. Für Ereignisse, von denen sie gehört oder gelesen, die sie jedoch nicht selbst erlebt hat, verwendet sie bewusst so viele unterschiedliche Quellen wie möglich und spricht mit verschiedenen Personen.

Aurelia Wyleżyńska führt ihre Notizen und Aufzeichnungen handschriftlich und zunächst ungeordnet, um sie für mögliche spätere Artikel festzuhalten. Auch wenn ein Teil der Texte bereits mit der Schreibmaschine abgetippt wurde, hat sie eine Fülle von handschriftlichen Notizen und Artikeln hinterlassen, teilweise unleserlich. Die Aufzeichnungen mussten zunächst in mühevoller Kleinarbeit gesichtet, geordnet und, soweit möglich, in eine chronologische Reihenfolge gebracht werden. Die vorliegende, gekürzte Ausgabe ist eine Übersetzung auf Basis der 2022 erschienenen zweibändigen polnischen Ausgabe.

Fazit

Ein auf Grund der Authentizität der Berichte und Erfahrungen, der Einfühlsamkeit, der genauen Beobachtungsgabe und auch der sprachlichen Ausdruckskraft der Schriftstellerin und Reporterin Aurelia Wyleżyńska ein beeindruckendes, packendes Zeitdokument.

Vierundsiebzig – Ronya Othmann

AutorRonya Othmann
VerlagRowohlt Buchverlag
Datum12. März 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten512
SpracheDeutsch
ISBN-13978-349800361

„Die Sprachlosigkeit liegt noch unter der Sprache, selbst wenn ein Text da ist. Die Sprachlosigkeit ist das Unbeschreibliche, und sie ist selbst Teil des Textes.“ (Zitat Pos. 93)

Inhalt

Die Schriftstellerin und Journalistin Ronya Othmann ist in Deutschland aufgewachsen, als Tochter eines êzîdischen Vaters und einer deutschen Mutter. Im August 2014 ist sie einundzwanzig Jahre alt, als sie vor dem Fernsehgerät sitzt und versucht, in Gedanken und Worte zu fassen, was an diesem 3. August 2014 in Shingal geschehen ist, der vierundsiebzigste Ferman, ein Massaker durch IS-Kämpfer an den andersgläubigen Jesiden. Menschen, die fliehen konnten, kommen in den Bergen von Shingal um, die Männer, die im Vertrauen auf ihre arabischen Nachbarn geblieben sind, werden getötet, junge Frauen und Kinder werden auf Sklavenmärkten verkauft. Nach und nach ergibt sich das Bild dieser Ereignisse und der Verbrechen während der Besatzungszeit durch den IS aus den vielen Gesprächen, die sie führt, Camps, die sie besucht, in denen auch Familien leben, die vor dem IS aus Shingal geflohen sind, Fragen, die sie stellt und die doch keine Fragen sind, als sie 2018 in den Irak fliegt und ihre Familie in Silêmanî in der Region Kurdistan besucht. Am ersten Oktober 2022 fliegt sie mit ihrem Vater wieder nach Erbil und gelangt auf abenteuerlichen Wegen von Bagdad über Mossul nach Shingal und damit findet dieser Roman ein formales Ende, auch wenn die Geschichte nicht abgeschlossen werden kann.

Thema und Genre

In dieser literarischen Form eines dokumentarischen Romans zwischen Fakten, Autobiografie, Erinnerungen und tagebuchartigen Aufzeichnungen geht es um den Genozid an den Jesiden, den Versuch, die Ereignisse in einen Text zu fassen, das unvorstellbare Leid, welches der IS über die Menschen in dieser Region gebracht hat und das sich für die Autorin nicht in Worte fassen lässt, aber auch um die karge Schönheit des Landes, um die gelebte Gastfreundschaft und darüber, was Familie bedeutet.

Erzählform und Sprache

Die Texte sind Fragmente, Ronya Othmann schreibt, fügt Worte zu Sätzen zusammen, die Gedanken und Eindrücke kommen und gehen. Wiederholt nähert sie sich und ihre Texte dem Jahr 2014 an, recherchiert in der Bibliothek, liest die Berichte, liest und hört ihre Aufzeichnungen, ergänzt mit ihren persönlichen Erinnerungen, nicht immer chronologisch, aber durch Jahreszahlen und Datumsangaben zuordenbar. Immer wieder die Frage an sich selbst als Schriftstellerin, wie sie über all das Unfassbare schreiben soll, das passiert ist. Sie bezweifelt das erzählerische „Ich“, da sie dies nicht persönlich erlebt hat, die Alltäglichkeiten, die sie beschreibt, eingebunden in die Texte über die Verbrechen an den Êzîden, über die sie aber schreiben muss, damit sie nicht vergessen werden. „Ich denke, dass eine Geschichte immer aus zweierlei besteht: dem, was erzählt wird, und dem, was unerzählt bleibt. Die verborgenen und aufklaffenden Lücken, nicht unter dem Text, sondern darin.“ (Zitat Pos. 5965)

Fazit

Vielfältig, literarisch ungewöhnlich, eine tief beeindruckende Leseerfahrung.

