Café der Unsichtbaren – Judith Kuckart
Autor | Judith Kuckart |
Verlag | DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG |
Erscheinungsdatum | 17. Februar 2022 |
Format | Gebundene Ausgabe |
Seiten | 208 |
Sprache | Deutsch |
ISBN-13 | 978-3832181567 |
„Jede Situation hat eine Geschichte, die man kennen muss, um das Woher und Wieso zu verstehen, hat sie einmal zusammengefasst, jeder Augenblick hat seine Biografie und jede Biografie ihre Rätsel.“ (Zitat Pos. 906)
Inhalt
Vor vier Jahren hatte die Gruppe gemeinsam die Ausbildung für ihre freiwillige Tätigkeit beim Sorgentelefon e.V. begonnen, heute teilen sie sich den Dienst am Telefon, Tag und Nacht. Rieke, die angehende Theologin, die eigentlich hatte Schauspielerin werden wollen, träumt von einer Stelle als Pfarrerin in einem Dorf, von einem alten Haus mit Birnbaum und Familie, doch noch studiert sie und findet ihre Geschichten für Übungspredigten im unsichtbaren Alltag der Anrufenden, notiert alles in ihrem rosa Heft. Ihre Einsätze am Sorgentelefon teilt sie mit Wanda, Marianne, Emilia, Matthias, Lorentz und der beinahe achtzig Jahre alten Frau von Schrey, kein Vorname, aber gelbe Klebezettel am Bildschirmrand mit kurzen Notizen über die besonderen Eigenheiten von einigen Daueranrufern. Sie alle vereint Einsamkeit in unterschiedlichen Facetten und ebenso unterschiedliche Träume – und die Geschichten, die der Anrufenden und ihre eigenen.
Thema und Genre
Dieser Roman besteht aus vielen Momentaufnahmen, aus Geschichten aus dem Alltagsleben unserer Zeit, von Menschen zwischen der Mitte und dem Rand der Gesellschaft.
Charaktere
Wir lernen viele unterschiedliche Figuren kennen, ihre Vorgeschichte und ihre Konflikte. Um diese vielen Formen des Mensch-Seins geht es in diesem Buch.
Handlung und Schreibstil
Die Handlung springt in kurzen Abschnitten zwischen einem Zeitraum vor vier Jahren, ergänzt durch Erinnerungen, und ebenso rasch zwischen den aktuellen Tagen von Gründonnerstag bis Ostermontag. Von Schrey führt als beobachtende Ich-Erzählerin durch einige Episoden, wechselt wiederholt auch in personale Erzählperspektiven. Es sind Fragmente, die kurz auftauchen und wieder verschwinden, und etwa ab der Mitte des Buches wünschte ich mir beim Lesen ruhige Unterbrüche, etwas mehr Ruhe zum gedanklichen Atemholen. Oder einfach eine neue, überraschende Abwechslung in diesem Erzählstil, der teilweise etwas zu gewollt erscheint. Dies mag an den vielen literarischen Vorbildern liegen, welche die Autorin am Ende des Buches als Inspiration für ihre Erzählform nennt, hier wäre vielleicht weniger mehr gewesen.
Fazit
„Wer mag mir folgen, wenn meine Geschichte mit bereits bekannten Momenten noch einmal eingesetzt hat? Denn Erzählen ist ein Labyrinth. Immer wieder kommt man – auf der Suche nach einem guten Ausgang – an Stellen vorbei, die einem bekannt vorkommen, aber doch noch kein Ausgang sind.“ (Zitat Pos. 593 – 599) Besser als die Autorin selbst kann man dieses Buch nicht beschreiben. Ich wäre ihr sehr gerne gefolgt, doch in ihrem Erzähllabyrinth hat sie mich irgendwann verloren – andere Leser:innen werden ihr sicher begeistert folgen.