Pi mal Daumen – Alina Bronsky

AutorAlina Bronsky
Verlag Kiepenheuer&Witsch
Datum15. August 2024
AusgabeGebundene Ausgabe
Seiten272
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3462004250

„Moni saß neben mir, nachdem sie ihre Ikea-Tasche in den Gang gestellt hatte. Daraus lugten ein kleiner, bunter Gummistiefel und mehrere Stangen Lauch hervor.“ (Zitat Pos. 91)

Inhalt

Semesterbeginn, die erste Vorlesung Analysis hat schon begonnen, als Moni Kosinsky in den Hörsaal kommt und sich auf den freien Sitz neben Oscar setzt. Oscar, Graf von Ebersdorff, ist erst sechzehn Jahre alt, hochbegabt und sagt immer, was er denkt, da soziales Verhalten und das Knüpfen von Kontakten definitiv kein Thema für den leicht autistischen Einzelgänger sind. Moni, dreiundfünfzig, als Großmutter von drei Enkeln und Inhaberin mehrerer Nebenjobs immer unter Zeitdruck, will sich endlich den Traum vom Mathematik-Studium erfüllen. Da sie in einigen Fächern Zweiergruppen bilden müssen, für Oscar ein notwendiges Übel, das er gerne umgangen hätte, denn „Gut bin ich selber“ (Zitat Pos.134) scheint ihm Moni die beste Lösung zu sein. Womit er Recht hat, denn bald stellt sich heraus, wie gut sie als Zweiergruppe auch die nicht immer einfachen Anforderungen des Alltags meistern.

Thema und Genre

In diesem Roman geht es um zwei Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Gesellschaftsschichten, beide sind auf ihre Art Außenseiter. Themen sind Familie, Freundschaft, Vorurteile, Träume und Wünsche an das eigene Leben und natürlich die Mathematik.

Erzählform und Sprache

Oscar ist der Ich-Erzähler der Geschichte und schildert die Ereignisse chronologisch. Da er ein extrem guter Beobachter ist und gewohnt ist, alle Ereignisse, auch die alltäglichsten Kleinigkeiten, in seinen Gedanken genau zu analysieren, erfahren wir nicht nur viel über ihn selbst, sondern auch über Moni und deren Familie. Spannend sind Oscars innere Gedankenströme, denn so können wir besser nachvollziehen, wie einfach für ihn auch sehr komplexe mathematische Fragen zu lösen sind, aber wie herausfordernd es für ihn wird, wenn es um menschliches Miteinander und emotionale Empathie geht. Diese völlig gegensätzlichen Charaktere und ihr ebenso unterschiedliches persönliches Umfeld funktionieren großartig, füllen die Geschichte mit Leben und Spannung. Die mit der Handlung vernetzten mathematischen Themen werden interessant und allgemeinverständlich erklärt. Die Erzählsprache ist eine überzeugend ausgewogene Mischung zwischen einfühlsam, nachdenklich, frech und sehr witzig.

Fazit

Zwei liebenswerte Hauptfiguren und eine unterhaltsame, aber keineswegs triviale Geschichte, die man mit großem Vergnügen liest.

Ich spreche von Blau, nicht vom Meer – Hussein Bin Hamza

AutorHussein Bin Hamza
NachwortMichael Krüger
Verlag Edition CONVERSO
Erscheinungsdatum 25. Februar 2020
FormatGebundene Ausgabe
Seiten96
SpracheArabisch/Deutsch
ÜbersetzerGünther Orth
ISBN-13978-3981976366

„Wir begruben unsere Lieben / unter einer dünnen Schicht Erde / in der Hoffnung / dass sie noch einmal nachwachsen.“ (Gedicht Aussaat, Seite 51)

Inhalt

Dies ist eine zweisprachige Ausgabe von Gedichten des syrisch-kurdischen Dichters und Journalisten Hussein Bin Hamza. Geboren in Al-Hasaka, Syrien, lebte er ab 1995 in Beirut, wo er als Schriftsteller, Literaturkritiker, Redakteur und Verlagsleiter tätig war und floh 2017 mit seiner Familie nach Deutschland. Dieser Gedichtband umfasst neunundfünfzig Gedichte, die eines gemeinsam haben: sie alle sind ab 2017 in Deutschland entstanden. „In Deutschland, wo ich seit 2017 lebe, fühle ich mich nicht wie einer, der nach langer Zeit wieder anfängt zu dichten, sondern wie einer, der zum ersten Mal schreibt. Hier in Deutschland wurde ich zu einem neuen Dichter.“ (Hussein Bin Hamza, Seite 88). Der Gedichtband schließt mit einem Nachwort des Schriftstellers und Dichters Michael Krüger.

Themen und Sprache

In einem Teil dieser Gedichte geht es um die Liebe, um Sehnsucht und um die Zerbrechlichkeit der Liebe. In dem Gedicht „Nach der Liebe“ stellt der Dichter fest, „Wenn wir lieben, hat die Poesie Pause“ (Seite 39), denn die richtig guten Gedichte entstehen erst, nachdem man verlassen wurde. Hussein Bin Hamza beobachtet aber auch erstaunt und skeptisch seine neue Heimat, seinen deutschen Nachbarn, die Natur, doch das Hauptthema dieser Texte sind Flucht, Fremde und vor allem Einsamkeit. „Ich kleidete meine Einsamkeit in einen Wollschal / gab ihr zwei dicke Handschuhe / und zerrte sie nach draußen“ (Zitat aus „Zwei Flecke“, Seite 70). Es ist die poetische Sprache, die, oft lyrisch-metaphorisch knapp, mit einer unglaublichen Intensität ihrer Worte Bilder malt, die sich sofort tief in unsere Gedanken und Gefühle prägen und die uns einzelne Sätze und Gedichte immer wieder lesen und mit neuen Facetten entdecken lässt.

Fazit

Es sind Gedichte, die ihren Gedanken- und Gefühlsreichtum oft in wenig Worte und kurze Sätze fassen, dies so poetisch leise und eindringlich, dass wir beim Lesen Tränen in den Augen, gleichzeitig aber ein Lächeln auf den Lippen spüren.

Schecks Bestsellerbibel: Schätze und Schund aus 20 Jahren – Denis Scheck

AutorDenis Scheck
Verlag Piper Verlag
Erscheinungsdatum 29. August 2024
FormatGebundene Ausgabe
IllustratorTorben Kuhlmann
Seiten432
SpracheDeutsch
ISBN-13978-3492072946

„Gute Literaturkritiker müssen genau wie gute Buchhändler und gute Bibliothekare auch über dieses intuitive Einschätzungsvermögen verfügen, welches Buch zu welcher Leserin, zu welchem Leser passt.“ (Zitat Seite 33)

Thema und Inhalt

Dieses Buch ist ein literarischer und zeitgeschichtlicher Rückblick auf die vergangenen zwanzig Jahre und zugleich eine fundierte Auseinandersetzung des Literaturkritikers Denis Scheck mit den monatlichen Spiegel-Bestsellerlisten Belletristik und Sachbuch.

Umsetzung

Schecks Bestsellerbibel beginnt treffend mit den zehn Geboten des Lesens, gefolgt von einem Vorwort, ein persönlicher literarischer Rückblick des Lesers Denis Scheck. Interessant ist die Liste der zehn meistverkauften Bücher aller Sprachen und Zeiten, erstellt im Jahr 2013, wobei alle religiösen Schriften und Comics  ausgenommen wurden.

Daran schließt der Hauptteil dieses Buches an. Jeder große Abschnitt umfasst ein Jahr von 2023 bis 2003, und beginnt mit einem Essay zu einem bestimmten Thema. Weit gefächert geht es um Literaturkritiker, Bücher als mögliche Therapie, Leser und das Lesen.

Alle Artikel, einer pro Jahr, schließen mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten Ereignisse des betreffenden Jahres, einer Aufstellung der Preisträger aller Literaturpreise, der im jeweiligen Jahr verstorbenen literarischen Persönlichkeiten und kurzen Statements von Denis Scheck zur Situation auf dem Büchermarkt.

Die detailliert besprochenen Spiegel-Bestsellerlisten beginnen mit der Sachbuch-Liste Februar 2023, der Belletristik-Liste März 2023 und schließen mit der Belletristik-Liste Juni 2003 und der Sachbuchliste November 2003 ab. Am Ende des Buches findet sich ein alphabetisches Namensregister alle genannten Autoren und Autorinnen.

Fazit

„Literatur ist Zauberei. Wortmagie. Für mich die größte Kunstleistung der Menschheit.“ (Zitat Seite 13) So ist auch dieses Buch eine magische, literarische Fundgrube mit vielen interessanten Informationen, eine kritische, und dennoch unterhaltsame, Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlich erfolgreichen belletristischen Massenmarkt der letzten zwanzig Jahre. Man muss mit Denis Scheck nicht immer einer Meinung sein, entdeckt durch ihn aber auf jeden Fall Bücher für die persönliche Wunsch-Leseliste, die man in der Vielfalt des Buchmarktes übersehen hatte.

1 2 3 43